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ID0302111700

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    Deutscher Bundestag 21. Sitzung Bonn, den 25. März 1958 Inhalt: Antrag der CDU/CSU auf Begrenzung der Redezeit Rasner (CDU/CSU) 1057 B Dr. Mommer (SPD) . . . . . 1057 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . 1058 D Große Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238); Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) ; — Fortsetzung der Aussprache —. Dr. Dr. Heinemann (SPD) . 1059 D, 1117 D D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 1067 B Dr. Bucher (FDP) 1085 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 1088 D Ollenhauer (SPD) 1092 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 1099 D Dr. von Brentano, Bundesminister 1103 D Strauß, Bundesminister . . . . . 1107 B Dr. Arndt (SPD) (zur GO) . . . . 1115 D Rasner (CDU/CSU) (zur GO) . . . 1116 D Dr. Mende (FDP) (zur GO) . . . 1117 B Erler (SPD) 1118 B Dr. Bechert (SPD) 1122 D Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 1125 C Dr. Achenbach (FDP) 1128 B Frau Herklotz (SPD) 1132 A Frau Dr. Rehling (CDU/CSU) . . 1133 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 1135 D Kiesinger (CDU/CSU) 1139 D Dr. Mende (FDP) 1145 D Erklärungen zur Abstimmung Ollenhauer (SPD) 1150 D Dr. Mende (FDP) 1151 B Dr. Krone (CDU/CSU) . . . . . 1151 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 1152 A Dr. Friedensburg (CDU/CSU) (zur Behandlung der Berliner Abgeordneten) . . . . . . . . . . 1154 D Namentliche Abstimmungen, Einzel-abstimmungen Schneider (Bremerhaven) (DP) (zu Umdruck 34 Ziffer 5) . . . . 1155 A Kiesinger (CDU/CSU) (zu Umdruck 37, Umdruck 41) . . . 1157 B, 1160 B, D Erler (SPD) (zu Umdruck 41) . . . 1 160 B Dr. Bucher (FDP) (zu Umdruck 41) . 1160 C Dr. Mommer (SPD) (zu Umdruck 43) 1163 C Nächste Sitzung 1166 C Anlagen 1167 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 1057 21. Sitzung Bonn, den 25. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.32 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 12.4. Dr. -Ing. E. h. Arnold 25. 3. Bazille 1.4. Dr. Becker (Hersfeld) 19.4. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 25.3. Conrad 18. 4. Diel (Horressen) 19. 4. Dr. Eckhardt 29.3. Eilers (Oldenburg) 26.3. Felder 31.3. Dr. Friedensburg 26.3. Frau Friese-Korn 31.5. Funk 29. 3. Gottesleben 8.4. Dr. Gülich 29.3. Häussler 29.3. Heiland 31.3. Dr. Höck (Salzgitter) 31.3. Höcker 15.4. Frau Dr. Hubert 12.4. Jacobs 20. 4. Jahn (Frankfurt) 29.3. Jürgensen 31.3. Frau Kipp-Kaule 29.3. Dr. Kopf 29.3. Kunze 15.5. Lenz (Trossingen) 29.3. Dr. Lindenberg 29.3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30.4. Dr. Maier (Stuttgart) 25.3. Mellies 25.4. Muckermann 30.3. Murr 25.3. Neumann 12.4. Paul 30.4. Pelster 1.4. Frau Dr. Probst 25. 3. Rademacher 26. 3. Ramms 31.3. Schneider (Hamburg) 31.3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 26. 3. Dr. Stammberger 26.3. Dr. Starke 26.3. Frau Dr. Steinbiß 29.3. Stenger 25. 3. Strauß 25.3. Struve 29.3. Vogt 12.4. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 29. 3. Wehr 31.3. Weimer 29.3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 26. 3. Anlagen zum Stenographischen Bericht b) Urlaubsanträge Abgeordneter bis einschließlich Bauknecht 10. 5. Even (Köln) 19. 4. Höcherl 10. 5. Dr. Ripken 15. 4. Dr. Zimmermann 10. 5. Anlage 2 Umdruck 33 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, sich bei den Vier Mächten, den USA, der UdSSR, dem Vereinigten Königreich und Frankreich, dafür einzusetzen, daß eine Viermächtearbeitsgruppe (Ständige Konferenz der Stellvertreter der Außenminister oder Botschafterkonferenz) zur Behandlung der Deutschlandfrage gebildet wird mit dem Auftrag, die Grundzüge eines Vertrages für Gesamtdeutschland zu erarbeiten. Bonn, den 18. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 3 Umdruck 34 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. einen Beitrag zur allgemeinen Abrüstung durch den Verzicht auf die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen zu leisten; unter Berücksichtigung der Spaltung unseres Vaterlandes und der Bemühungen zur Wiedervereinigung mit Hilfe geeigneter Kontrollmaßnahmen zu erreichen, daß sowohl in der Bundesrepublik als auch im anderen Teil Deutschlands Atomwaffen weder stationiert noch gelagert und Atomwaffenanlagen nicht errichtet werden; 1168 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode -- 21, Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 3. sich dafür einzusetzen, daß gleichzeitig mit einem Abkommen über eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa eine Vereinbarung über die Stationierung konventioneller Streitkräfte im Raum der atomwaffenfreien Zone erzielt wird; 4. sich in allen Fragen der gemeinsamen Verteidigung bei den Mächten der Atlantischen Verteidigungsgemeinschaft um Berücksichtigung der besonderen Lage des geteilten Deutschlands zu bemühen; 5. in engem Zusammenwirken und dauernder Beratung mit der deutschen Atomwissenschaft dafür Sorge zu tragen, daß geeignete Maßnahmen für den Atomschutz der Bevölkerung getroffen werden und daß die Nutzung der Atomenergie ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Bonn, den 18. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 4 Umdruck 35 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, mit allen Mächten, die noch keine atomaren Waffen herstellen und besitzen, Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel des Abschlusses einer Konvention über Verzicht auf Herstellung und Besitz atomarer Waffen. Bonn, den 18. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 5 Umdruck 36 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest, daß atomare Sprengkörper jeder Art Werkzeuge der blinden Massenvernichtung sind und ihre Anwendung keine Verteidigung, sondern unberechenbare Zerstörung alles menschlichen Lebens bedeutet. Atomare Sprengkörper rotten unterschiedslos und unbegrenzbar Frauen und Kinder, Männer und Greise, jung und alt aus und verwandeln das Land in eine strahlenverseuchte, unbewohnbare Wüste. Von der Bundesregierung wird erwartet, daß sie unter Berufung auf ihre feierliche Erklärung vom 3. Oktober 1954 — dem Vertrag über den Beitritt der Bundesrepublik zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag als Anlage I zum Protokoll Nr. III über die Rüstungskontrolle beigefügt —, in der die Bundesrepublik auf die Herstellung atomarer Sprengkörper verzichtet hat, den Staaten, die nicht über Atomwaffen verfügen, vorschlägt, ein Übereinkommen zum Verzicht auf Herstellung und Verwendung von Atomwaffen abzuschließen und dadurch zugleich den Atomweltmächten die moralische Verpflichtung aufzuerlegen, die Verhandlungen über die kontrollierte Begrenzung der Rüstungen so zu fördern, daß auch ein Abkommen über die Ausschaltung der Atomwaffen zustande kommt. Bonn, den 18. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 6 Umdruck 37 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, keinerlei Verpflichtungen einzugehen und keinerlei Maßnahmen zu treffen, die die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atom- und Wasserstoff-Sprengkörpern, die Stationierung von Atomraketen und den Bau von Basen für diese Raketen zum Ziele haben. Bonn, den 18. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 7 Umdruck 38 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, mit der Regierung der Volksrepublik Polen und den anderen beteiligten Mächten in Verhandlungen über die Verwirklichung des Planes einer atomwaffenfreien Zone in Europa einzutreten. Bonn, den 18. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 1169 Anlage 8 Umdruck 39 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest, daß die Wiedervereinigung Deutschlands in gesicherter Freiheit Verhandlungen und Maßnahmen voraussetzt, die schrittweise eine Entspannung bewirken. Eine solche Politik dient zugleich der Kriegsverhütung und vermehrt die Aussichten auf die für das deutsche Volk lebensnotwendige Sicherheit. Eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr ist abzulehnen, weil sie eine politische Lösung der deutschen Frage bis zur Hoffnungslosigkeit erschwert. Sie verschärft die Spannungen und ist der Sicherheit des deutschen Volkes abträglich. Bonn, den 18 März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 9 Umdruck 40 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, sich bei den Vier Mächten für die Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag für Gesamtdeutschland einzusetzen. Bonn, den 22. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 10 Umdruck 41 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP Der Bundestag wolle beschließen: 1. