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ID0302111500

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    Deutscher Bundestag 21. Sitzung Bonn, den 25. März 1958 Inhalt: Antrag der CDU/CSU auf Begrenzung der Redezeit Rasner (CDU/CSU) 1057 B Dr. Mommer (SPD) . . . . . 1057 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . 1058 D Große Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238); Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) ; — Fortsetzung der Aussprache —. Dr. Dr. Heinemann (SPD) . 1059 D, 1117 D D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 1067 B Dr. Bucher (FDP) 1085 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 1088 D Ollenhauer (SPD) 1092 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 1099 D Dr. von Brentano, Bundesminister 1103 D Strauß, Bundesminister . . . . . 1107 B Dr. Arndt (SPD) (zur GO) . . . . 1115 D Rasner (CDU/CSU) (zur GO) . . . 1116 D Dr. Mende (FDP) (zur GO) . . . 1117 B Erler (SPD) 1118 B Dr. Bechert (SPD) 1122 D Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 1125 C Dr. Achenbach (FDP) 1128 B Frau Herklotz (SPD) 1132 A Frau Dr. Rehling (CDU/CSU) . . 1133 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 1135 D Kiesinger (CDU/CSU) 1139 D Dr. Mende (FDP) 1145 D Erklärungen zur Abstimmung Ollenhauer (SPD) 1150 D Dr. Mende (FDP) 1151 B Dr. Krone (CDU/CSU) . . . . . 1151 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 1152 A Dr. Friedensburg (CDU/CSU) (zur Behandlung der Berliner Abgeordneten) . . . . . . . . . . 1154 D Namentliche Abstimmungen, Einzel-abstimmungen Schneider (Bremerhaven) (DP) (zu Umdruck 34 Ziffer 5) . . . . 1155 A Kiesinger (CDU/CSU) (zu Umdruck 37, Umdruck 41) . . . 1157 B, 1160 B, D Erler (SPD) (zu Umdruck 41) . . . 1 160 B Dr. Bucher (FDP) (zu Umdruck 41) . 1160 C Dr. Mommer (SPD) (zu Umdruck 43) 1163 C Nächste Sitzung 1166 C Anlagen 1167 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 1057 21. Sitzung Bonn, den 25. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.32 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 12.4. Dr. -Ing. E. h. Arnold 25. 3. Bazille 1.4. Dr. Becker (Hersfeld) 19.4. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 25.3. Conrad 18. 4. Diel (Horressen) 19. 4. Dr. Eckhardt 29.3. Eilers (Oldenburg) 26.3. Felder 31.3. Dr. Friedensburg 26.3. Frau Friese-Korn 31.5. Funk 29. 3. Gottesleben 8.4. Dr. Gülich 29.3. Häussler 29.3. Heiland 31.3. Dr. Höck (Salzgitter) 31.3. Höcker 15.4. Frau Dr. Hubert 12.4. Jacobs 20. 4. Jahn (Frankfurt) 29.3. Jürgensen 31.3. Frau Kipp-Kaule 29.3. Dr. Kopf 29.3. Kunze 15.5. Lenz (Trossingen) 29.3. Dr. Lindenberg 29.3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30.4. Dr. Maier (Stuttgart) 25.3. Mellies 25.4. Muckermann 30.3. Murr 25.3. Neumann 12.4. Paul 30.4. Pelster 1.4. Frau Dr. Probst 25. 3. Rademacher 26. 3. Ramms 31.3. Schneider (Hamburg) 31.3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 26. 3. Dr. Stammberger 26.3. Dr. Starke 26.3. Frau Dr. Steinbiß 29.3. Stenger 25. 3. Strauß 25.3. Struve 29.3. Vogt 12.4. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 29. 3. Wehr 31.3. Weimer 29.3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 26. 3. Anlagen zum Stenographischen Bericht b) Urlaubsanträge Abgeordneter bis einschließlich Bauknecht 10. 5. Even (Köln) 19. 4. Höcherl 10. 5. Dr. Ripken 15. 4. Dr. Zimmermann 10. 5. Anlage 2 Umdruck 33 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, sich bei den Vier Mächten, den USA, der UdSSR, dem Vereinigten Königreich und Frankreich, dafür einzusetzen, daß eine Viermächtearbeitsgruppe (Ständige Konferenz der Stellvertreter der Außenminister oder Botschafterkonferenz) zur Behandlung der Deutschlandfrage gebildet wird mit dem Auftrag, die Grundzüge eines Vertrages für Gesamtdeutschland zu erarbeiten. Bonn, den 18. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 3 Umdruck 34 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. einen Beitrag zur allgemeinen Abrüstung durch den Verzicht auf die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen zu leisten; unter Berücksichtigung der Spaltung unseres Vaterlandes und der Bemühungen zur Wiedervereinigung mit Hilfe geeigneter Kontrollmaßnahmen zu erreichen, daß sowohl in der Bundesrepublik als auch im anderen Teil Deutschlands Atomwaffen weder stationiert noch gelagert und Atomwaffenanlagen nicht errichtet werden; 1168 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode -- 21, Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 3. sich dafür einzusetzen, daß gleichzeitig mit einem Abkommen über eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa eine Vereinbarung über die Stationierung konventioneller Streitkräfte im Raum der atomwaffenfreien Zone erzielt wird; 4. sich in allen Fragen der gemeinsamen Verteidigung bei den Mächten der Atlantischen Verteidigungsgemeinschaft um Berücksichtigung der besonderen Lage des geteilten Deutschlands zu bemühen; 5. in engem Zusammenwirken und dauernder Beratung mit der deutschen Atomwissenschaft dafür Sorge zu tragen, daß geeignete Maßnahmen für den Atomschutz der Bevölkerung getroffen werden und daß die Nutzung der Atomenergie ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Bonn, den 18. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 4 Umdruck 35 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, mit allen Mächten, die noch keine atomaren Waffen herstellen und besitzen, Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel des Abschlusses einer Konvention über Verzicht auf Herstellung und Besitz atomarer Waffen. Bonn, den 18. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 5 Umdruck 36 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest, daß atomare Sprengkörper jeder Art Werkzeuge der blinden Massenvernichtung sind und ihre Anwendung keine Verteidigung, sondern unberechenbare Zerstörung alles menschlichen Lebens bedeutet. Atomare Sprengkörper rotten unterschiedslos und unbegrenzbar Frauen und Kinder, Männer und Greise, jung und alt aus und verwandeln das Land in eine strahlenverseuchte, unbewohnbare Wüste. Von der Bundesregierung wird erwartet, daß sie unter Berufung auf ihre feierliche Erklärung vom 3. Oktober 1954 — dem Vertrag über den Beitritt der Bundesrepublik zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag als Anlage I zum Protokoll Nr. III über die Rüstungskontrolle beigefügt —, in der die Bundesrepublik auf die Herstellung atomarer Sprengkörper verzichtet hat, den Staaten, die nicht über Atomwaffen verfügen, vorschlägt, ein Übereinkommen zum Verzicht auf Herstellung und Verwendung von Atomwaffen abzuschließen und dadurch zugleich den Atomweltmächten die moralische Verpflichtung aufzuerlegen, die Verhandlungen über die kontrollierte Begrenzung der Rüstungen so zu fördern, daß auch ein Abkommen über die Ausschaltung der Atomwaffen zustande kommt. Bonn, den 18. