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ID0302105800

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    Deutscher Bundestag 21. Sitzung Bonn, den 25. März 1958 Inhalt: Antrag der CDU/CSU auf Begrenzung der Redezeit Rasner (CDU/CSU) 1057 B Dr. Mommer (SPD) . . . . . 1057 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . 1058 D Große Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238); Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) ; — Fortsetzung der Aussprache —. Dr. Dr. Heinemann (SPD) . 1059 D, 1117 D D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 1067 B Dr. Bucher (FDP) 1085 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 1088 D Ollenhauer (SPD) 1092 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 1099 D Dr. von Brentano, Bundesminister 1103 D Strauß, Bundesminister . . . . . 1107 B Dr. Arndt (SPD) (zur GO) . . . . 1115 D Rasner (CDU/CSU) (zur GO) . . . 1116 D Dr. Mende (FDP) (zur GO) . . . 1117 B Erler (SPD) 1118 B Dr. Bechert (SPD) 1122 D Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 1125 C Dr. Achenbach (FDP) 1128 B Frau Herklotz (SPD) 1132 A Frau Dr. Rehling (CDU/CSU) . . 1133 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 1135 D Kiesinger (CDU/CSU) 1139 D Dr. Mende (FDP) 1145 D Erklärungen zur Abstimmung Ollenhauer (SPD) 1150 D Dr. Mende (FDP) 1151 B Dr. Krone (CDU/CSU) . . . . . 1151 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 1152 A Dr. Friedensburg (CDU/CSU) (zur Behandlung der Berliner Abgeordneten) . . . . . . . . . . 1154 D Namentliche Abstimmungen, Einzel-abstimmungen Schneider (Bremerhaven) (DP) (zu Umdruck 34 Ziffer 5) . . . . 1155 A Kiesinger (CDU/CSU) (zu Umdruck 37, Umdruck 41) . . . 1157 B, 1160 B, D Erler (SPD) (zu Umdruck 41) . . . 1 160 B Dr. Bucher (FDP) (zu Umdruck 41) . 1160 C Dr. Mommer (SPD) (zu Umdruck 43) 1163 C Nächste Sitzung 1166 C Anlagen 1167 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 1057 21. Sitzung Bonn, den 25. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.32 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 12.4. Dr. -Ing. E. h. Arnold 25. 3. Bazille 1.4. Dr. Becker (Hersfeld) 19.4. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 25.3. Conrad 18. 4. Diel (Horressen) 19. 4. Dr. Eckhardt 29.3. Eilers (Oldenburg) 26.3. Felder 31.3. Dr. Friedensburg 26.3. Frau Friese-Korn 31.5. Funk 29. 3. Gottesleben 8.4. Dr. Gülich 29.3. Häussler 29.3. Heiland 31.3. Dr. Höck (Salzgitter) 31.3. Höcker 15.4. Frau Dr. Hubert 12.4. Jacobs 20. 4. Jahn (Frankfurt) 29.3. Jürgensen 31.3. Frau Kipp-Kaule 29.3. Dr. Kopf 29.3. Kunze 15.5. Lenz (Trossingen) 29.3. Dr. Lindenberg 29.3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30.4. Dr. Maier (Stuttgart) 25.3. Mellies 25.4. Muckermann 30.3. Murr 25.3. Neumann 12.4. Paul 30.4. Pelster 1.4. Frau Dr. Probst 25. 3. Rademacher 26. 3. Ramms 31.3. Schneider (Hamburg) 31.3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 26. 3. Dr. Stammberger 26.3. Dr. Starke 26.3. Frau Dr. Steinbiß 29.3. Stenger 25. 3. Strauß 25.3. Struve 29.3. Vogt 12.4. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 29. 3. Wehr 31.3. Weimer 29.3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 26. 3. Anlagen zum Stenographischen Bericht b) Urlaubsanträge Abgeordneter bis einschließlich Bauknecht 10. 5. Even (Köln) 19. 4. Höcherl 10. 5. Dr. Ripken 15. 4. Dr. Zimmermann 10. 5. Anlage 2 Umdruck 33 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, sich bei den Vier Mächten, den USA, der UdSSR, dem Vereinigten Königreich und Frankreich, dafür einzusetzen, daß eine Viermächtearbeitsgruppe (Ständige Konferenz der Stellvertreter der Außenminister oder Botschafterkonferenz) zur Behandlung der Deutschlandfrage gebildet wird mit dem Auftrag, die Grundzüge eines Vertrages für Gesamtdeutschland zu erarbeiten. Bonn, den 18. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 3 Umdruck 34 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. einen Beitrag zur allgemeinen Abrüstung durch den Verzicht auf die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen zu leisten; unter Berücksichtigung der Spaltung unseres Vaterlandes und der Bemühungen zur Wiedervereinigung mit Hilfe geeigneter Kontrollmaßnahmen zu erreichen, daß sowohl in der Bundesrepublik als auch im anderen Teil Deutschlands Atomwaffen weder stationiert noch gelagert und Atomwaffenanlagen nicht errichtet werden; 1168 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode -- 21, Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 3. sich dafür einzusetzen, daß gleichzeitig mit einem Abkommen über eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa eine Vereinbarung über die Stationierung konventioneller Streitkräfte im Raum der atomwaffenfreien Zone erzielt wird; 4. sich in allen Fragen der gemeinsamen Verteidigung bei den Mächten der Atlantischen Verteidigungsgemeinschaft um Berücksichtigung der besonderen Lage des geteilten Deutschlands zu bemühen; 5. in engem Zusammenwirken und dauernder Beratung mit der deutschen Atomwissenschaft dafür Sorge zu tragen, daß geeignete Maßnahmen für den Atomschutz der Bevölkerung getroffen werden und daß die Nutzung der Atomenergie ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Bonn, den 18. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 4 Umdruck 35 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, mit allen Mächten, die noch keine atomaren Waffen herstellen und besitzen, Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel des Abschlusses einer Konvention über Verzicht auf Herstellung und Besitz atomarer Waffen. Bonn, den 18. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 5 Umdruck 36 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest, daß atomare Sprengkörper jeder Art Werkzeuge der blinden Massenvernichtung sind und ihre Anwendung keine Verteidigung, sondern unberechenbare Zerstörung alles menschlichen Lebens bedeutet. Atomare Sprengkörper rotten unterschiedslos und unbegrenzbar Frauen und Kinder, Männer und Greise, jung und alt aus und verwandeln das Land in eine strahlenverseuchte, unbewohnbare Wüste. Von der Bundesregierung wird erwartet, daß sie unter Berufung auf ihre feierliche Erklärung vom 3. Oktober 1954 — dem Vertrag über den Beitritt der Bundesrepublik zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag als Anlage I zum Protokoll Nr. III über die Rüstungskontrolle beigefügt —, in der die Bundesrepublik auf die Herstellung atomarer Sprengkörper verzichtet hat, den Staaten, die nicht über Atomwaffen verfügen, vorschlägt, ein Übereinkommen zum Verzicht auf Herstellung und Verwendung von Atomwaffen abzuschließen und dadurch zugleich den Atomweltmächten die moralische Verpflichtung aufzuerlegen, die Verhandlungen über die kontrollierte Begrenzung der Rüstungen so zu fördern, daß auch ein Abkommen über die Ausschaltung der Atomwaffen zustande kommt. Bonn, den 18. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 6 Umdruck 37 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, keinerlei Verpflichtungen einzugehen und keinerlei Maßnahmen zu treffen, die die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atom- und Wasserstoff-Sprengkörpern, die Stationierung von Atomraketen und den Bau von Basen für diese Raketen zum Ziele haben. Bonn, den 18. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 7 Umdruck 38 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, mit der Regierung der Volksrepublik Polen und den anderen beteiligten Mächten in Verhandlungen über die Verwirklichung des Planes einer atomwaffenfreien Zone in Europa einzutreten. Bonn, den 18. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 1169 Anlage 8 Umdruck 39 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest, daß die Wiedervereinigung Deutschlands in gesicherter Freiheit Verhandlungen und Maßnahmen voraussetzt, die schrittweise eine Entspannung bewirken. Eine solche Politik dient zugleich der Kriegsverhütung und vermehrt die Aussichten auf die für das deutsche Volk lebensnotwendige Sicherheit. Eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr ist abzulehnen, weil sie eine politische Lösung der deutschen Frage bis zur Hoffnungslosigkeit erschwert. Sie verschärft die Spannungen und ist der Sicherheit des deutschen Volkes abträglich. Bonn, den 18 März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 9 Umdruck 40 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, sich bei den Vier Mächten für die Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag für Gesamtdeutschland einzusetzen. Bonn, den 22. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 10 Umdruck 41 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP Der Bundestag wolle beschließen: 1. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, auch weiterhin getreu ihrer grundsätzlichen Auffassung bei allen internationalen Verhandlungen und Konferenzen, an denen sie teilnimmt oder auf die sie Einfluß hat, a) für eine allgemeine kontrollierte Abrüstung sowohl atomarer wie konventioneller Waffen einzutreten, b) die Bereitschaft zu bekräftigen, daß die Bundesrepublik jedes derartige Abrüstungsabkommen annehmen wird, um dadurch zur Entspannung und zur Lösung der internationalen Probleme einschließlich der deutschen Frage beizutragen. 2. Solange der Kommunismus seine weltrevolutionären Ziele weiterverfolgt, die er noch im November 1957 auf der Tagung der Kommunistischen und Arbeiter-Parteien der sozialistischen Länder in Moskau erneut bekräftigt hat, können Friede und Freiheit nur durch eine gemeinsame Verteidigungsanstrengung der freien Welt gesichert werden. Der Bundestag stellt fest, daß die Bundeswehr lediglich der Erhaltung des Friedens und der Verteidigung dient. Darum fordert er die Bundesregierung auf, bis zum Zustandekommen eines allgemeinen Abrüstungsabkommens den Aufbau der deutschen Landesverteidigung im Rahmen der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft fortzusetzen. In Übereinstimmung mit den Erfordernissen dieses Verteidigungssystems und angesichts der Aufrüstung des möglichen Gegners müssen die Streitkräfte der Bundesrepublik mit den modernsten Waffen so ausgerüstet werden, daß sie den von der Bundesrepublik übernommenen Verpflichtungen im Rahmen der NATO zu genügen vermögen und den notwendigen Beitrag zur Sicherung des Friedens wirksam leisten können. 3. Das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits der Zonengrenze erwartet, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die deutsche Frage erörtert und einer Lösung nähergebracht wird. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, sich dafür mit allen Kräften einzusetzen. 4. Der Bundestag wiederholt seine Überzeugung, daß freie Wahlen die Grundlage der deutschen Wiedervereinigung bilden müssen. Er lehnt mit Entschiedenheit ab a) den Abschluß eines Friedensvertrages für zwei deutsche Staaten, b) Verhandlungen mit den Vertretern des derzeitigen Zonen-Regimes, c) den Abschluß einer Konföderation mit diesem Regime. 5. Der Bundestag bekräftigt seine Überzeugung, daß die Wiedervereinigung Deutschlands in Verbindung mit einer europäischen Sicherheitsordnung die dringlichste Aufgabe der deutschen Politik ist. Bonn, den 25. März 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion 1170 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 Anlage 11 Umdruck 42 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktionen der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag ein Weißbuch vorzulegen, aus welchen Gründen sie eine Ausbildung der Bundeswehr mit atomaren Massenvernichtungsmitteln in Erwägung zieht und welche Ausstattung der Bundeswehr mit solchen Massenvernichtungsmitteln sie plant. Das Weißbuch soll zugleich darlegen, wie die Bundesregierung nachteilige Folgen für die Aussicht auf Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit abzuwenden gedenkt. Bonn, den 25. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 12 Umdruck 43 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Frage, ob die Bundeswehr mit atomaren Massenvernichtungsmitteln üben oder ausgerüstet werden kann oder soll, wird zurückgestellt, bis die in Aussicht genommene Konferenz zwischen den Regierungschefs der Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion stattgefunden hat. Von ,dem amerikanischen Angebot, 48 „Matador"- Raketen für die Bundeswehr zu erwerben, wird kein Gebrauch gemacht. Bonn, den 25. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 13 Umdruck 44 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bis zum 31. Mai l958 zu berichten, welche konkreten Schritte und Maßnahmen sie den Regierungen der USA, UdSSR, Großbritanniens und Frankreichs vorzuschlagen gedenkt, die nach ihrer Auffassung geeignet sind, a) schrittweise eine kontrollierte Abrüstung, b) eine engere Verbindung zu den Menschen in Mitteldeutschland, c) die Wiedervereinigung herbeizuführen. Bonn, den 25. März 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 14 Umdruck 45 Entschließungsantrag der Fraktionen der FDP, SPD Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag wiederholt feierlich den im Grundgesetz enthaltenen Appell, daß das ganze deutsche Volk aufgefordert bleibt, die Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung zu vollenden. Die Verpflichtung der Vier Mächte zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands wird hierdurch nicht berührt. Bis zu dem Tage, an dem sich das deutsche Volk in freier Entscheidung eine Verfassung gibt, besteht in Deutschland keine endgültige und bleibende Staatsordnung. Die Bundesrepublik ist sich bewußt, daß sie als Ordnung des staatlichen Lebens für eine. Übergangszeit geschaffen wurde. Der Deutsche Bundestag erwartet deshalb die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands nicht von einem zwischen zwei deutschen Teilstaaten ausgehandelten Staatsvertrag, sondern unmittelbar von einem freien Willensentschluß des gesamten deutschen Volkes in seinen heute noch getrennten Teilen, der nach der Beseitigung der nicht in deutscher Zuständigkeit liegenden Hindernisse herbeizuführen ist. Der Bundestag erklärt seine Bereitschaft, jede Verhandlung zu unterstützen, die die Wege zu einem solchen Willensentscheid des deutschen Volkes ebnet, sobald eine Vereinbarung der Vier Mächte diese Möglichkeit erschlossen hat. Bonn, den 25. März 1958 Dr. Mende und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958 1171 Anlage 15 Umdruck 46 Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, um die Verhandlungen über die allgemeine Abrüstung zu fördern und die furchtbaren Gefahren für die Gesundheit der Lebenden und der kommenden Generationen abzuwenden, auf die Mächte, die Atomwaffen produzieren, einzuwirken, daß die Versuchsexplosionen mit Atomsprengkörpern sofort eingestellt werden. Bonn, den 25. März 1958 Frau Albertz Frau Renger Frau Bennemann Frau Rudoll Frau Berger-Heise Frau Schanzenbach Frau Beyer (Frankfurt) Frau Strobel Frau Döhring (Stuttgart) Frau Wessel Frau Eilers (Bielefeld) Frau Wolff (Berlin) Frau Herklotz Ollenhauer und Fraktion Frau Keilnack Frau Kettig Frau Dr. Diemer-Nicolaus Frau Korspeter Frau Friese-Korn Frau Krappe Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Frau Meyer-Laule Dr. Mende und Fraktion Frau Nadig Anlage 16 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Bausch nach § 36 der Geschäftsordnung. In der Sitzung vom Freitag, dem 21. März, hat der Abgeordnete Döring von der Fraktion der FDP u. a. erklärt, es werde „der Tag nicht mehr fern sein, wo die oppositionellen Kräfte nicht nur gegen diese Politik, die dahintersteckt stehen, sondern zwangsläufig gegen diesen Staat gestellt werden. Das würde denn auch bedeuten, daß diejenigen, die diesen Staat dann einmal in der Zukunft nicht mehr oder nicht als endgültige Lösung anerkennen wollen, die ersten Hochverratsprozesse zu erwarten haben." Ich habe darauf den Zwischenruf gemacht: „Hoffentlich". Wegen dieses Zwischenrufs bin ich im Verlauf der Debatte mehrfach angegriffen worden. Ich lege deshalb Wert darauf, folgendes festzustellen: 1. Der Abgeordnete Döring hat in der ersten Rede die er in diesem Hause gehalten hat, ganz offen angekündigt, der Tag werde nicht mehr fern sein, an dem oppositionelle Kräfte diesen Staat in Zukunft nicht mehr werden anerkennen wollen. Seit dem ersten Zusammentreten des Bundestages im Jahre 1949 ist es das erste Mal, daß von der Tribüne des Bundestages herab offen und unverhüllt eine Bewegung gegen diesen Staat angekündigt wurde. Dies verdient festgehalten zu werden. An einem solchen Vorgang kann man nicht einfach vorbeigehen. Hier wurde ein Zeichen aufgerichtet, das nicht übersehen werden darf. 2. Ich hoffe nicht, daß es zu einer solchen Entwicklung kommt. Ich würde dies für ein geradezu unabsehbares Verhängnis für unser Volk halten. 3. Wenn es aber so weit käme, dann allerdings hoffe ich — und dies war der Sinn meines Zwischenrufs —, daß sich alle staatstragenden Kräfte unseres Volkes in dem Willen vereinigen werden, diesen Staat zu verteidigen, und daß auch die Richter dieses Staates, ihrem Eide getreu, jeden daran hindern werden, seine Hand gegen den Staat zu erheben. Bonn, den 25. 3. 1958 Bausch
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    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nach der sehr ausführlichen Debatte in den letzten Tagen doch noch einmal daran erinnern, wie wir eigentlich zu dieser Aussprache gekommen sind. Einfach deshalb, weil man in der Auseinandersetzung, die hier im wesentlichen über die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands und der atomaren Ausrüstung der Bundeswehr geführt wurde, geflissentlich vermieden hat, darüber zu sprechen, was eigentlich der Zweck dieser Debatte sein sollte. Wie ist sie zustande gekommen? Auf Beschluß der CDU/CSU-Fraktion. Dieser Beschluß wurde gefaßt, weil man es für nötig hielt, für die Debatte am 23. Januar hier eine Art von Revanche zu üben. Es war nach den Intentionen und Vorbereitungen der größten Fraktion dieses Hauses geplant, in dieser Debatte eine parteitaktische und parteipolitische Abrechnung mit der Sozialdemokratischen Partei vorzunehmen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nachdem feststeht, daß dieser Versuch nicht gelingt,