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, auch weiterhin getreu ihrer grundsätzlichen Auffassung bei allen internationalen Verhandlungen und Konferenzen, an denen sie teilnimmt oder auf die sie Einfluß hat, a) für eine allgemeine kontrollierte Abrüstung sowohl atomarer wie konventioneller Waffen einzutreten, b) die Bereitschaft zu bekräftigen, daß die Bundesrepublik jedes derartige Abrüstungsabkommen annehmen wird, um dadurch zur Entspannung und zur Lösung der internationalen Probleme einschließlich der deutschen Frage beizutragen. 2. Solange der Kommunismus seine weltrevolutionären Ziele weiterverfolgt, die er noch im November 1957 auf der Tagung der Kommunistischen und Arbeiter-Parteien der sozialistischen Länder in Moskau erneut bekräftigt hat, können Friede und Freiheit nur durch eine gemeinsame Verteidigungsanstrengung der freien Welt gesichert werden. Der Bundestag stellt fest, daß die Bundeswehr lediglich der Erhaltung des Friedens und der Verteidigung dient. Darum fordert er die Bundesregierung auf, bis zum Zustandekommen eines allgemeinen Abrüstungsabkommens den Aufbau der deutschen Landesverteidigung im Rahmen der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft fortzusetzen. In Übereinstimmung mit den Erfordernissen dieses Verteidigungssystems und angesichts der Aufrüstung des möglichen Gegners müssen die Streitkräfte der Bundesrepublik mit den modernsten Waffen so ausgerüstet werden, daß sie den von der Bundesrepublik übernommenen Verpflichtungen im Rahmen der NATO zu genügen vermögen und den notwendigen Beitrag zur Sicherung des Friedens wirksam leisten können. 3. Das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits der Zonengrenze erwartet, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die deutsche Frage erörtert und einer Lösung nähergebracht wird. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, sich dafür mit allen Kräften einzusetzen. 4. Der Bundestag wiederholt seine Überzeugung, daß freie Wahlen die Grundlage der deutschen Wiedervereinigung bilden müssen. Er lehnt mit Entschiedenheit ab a) den Abschluß eines Friedensvertrages für zwei deutsche Staaten, b) Verhandlungen mit den Vertretern des derzeitigen Zonen-Regimes, c) den Abschluß einer Konföderation mit diesem Regime. 5. Der Bundestag bekräftigt seine Überzeugung, daß die Wiedervereinigung Deutschlands in Verbindung mit einer europäischen Sicherheitsordnung die dringlichste Aufgabe der deutschen Politik ist. Bonn, den 25. März 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion 1170 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 Anlage 11 Umdruck 42 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktionen der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag ein Weißbuch vorzulegen, aus welchen Gründen sie eine Ausbildung der Bundeswehr mit atomaren Massenvernichtungsmitteln in Erwägung zieht und welche Ausstattung der Bundeswehr mit solchen Massenvernichtungsmitteln sie plant. Das Weißbuch soll zugleich darlegen, wie die Bundesregierung nachteilige Folgen für die Aussicht auf Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit abzuwenden gedenkt. Bonn, den 25. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 12 Umdruck 43 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Frage, ob die Bundeswehr mit atomaren Massenvernichtungsmitteln üben oder ausgerüstet werden kann oder soll, wird zurückgestellt, bis die in Aussicht genommene Konferenz zwischen den Regierungschefs der Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion stattgefunden hat. Von ,dem amerikanischen Angebot, 48 „Matador"- Raketen für die Bundeswehr zu erwerben, wird kein Gebrauch gemacht. Bonn, den 25. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 13 Umdruck 44 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bis zum 31. Mai l958 zu berichten, welche konkreten Schritte und Maßnahmen sie den Regierungen der USA, UdSSR, Großbritanniens und Frankreichs vorzuschlagen gedenkt, die nach ihrer Auffassung geeignet sind, a) schrittweise eine kontrollierte Abrüstung, b) eine engere Verbindung zu den Menschen in Mitteldeutschland, c) die Wiedervereinigung herbeizuführen. Bonn, den 25. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 14 Umdruck 45 Entschließungsantrag der Fraktionen der FDP, SPD Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag wiederholt feierlich den im Grundgesetz enthaltenen Appell, daß das ganze deutsche Volk aufgefordert bleibt, die Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung zu vollenden. Die Verpflichtung der Vier Mächte zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands wird hierdurch nicht berührt. Bis zu dem Tage, an dem sich das deutsche Volk in freier Entscheidung eine Verfassung gibt, besteht in Deutschland keine endgültige und bleibende Staatsordnung. Die Bundesrepublik ist sich bewußt, daß sie als Ordnung des staatlichen Lebens für eine. Übergangszeit geschaffen wurde. Der Deutsche Bundestag erwartet deshalb die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands nicht von einem zwischen zwei deutschen Teilstaaten ausgehandelten Staatsvertrag, sondern unmittelbar von einem freien Willensentschluß des gesamten deutschen Volkes in seinen heute noch getrennten Teilen, der nach der Beseitigung der nicht in deutscher Zuständigkeit liegenden Hindernisse herbeizuführen ist. Der Bundestag erklärt seine Bereitschaft, jede Verhandlung zu unterstützen, die die Wege zu einem solchen Willensentscheid des deutschen Volkes ebnet, sobald eine Vereinbarung der Vier Mächte diese Möglichkeit erschlossen hat. Bonn, den 25. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 1171 Anlage 15 Umdruck 46 Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, um die Verhandlungen über die allgemeine Abrüstung zu fördern und die furchtbaren Gefahren für die Gesundheit der Lebenden und der kommenden Generationen abzuwenden, auf die Mächte, die Atomwaffen produzieren, einzuwirken, daß die Versuchsexplosionen mit Atomsprengkörpern sofort eingestellt werden. Bonn, den 25. März 1958 Frau Albertz Frau Renger Frau Bennemann Frau Rudoll Frau Berger-Heise Frau Schanzenbach Frau Beyer (Frankfurt) Frau Strobel Frau Döhring (Stuttgart) Frau Wessel Frau Eilers (Bielefeld) Frau Wolff (Berlin) Frau Herklotz Ollenhauer und Fraktion Frau Keilnack Frau Kettig Frau Dr. Diemer-Nicolaus Frau Korspeter Frau Friese-Korn Frau Krappe Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Frau Meyer-Laule Dr. Mende und Fraktion Frau Nadig Anlage 16 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Bausch nach § 36 der Geschäftsordnung. In der Sitzung vom Freitag, dem 21. März, hat der Abgeordnete Döring von der Fraktion der FDP u. a. erklärt, es werde „der Tag nicht mehr fern sein, wo die oppositionellen Kräfte nicht nur gegen diese Politik, die dahintersteckt stehen, sondern zwangsläufig gegen diesen Staat gestellt werden. Das würde denn auch bedeuten, daß diejenigen, die diesen Staat dann einmal in der Zukunft nicht mehr oder nicht als endgültige Lösung anerkennen wollen, die ersten Hochverratsprozesse zu erwarten haben." Ich habe darauf den Zwischenruf gemacht: „Hoffentlich". Wegen dieses Zwischenrufs bin ich im Verlauf der Debatte mehrfach angegriffen worden. Ich lege deshalb Wert darauf, folgendes festzustellen: 1. Der Abgeordnete Döring hat in der ersten Rede die er in diesem Hause gehalten hat, ganz offen angekündigt, der Tag werde nicht mehr fern sein, an dem oppositionelle Kräfte diesen Staat in Zukunft nicht mehr werden anerkennen wollen. Seit dem ersten Zusammentreten des Bundestages im Jahre 1949 ist es das erste Mal, daß von der Tribüne des Bundestages herab offen und unverhüllt eine Bewegung gegen diesen Staat angekündigt wurde. Dies verdient festgehalten zu werden. An einem solchen Vorgang kann man nicht einfach vorbeigehen. Hier wurde ein Zeichen aufgerichtet, das nicht übersehen werden darf. 2. Ich hoffe nicht, daß es zu einer solchen Entwicklung kommt. Ich würde dies für ein geradezu unabsehbares Verhängnis für unser Volk halten. 3. Wenn es aber so weit käme, dann allerdings hoffe ich — und dies war der Sinn meines Zwischenrufs —, daß sich alle staatstragenden Kräfte unseres Volkes in dem Willen vereinigen werden, diesen Staat zu verteidigen, und daß auch die Richter dieses Staates, ihrem Eide getreu, jeden daran hindern werden, seine Hand gegen den Staat zu erheben. Bonn, den 25. 3. 1958 Bausch
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    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet auf die Gefahr hin, daß Herr Bundesverteidigungsminister Strauß glaubt, auch ich wolle mich hier für den Parteitag im Mai als Kandidaten für den Parteivorstand der SPD qualifizieren. Das ist nicht der Fall.