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 6 Umdruck 37 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, keinerlei Verpflichtungen einzugehen und keinerlei Maßnahmen zu treffen, die die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atom- und Wasserstoff-Sprengkörpern, die Stationierung von Atomraketen und den Bau von Basen für diese Raketen zum Ziele haben. Bonn, den 18. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 7 Umdruck 38 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, mit der Regierung der Volksrepublik Polen und den anderen beteiligten Mächten in Verhandlungen über die Verwirklichung des Planes einer atomwaffenfreien Zone in Europa einzutreten. Bonn, den 18. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 1169 Anlage 8 Umdruck 39 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest, daß die Wiedervereinigung Deutschlands in gesicherter Freiheit Verhandlungen und Maßnahmen voraussetzt, die schrittweise eine Entspannung bewirken. Eine solche Politik dient zugleich der Kriegsverhütung und vermehrt die Aussichten auf die für das deutsche Volk lebensnotwendige Sicherheit. Eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr ist abzulehnen, weil sie eine politische Lösung der deutschen Frage bis zur Hoffnungslosigkeit erschwert. Sie verschärft die Spannungen und ist der Sicherheit des deutschen Volkes abträglich. Bonn, den 18 März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 9 Umdruck 40 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, sich bei den Vier Mächten für die Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag für Gesamtdeutschland einzusetzen. Bonn, den 22. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 10 Umdruck 41 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP Der Bundestag wolle beschließen: 1. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, auch weiterhin getreu ihrer grundsätzlichen Auffassung bei allen internationalen Verhandlungen und Konferenzen, an denen sie teilnimmt oder auf die sie Einfluß hat, a) für eine allgemeine kontrollierte Abrüstung sowohl atomarer wie konventioneller Waffen einzutreten, b) die Bereitschaft zu bekräftigen, daß die Bundesrepublik jedes derartige Abrüstungsabkommen annehmen wird, um dadurch zur Entspannung und zur Lösung der internationalen Probleme einschließlich der deutschen Frage beizutragen. 2. Solange der Kommunismus seine weltrevolutionären Ziele weiterverfolgt, die er noch im November 1957 auf der Tagung der Kommunistischen und Arbeiter-Parteien der sozialistischen Länder in Moskau erneut bekräftigt hat, können Friede und Freiheit nur durch eine gemeinsame Verteidigungsanstrengung der freien Welt gesichert werden. Der Bundestag stellt fest, daß die Bundeswehr lediglich der Erhaltung des Friedens und der Verteidigung dient. Darum fordert er die Bundesregierung auf, bis zum Zustandekommen eines allgemeinen Abrüstungsabkommens den Aufbau der deutschen Landesverteidigung im Rahmen der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft fortzusetzen. In Übereinstimmung mit den Erfordernissen dieses Verteidigungssystems und angesichts der Aufrüstung des möglichen Gegners müssen die Streitkräfte der Bundesrepublik mit den modernsten Waffen so ausgerüstet werden, daß sie den von der Bundesrepublik übernommenen Verpflichtungen im Rahmen der NATO zu genügen vermögen und den notwendigen Beitrag zur Sicherung des Friedens wirksam leisten können. 3. Das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits der Zonengrenze erwartet, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die deutsche Frage erörtert und einer Lösung nähergebracht wird. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, sich dafür mit allen Kräften einzusetzen. 4. Der Bundestag wiederholt seine Überzeugung, daß freie Wahlen die Grundlage der deutschen Wiedervereinigung bilden müssen. Er lehnt mit Entschiedenheit ab a) den Abschluß eines Friedensvertrages für zwei deutsche Staaten, b) Verhandlungen mit den Vertretern des derzeitigen Zonen-Regimes, c) den Abschluß einer Konföderation mit diesem Regime. 5. Der Bundestag bekräftigt seine Überzeugung, daß die Wiedervereinigung Deutschlands in Verbindung mit einer europäischen Sicherheitsordnung die dringlichste Aufgabe der deutschen Politik ist. Bonn, den 25. März 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion 1170 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 Anlage 11 Umdruck 42 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktionen der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag ein Weißbuch vorzulegen, aus welchen Gründen sie eine Ausbildung der Bundeswehr mit atomaren Massenvernichtungsmitteln in Erwägung zieht und welche Ausstattung der Bundeswehr mit solchen Massenvernichtungsmitteln sie plant. Das Weißbuch soll zugleich darlegen, wie die Bundesregierung nachteilige Folgen für die Aussicht auf Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit abzuwenden gedenkt. Bonn, den 25. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 12 Umdruck 43 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Frage, ob die Bundeswehr mit atomaren Massenvernichtungsmitteln üben oder ausgerüstet werden kann oder soll, wird zurückgestellt, bis die in Aussicht genommene Konferenz zwischen den Regierungschefs der Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion stattgefunden hat. Von ,dem amerikanischen Angebot, 48 „Matador"- Raketen für die Bundeswehr zu erwerben, wird kein Gebrauch gemacht. Bonn, den 25. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 13 Umdruck 44 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bis zum 31. Mai l958 zu berichten, welche konkreten Schritte und Maßnahmen sie den Regierungen der USA, UdSSR, Großbritanniens und Frankreichs vorzuschlagen gedenkt, die nach ihrer Auffassung geeignet sind, a) schrittweise eine kontrollierte Abrüstung, b) eine engere Verbindung zu den Menschen in Mitteldeutschland, c) die Wiedervereinigung herbeizuführen. Bonn, den 25. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 14 Umdruck 45 Entschließungsantrag der Fraktionen der FDP, SPD Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag wiederholt feierlich den im Grundgesetz enthaltenen Appell, daß das ganze deutsche Volk aufgefordert bleibt, die Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung zu vollenden. Die Verpflichtung der Vier Mächte zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands wird hierdurch nicht berührt. Bis zu dem Tage, an dem sich das deutsche Volk in freier Entscheidung eine Verfassung gibt, besteht in Deutschland keine endgültige und bleibende Staatsordnung. Die Bundesrepublik ist sich bewußt, daß sie als Ordnung des staatlichen Lebens für eine. Übergangszeit geschaffen wurde. Der Deutsche Bundestag erwartet deshalb die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands nicht von einem zwischen zwei deutschen Teilstaaten ausgehandelten Staatsvertrag, sondern unmittelbar von einem freien Willensentschluß des gesamten deutschen Volkes in seinen heute noch getrennten Teilen, der nach der Beseitigung der nicht in deutscher Zuständigkeit liegenden Hindernisse herbeizuführen ist. Der Bundestag erklärt seine Bereitschaft, jede Verhandlung zu unterstützen, die die Wege zu einem solchen Willensentscheid des deutschen Volkes ebnet, sobald eine Vereinbarung der Vier Mächte diese Möglichkeit erschlossen hat. Bonn, den 25. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 1171 Anlage 15 Umdruck 46 Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, um die Verhandlungen über die allgemeine Abrüstung zu fördern und die furchtbaren Gefahren für die Gesundheit der Lebenden und der kommenden Generationen abzuwenden, auf die Mächte, die Atomwaffen produzieren, einzuwirken, daß die Versuchsexplosionen mit Atomsprengkörpern sofort eingestellt werden. Bonn, den 25. März 1958 Frau Albertz Frau Renger Frau Bennemann Frau Rudoll Frau Berger-Heise Frau Schanzenbach Frau Beyer (Frankfurt) Frau Strobel Frau Döhring (Stuttgart) Frau Wessel Frau Eilers (Bielefeld) Frau Wolff (Berlin) Frau Herklotz Ollenhauer und Fraktion Frau Keilnack Frau Kettig Frau Dr. Diemer-Nicolaus Frau Korspeter Frau Friese-Korn Frau Krappe Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Frau Meyer-Laule Dr. Mende und Fraktion Frau Nadig Anlage 16 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Bausch nach § 36 der Geschäftsordnung. In der Sitzung vom Freitag, dem 21. März, hat der Abgeordnete Döring von der Fraktion der FDP u. a. erklärt, es werde „der Tag nicht mehr fern sein, wo die oppositionellen Kräfte nicht nur gegen diese Politik, die dahintersteckt stehen, sondern zwangsläufig gegen diesen Staat gestellt werden. Das würde denn auch bedeuten, daß diejenigen, die diesen Staat dann einmal in der Zukunft nicht mehr oder nicht als endgültige Lösung anerkennen wollen, die ersten Hochverratsprozesse zu erwarten haben." Ich habe darauf den Zwischenruf gemacht: „Hoffentlich". Wegen dieses Zwischenrufs bin ich im Verlauf der Debatte mehrfach angegriffen worden. Ich lege deshalb Wert darauf, folgendes festzustellen: 1. Der Abgeordnete Döring hat in der ersten Rede die er in diesem Hause gehalten hat, ganz offen angekündigt, der Tag werde nicht mehr fern sein, an dem oppositionelle Kräfte diesen Staat in Zukunft nicht mehr werden anerkennen wollen. Seit dem ersten Zusammentreten des Bundestages im Jahre 1949 ist es das erste Mal, daß von der Tribüne des Bundestages herab offen und unverhüllt eine Bewegung gegen diesen Staat angekündigt wurde. Dies verdient festgehalten zu werden. An einem solchen Vorgang kann man nicht einfach vorbeigehen. Hier wurde ein Zeichen aufgerichtet, das nicht übersehen werden darf. 2. Ich hoffe nicht, daß es zu einer solchen Entwicklung kommt. Ich würde dies für ein geradezu unabsehbares Verhängnis für unser Volk halten. 3. Wenn es aber so weit käme, dann allerdings hoffe ich — und dies war der Sinn meines Zwischenrufs —, daß sich alle staatstragenden Kräfte unseres Volkes in dem Willen vereinigen werden, diesen Staat zu verteidigen, und daß auch die Richter dieses Staates, ihrem Eide getreu, jeden daran hindern werden, seine Hand gegen den Staat zu erheben. Bonn, den 25. 3. 1958 Bausch
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    Rede von Dr. Luise Rehling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, in dieser sich ihrem Ende zuneigenden Debatte noch irgendwelche neuen Argumente hinzuzufügen. Aber ich habe doch die Meinung, daß — wie es ja auch wohl das Anliegen der Frau Kollegin Herklotz war — den deutschen Frauen und Müttern noch ein Wort gesagt werden muß.
    Ich habe mich während dieser oft sehr erregten Aussprache immer wieder gefragt, welches wohl die Empfindungen der deutschen Frauen und Mütter sein mögen, die am Rundfunk unserer Diskussion zugehört haben, in der eine Reihe von Rednern der Opposition unter völliger Entstellung der wahren Absichten der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien den Eindruck zu erwecken versuchten, als führe unsere Politik auf geradem Wege in den Krieg und in die Weltkatastrophe. Ich kann mir gut vorstellen, daß diese Frauen, in denen die Erinnerung an die Schrecken des totalen Krieges und an all das, was er an Familienglück zerstört und unserer Jugend an Schädigungen zugefügt hat, noch sehr lebendig ist, auf das tiefste beunruhigt sind, wenn ihnen das Gespenst eines dritten Weltkrieges, in dem unter Umständen Waffen eingesetzt werden könnten, deren Zerstörungskraft alles bisher Dagewesene weit übersteigt, so nachdrücklich an die Wand gemalt wird, wie das hier mehrfach geschehen ist. Wir haben gerade vor kurzem noch sehr eindrucksvolle Beispiele für diese Methode gehabt.
    Ich möchte von dieser Stelle aus den deutschen Frauen und auch den Frauenverbänden, die in den letzten Monaten und Wochen ihrer Beunruhigung in einer Reihe von Entschließungen Ausdruck verliehen haben, versichern — und ich darf das im Namen aller Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition tun —, daß wir für ihren Abscheu vor diesen Waffen volles Verständnis haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir teilen ihn, und ich kann nur sagen, wir würden sehr viele schlaflose Stunden weniger gehabt haben und noch haben, wenn Wissenschaft und Technik uns diese Erfindung nicht beschert hätten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir denken auch gar nicht daran, die Gefahren zu verkleinern oder zu verharmlosen, die mit Atombombenversuchen verbunden sind. In diesem Anliegen fühlen wir uns völlig einig mit unseren Kolleginnen von der SPD, auch wir wünschen eine Einstellung dieser Atombombenversuche. Nur möchten wir gern diesen Antrag der SPD und der FDP-Fraktion, der in erster Linie von den Frauen beider Fraktionen unterschrieben ist, überprüfen im Zusammenhang mit den Fragen um die Einstellung der weiteren Produktion von Atomwaffen und den übrigen Anliegen, die wir in unserer Entschließung schon zum Ausdruck gebracht haben. Deswegen werden wir die Überweisung dieses Antrages an den Verteidigungsausschuß zur weiteren Beratung und Prüfung beantragen.
    Wir machen uns auch keine Illusionen darüber, wie sich ein Atomkrieg auswirken würde. Daher haben ja alle, aber auch alle unsere Überlegungen doch nur das eine Ziel, ihn zu verhindern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der DP.)