    (Lachen in der Mitte — Beifall bei der SPD)

    möchte ich die Initiatoren dieser Debatte an ihren
    Ausgangspunkt erinnern. Ich sage das nicht nur,
    um diese Feststellung zu treffen, sondern auch deshalb, weil es eine denkbar schlechte Sache gewesen ist, daß wir hier über Lebensfragen unseres Volkes unter dem Gesichtspunkt sehr begrenzter, taktischer Überlegungen der herrschenden Regierungspartei diskutiert haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man hat hier am Samstag — es geschah vor allem in der Rede des Kollegen Kiesinger— über die Art der Argumentation und den Ton Beschwerde geführt. Herr Kiesinger hat gesagt, er schäme sich für das Parlament,

    (Rufe von der Mitte: Sehr richtig! — Beifall in der Mitte)

    daß man nach der Rede meines Freundes Helmut Schmidt — —

    (Rufe von der Mitte: Freund?)

    — Sehen Sie, deswegen habe ich es gesagt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Mahnung des Kollegen Kiesinger hätte sicher viel mehr Gewicht gehabt, wenn er dieses Gefühl der Beschämung bei den Reden seiner Parteifreunde Strauß und Jaeger empfunden hätte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da ist nämlich der eigentliche Ton herausgekommen, den Sie in dieser Debatte eigentlich wollten; da hat man so, wie man es nach dem Zettelkasten vorbereitet hatte, mit den üblichen Argumenten gegen die Sozialdemokratie losgezogen.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Es war etwas besser vorbereitet als das letztemal; aber trotzdem war der Erfolg sehr minimal.

    (Lachen in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, wenn sich aus dem Verlauf der Debatte, ihrer Art und auch der Verschärfung in den Gegensätzen in diesem Hause und in unserem Volk Konsequenzen ergeben, dann ist das die Verantwortung Ihrer Mehrheit und Ihrer Regierung.

    (Beifall bei der SPD. — Oho-Rufe von der CDU/CSU.)

    Sie wissen, welche tiefe Erregung in der Bevölkerung über diese Debatte ist.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Sie wissen, wie tief die Menschen die Frage bewegt, ob die atomare Ausrüstung nun wirklich durchgeführt werden soll,

    (Zuruf von der Mitte: Sicherheit!)

    eine Erregung, die ja weit bis in Ihre Kreise hineingeht.

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr wahr!)

    Ich hoffe, daß Sie sich bewußt sind, wenn Sie heute Abend nach Ihrem Willen hier abstimmen, daß, wenn Sie die atomare Ausrüstung der Bundeswehr beschließen, Sie damit einen Beschluß fassen gegen



    Ollenhauer
    die Mehrheit Ihrer eigenen Wähler vom 15. September.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Kiesinger: Herr Ollenhauer, Sie waren schon immer ein schlechter Prophet! — Zurufe von der Mitte: Bayerische Wahlen! — Glocke des Präsidenten.)

    Ich kenne auch das Wort des Herrn B und e s -k a n z 1 e r s in Ihren Besprechungen: „Ich habe die Wahlen von 1949 und 1953 ohne die Atomwaffen gewonnen, ich werde die Wahl 1961 auch mit den Atomwaffen gewinnen."

    (Abg. Dr. Menzel: Hört! Hört! — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich glaube, hier wird die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung, vor der wir stehen, geflissentlich übersehen oder nicht richtig eingeschätzt.

    (Abg. Dr. Seffrin: Unerhört! Genausogut wie Sie!)

    Meine Damen und Herren, ich glaube, die Sozialdemokratie hat ein Recht, diese kritischen Bemerkungen zu machen. Denn in der Unterhaltung, die ich auf Wunsch des Herrn Bundeskanzlers mit ihm vor dieser Aussprache hatte, habe ich die Auffassung unserer Fraktion vertreten, daß es uns in diesem Augenblick nicht zweckmäßig erscheine, eine außenpolitische Debatte zu führen, und zwar mit Rücksicht darauf, daß die gegenwärtigen internationalen Verhandlungen von so großen inneren Schwierigkeiten begleitet sind und so diffizil sind für alle Beteiligten, daß es besser wäre, über die Einzelheiten der Überlegungen der Regierung und der Fraktion im internen Bereich des Außenpolitischen Ausschusses zu sprechen. Wir wollten der Debatte hier nicht ausweichen aus irgendwelchen parteitaktischen Überlegungen, sondern wir hielten es für richtiger, Zeit zu gewinnen für die Vorbereitung der Debatte und für die Klärung der Situation, weil es sich hier um eine so entscheidende Stellungnahme des Parlaments handelt, wie wir sie seit der Gründung der Bundesrepublik noch nicht gefällt haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir hatten dieses sachliche Anliegen, aber wir haben dafür keine Unterstützung beim Bundeskanzler und bei Ihnen gefunden. Das ist Ihre Angelegenheit. Aber Sie hatten sich vielleicht vorgestellt, daß Sie die Entscheidung über die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen hier sozusagen mit den konventionellen Waffen der CDU im Kampf gegen die Opposition gewinnen könnten. Sie haben das mit einigem Erfolg versucht. Sie haben die Redezeit in einem außerordentlich starken Maße in Anspruch genommen, ich meine auch in dem Sinne, daß Ihre Herren Minister von dem ihnen zustehenden Recht, jederzeit in die Debatte einzugreifen, einen sehr weitgehenden Gebrauch gemacht haben.

    (Zuruf von der SPD: Mißbrauch! — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Es war ja nicht reiner Zufall, daß es immer so paßte, daß Sie oder Ihre Herren Minister in den Stunden sprachen, in denen Sie annahmen, daß Sie auf alle Fälle möglichst viele Menschen draußen am Rundfunk hören würden.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Seffrin: Das hätten Sie nicht anders gemacht, nur schlimmer!)

    — Bitte, ich stelle das hier fest, damit man auch die Art der Betrachtungsweise wieder einmal herausstellt, mit der Sie an diese Debatte herangegangen sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun zur Sache. Meine Damen und Herren, wenn Sie in diesem Augenblick schon eine außenpolitische Debatte über die aktuelle Situation haben wollten, wenn Sie schon hier sprechen wollten über die atomare Ausrüstung und über die Stellung Ihrer Regierung zu den Fragen einer Gipfelkonferenz, zu der Behandlung der Frage der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands im Rahmen der internationalen Gespräche, dann hätte man wohl erwarten können, daß Sie dann hier dem Parlament wenigstens sagen, welche konkreten Vorstellungen Sie als Regierung und Mehrheit für diese Verhandlungen haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben in den Reden unserer Sprecher an die Regierung, an den Herrn Bundeskanzler, an den Herrn Außenminister und an den Herrn Verteidigungsminister eine ganze Reihe von Fragen gestellt.