    (Abg. Müller-Hermann: Ehrlich! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    Ich muß die Auguren enttäuschen.

    (Heiterkeit und erneute Zurufe von der Mitte.)




    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Ich werde mich auf dem Parteitag als Kandidaten vorstellen, ja; aber ich glaube, daß meine Parteifreunde mich nicht nur nach dem beurteilen werden, was ich hier gesprochen habe, sondern wie alle anderen von uns nach dem, was wir in den letzten Jahren getan haben!

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Bundesverteidigungsminister, auch auf dem Felde der kleinen Bosheiten, die zu unserem Hausgebrauch gehören, haben Sie uns schon mehr verwöhnt als heute.

    (Abg. Kiesinger: Kleine Bosheiten sind auch nicht so schlimm, aber die großen Bosheiten!)

    Sie haben schon bessere angebracht, wesentlich bessere. Immerhin, von einem Alumnen des Maximilianeums kann man das erwarten.
    Ich habe das Wort erbeten, weil ich glaube, daß einige Bemerkungen, die heute gemacht worden sind, es wert sind, daß auf sie eingegangen wird.
    Es ist in bewegten Worten davon gesprochen worden, wie sehr die ganze bisherige Politik der Bundesregierung eine Friedenspolitik gewesen sei und wie jeder Akt, der in Verfolgung dieser Politik gesetzt worden ist, dazu gesetzt worden sei, um damit dem Frieden zu dienen. Das bezweifle ich nicht. Die Frage ist, ob diese Dinge wirklich dem Frieden gedient haben beziehungsweise die Voraussetzungen für den Bestand des Friedens und die Wiedervereinigung vermehrt oder vermindert haben.
    Es wurde unter anderem der Beitritt der Bundesrepublik zum Europarat erwähnt. Man hat uns vorgeworfen, wir hätten dagegen gestimmt, ein bißchen mit dem Unterton: weil wir eben Nationalisten und böse Feinde Europas seien.

    (Abg. Kiesinger: Weil wir uns gegen den Vorwurf des Nationalismus wehren wollten!)

    — Herr Kiesinger, Sie sind ein kluger Mann und voll Besonnenheit, wie es in der Ballade Conrad Ferdinand Meyers heißt. Wir haben davor gewarnt, nach Straßburg zu gehen, weil wir in diesem Schritt den Ausdruck einer Politik sahen, die uns durch das Vorzimmer des Europarates in die Waffenkammer der NATO führen mußte!

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir hielten das für einen verhängnisvollen Schritt. Entscheidend sind nämlich nicht allein die Absichten, die man mit etwas verbindet, sondern entscheidend ist, welche Ursachenreihen man mit dem auslöst, was man tut.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Und da gilt eben das Wort Mephistos, der auch ein kluger Mann war: „Beim ersten sind wir frei, beim zweiten sind wir Knechte".
    So geschieht auch jetzt manches, das uns veranlassen sollte, dieses Wort zu bedenken: Reden wir nicht so viel von den Absichten, die uns bewegen, reden wir mehr von der Wahrscheinlichkeit der Folgen unseres Tuns. Sie sagen: Die Wahrscheinlichkeit der Folgen unseres Tuns wird sein: Vermehrung unserer Sicherheit. Wir sagen: Nein, eine Verminderung unserer Sicherheit. Sie sagen: Eine Erhöhung der Garantie, daß unser Volk, daß unser Land erhalten bleibt. Wir sagen: Nein, die Wahrscheinlichkeit ist größer, daß Ihre Schritte dies alles gefährden. Sie sagen: Diese Schritte führen mit Wahrscheinlichkeit zur Wiedervereinigung. Wir sagen: Diese Schritte führen mit Sicherheit von der Wiedervereinigung weg. Darum geht das Gespräch. Lassen wir die Absichten beiseite, so wichtig sie auch sein mögen.
    Ich möchte auch Herrn Dr. Martin antworten. Seine Ausführungen haben mich sehr beeindruckt, vor allem, als er davon sprach, es gebe nicht nur die physische Vernichtung des Menschen, es gebe auch die Vernichtung seiner geistigen Personalität. Das ist richtig, und das ist vielleicht sogar der schlimmste Tod, den es geben kann. Aber sind wir denn sicher, daß Sie auf dem Weg, den Sie gehen wollen, nicht auch die geistige Personalität des Menschen gefährden, immer weiter gefährden, bis sie schließlich vernichtet ist, dann nämlich, wenn wir uns drein ergeben haben, eine Welt zu akzeptieren, die uns zu Objekten seelenloser Mechanismen macht?