    Nehmen Sie das doch bitte endlich einmal zur Kenntnis! Wir Frauen, die wir unser Mandat in diesem Hause vom Anbeginn unserer Arbeit im außenpolitischen Bereich dahin verstanden haben, daß unser vornehmstes Anliegen die Erhaltung des Friedens in der Welt sein muß, verwahren uns auf das entschiedenste dagegen, daß man uns unterstellt, eine Politik zu unterstützen, die auf den Krieg hinarbeitet. Das Ziel unserer Bemühungen ist der Friede und nicht der Krieg.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn jemand anders urteilt, so können wir ihn leider nicht daran hindern; aber besonders unter Christen hat man nicht das Recht, den Willen des anderen zum Frieden und seine subjektive Ehrlichkeit in Zweifel zu ziehen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Fs kann doch im Ernst niemand geben, der daran zweifelt, daß die der Regierungskoalition angehö-



    Frau Dr. Rehling
    renden Männer und Frauen mit allergrößter Gewissenhaftigkeit und unter genauester Prüfung aller Tatbestände ihre Entscheidungen treffen, wenn es darum geht, ihren Kindern und der gesamten deutschen Jugend den Weg in eine friedliche Zukunft zu bahnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Frau Schanzenbach: Durch Atombomben?! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Wir denken nicht daran, uns überheblich über die vorgebrachten Einwände hinwegzusetzen. Wir meinen allerdings auch, daß man eine so ernste Situation nicht dadurch bewältigen kann, daß man die um die Sicherung ihrer Existenz besorgten Menschen in Angst und Schrecken versetzt.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das sind nach unserer Meinung schlechte Ratgeber, wenn es gilt, Gefahren zu überwinden. Angst macht kopflos, und Kopflosigkeit ist das, was man in einer solchen Lage am allerwenigsten gebrauchen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Uns kann nur klare und nüchterne Überlegung helfen. Mir scheint, man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen, daß unsere ganze Politik in den vergangenen Jahren nur das eine Ziel gehabt hat und es auch in Zukunft haben wird, jeden Krieg, nicht nur den Atomkrieg, zu vermeiden.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir verabscheuen nämlich nicht nur die Atombombe, sondern ebensosehr alle Formen der Kriegführung, wie wir sie in unserer Generation so leidvoll erlebt haben.

    (Wiederholter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der DP.)

    Die Vertragswerke, denen wir Frauen der Regierungsparteien unsere Zustimmung gegeben haben, sind ohne jede Einschränkung auf die Erhaltung des Friedens abgestellt, und es ist doch nicht zu leugnen, daß wir durch unsere Zugehörigkeit zu der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft der Bundesrepublik und damit den deutschen Frauen und Müttern das Ausmaß von Sicherheit und Frieden und Freiheit gewährleistet haben, dessen wir uns bis zum heutigen Tage erfreuen dürfen und das unsere Brüder und Schwestern in der Sowjetzone überhaupt noch hoffen läßt.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Frau Kollegin Herklotz, auch wir haben eine ganze Reihe von Zuschriften aus der Zone bekommen, und wir können nur dankbar feststellen, daß, so wie bisher unsere Politik, was Sicherheit und Erhaltung des Friedens anlangt, die Zustimmung des überwältigenden Teils der Sowjetzonenbevölkerung gefunden hat, man auch diesmal Verständnis für unsere Haltung hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wo wären wir denn, wenn wir den Ratschlägen der Opposition gefolgt wären?!

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut! Sehr richtig!)

    Sie haben uns bis heute noch kein System aufweisen können, das den Schutz der Bevölkerung hier so garantiert hätte, wie wir es immerhin zustande gebracht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Offenbar haben Sie dabei gerade immer gefehlt! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Sie klagen uns immer 'der Ideenarmut an. Ich möchte mich hier einer Formulierung bedienen, die meine Kollegin Frau Brauksiepe in einer Debatte im Februar 1952 von dieser Stelle schon einmal gebraucht hat, als sie Ihnen zurief, daß Sie bisher noch nicht einfallsreich genug gewesen seien, eine europäische Wach- und Schließgesellschaft zu erfinden, die bereit wäre, zu unserem Schutz anzutreten, ohne daß wir einen gleichen Beitrag zu unserer Verteidigung leisteten.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Frau Rehling, Sie haben offensichtlich seit 1952 hier bei diesen Debatten immer gefehlt, sonst könnten Sie das nicht sagen!)

    — Nein.

    (Abg. Erler: Natürlich!)

    — Herr Erler, ich habe dabei durchaus nicht gefehlt! Ich bin mir sehr wohl .der Tatsache bewußt, .daß Sie alle unsere Vorschläge abgelehnt haben, und das, was Sie stattdessen angeboten haben, war wirklich nicht zu realisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich gestehe auch offen, daß ich mich moralisch nicht für berechtigt halte, von amerikanischen und englischen Müttern zu verlangen, daß sie größere Opfer für unsere Sicherheit bringen, als wir selbst sie zu bringen bereit sind.

    (Erneuter Beifall bei ,der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Ich bin auch nicht wirklichkeitsfremd genug, zu glauben, daß amerikanische Mütter bereit wären, ihre Söhne zu unserem Schutz in der Bundesrepublik zu belassen, wenn sie zu ihrer Verteidigung schlechter ausgerüstet wären als anderswo.
    Wir können die 'deutschen Frauen und Mütter nicht eindringlich genug davor warnen, sich nicht die klare Sicht vernebeln zu lassen,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    wenn in den kommenden Monaten unter der Parole „Kampf dem Atomtod" eine Aktion durchgeführt wird, deren Ziel es ist, die Entschlußkraft der Regierung zu lähmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich hoffe, die deutschen Frauen erkennen, daß Protestaktionen, Entschließungen und Kundgebungen nur dann von Wert sind und zu einem Erfolg führen, wenn sie ein echtes Echo auch jenseits des Eisernen Vorhangs finden.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)




    Frau Dr. Rehling
    Daran hat es noch immer gefehlt, das ist bisher nicht der Fall gewesen, und dann dienen derartige Aktionen, ohne ,daß die Veranstalter es wollen, dazu, Wasser auf die Propagandamühlen der Sowjets zu leiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD: Unerhört! Das ist doch billig!)

    Man kann eine Fülle von Beispielen aus der Vergangenheit anführen, daß sie immer wieder versucht haben, in die innenpolitische Meinungsbildung anderer Völker einzugreifen und den Nervenkrieg in den Dienst ihrer psychologischen Kriegführung zu stellen. Ich erinnere nur an ihr Verhalten, wenn wir jeweils vor Marksteinen der Entwicklung in der Frage der europäischen Einigung standen. Ich finde es sehr aufschlußreich, ,daß sich im Frühjahr vorigen Jahres der bekannte französische Nobelpreisträger Professor Joliot Curie, der Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Frankreichs ist, die Äußerung entschlüpfen ließ, das Zentralkomitee habe aus Moskau genaue Anweisung erhalten, eine Propagandakampagne mit dem Ziel zu eröffnen, in Frankreich eine Atompanik hervorzurufen, um den Euratom-Vertrag zu Fall zu bringen.