    (Abg. Dr. Dollinger: Wir auch an Sie!)

    — Jetzt spreche ich von unseren Fragen an die Regierung. — Wir haben bis zur Stunde trotz sehr ausführlicher Reden Ihrer Herren Minister auf fast alle diese Fragen keine Antwort bekommen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Dollinger: Wir auch nicht!)

    Meine Damen und Herren, es ist hier sehr viel über die Problematik, über Möglichkeiten, in dieser Situation zu handeln und sich zu entscheiden, gesprochen worden. Aber ich finde, es ist gut, wenn wir auf den Kern der Sache zurückkommen. Was ist die Politik der Regierung in dieser Lage? Die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers im Anschluß an die Rede meines Freundes Herbert Wehner, eine sehr kurze Rede, waren dafür aufschlußreicher als manche lange Regierungserklärung. Denn da hat der Herr Bund e s k an z 1 er gesagt:
    Dann möchte ich noch einmal mit allem Nachdruck vor Ihnen und vor der deutschen Öffentlichkeit erklären, wie nach meiner Meinung unsere Aufgabenstellung ist.
    Wir haben zuerst die Verpflichtung, für die Sicherheit und die Freiheit der 52 Millionen Einwohner der Bundesrepublik zu sorgen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)




    Ollenhauer
    Nur dann, wenn es uns gelingt, die Freiheit und die Sicherheit der Bundesrepublik zu gewährleisten, können wir mit Aussicht auf Erfolg auch an die uns im Herzen zutiefst bewegende Arbeit gehen, für die 17 Millionen Deutschen in der Ostzone zu sorgen, damit auch sie die Freiheit bekommen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Genauso! Sehr richtig!)

    Und der nächste Satz: Der Westen jedenfalls darf nicht geschwächt werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    — Sehr richtig? Wissen Sie, was das heißt? Das heißt: bewußter Verzicht auf jede aktive Politik der Wiedervereinigung,

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    das heißt: mit Vorrang jede Aktion und jede Entwicklung der NATO-Politik zu unterstützen, ohne Rücksicht auf die außergewöhnliche Situation des deutschen Volkes, das in zwei Teile getrennt leben muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich will Ihnen etwas sagen. Ich habe gegenüber dieser Erklärung des Herrn Bundeskanzlers keine andere Bemerkung zu machen als die: Wenn das der Sinn der Politik der Bundesregierung und Ihrer Mehrheit ist, bedeutet das das Ende der Wiedervereinigungspolitik der Bundesrepublik,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unsinn!)

    und es bedeutet die Einbeziehung der Bundesrepublik in den Todeskreis des atomaren Wettrüstens.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich will hier nichts an Argumenten wiederholen, die bereits vorher vorgebracht worden sind. Aber lassen Sie mich eines sagen. Es ist auch heute wieder von Ihrer Seite über die Frage der atomaren Ausrüstung diskutiert worden, als handele es sich tatsächlich nur um die Frage einer graduellen technischen Weiterentwicklung der Ausrüstung der Bundeswehr. Das ist einfach nicht wahr. Die Entscheidung, die Bundesrepublik in das atomare Wettrüsten einzubeziehen, ist bei dem Charakter dieser Massenvernichtungswaffen eine prinzipelle Entscheidung, unvergleichbar mit jeder Entscheidung über irgendeine technische Veränderung in der Ausrüstung der Bundeswehr.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie können den Tatbestand bestreiten oder verdunkeln, — Sie schaffen ihn nicht aus der Welt. So wie die atomare Ausrüstung außerdem auf uns zukommt, als ein integrierter Bestandteil der Militärpolitik der NATO, bedeutet sie im Grunde auch weitgehend das Ende der politischen Entscheidungsfreiheit dieser Regierung überhaupt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ganz abgesehen davon lohnt es sich doch vielleicht, einmal zu überlegen, ob wir tatsächlich freiwillig und ohne Zwang, wie es hier geschieht, uns
    in eine technische Entwicklung einbeziehen oder einbeziehen lassen sollten, die in ihren Konsequenzen unweigerlich die Kapitulation der Politik vor diesen Massenvernichtungsmitteln bedeutet,

    (Beifall bei der SPD)

    und zwar nicht erst, wenn sie angewandt werden, sondern von dem Tage an, an dem sie im Besitz oder im Gebrauch der Streitkräfte in der Bundesrepublik sind. Ich hoffe, daß Sie bei Ihrer Entscheidung diese alles überragende prinzipielle Bedeutung der Entwicklung einbeziehen.
    Was ich bedauere, ist, daß z. B. in dieser Lage die Bundesregierung und anscheinend auch Sie sich nicht bereit finden können, vor der Entscheidung ernsthaft nach einem Ausweg zu suchen, der eine solche Ausrüstung der Bundeswehr vermeidet. Wir sind in keiner Zwangslage.

    (Abg. Dr. Seffrin: Noch nicht! Aber wenn wir es so machen wie Sie, kommen wir hinein!)

    Es ist hier gesagt worden, wir dürften auf die atomare Ausrüstung nicht verzichten, weil das mit unseren Verpflichtungen gegenüber der NATO nicht vereinbar sei. Das ist objektiv nicht richtig.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Es gibt im NATO-Vertrag keine einzige Bestimmung, die irgendeinen Mitgliedstaat der NATO verpflichtet, atomare Ausrüstung vorzunehmen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Mehr noch, meine Damen und Herren! Wir haben im Dezember die Außenministerkonferenz der NATO-Mächte in Paris gehabt. Da ist über diese Frage gesprochen worden. Über das Resultat will ich noch ein Wort sagen. Der Beschluß der NATO-Konferenz ist von den maßgebenden Leuten der NATO ausdrücklich dahin kommentiert worden, daß er keinen Mitgliedstaat verpflichtet, ihn durchzuführen und anzunehmen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Warum? Weil klargeworden ist, daß Mitgliedstaaten der NATO, deren Loyalität und Treue zur NATO überhaupt nicht zur Debatte stehen, von vornherein erklärt haben, daß sie nicht bereit sind, in die atomare Ausrüstung zu gehen; z. B. Dänemark, z. B. Norwegen.

    (Abg. Kraft: Norwegen?)