    (Beifall bei der SPD.)

    Dieser ganze Wettlauf in der Atomrüstung kommt doch darauf hinaus, uns zu Objekten solcher seelenloser Mechanismen zu machen, unsere moralische Widerstandskraft so zu korrumpieren, daß wir uns damit abfinden. So stirbt die geistige Persönlichkeit auch.

    (Beifall bei der SPD. —Abg. Dr. Krone: Wer will denn das?)

    Sicher, Herr Dr. Martin, hat die Obrigkeit die Aufgabe, Frieden und Recht — und beim Recht sage ich auch: Freiheit — zu bewahren, zu erhalten und dafür das Nötige zu tun. Das alte Wort „pax et justitia", „Friede und Recht", wie Walther von der Vogelweide sagt, gilt und wird gelten, solange es einen Staat gibt, der wirklich Staat sein will und nicht nur ein Haufen, der mit irgend welchen Machtmitteln eingerichtet und organisiert ist.
    Die Frage ist nur, ob es nicht hier auch eine Grenze gibt, wo Quantität in böse Qualität umschlägt; wo man nicht mehr sagen kann: Diese Zwecke rechtfertigen die Mittel, sondern wo man die Frage stellen muß: Können diese Mittel noch den besten Zweck rechtfertigen?

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Hier stellt sich in der Tat eine Gewissensfrage. Ich sage Ihnen frei, daß es sehr schwer sein wird, sich da zu entscheiden, und es wird uns nicht abgenommen werden, uns zu entscheiden. Keiner von uns wird später unter Hinweis auf seine Absichten sagen können: „Das habe ich nicht gewollt", — wie jener Kaiser im Jahre 1914 gesagt hat, Herr Bundesverteidigungsminister.

    (Heiterkeit bei der SPD.)




    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Ich werfe die Frage auf, um Ihnen zu zeigen, wie schwer es mir selber wird, mich in diesen Dingen zurechtzufinden. Aber ich glaube, wir sollten nicht, wie es hier zu oft geschehen ist, den Versuch machen, auf unsere guten Absichten abzuheben. Wir sollten es uns schwerer machen mit der Bewertung, mit der Beurteilung der Glieder der Ursachenreihen, die wir jetzt in Gang setzen — ob wir nun dieses tun oder ein anderes tun.
    Es ist auch viel damit operiert worden, wir könnten doch nicht verlangen, daß andere für uns etwas tun, das wir für uns zu tun nicht bereit seien. Auch das vereinfacht das Problem. Ohne irgend jemandem nahetreten zu wollen, erlaube ich mir doch zu sagen: was die anderen tun, das tun sie doch in erster Linie für sich,

    (Beifall bei der SPD)

    und sie haben recht, so zu handeln, denn sie sind verantwortlich für ihre Völker und für das Wohl ihrer Völker.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht nur!) Es kommt auch uns zugute.


    (Bundesminister Strauß: Aber dann liegt es in deren freiem Ermessen!)

    Aber die Frage ist, ob sich schon daraus der Schluß ergibt, daß wir das gleiche tun müßten wie sie, ob sich nicht aus der besonderen Lage Deutschlands als eines gespaltenen Volkes nicht ein elementares Recht ergibt, etwas anderes zu tun als sie!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Auch darauf sollte man vielleicht eine Antwort geben, die nicht nur auf Gefühle, auf Absichten abhebt!
    Es ist gesagt worden — und mit Recht —: Wir haben auf Gewaltpolitik verzichtet. Glauben Sie mir, niemand von uns ist der Meinung, daß Sie einen Krieg machen wollen.

    (Zuruf von der Mitte: Bravo!)

    Wenn hier gesagt worden ist, Sie bereiten einen Atomkrieg vor, so wollte man nicht damit sagen: Sie wollten ihn, sondern man wollte sagen: Was Sie tun, hat einen Sinn nur, wenn Sie daran glauben, daß ein Atomkrieg geführt werden muß.

    (Widerspruch in der Mitte.)

    — Nein, ich habe den Satz auch gehört, wenn auch nicht hier, so doch am Lautsprecher.
    Sie sagen: Daß wir machtpolitisch ungefährlich geworden sind — objektiv, nicht nur von der Absicht her —, das ergibt sich doch schon daraus, daß wir in die NATO eingetreten sind; wir können da ja gar nicht mehr so, wie wir wollten, selbst wenn wir noch böse wären, was wir nicht mehr sind! Auch das ist einfach. Indem man in eine Koalition
    — auch eine Verteidigungskoalition — eintritt, verzichtet man doch auf Gewalt nur seinen Koalitionspartnern gegenüber. Aber es könnte doch sein, daß die Föderation als solche Dritten gegenüber virulenter werden könnte als die Summe der einzelnen
    Souveränitäten. Auch das muß man bedenken, insbesondere wenn man sich über die Ursachen von Befürchtungen eines anderen — drüben im Osten — klar werden will. Das muß man aber, wenn man Politik machen will! Ich meine das ohne jede Sentimentalität und außerhalb des rein Psychologischen, einfach als Erfordernis des politischen Kalküls. Wenn man will, was auch Ihnen am Herzen liegt — ich glaube das —, muß man mehr tun. Dann muß man auch diesem Dritten gegenüber einiges ins Werk setzen, das vom Institutionellen her die Anwendung von Gewalt unwahrscheinlich macht oder gar erschwert.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Daher Abrüstung!)

    Der Kernpunkt alles dessen, worüber wir sprechen, ist doch die Einplanung der Bundesrepublik in die zur Füllung des 1945 in Mitteleuropa geschaffenen Vakuums gewollte Strategie. Man hat das in Potsdam von seiten der Westmächte nicht um Deutschlands willen geändert. Ich mache ihnen keinen Vorwurf. Wir haben ja in den letzten Jahren vor 1945 nicht besonders viel Wohlwollen verdient. Sie haben das gemacht — und das ist gut so, es kam auch uns zugute —, weil es ihr Interesse war. Sie sahen, daß sie dieses Vakuum nicht selber allein füllen konnten. Also kamen sie und sagten den Deutschen: Helft ihr uns, dieses Vakuum für uns und für euch mit zu füllen, auch wenn das — das wurde nicht gesagt, aber das war zwischen den Zeilen zu lesen — die Wiedervereinigung ausschließen oder wenigstens erschweren sollte. Ich werde das Wort nie vergessen, das auch Sie, Herr Kiesinger, in Straßburg einmal hören mußten: „Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb!"