    (Hört! Hört! 'bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Meine Damen und Herren, es ist leider nicht von der Hand zu weisen, daß auch bei uns auf mannigfache Weise und durch die verschiedensten Kanäle versucht wird, die öffentliche Meinung dahin zu bringen, daß sie einem Zustand der Angst und des Schreckens anheimfällt, statt sich mit Nüchternheit und Klarheit die Situation deutlich zu machen, in der wir stehen. Ich habe nicht mehr die nötige Zeit, um darauf hinzuweisen, wann eigentlich diese Propagandakampagne im vorigen Jahr begonnen hat und wie lange alles absolut stumm war, als im Bereich der Sowjetunion zwölf Atombomben- und H-Bombenexplosionen und Versuche mit ferngelenkten Geschossen durchgeführt wurden.
    Ich will, um jedes Mißverständnis auszuschließen, sagen, daß ich in gar keiner Weise den Verfassern von Entschließungen und Erklärungen gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen und die Lagerung von Atomwaffen im Bundesgebiet unterstelle, daß sie mit der Kommunistischen Partei sympathisierten oder gar selbst Kommunisten seien. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen — und sie können sich ,dagegen gar nicht wehren —, daß sie von den kommunistischen Organisationen als willkommene Bundesgenossen betrachtet werden. Daran ändert sich auch nichts, wenn sich etwa die Verfasser solcher Entschließungen, wie z. B. die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Lehrerverbände es ausdrücklich tut, gegen Mißdeutung und Mißbrauch energisch verwahren.
    Die Sowjets lassen auch gar keinen Zweifel über ihre Auffassung, daß diejenigen, die im Westen die atomare Aufrüstung mit unausweichlichem Atomtod gleichsetzen, im Grunde ihre Geschäfte besorgen. Die Kommentare ,der sowjetzonalen Presse und die Kommentare der Rundfunksprecher geben dafür einen eindeutigen Beweis.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ihre Hoffnung auf eine einseitige Abrüstung der freien Völker ohne eigene Gegenleistung wird — das sollte man sich in aller Deutlichkeit klarmachen — durch solche Maßnahmen ganz erheblich gestärkt. Die Lautstärke und die Geschicklichkeit, mit der die sowjetische Propaganda betrieben wird, soll doch die Menschen im Westen dazu bringen, zu übersehen, daß die Abrüstungsbemühungen eine im Gegensatz zu den sowjetischen Propagandavorschlägen wirklich durchgreifende Beseitigung der Atomwaffengefahr erstreben und daß diese Bemühungen bisher an der hartnäckigen Weigerung des Kremls gescheitert sind, den dazu notwendigen Voraussetzungen zuzustimmen. Moskau erwartet, daß die freie Welt ihre Verteidigungsorganisationen, ja, ihren Willen zur Verteidigung aufgibt und sich auf den guten Willen des kommunistischen Machtblocks verläßt. Es kann aber nicht eindringlich genug davor gewarnt werden, sich auf sowjetische Großmut zu verlassen. Diese Vokabel steht nicht im Wörterbuch des Kremls.
    Wir Frauen in ,der Regierungskoalition sind auch absolut gegen Atomtod und gegen Atomrüstung, und zwar mit aller Entschiedenheit. Aber wir meinen, die einzig wirksame Methode sei dabei die allgemeine, gleichzeitige, kontrollierte Abrüstung.

    (Beifall in der Mitte.)

    Am 15. September 1957 haben gerade die deutschen
    Frauen dem Bundeskanzler und der CDU/CSU einen
    überwältigenden Beweis ihres Vertrauens gegeben.

    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Wir wissen sehr wohl, daß uns dieser Vertrauensbeweis ein sehr großes Maß von Verantwortung auferlegt. Die deutschen Frauen können sicher sein, daß wir uns dieser Verantwortung immer bewußt sein werden. Wir werden wie bisher unsere ganze Kraft darauf verwenden, ihnen auch in Zukunft ein Leben in Sicherheit, Frieden und Freiheit zu gewährleisten. Es geht nicht allein um die Chance zum Leben, sondern zu einem Leben in Freiheit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Schmid.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet auf die Gefahr hin, daß Herr Bundesverteidigungsminister Strauß glaubt, auch ich wolle mich hier für den Parteitag im Mai als Kandidaten für den Parteivorstand der SPD qualifizieren. Das ist nicht der Fall.

    (Abg. Müller-Hermann: Ehrlich! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    Ich muß die Auguren enttäuschen.

    (Heiterkeit und erneute Zurufe von der Mitte.)




    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Ich werde mich auf dem Parteitag als Kandidaten vorstellen, ja; aber ich glaube, daß meine Parteifreunde mich nicht nur nach dem beurteilen werden, was ich hier gesprochen habe, sondern wie alle anderen von uns nach dem, was wir in den letzten Jahren getan haben!

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Bundesverteidigungsminister, auch auf dem Felde der kleinen Bosheiten, die zu unserem Hausgebrauch gehören, haben Sie uns schon mehr verwöhnt als heute.

    (Abg. Kiesinger: Kleine Bosheiten sind auch nicht so schlimm, aber die großen Bosheiten!)

    Sie haben schon bessere angebracht, wesentlich bessere. Immerhin, von einem Alumnen des Maximilianeums kann man das erwarten.
    Ich habe das Wort erbeten, weil ich glaube, daß einige Bemerkungen, die heute gemacht worden sind, es wert sind, daß auf sie eingegangen wird.
    Es ist in bewegten Worten davon gesprochen worden, wie sehr die ganze bisherige Politik der Bundesregierung eine Friedenspolitik gewesen sei und wie jeder Akt, der in Verfolgung dieser Politik gesetzt worden ist, dazu gesetzt worden sei, um damit dem Frieden zu dienen. Das bezweifle ich nicht. Die Frage ist, ob diese Dinge wirklich dem Frieden gedient haben beziehungsweise die Voraussetzungen für den Bestand des Friedens und die Wiedervereinigung vermehrt oder vermindert haben.
    Es wurde unter anderem der Beitritt der Bundesrepublik zum Europarat erwähnt. Man hat uns vorgeworfen, wir hätten dagegen gestimmt, ein bißchen mit dem Unterton: weil wir eben Nationalisten und böse Feinde Europas seien.

    (Abg. Kiesinger: Weil wir uns gegen den Vorwurf des Nationalismus wehren wollten!)

    — Herr Kiesinger, Sie sind ein kluger Mann und voll Besonnenheit, wie es in der Ballade Conrad Ferdinand Meyers heißt. Wir haben davor gewarnt, nach Straßburg zu gehen, weil wir in diesem Schritt den Ausdruck einer Politik sahen, die uns durch das Vorzimmer des Europarates in die Waffenkammer der NATO führen mußte!