    — Ja, Norwegen! Ich habe es mit Absicht genannt, denn der Herr Bundesverteidigungsminister hat hier mit einigem Stolz und als eine Art Polemik gegen uns auf einen Vortrag des norwegischen Verteidigungsministers in Bergen hingewiesen. Ich habe keinen Zweifel, daß der Herr Verteidigungsminister den Inhalt dieser Rede hier so korrekt wiedergegeben hat, wie er in der Presse berichtet wurde. Was ist denn der politische Sinn dieser Ausführung des norwegischen Verteidigungsministers? Der norwegische Verteidigungsminister hat das qualifizierte Nein der norwegischen Regierung begründet und nicht etwa der atomaren Aufrüstung zugestimmt.

    (Beifall bei der SPD.)




    Ollenhauer
    Warum wird das dem Parlament nicht gesagt? Glaubt man, daß wir es nicht erfahren, wenn es uns hier nicht gesagt wird? Warum spricht man denn nicht offen über den Tatbestand?
    Noch eine andere Frage! Es ist gesagt worden, die NATO habe entschieden. Pardon, wieso hat denn eigentlich die NATO im Außenministerrat einstimmig entschieden? Da muß doch auch die Stimme des deutschen Außenministers für die atomare Aufrüstung abgegeben worden sein!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wann, meine Damen und Herren, haben Sie vor dem 15. Dezember erfahren, daß die Regierung ihren Außenminister ermächtigt hat, eine so weitgehende prinzipielle Entscheidung herbeizuführen für die positive Abgabe seiner Stimme im Rat der Außenminister?

    (Abg. Wienand: Das ist die Frage! — Weitere Zurufe von der SPD: Unerhört!)

    Wir haben im Dezember um eine außenpolitische Debatte gefragt. Sie wissen, wie Sie uns das abgelehnt haben. Wir haben im Außenpolitischen Ausschuß die Frage gestellt: Welche Richtlinien hat die Regierung dem Außenminister gegeben? Man hat uns keine Antwort gegeben. Wir haben später erfahren, daß es einen einstimmigen Beschluß — d. h. mit der Stimme unseres Außenministers — gibt.
    Jetzt wird die Sache noch weiter entwickelt: Was können wir tun? Nachdem die NATO entschieden hat, müssen wir doch unsere vertraglichen Verpflichtungen erfüllen. — Da ist doch einfach etwas nicht in Ordnung!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Anhaltende Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Da hat man doch den Versuch gemacht, mit diesen Methoden einen Tatbestand zu schaffen, als ob man irgendeine Verwaltungsangelegenheit in Ordnung bringen will.
    Ein anderes Argument, meine Damen und Herren! Es ist hier immer so beredt davon gesprochen worden, wir dürften doch die NATO nicht schwächen; der Verzicht auf die atomare Ausrüstung würde eine solche unverantwortliche Schwächung bedeuten. Ja, wieso eigentlich?

    (Abg. Wehner: Weil sich bei dem Außenminister alles um die vier Buchstaben dreht: NATO!)

    Ist denn z. B. die Verteidigungskraft der NATO auch so entscheidend geschwächt, wenn z. B. Norwegen und Dänemark außerhalb der atomaren Ausrüstung bleiben?

    (Zuruf von der Mitte: Nicht so, nicht in dem Maße!)

    — Nun, verehrter Kollege, fragen Sie einmal darüber die Norweger, die ihre eigenen Probleme haben, und Sie können nicht sagen, daß das hier bei uns eine besonders dringende Notwendigkeit ist. Wenn wir den Gedanken hier im geteilten Deutschland weiter verfolgen wollen, kommen wir auf sehr
    gefährliche Konsequenzen, die Sie bis jetzt immer bestritten haben.
    Warum müssen wir eigentlich jetzt entscheiden? Wer hat uns denn bis jetzt gefragt? Hat man uns nicht noch vor vier oder acht Wochen, am 23. Januar, hier erklärt: Keine Sorge, es gibt keine atomare Aufrüstung? Hat man nicht gesagt, da kommt erst der Rat der Verteidigungsminister im April, dann die Außenministerkonferenz im Mai, und dann werden wir sehen? Ist nicht gesagt worden: Wir wollen erst einmal abwarten, was sich dann ergibt; vielleicht kommen wir sogar um die Entscheidung herum?
    Nun, wir haben unsere Zweifel gehabt, und wie begründet die Zweifel waren, hat sich ja gezeigt, als uns Herr Strauß nach seiner Rückkehr aus Amerika mitteilte, daß er den Beschluß, diese Matadorraketen zu kaufen, schon seit Dezember von dieser Regierung in der Tasche hatte.

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!)

    Aber sind wir hier gefragt worden? Jetzt mit einemmal will man uns und dem Volke einreden, es muß geschehen.

    (Abg. Kraft: Haben Sie nicht gehört, daß es sich um Übungsraketen handelt? — Lachen bei der SPD.)

    — Aber, Herr Kraft, ich habe nicht gewußt, daß Sie nach so langer Regierungszeit noch so treuherzig das glauben, was hier gesagt wird.
    Meine Damen und Herren, das ist doch — —

    (Abg. Kraft: Sie verschweigen, was Sie wissen!)

    — Nein, ich verschweige gar nichts. Ich wünschte, ich könnte im Herzen mehr, als ich es heute tatsächlich bin, über das beruhigt sein, was sich hier tut.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir sind gar nicht in der Lage, daß heute und hier eine solche Entscheidung gefällt werden muß, aus keinem Ihrer Gründe, — ich rede gar nicht von unseren. Ich warte immer noch auf die Erklärung der Bundesregierung, warum das jetzt geschehen muß. Ich habe sie nicht gehört.
    Weiter, meine Damen und Herren! Alles das sei einmal in Rechnung gestellt. Aber für uns, für die Bundesrepublik besteht doch außerdem in dieser Frage noch eine grundsätzlich andere Situation als für jedes andere Mitgliedsland der NATO. Wir sind ein gespaltenes Deutschland, wir sind ein geteiltes Deutschland, und ich finde, die Bundesrepublik sollte zur atomaren Aufrüstung nicht einmal, sondern dreimal nein sagen: erstens wegen der Sinnlosigkeit und der Gefährlichkeit, die die atomare Ausrüstung vom Standpunkt der Sicherheit bedeutet; zweitens von dem Gesichtspunkt aus, daß es ja mehr als fraglich ist, ob alle unsere NATO Partner wirklich so begeistert davon sind, daß die Bundesrepublik nun außerhalb der eigentlichen Atommächte das erste Land sein will, das atomar ausgerüstet wird.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    1096 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958
    Ollenhauer
    Wir haben ja bis jetzt schon einige sehr interessante Pressestimmen über den bisherigen Verlauf der Debatte gelesen. Und schließlich haben wir als Vertreter, ich sage mit vollem Bewußtsein: des freien Teils Deutschlands eine erhöhte Verantwortung, die Frage zu prüfen: Was sind die Konsequenzen der Fortsetzung dieser Politik für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands?