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das hat nur einer ausgesprochen, aber ich glaube, viele haben es gedacht.
    In dieser Situation wäre es die Aufgabe gewesen, sich seines Ortes im Koordinatensystem der Weltpolitik bewußt zu werden, das heißt: nicht ein Faktor der Weltstrategie werden zu wollen. Das können wir nicht, und wir sollten es gar nicht wollen. Aber wir tun manchmal so, als müßten wir es werden. Wir können es aber nicht. Was wir gekonnt hätten, wäre gewesen, Zug um Zug den Rüstungen drüben in der sowjetisch besetzten Zone in gleichwertiger Weise mit eigenen Rüstungen zu begegnen. Das war eine Möglichkeit, und das war sinnvoll.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir ja auch getan!)

    — Nein, Sie wollen mehr, Sie wollen ein Faktor der Weltstrategie werden. Mißverstehen Sie mich nicht, Herr Friedensburg. Ich sage nicht, daß Sie es allein sein wollen; aber Sie wollen in die Weltstrategie eingeplant sein, und damit sind wir eben für die Leute im Osten, auf deren Ja wir eines Tages angewiesen sein werden, wenn wir wieder zusammenkommen wollen, ein Stück des Blockes, den Sie für eine Gefahr für sich halten. Ob das objektiv richtig ist oder nicht, ist nicht so wichtig als der



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Umstand, daß wir Anlaß zu diesem Glauben geben. Wir hätten uns damit begnügen sollen, dem Westen zu überlassen, die Schutzvorkehrungen, die er für nötig ansah, von sich aus, nach seinen Möglichkeiten zu treffen.
    Ich möchte von dieser Tribüne aus unsere amerikanischen, französischen, britischen und anderen Freunde — ich betone: Freunde — bitten, sich zu überlegen, in welchen schrecklichen moralischen Zwiespalt sie ein geteiltes Volk bringen, wenn Brüder gegen Brüder einander mit den schrecklichsten Waffen gegenüber stehen müssen, die es auf dieser Welt gibt!

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Daß Sie das nicht als schrecklichen Zwiespalt empfinden, finde ich betrüblich. Vielleicht muß es Ihrer Meinung nach sein. Aber wer das nicht als etwas Schreckliches empfindet, etwas Schrecklicheres, als man sich sonst vorstellen kann, der sollte nicht mehr von Vaterland sprechen!

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Nun sind die Dinge aber so, wie sie sind; man muß auf ihnen aufbauen. Sie haben sie geschaffen, wir finden sie vor. Wir können nicht so tun, als seien sie nicht. Wir sind nicht so töricht, zu glauben, es genüge, zu sagen: es gefällt uns nicht, also ist es anders. Nein, es ist so, wie es ist. Wir haben uns genügend darüber ausgesprochen, daß für uns die Erhaltung des Friedens und die Wiedervereinigung die beiden großen Ziele sind und ihnen gegenüber alles andere zweitrangig wird. Sie wissen, daß ich der Meinung bin, daß die atomare Ausrüstung der Bundesrepublik die Wiedervereinigung ausschließt, ohne daß diese atomare Bewaffnung der Bundesrepublik das Verhandlungspotential der NATO stärken würde.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn man den Frieden will, dann muß man alles tun, was zur Abrüstung führen kann, wobei wir wissen müssen, daß das Endziel, die allgemeine kontrollierte Abrüstung aller, noch ein Fernziel ist. Aber weil man dieses Fernziel heute noch nicht erreichen kann, sollte man nicht darauf verzichten, Schritte zu unternehmen, die darauf hinführen können,

    (Beifall bei der SPD)

    d. h. es mit einer partiellen Abrüstung bestimmter Waffengattungen — z. B. atomarer Waffen zunächst — für ein regional beschränktes Gebiet zu versuchen.

    (Bundesminister Strauß: Produktionsstop!)

    Deswegen scheint mir der Rapacki-Plan eine so gute Sache zu sein. Wenn man über diesen Plan verhandeln würde, müßten diese Verhandlungen notwendig weiterführen; das liegt in der Logik eines solchen Planes. Abgesehen davon wäre die Verwirklichung des Planes auch für sich allein ein Wert an sich. Denn wenn man auch mit Atomraketen in ein atomfreies Gebiet hineinschießen kann, so ist es doch schon ein Vorteil, wenn man Vorkehrungen schafft, die einen Panzerüberfall auf unser Gebiet unmöglich machen!

    (Beifall bei der SPD.)

    Man sollte auf diesen Dingen aufbauen, und man könnte darauf aufbauen. Ich habe schon in meiner ersten Rede einige Ausführungen darüber gemacht. Ich will in Stichworten wiederholen, was man machen sollte: Abbau der strategischen Hypotheken, Ausräumung der politischen Rückstände, Verhandlungen über ein Sicherheitsschema zunächst, dann Verhandlungen über den politischen und militärischen Status Deutschlands, dann über Modalitäten des Friedensvertrages — Modalitäten! —, dann freie Wahlen.

    (Zurufe von der Mitte.)

    — Ja, nicht weil ich das wünschte, nicht weil mir das lieb wäre, sondern weil wir sie vorher nicht kriegen werden, weil wir diese freien Wahlen nicht kriegen werden, solange nicht für beide Seiten feststeht, was aus einem wiedervereinigten Deutschland — seiner Bewegungsfreiheit — werden könnte!

    (Beifall bei der SPD.)

    Meinen Sie, es gefiele mir, daß es so ist? Aber ich bin nicht töricht genug, an der Situation vorbeizublicken. Ich glaube, Herr Kiesinger, in diesem Punkte stimmen wir überein.
    Man hat mir vorgeworfen, daß ich durch die Worte von De-facto-Institutionen, die geschaffen werden müßten, die deutsche Position aufgeweicht hätte. Meine Damen und Herren, ich glaube es nicht. Wir sind schon durch manche De-facto-Situation gegangen! Ich denke dabei etwa an den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee. Das war auch eine De-facto-Geschäftsführung.

    (Abg. Kiesinger: Unter freien Menschen!)

    Wir haben mitgetan, obwohl einige Mitglieder des Konvents von ihren Regierungen den Auftrag hatten, die Existenz, die Weiterexistenz eines deutschen Staates abzulehnen, Herr Kollege Strauß.

    (Bundesverteidigungsminister Strauß: Ich?) — Nein, aber Ihre Regierung..


    (Bundesverteidigungsminister Strauß: War das nicht Hoegner damals?)