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir hielten das für einen verhängnisvollen Schritt. Entscheidend sind nämlich nicht allein die Absichten, die man mit etwas verbindet, sondern entscheidend ist, welche Ursachenreihen man mit dem auslöst, was man tut.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Und da gilt eben das Wort Mephistos, der auch ein kluger Mann war: „Beim ersten sind wir frei, beim zweiten sind wir Knechte".
    So geschieht auch jetzt manches, das uns veranlassen sollte, dieses Wort zu bedenken: Reden wir nicht so viel von den Absichten, die uns bewegen, reden wir mehr von der Wahrscheinlichkeit der Folgen unseres Tuns. Sie sagen: Die Wahrscheinlichkeit der Folgen unseres Tuns wird sein: Vermehrung unserer Sicherheit. Wir sagen: Nein, eine Verminderung unserer Sicherheit. Sie sagen: Eine Erhöhung der Garantie, daß unser Volk, daß unser Land erhalten bleibt. Wir sagen: Nein, die Wahrscheinlichkeit ist größer, daß Ihre Schritte dies alles gefährden. Sie sagen: Diese Schritte führen mit Wahrscheinlichkeit zur Wiedervereinigung. Wir sagen: Diese Schritte führen mit Sicherheit von der Wiedervereinigung weg. Darum geht das Gespräch. Lassen wir die Absichten beiseite, so wichtig sie auch sein mögen.
    Ich möchte auch Herrn Dr. Martin antworten. Seine Ausführungen haben mich sehr beeindruckt, vor allem, als er davon sprach, es gebe nicht nur die physische Vernichtung des Menschen, es gebe auch die Vernichtung seiner geistigen Personalität. Das ist richtig, und das ist vielleicht sogar der schlimmste Tod, den es geben kann. Aber sind wir denn sicher, daß Sie auf dem Weg, den Sie gehen wollen, nicht auch die geistige Personalität des Menschen gefährden, immer weiter gefährden, bis sie schließlich vernichtet ist, dann nämlich, wenn wir uns drein ergeben haben, eine Welt zu akzeptieren, die uns zu Objekten seelenloser Mechanismen macht?

    (Beifall bei der SPD.)

    Dieser ganze Wettlauf in der Atomrüstung kommt doch darauf hinaus, uns zu Objekten solcher seelenloser Mechanismen zu machen, unsere moralische Widerstandskraft so zu korrumpieren, daß wir uns damit abfinden. So stirbt die geistige Persönlichkeit auch.

    (Beifall bei der SPD. —Abg. Dr. Krone: Wer will denn das?)

    Sicher, Herr Dr. Martin, hat die Obrigkeit die Aufgabe, Frieden und Recht — und beim Recht sage ich auch: Freiheit — zu bewahren, zu erhalten und dafür das Nötige zu tun. Das alte Wort „pax et justitia", „Friede und Recht", wie Walther von der Vogelweide sagt, gilt und wird gelten, solange es einen Staat gibt, der wirklich Staat sein will und nicht nur ein Haufen, der mit irgend welchen Machtmitteln eingerichtet und organisiert ist.
    Die Frage ist nur, ob es nicht hier auch eine Grenze gibt, wo Quantität in böse Qualität umschlägt; wo man nicht mehr sagen kann: Diese Zwecke rechtfertigen die Mittel, sondern wo man die Frage stellen muß: Können diese Mittel noch den besten Zweck rechtfertigen?

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Hier stellt sich in der Tat eine Gewissensfrage. Ich sage Ihnen frei, daß es sehr schwer sein wird, sich da zu entscheiden, und es wird uns nicht abgenommen werden, uns zu entscheiden. Keiner von uns wird später unter Hinweis auf seine Absichten sagen können: „Das habe ich nicht gewollt", — wie jener Kaiser im Jahre 1914 gesagt hat, Herr Bundesverteidigungsminister.

    (Heiterkeit bei der SPD.)




    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Ich werfe die Frage auf, um Ihnen zu zeigen, wie schwer es mir selber wird, mich in diesen Dingen zurechtzufinden. Aber ich glaube, wir sollten nicht, wie es hier zu oft geschehen ist, den Versuch machen, auf unsere guten Absichten abzuheben. Wir sollten es uns schwerer machen mit der Bewertung, mit der Beurteilung der Glieder der Ursachenreihen, die wir jetzt in Gang setzen — ob wir nun dieses tun oder ein anderes tun.
    Es ist auch viel damit operiert worden, wir könnten doch nicht verlangen, daß andere für uns etwas tun, das wir für uns zu tun nicht bereit seien. Auch das vereinfacht das Problem. Ohne irgend jemandem nahetreten zu wollen, erlaube ich mir doch zu sagen: was die anderen tun, das tun sie doch in erster Linie für sich,

    (Beifall bei der SPD)

    und sie haben recht, so zu handeln, denn sie sind verantwortlich für ihre Völker und für das Wohl ihrer Völker.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht nur!) Es kommt auch uns zugute.


    (Bundesminister Strauß: Aber dann liegt es in deren freiem Ermessen!)

    Aber die Frage ist, ob sich schon daraus der Schluß ergibt, daß wir das gleiche tun müßten wie sie, ob sich nicht aus der besonderen Lage Deutschlands als eines gespaltenen Volkes nicht ein elementares Recht ergibt, etwas anderes zu tun als sie!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Auch darauf sollte man vielleicht eine Antwort geben, die nicht nur auf Gefühle, auf Absichten abhebt!
    Es ist gesagt worden — und mit Recht —: Wir haben auf Gewaltpolitik verzichtet. Glauben Sie mir, niemand von uns ist der Meinung, daß Sie einen Krieg machen wollen.

    (Zuruf von der Mitte: Bravo!)

    Wenn hier gesagt worden ist, Sie bereiten einen Atomkrieg vor, so wollte man nicht damit sagen: Sie wollten ihn, sondern man wollte sagen: Was Sie tun, hat einen Sinn nur, wenn Sie daran glauben, daß ein Atomkrieg geführt werden muß.

    (Widerspruch in der Mitte.)

    — Nein, ich habe den Satz auch gehört, wenn auch nicht hier, so doch am Lautsprecher.
    Sie sagen: Daß wir machtpolitisch ungefährlich geworden sind — objektiv, nicht nur von der Absicht her —, das ergibt sich doch schon daraus, daß wir in die NATO eingetreten sind; wir können da ja gar nicht mehr so, wie wir wollten, selbst wenn wir noch böse wären, was wir nicht mehr sind! Auch das ist einfach. Indem man in eine Koalition
    — auch eine Verteidigungskoalition — eintritt, verzichtet man doch auf Gewalt nur seinen Koalitionspartnern gegenüber. Aber es könnte doch sein, daß die Föderation als solche Dritten gegenüber virulenter werden könnte als die Summe der einzelnen
    Souveränitäten. Auch das muß man bedenken, insbesondere wenn man sich über die Ursachen von Befürchtungen eines anderen — drüben im Osten — klar werden will. Das muß man aber, wenn man Politik machen will! Ich meine das ohne jede Sentimentalität und außerhalb des rein Psychologischen, einfach als Erfordernis des politischen Kalküls. Wenn man will, was auch Ihnen am Herzen liegt — ich glaube das —, muß man mehr tun. Dann muß man auch diesem Dritten gegenüber einiges ins Werk setzen, das vom Institutionellen her die Anwendung von Gewalt unwahrscheinlich macht oder gar erschwert.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Daher Abrüstung!)