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist kein Zweifel, daß Sie, wenn Sie diesen Schritt gehen, einen ganz entscheidenden Schritt in der Richtung der Verewigung der Spaltung Deutschlands tun.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Kraft: Das ist eine Behauptung, die nicht beweisbar ist! — Abg. Dr. Seffrin: Sie wird nicht richtiger, auch wenn Sie sie noch so oft wiederholen!)

    — Wir werden das noch sehr oft wiederholen,

    (Abg. Dr. Seffrin: Deshalb wird's nicht richtiger!)

    verlassen Sie sich darauf!
    Ich will Ihnen etwas sagen: Glauben Sie nicht, daß die Frage der atomaren Ausrüstung von der Tagesordnung der deutschen Politik verschwindet,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    wenn Sie heute abend einen Mehrheitsbeschluß fassen!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Wir sind in Erwägungen darüber, dem Haus einen Gesetzentwurf vorzulegen, der es uns ermöglicht, in der Bundesrepublik eine offizielle Volksbefra- ' gung durchzuführen, ob das Volk die atomare Ausrüstung will oder nicht.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Sie werden vor die Frage gestellt werden, ob Sie einen solchen Gesetzentwurf annehmen oder nicht. Es bleibt Ihnen nicht erspart.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Abg. Rösing: Im Parlamentarischen Rat haben Sie die Volksabstimmung abgelehnt! — Gegenruf des Abg. Wehner: Da stand auch nicht die Frage der Atomsprengkörper zur Diskussion!)

    — Ich habe ja nicht von einem Volksentscheid gesprochen. Ich habe von einer Volksbefragung gesprochen. Lassen Sie sich einmal darüber aufklären, daß es da einen gewissen Unterschied gibt und daß eine solche Volksbefragung nicht in Widerspruch zu den Überlegungen steht, die uns seinerzeit bei der Verabschiedung des Grundgesetzes in bezug auf einen Volksentscheid geleitet haben.
    Meine Damen und Herren, warum? Nicht nur wegen der prinzipiellen Gefahren, die die atomare Aufrüstung auf uns zukommen läßt, nicht nur wegen der Rückwirkungen in bezug auf die Spaltung
    Deutschlands, sondern weil es nach unserer Meinung unverantwortlich ist,

    (Abg. Dr. Dollinger: Vorsichtig!)

    im Zeichen der internationalen Gespräche über Abrüstung und Entspannung eine so schwerwiegende Tatsache zu schaffen ohne zwingende Not!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Aber das ist nicht neu. Erinnern wir uns! Wir haben dieselbe Sache erlebt während der Genfer Konferenz, als die CDU/CSU-Fraktion es für richtig hielt, zur Stärkung der westlichen Position gerade während dieser Konferenztage in Genf hier das, ich weiß nicht, Soldaten- oder Freiwilligengesetz durchzubringen. Das haben Sie damals schon getan. Und wollen Sie bestreiten: Was immer für Chancen in den Noten von 1952, in den Konferenzen von 1954 und 1955 gewesen sein mögen, Sie haben durch die Schaffung der Tatsache der militärischen Aufrüstung auch im Zusammenhang mit solchen internationalen Gesprächen die positive Lösung der Wiedervereinigungsfrage erschwert!

    (Abg. Kraft: Nein! — Abg. Dr. Seffrin: Die Wiedervereinigung vorbereitet! — Gegenruf des Abg. Wehner: Im Massengrab! — Abg. Kraft: Das ist Ihre Auffassung!)

    — Sie können doch nicht bestreiten, Herr Kollege Kraft: mindestens haben Sie der anderen Seite damit die besten Vorwände für ihre versteifte Haltung geliefert!

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte. — Abg. Wacher [Hof]: Jetzt sind wir noch für die Haltung der Sowjets verantwortlich, so weit kommt es noch!!)

    — Ich will Ihnen mal etwas sagen: lassen Sie bitte diese ewigen Vergleiche, wie sie heute auch wieder anklangen — nicht bei Ihnen, aber bei Herrn Schneider —, daß alle diese Argumente doch auch von den Sowjetmachthabern aufgenommen würden und hier also doch wohl ungewollt eine solche Berührung bestehe! Wir Sozialdemokraten brauchen uns weder von den Kommunisten noch von den Bolschewisten abzugrenzen. Wir haben unsere Position eindeutig und klar bezogen, und dabei bleibt es. Aber wir sagen Ihnen eines: In den Lebensfragen der Nation, wie sie hier zur Debatte stehen, werden wir so handeln und so argumentieren, wie wir es vom deutschen Standpunkt für richtig halten, ganz gleich, wer uns kritisiert oder wer uns labt.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Herr Kiesinger, Sie haben die Bemerkung gemacht, unsere Haltung sei nur die logische Fortsetzung unserer, wie Sie sagten, dauernd negativen Einstellung zu Europa und zur europäischen Verteidigung, angefangen von der Montanunion über EVG, Pariser Verträge usw. Das klingt alles sehr schön. Aber, Herr Kiesinger, Sie wissen doch genausogut wie ich, daß so einfach die Dinge nicht



    Ollenhauer
    liegen. Sie wissen, Herr Kiesinger, welche Gründe
    die Sozialdemokratie seinerzeit dafür gehabt hat,

    (Abg. Kiesinger: Eben!)

    die Montanunion abzulehnen. Wir haben große Bedenken gehabt wegen der Rückwirkungen auf die Zone und auf die Chancen der Wiedervereinigung. Wir haben auch das Bedenken gehabt, ob es möglich ist, einen Teil der Wirtschaft so supranational zu integrieren, wie es in Luxemburg geschehen ist. Und, meine Damen und Herren, wir haben nun fünf Jahre Erfahrung mit der Montanunion hinter uns. Wir waren dabei, wir haben, nachdem die Hohe Behörde und das Parlament geschaffen waren — Sie werden das zugeben —, in der Sache mitgearbeitet. Und was die Erfahrung? Ich will Ihnen sagen: Wenn dieses Parlament mit dieser Mehrheit heute noch einmal vor der Frage stünde, eine Hohe Behörde mit solchen supernationalen Vollmachten zu bilden, wie sie in Luxemburg für die Montanunion geschaffen wurde, Sie würden nicht mehr dafür stimmen.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte.)