    Trotzdem haben wir eine ganz ordentliche Vorlage für den Parlamentarischen Rat zuwege gebracht, auf Grund deren dann diese demokratisch legitimierte Körperschaft einen Beschluß über ein Grundgesetz fassen konnte. Natürlich wird es nicht genauso gehen; aber auf etwas Ähnliches hin sollte man mit einiger Phantasie das Verhandlungsterrain sondieren und einiges vorbereiten.
    Man wird demnächst eine Gipfelkonferenz abhalten. Ich habe schon einige Male Gelegenheit gehabt, zu sagen, daß ich kein besonderer Freund solcher Konferenzen bin. Aber eines könnte sie vielleicht erreichen: sie könnte eine Vereinbarung darüber treffen, nun auf dem normalendiplomatischen Wege miteinander zu verhandeln, und man könnte für diese Verhandlungen einen Rahmen abstecken und gemeinsame Instruktionen geben.



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Meine verehrte Vorrednerin hat davon gesprochen, wir sollten uns nicht auf die sowjetische Großmut verlassen. Sicher sollten wir das nicht. Es wäre höchst töricht, wenn wir das täten. Man kann sich auf die Großmut im Verhältnis von Mensch zu Mensch verlassen, aber sehr selten im Verhältnis von Staat zu Staat. Da kann man sich nur darauf verlassen, daß Interessen übereinstimmen oder daß man Interessen übereinstimmend oder daß man gewisse Interessen und Befürchtungen gegenstandslos macht. Ich meine, wir sollten dafür mehr zu tun versuchen, als wir getan haben. Es gibt nämlich auch sowjetische Interessen; denn Befürchtungen sind auch Interessen. Das dürfen wir nicht vergessen.

    (Bundesverteidigungsminister Strauß: Wünsche sind auch Interessen!)

    — Oh ja, Wünsche sind auch Interessen, fundierte
    Wünsche ohne Frage, Herr Verteidigungsminister.
    Aber ein besonders starkes Interesse ist, Befürchtungen gegenstandslos werden zu sehen, nicht nur bei uns, sondern auch anderswo. Wir haben keine Angst vor amerikanischen Atombomben, sicher nicht; aber die Russen haben vielleicht Angst vor amerikanischen Atombomben bei uns.

    (Bundesverteidigungsminister Strauß: Bei den Alliierten!)

    Da gibt es sowjetisches Interesse, und man könnte vielleicht einiges tun, um ,dieses Furchtinteresse gegenstandslos zu machen, indem man ,die Interessenlage verändert, die heute besteht. Natürlich ist dabei ein Risiko, aber, wie ich glaube, ein kalkulierbares Risiko, und deswegen sollte man es wagen, sich damit näher zu befassen. Um solche Dinge sich zu bemühen, das nennt man eben Politik.

    (Bundesverteidigungsminister Strauß: Bisher gibt's ja keine deutschen Atomwaffen!)

    Man wird noch viel Schutt wegräumen müssen, bis man wird 'ans Bauen gehen können. Ein Mittel, Schutt wegzuräumen, wäre, in Verhandlungen über den Rapacki-Plan einzutreten. Ohne Verhandlungen darüber, ohne Vereinbarungen eines Status, etwa der Art, wie er ihn vorsieht — eines kontrollierten atomwaffenfreien Raumes —, wird es auf Grund der strategischen Konstellation, die heute besteht und die Sie erhalten wollen, beim Status quo bleiben. Mit dem Rapacki-Plan, mit seiner Verwirklichung, haben wir eine Chance, daß dieser Status quo in Bewegung kommt. Und wenn wir die Wahl zwischen einem Nicht und einem Vielleicht haben — und das Vielleicht zum Teil auch in unserer Hand liegt —, dann wählen wir dieses Vielleicht!

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Nun ist uns heute sehr ausgiebig gesagt worden — und auch der Herr Verteidigungsminister machte mir soeben einen solchen Zwischenruf —: Die Russen haben ja bisher immer alles abgelehnt. — Ja, das ist richtig. Aber was ergibt sich denn dann für uns aus diesem Verhalten und aus der dadurch geschaffenen Lage? Etwa, daß wir gar nichts mehr versuchen sollen, daß wir uns in den Schmollwinkel, daß wir uns in die Verbitterung zurückziehen sollen? Das führt uns keinen Schritt weiter, das genügt nicht! Gerade das zwingt uns, es immer wieder aufs neue zu versuchen, unsere Phantasie anzustrengen, etwas Neues auszudenken, über das verhandelt werden könnte! Man muß Versuche auch wagen können! Sie wagen ja auch etwas, und zwar mit einem Instrument, das höchst brisant und gefährlich ist!

    (Beifall bei der SPD.)

    Vergessen wir doch nicht: W i r sind es doch, die von der Sowjetunion etwas verlangen müssen. Nicht so ist es, daß s i e etwas von uns verlangen müßte. Das zwingt uns aber ein bestimmtes Verhalten auf, vor allen Dingen, weil der, von dem wir etwas verlangen müssen, ein kostbares Gut als Pfand in seinen Händen hält, und — ich sagte es das letztemal — wir ihm dieses Pfand nicht aus der Hand nehmen können.
    Wir wollen uns damit nicht abfinden. Wir wollen es uns auch nicht auf hohem Roß mit der Erbitterung gegenüber den Querschlägen der Sowjetunion genug sein lassen. Dieses hohe Roß könnte sich eines Tages als ein Karussellpferd entpuppen. Wir wollen Verhandlungen. Wir wollen, daß verhandelt wird, immer wieder, immer wieder mit neuen Fragestellungen, bis endlich die richtige gefunden worden ist, jene, auf die man nicht mehr mit militärischen Argumenten antworten kann, sondern auf die man mit politischen Argumenten antworten muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Für uns ist der Kampf mit dieser Debatte nicht zu Ende. Sie werden noch von uns hören. Sie werden sich noch stellen müssen. Wir werden noch mit Ihnen ringen. Und wir werden eine Bresche aufreißen, durch die hindurch der Aufschrei unseres Volkes auch den Weg zu Ihren Ohren finden wird!

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiesinger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Georg Kiesinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ollenhauer, ich teile Ihre Auffassung: der Worte sind nun genug geredet, und ich will nicht die Redezeit, ,die uns als Fraktion noch zur Verfügung steht, voll ausschöpfen, um die ohnehin überstrapazierte Geduld dieses Hauses nicht ungebührlich in Anspruch zu nehmen. Aber wenn Sie gesagt haben, Herr Kollege Ollenhauer, Sie glaubten, daß die Positionen des Hauses nun klar einander gegenübergestellt seien, dann muß ich ein starkes Bedenken anmelden. Bedenken habe ich nicht etwa 'deshalb, weil ich glaubte, daß wir unsere eigene Position nicht deutlich gemacht hätten. Aber ich fürchte, Sie, die Sozialdemokraten, haben sie — und ich sage Ihnen gleich warum — nicht deutlich machen können.
    Heute früh hat Herr Kollege Heinemann eine Rede gehalten, die ich mit großer Aufmerksamkeit angehört habe. Es war die Rede eines Mannes, der eine ganz bestimmte Konzeption unserer Politik