    Der Kernpunkt alles dessen, worüber wir sprechen, ist doch die Einplanung der Bundesrepublik in die zur Füllung des 1945 in Mitteleuropa geschaffenen Vakuums gewollte Strategie. Man hat das in Potsdam von seiten der Westmächte nicht um Deutschlands willen geändert. Ich mache ihnen keinen Vorwurf. Wir haben ja in den letzten Jahren vor 1945 nicht besonders viel Wohlwollen verdient. Sie haben das gemacht — und das ist gut so, es kam auch uns zugute —, weil es ihr Interesse war. Sie sahen, daß sie dieses Vakuum nicht selber allein füllen konnten. Also kamen sie und sagten den Deutschen: Helft ihr uns, dieses Vakuum für uns und für euch mit zu füllen, auch wenn das — das wurde nicht gesagt, aber das war zwischen den Zeilen zu lesen — die Wiedervereinigung ausschließen oder wenigstens erschweren sollte. Ich werde das Wort nie vergessen, das auch Sie, Herr Kiesinger, in Straßburg einmal hören mußten: „Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb!"

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das hat nur einer ausgesprochen, aber ich glaube, viele haben es gedacht.
    In dieser Situation wäre es die Aufgabe gewesen, sich seines Ortes im Koordinatensystem der Weltpolitik bewußt zu werden, das heißt: nicht ein Faktor der Weltstrategie werden zu wollen. Das können wir nicht, und wir sollten es gar nicht wollen. Aber wir tun manchmal so, als müßten wir es werden. Wir können es aber nicht. Was wir gekonnt hätten, wäre gewesen, Zug um Zug den Rüstungen drüben in der sowjetisch besetzten Zone in gleichwertiger Weise mit eigenen Rüstungen zu begegnen. Das war eine Möglichkeit, und das war sinnvoll.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir ja auch getan!)

    — Nein, Sie wollen mehr, Sie wollen ein Faktor der Weltstrategie werden. Mißverstehen Sie mich nicht, Herr Friedensburg. Ich sage nicht, daß Sie es allein sein wollen; aber Sie wollen in die Weltstrategie eingeplant sein, und damit sind wir eben für die Leute im Osten, auf deren Ja wir eines Tages angewiesen sein werden, wenn wir wieder zusammenkommen wollen, ein Stück des Blockes, den Sie für eine Gefahr für sich halten. Ob das objektiv richtig ist oder nicht, ist nicht so wichtig als der



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Umstand, daß wir Anlaß zu diesem Glauben geben. Wir hätten uns damit begnügen sollen, dem Westen zu überlassen, die Schutzvorkehrungen, die er für nötig ansah, von sich aus, nach seinen Möglichkeiten zu treffen.
    Ich möchte von dieser Tribüne aus unsere amerikanischen, französischen, britischen und anderen Freunde — ich betone: Freunde — bitten, sich zu überlegen, in welchen schrecklichen moralischen Zwiespalt sie ein geteiltes Volk bringen, wenn Brüder gegen Brüder einander mit den schrecklichsten Waffen gegenüber stehen müssen, die es auf dieser Welt gibt!

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Daß Sie das nicht als schrecklichen Zwiespalt empfinden, finde ich betrüblich. Vielleicht muß es Ihrer Meinung nach sein. Aber wer das nicht als etwas Schreckliches empfindet, etwas Schrecklicheres, als man sich sonst vorstellen kann, der sollte nicht mehr von Vaterland sprechen!

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Nun sind die Dinge aber so, wie sie sind; man muß auf ihnen aufbauen. Sie haben sie geschaffen, wir finden sie vor. Wir können nicht so tun, als seien sie nicht. Wir sind nicht so töricht, zu glauben, es genüge, zu sagen: es gefällt uns nicht, also ist es anders. Nein, es ist so, wie es ist. Wir haben uns genügend darüber ausgesprochen, daß für uns die Erhaltung des Friedens und die Wiedervereinigung die beiden großen Ziele sind und ihnen gegenüber alles andere zweitrangig wird. Sie wissen, daß ich der Meinung bin, daß die atomare Ausrüstung der Bundesrepublik die Wiedervereinigung ausschließt, ohne daß diese atomare Bewaffnung der Bundesrepublik das Verhandlungspotential der NATO stärken würde.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn man den Frieden will, dann muß man alles tun, was zur Abrüstung führen kann, wobei wir wissen müssen, daß das Endziel, die allgemeine kontrollierte Abrüstung aller, noch ein Fernziel ist. Aber weil man dieses Fernziel heute noch nicht erreichen kann, sollte man nicht darauf verzichten, Schritte zu unternehmen, die darauf hinführen können,

    (Beifall bei der SPD)

    d. h. es mit einer partiellen Abrüstung bestimmter Waffengattungen — z. B. atomarer Waffen zunächst — für ein regional beschränktes Gebiet zu versuchen.

    (Bundesminister Strauß: Produktionsstop!)

    Deswegen scheint mir der Rapacki-Plan eine so gute Sache zu sein. Wenn man über diesen Plan verhandeln würde, müßten diese Verhandlungen notwendig weiterführen; das liegt in der Logik eines solchen Planes. Abgesehen davon wäre die Verwirklichung des Planes auch für sich allein ein Wert an sich. Denn wenn man auch mit Atomraketen in ein atomfreies Gebiet hineinschießen kann, so ist es doch schon ein Vorteil, wenn man Vorkehrungen schafft, die einen Panzerüberfall auf unser Gebiet unmöglich machen!

    (Beifall bei der SPD.)

    Man sollte auf diesen Dingen aufbauen, und man könnte darauf aufbauen. Ich habe schon in meiner ersten Rede einige Ausführungen darüber gemacht. Ich will in Stichworten wiederholen, was man machen sollte: Abbau der strategischen Hypotheken, Ausräumung der politischen Rückstände, Verhandlungen über ein Sicherheitsschema zunächst, dann Verhandlungen über den politischen und militärischen Status Deutschlands, dann über Modalitäten des Friedensvertrages — Modalitäten! —, dann freie Wahlen.

    (Zurufe von der Mitte.)

    — Ja, nicht weil ich das wünschte, nicht weil mir das lieb wäre, sondern weil wir sie vorher nicht kriegen werden, weil wir diese freien Wahlen nicht kriegen werden, solange nicht für beide Seiten feststeht, was aus einem wiedervereinigten Deutschland — seiner Bewegungsfreiheit — werden könnte!

    (Beifall bei der SPD.)