    Kiesinger
    konsequent und radikal zu Ende gedacht hat. Ich habe nicht umsonst jedesmal, wenn ich in den letzten Debatten hier im Hause das Wort ergriffen habe, mit .dem Hinweis begonnen, es gebe Menschen, die glaubten, heute aus dem Teufelszirkel nicht mehr ausbrechen zu können, der da heißt: Entweder Atomtod oder Kapitulation vor dem Kommunismus! Herr Wehner hat mich getadelt, weil ich die Ausführungen Sir Stephen King-Hall's dargelegt habe, der sagt: Es gibt gar keinen anderen Weg als den Weg des gewaltlosen Widerstandes gegenüber dem Kommunismus; man muß eben die kommunistische Besetzung, wenn es denn nicht anders geht, über sich ergehen lassen. Und was hat uns Herr Heinemann heute früh gesagt? Er hat uns zwar gesagt, daß er für ,die Bundeswehr sei, mit Ausnahme vor allem der Verteidigungspflicht; aber er hat zu gleicher Zeit klipp und klar gesagt, daß er es von seiner ethischen und politischen Grundeinsicht her dem Westen prinzipell abspreche, das Recht der Verteidigung seiner Freiheit mit atomaren Waffen in seine Politik einzubeziehen. Das haben auch andere Mitglieder ,der SPD hier anklingen lassen und draußen in der Debatte gesagt. Auch Herr Professor Bechert sagte heute nachmittag, wie er ehrlicherweise zugestehen wird, 'dasselbe: das heißt, auch er bekennt sich zu dieser gefährlichen These, daß die Verteidigung mit atomaren Waffen sinnlos sei. Daraus wird dann die ethische Konsequenz gezogen und daraus wiederum die politische Konsequenz, daß der Westen auf die atomaren Verteidigungsmittel verzichten müsse, selbst wenn die Sowjetunion sie behält.
    Meine Damen und Herren, das ist eine entsetzlich ernste Konsequenz, die da gezogen wird. Ich respektiere das Gewissen der Menschen, die glauben, diese Konsequenz ziehen zu müssen. Aber bis zum letzten Atemzuge werde ich mich dagegen wehren, daß dies die vorherrschende Ansicht in diesem unserem Vaterlande wird.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich weiß, daß in Ihrer Mitte andere anders 'denken. Herr Kollege Wehner hat sich dagegen verwahrt, daß etwa er und seine Freunde diesem Defaitismus, dieser Resignation, dieser Ratlosigkeit, ja dieser Verzweiflung angesichts der Situation verfallen seien.
    Aber dann muß man auch die Konsequenzen ziehen. Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben gesagt, die CDU habe diese Debatte gewünscht, weil sie aus taktischen Gründen eine Demonstration durchführen wollte. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Ollenhauer: Mag das einmal im einen oder anderen Kopf die Vorstellung von der Aufgabe einer solchen Debatte gewesen sein, — glauben Sie mir, wir haben diese Debatte sehr gewissenhaft vorbereitet — mein Freund und Kollege Dr. Martin hat bereits das Nötige dazu gesagt — und wir haben es uns, Herr Kollege Schmid, wahrhaft schwer gemacht. Ich habe schon berichtet, daß wir Dutzende von Stunden allein über die Problematik der Anwendung der atomaren Verteidigungsmittel diskutiert haben. Wer wären wir, wenn wir es uns nicht so schwer gemacht hätten! Ich habe das, was Sie heute abend gesagt haben, wieder mit Aufmerksamkeit und Respekt angehört. Meine Damen und Herren, so können wir miteinander diskutieren und so werden wir auch noch in Zukunft miteinander diskutieren. Aber wenn wir schon versuchen sollen, Herr Achenbach, gemeinsame Außenpolitik miteinander zu machen, dann müssen wir eben jenes Minimum an Anständigkeit in unseren parlamentarischen Auseinandersetzungen wahren, ohne das dieser Parlamentarismus zerstört wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe in diesen Tagen viele Angriffe gegen eine Reihe von mir sehr geschätzter Kollegen mit anhören müssen. Neben den üblichen Angriffen gegen den Bundeskanzler, die sich auch Herr Heinemann in seiner sonst sehr sachlichen Rede heute früh nicht ganz entgehen lassen konnte,

    (Abg. Erler: Steht denn der Kanzler unter Naturschutz?)

    war vor allem unser Verteidigungsminister die Zielscheibe einer Kritik, die dieses Maß an Anständigkeit einfach nicht mehr eingehalten hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich sage das Ihnen nicht deshalb, weil ich hier noch einmal Streit entfachen will, sondern deshalb, weil ich Sie bitten möchte: um Gottes willen — lassen wir das doch in Zukunft!

    (Zurufe von der SPD: Jaeger!)

    — Ich komme auf meinen Kollegen Jaeger sofort zu sprechen. Aber suchen Sie einmal in unseren Lager nach einer Meldung wie der vorliegenden, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur in wenigen Sätzen vorlesen will. Ich habe eine dpa-Meldung vom 24. März vor mir liegen, die lautet:
    Bundestagsabgeordneter Hans Merten (SPD) erklärte am Montag auf einer Schulungstagung der SPD in Alsfeld, von Kaiser Wilhelm führe über Adolf Hitler ein gerader Weg zum Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Nicht die Russen wollten nach Deutschland, sondern Strauß nach Rußland.

    (Pfui-Rufe von der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, wer nicht spürt, daß das eine Art von Propaganda ist — und sie klang ja doch auch in den Äußerungen Ihres Kollegen Schmidt (Hamburg) auf —, die geeignet ist, unsere Demokratie zu zerstören, dem ist nicht zu helfen. Denken Sie an die Jahre nach dem ersten Weltkrieg zurück, wie damals durch solche und ähnliche Äußerungen gewisse Menschen zu unverantwortlichen Aktionen und Taten aufgehetzt worden sind.

    (Abg. Stücklen: So schafft man politische Attentäter!)

    Sie haben meinem Kollegen Jaeger seine Äußerungen übelgenommen. Ich konnte, als ich hier das letztemal sprach, nicht darauf eingehen, da ich unglücklicherweise seine Rede nur in Bruchstücken



    Kiesinger
    gehört hatte. Sie haben seine Äußerungen mit dem konfrontiert, was etwa der Abgeordnete Schmidt (Hamburg) gesagt hat. Inzwischen habe ich die Rede von Herrn Jaeger nachgelesen. Nun gut, mein Kollege Jaeger hat scharf gesprochen. Aber sagen Sie mir bitte eine einzige Bemerkung in seiner Rede, die in der Qualität und im verleumderischen Charakter auch nur den geringsten Anklang hätte an das, was Herr Schmidt (Hamburg) und Herr Merten gesagt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Schröter [Berlin]: Und die Hetze gegen Wehner?! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Herr Kollege, Sie sagen: die Hetze gegen Wehner. Sie wissen ganz genau, wie ich selbst Stellung genommen habe und wie meine Fraktion in der Frage entschieden hat.
    Nun aber ein anderes. Ich finde, wir sollten auch eine andere gefährliche Sache unterlassen, wie sie Herr Heinemann heute früh versucht hat: wir sollten nicht die Konfessionen so gegeneinander auszuspielen versuchen, wie er es mit dieser angeblichen Bemerkung des Kardinals Frings getan hat. Ich kenne die Äußerung nicht; ich unterstelle, daß sie vielleicht so oder ähnlich gefallen ist. Aber es ist doch ganz selbstverständlich, daß, wenn er eine solche Äußerung über das Reich Karls des Großen tat, er dabei nicht an die Preisgabe unserer Mittelzone und unseres Ostens gedacht hat, sondern daß dabei vor seinem Auge die unwiederbringliche Gelegenheit stand, dieses Europa des Westens endlich in einem Geiste zu einigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. Zurufe von der SPD: Deutscher Orden!)

    Was sollen denn so widersprechende Hinweise — auf der einen Seite die Karolinger, das Reich Karls des Großen und der arme Karlspreis der Stadt Aachen, auf der anderen Seite die Ordensritter? Was wir auch tun, es ist Ihnen nicht recht: auf der einen Seite wirft man uns vor, wir wollten das Reich Karls konservieren, und auf der anderen Seite, wir wollten wieder einmal gen Ostland reiten.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, nur das eine oder das andere könnte richtig sein.

    (Zuruf von der SPD: Herr Hallstein war ja schon mal am Ural!)

    — Sie wissen, wie das war! — Beides ist unrichtig. Wir wollen die Idee des geeinten Westeuropa verwirklichen; aber wir wollen dazu selbstverständlich die Wiederherstellung der Einheit unseres deutschen Volkes.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rehs: Das glauben wir nicht!)

    Nun, wenn man so denkt, wie Herr Heinemann und andere denken, wenn man wirklich der Meinung ist, wir sowohl wie der ganze Westen müßten aus ethischen Gründen auf die atomare Verteidigung verzichten, auch wenn der Gegner sie hat

    (lebhafte Zurufe von der SPD)

    — fragen Sie Herrn Heinemann; das ist die Grundüberzeugung von Herrn Heinemann, er wird sie Ihnen bestätigen! —, wenn das so ist, meine Damen und Herren, dann, Herr Ollenhauer, ist das die Kapitulation der Politik vor den modernen Massenvernichtungsmitteln,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    dann, Herr Kollege Bechert, ist d a s das tödlichste Experiment der deutschen Geschichte.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie haben zwei Thesen aufgestellt, und Sie, Herr Kollege Professor Carlo Schmid, haben sie heute abend noch einmal verdeutlicht. Es sind die beiden Thesen, erstens: die Politik der Bundesregierung gefährdet den Frieden, führt nicht zur Entspannung, und zweitens: unsere Politik erschwert oder verschließt den Weg zur Wiedervereinigung. Darüber haben wir ja nun oft genug in diesem Hause gestritten. Wir sagen Ihnen: Nach unserer Überzeugung — Herr Kollege Mende — ist beides falsch. Warum? Die These, daß ein Vorschlag wie der Rapacki-Plan zur Entspannung und zu einer Minderung der Kriegsgefahr führen würde, ist nach unserer Meinung falsch. Er würde hier ein Vakuum schaffen und nach unserer sorgfältig geprüften Überzeugung würde dadurch das Gegenteil einer Entspannung eintreten, d. h. die Spannung würde vermehrt werden.
    Sie haben das Zitat aus dem Europarat wiedergegeben: „Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb." Jawohl, dagegen wehren wir uns gemeinsam. Aber Sie können nicht leugnen, daß derjenige, der dieses Wort aussprach, und andere, die es heute noch sagen, gerade vor dieser prekären Lage, die nach Ihrer Meinung entstehen würde, Sorge haben. Wenn wir das tun, was wir jetzt vorschlagen -- das ist unsere Überzeugung —, dann vermindern wir die Kriegsgefahr und sichern dadurch den Frieden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich will es in einigen Sätzen noch einmal wiederholen, warum es so ist, damit es klar verstanden werde. Viele Persönlichkeiten des Westens, die sich doch auch mit uns gemeinsam Sorge um die Erhaltung des Friedens machen, bemühen sich gerade um die neue Konzeption der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft, weil sie den Westen aus einer tödlich gefährlichen Situation herausbringen wollen; der Verteidigungsminister hat das schon erwähnt. Diese Leute im Westen sagen, daß die Ausrüstung der europäischen Länder mit taktischen — nicht mit strategischen — Atomwaffen den Westen aus der furchtbaren Situation befreie, die ich gleich darlegen werde. Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, und vielleicht auch Sie, meine Herren von der FDP, setzen unsere ganze Sicherheit in die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten die volle atomare Gewalt besitzen, und glauben sich in diesem Schutz sicher. Herr Schmidt (Hamburg) hat das noch jüngst in einem Brief an den „Spiegel" bestätigt, in dem er sagte:



    Kiesinger
    Unsere Sicherheit beruht derzeit einzig darauf, daß neben ,der Sowjetunion auch die Vereinigten Staaten von Nordamerika diese schrecklichen Mittel besitzen.
    Ist das wahr, meine Damen und Herren? Das ist die Frage, die nach einer Antwort verlangt, und wir sagen: Das ist nicht wahr. Wir sind, wenn es so bliebe, nicht genügend geschützt. Warum nicht? Wir sind — wahrscheinlich mit Ihnen — der Meinung, daß die beiden —die Amerikaner sowieso, aber auch nach unserer Überzeugung die Sowjetunion — einen atomaren Krieg nicht beginnen werden, weil sie genau wissen, was das für sie selbst bedeuten würde. Wir sind uns also darin einig, daß hier im Weltmaßstab ein Gleichgewicht des Schreckens besteht. Die fatale Situation für Europa, meine Damen und Herren, aber ist die, daß hier, wenn alles so bleibt, wie es ist, kein Gleichgewicht herrscht, sondern in Europa die Sowjetunion eine gewaltige militärische Übermacht gegenüber den Verteidigungsmitteln besitzt, die im Ernstfall von Europa aus eingesetzt werden könnten. Die Sowjetunion hat, wie Sie wissen, derzeit offenbar einen Vorsprung auf dem Gebiete der interkontinentalen Raketen. Das macht die Situation Europas noch viel gefährlicher.
    Was könnte uns nun für eine Gefahr drohen? Die Gefahr, daß die Sowjetunion diese Situation ausnützen könnte, um in Europa — ich will es mit einem allgemeinen Ausdruck umschreiben — Gewalt zu üben. Das brauchte nicht darin zu bestehen, daß sie Panzerarmeen vorschickte. Kein einziger sowjetrussischer Soldat brauchte zu marschieren. Denn das ist auch vor zehn Jahren in der Tschechoslowakei nicht geschehen, und trotzdem ging dort die Freiheit verloren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der DP.)

    Was wir wollen, ist, daß der frei gebliebene Teil Europas nicht in eine Situation geraten darf, wie es vergleichbar die Situation der Tschechoslowakei vor zehn Jahren war.

    (Abg. Erler: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?)

    — Bitte schön!