    Meinen Sie, es gefiele mir, daß es so ist? Aber ich bin nicht töricht genug, an der Situation vorbeizublicken. Ich glaube, Herr Kiesinger, in diesem Punkte stimmen wir überein.
    Man hat mir vorgeworfen, daß ich durch die Worte von De-facto-Institutionen, die geschaffen werden müßten, die deutsche Position aufgeweicht hätte. Meine Damen und Herren, ich glaube es nicht. Wir sind schon durch manche De-facto-Situation gegangen! Ich denke dabei etwa an den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee. Das war auch eine De-facto-Geschäftsführung.

    (Abg. Kiesinger: Unter freien Menschen!)

    Wir haben mitgetan, obwohl einige Mitglieder des Konvents von ihren Regierungen den Auftrag hatten, die Existenz, die Weiterexistenz eines deutschen Staates abzulehnen, Herr Kollege Strauß.

    (Bundesverteidigungsminister Strauß: Ich?) — Nein, aber Ihre Regierung..


    (Bundesverteidigungsminister Strauß: War das nicht Hoegner damals?)

    Trotzdem haben wir eine ganz ordentliche Vorlage für den Parlamentarischen Rat zuwege gebracht, auf Grund deren dann diese demokratisch legitimierte Körperschaft einen Beschluß über ein Grundgesetz fassen konnte. Natürlich wird es nicht genauso gehen; aber auf etwas Ähnliches hin sollte man mit einiger Phantasie das Verhandlungsterrain sondieren und einiges vorbereiten.
    Man wird demnächst eine Gipfelkonferenz abhalten. Ich habe schon einige Male Gelegenheit gehabt, zu sagen, daß ich kein besonderer Freund solcher Konferenzen bin. Aber eines könnte sie vielleicht erreichen: sie könnte eine Vereinbarung darüber treffen, nun auf dem normalendiplomatischen Wege miteinander zu verhandeln, und man könnte für diese Verhandlungen einen Rahmen abstecken und gemeinsame Instruktionen geben.



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    Meine verehrte Vorrednerin hat davon gesprochen, wir sollten uns nicht auf die sowjetische Großmut verlassen. Sicher sollten wir das nicht. Es wäre höchst töricht, wenn wir das täten. Man kann sich auf die Großmut im Verhältnis von Mensch zu Mensch verlassen, aber sehr selten im Verhältnis von Staat zu Staat. Da kann man sich nur darauf verlassen, daß Interessen übereinstimmen oder daß man Interessen übereinstimmend oder daß man gewisse Interessen und Befürchtungen gegenstandslos macht. Ich meine, wir sollten dafür mehr zu tun versuchen, als wir getan haben. Es gibt nämlich auch sowjetische Interessen; denn Befürchtungen sind auch Interessen. Das dürfen wir nicht vergessen.

    (Bundesverteidigungsminister Strauß: Wünsche sind auch Interessen!)

    — Oh ja, Wünsche sind auch Interessen, fundierte
    Wünsche ohne Frage, Herr Verteidigungsminister.
    Aber ein besonders starkes Interesse ist, Befürchtungen gegenstandslos werden zu sehen, nicht nur bei uns, sondern auch anderswo. Wir haben keine Angst vor amerikanischen Atombomben, sicher nicht; aber die Russen haben vielleicht Angst vor amerikanischen Atombomben bei uns.

    (Bundesverteidigungsminister Strauß: Bei den Alliierten!)

    Da gibt es sowjetisches Interesse, und man könnte vielleicht einiges tun, um ,dieses Furchtinteresse gegenstandslos zu machen, indem man ,die Interessenlage verändert, die heute besteht. Natürlich ist dabei ein Risiko, aber, wie ich glaube, ein kalkulierbares Risiko, und deswegen sollte man es wagen, sich damit näher zu befassen. Um solche Dinge sich zu bemühen, das nennt man eben Politik.

    (Bundesverteidigungsminister Strauß: Bisher gibt's ja keine deutschen Atomwaffen!)

    Man wird noch viel Schutt wegräumen müssen, bis man wird 'ans Bauen gehen können. Ein Mittel, Schutt wegzuräumen, wäre, in Verhandlungen über den Rapacki-Plan einzutreten. Ohne Verhandlungen darüber, ohne Vereinbarungen eines Status, etwa der Art, wie er ihn vorsieht — eines kontrollierten atomwaffenfreien Raumes —, wird es auf Grund der strategischen Konstellation, die heute besteht und die Sie erhalten wollen, beim Status quo bleiben. Mit dem Rapacki-Plan, mit seiner Verwirklichung, haben wir eine Chance, daß dieser Status quo in Bewegung kommt. Und wenn wir die Wahl zwischen einem Nicht und einem Vielleicht haben — und das Vielleicht zum Teil auch in unserer Hand liegt —, dann wählen wir dieses Vielleicht!

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Nun ist uns heute sehr ausgiebig gesagt worden — und auch der Herr Verteidigungsminister machte mir soeben einen solchen Zwischenruf —: Die Russen haben ja bisher immer alles abgelehnt. — Ja, das ist richtig. Aber was ergibt sich denn dann für uns aus diesem Verhalten und aus der dadurch geschaffenen Lage? Etwa, daß wir gar nichts mehr versuchen sollen, daß wir uns in den Schmollwinkel, daß wir uns in die Verbitterung zurückziehen sollen? Das führt uns keinen Schritt weiter, das genügt nicht! Gerade das zwingt uns, es immer wieder aufs neue zu versuchen, unsere Phantasie anzustrengen, etwas Neues auszudenken, über das verhandelt werden könnte! Man muß Versuche auch wagen können! Sie wagen ja auch etwas, und zwar mit einem Instrument, das höchst brisant und gefährlich ist!

    (Beifall bei der SPD.)

    Vergessen wir doch nicht: W i r sind es doch, die von der Sowjetunion etwas verlangen müssen. Nicht so ist es, daß s i e etwas von uns verlangen müßte. Das zwingt uns aber ein bestimmtes Verhalten auf, vor allen Dingen, weil der, von dem wir etwas verlangen müssen, ein kostbares Gut als Pfand in seinen Händen hält, und — ich sagte es das letztemal — wir ihm dieses Pfand nicht aus der Hand nehmen können.
    Wir wollen uns damit nicht abfinden. Wir wollen es uns auch nicht auf hohem Roß mit der Erbitterung gegenüber den Querschlägen der Sowjetunion genug sein lassen. Dieses hohe Roß könnte sich eines Tages als ein Karussellpferd entpuppen. Wir wollen Verhandlungen. Wir wollen, daß verhandelt wird, immer wieder, immer wieder mit neuen Fragestellungen, bis endlich die richtige gefunden worden ist, jene, auf die man nicht mehr mit militärischen Argumenten antworten kann, sondern auf die man mit politischen Argumenten antworten muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Für uns ist der Kampf mit dieser Debatte nicht zu Ende. Sie werden noch von uns hören. Sie werden sich noch stellen müssen. Wir werden noch mit Ihnen ringen. Und wir werden eine Bresche aufreißen, durch die hindurch der Aufschrei unseres Volkes auch den Weg zu Ihren Ohren finden wird!

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)