    Auch das ist doch ein Teil der Europapolitik, die Sie jetzt als eine hervorragende Leistung herausstellen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das saugen Sie sich aus den Fingern!)

    — Sehen Sie sich einmal die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft an. Da ist man nämlich infolge der veränderten politischen Konstellation längst nicht mehr zu solchen supernationalen Vollmachten gekommen, wie wir sie in der Montanunion haben, und Sie waren ja an dieser Auflockerung der Dinge nicht ganz unbeteiligt.
    Und die EVG? Jawohl, wir waren dagegen, mit guten Gründen, die nach meiner Meinung heute noch ihr Gewicht haben. Wie war denn die Sache mit der EVG? War das nur der überschäumende Europageist, oder war nicht bei einzelnen Partnern dieser Europäischen Verteidigungsgemeinschaft die Idee, daß die Integrierung der deutschen Streitkräfte in eine europäische Armee die beste Sicherheit vor einer vielleicht etwas sehr selbständigen neuen Politik der Bundesrepublik ist?
    Wie wäre denn zweitens die Sache geworden — wir hätten es nicht zu verteidigen, aber Sie —, wenn die EVG zustande gekommen wäre? Wie wäre denn eigentlich die Lage für die Bundesrepublik damals gewesen, als England und Frankreich an den Suez-Kanal gingen, und wie wäre die Lage heute, wären heute deutsche EVG-Soldaten vielleicht in Algerien?

    (Zurufe von der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, ich will Ihnen das hier nur sagen, weil ich es für nicht in Ordnung halte, daß man in dieser Weise gegenüberstellt: Wir sind wieder einmal, wie immer, gegen jede übernationale Zusammenarbeit, wie wir auch alles in der Vergangenheit abgelehnt haben. Das liegt alles viel tiefer. Hier geht es gar nicht um die Existenz der
    NATO, hier geht es auch nicht um die Frage der Verteidigung. Wir haben die Fragen hier aufgeworfen. Wir haben nie die These vertreten, in den Verhandlungen mit der Sowjetunion als eine Art von Vorleistung zunächst einmal die Mitgliedschaft in der NATO aufzugeben Das ist niemals die sozialdemokratische These gewesen.

    (Abg. Erler: Sehr wahr!)

    Meine Damen und Herren, was ist denn das Resultat Ihrer Politik? Heute entwickeln Sie mit immer neuen Variationen die These: Es geht gar nicht anders, es Bibi keine Verhandlungsmöglichkeiten, es gibt keine Verständigungsmöglichkeiten; also bleiben wir bei der NATO. Es ist sehr bedauerlich, daß wir, wenn wir schon die Debatte hier haben, dann nicht etwas ernsthafter, etwas fundierter über alles das gesprochen haben, was sich z. B. in dem sogenannten Rapacki-Plan vielleicht an Möglichkeiten für die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Europa verbirgt.

    (Zuruf von der Mitte: Dazu haben Sie vier Tage Zeit gehabt!)

    Gewiß, es gibt darin Probleme und Fragen zu klären. Aber wir hören nur immer wieder: Eine solche Teillösung ist ohne Wert. Dabei muß man sich vorstellen, daß Gegenstand der Verhandlungen mindestens die Entspannung, die militärische Entlastung in einem Gebiet sein würde, das unter Umständen vom Rhein bis an die russische Westgrenze reicht, und zwar nicht nur in bezug auf die atomare Ausrüstung, sondern auch in bezug auf den Rückzug ausländischer Truppen aus diesen Gebieten.
    Meine Damen und Herren! Es ist hier so viel Menschliches und Gutes über die Notwendigkeit gesagt worden, unseren 17 Millionen Menschen in der Zone zu helfen. Das ist anerkennenswert, und ich hoffe, daß wir daraus praktische Konsequenzen auch in Zukunft ziehen. Aber es müßte doch auch auf der politischen Ebene etwas versucht werden und etwas geschehen. Wenn es möglich wäre, im Zuge solcher Verhandlungen zu einer Vereinbarung über den Rückzug der sowjetischen Truppen zu kommen, würden wir der Bevölkerung in der Zone den größten Dienst erweisen, den wir ihnen heute erweisen können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP.)

    Wir versuchen es nicht einmal.
    Genauso mit Polen. Die polnische Regierung ist eine kommunistische Regierung; mein Freund Carlo Schmid hat darüber gesprochen. Aber, meine Damen und Herren. was ist eigentlich mit der These des freien Westens, eine Politik zu treiben, die den Völkern in Osteuropa wenigstens Schritt für Schritt etwas mehr Lebensraum und Unabhängigkeit gibt, wenn wir nicht einmal bereit sind, über einen Plan mit ihnen zu reden, der ihnen unter Umständen eine gewisse Erleichterung gibt?

    (Sehr gut! bei der SPD.) Können Sie mir das erklären?


    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)




    Ollenhauer
    Ich habe dafür nur die Erklärung, daß man es so ganz gut findet

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist nicht richtig!)

    und daß man also lieber nicht am Status quo rühren möchte.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    Nun sagen Sie: „Wir können ja doch nicht auf die Sicherheit verzichten, und wir müssen im Interesse der Sicherheit auch diesen Schritt der atomaren Ausrüstung tun. Wo wären wir ohne die NATO!" Nun, meine Damen und Herren, da möchte ich nur an das Wort des Herrn Bundeskanzlers erinnern, das er hier in dieser Debatte gesprochen hat: Wenn es zu einem neuen Krieg kommt mit atomaren Waffen, so ist es gleichgültig, ob wir bewaffnet oder unbewaffnet sind. — Ich mache mir diese These gar nicht zu eigen; aber ich frage: Was ist eigentlich an zusätzlicher Sicherheit für die Bundesrepublik geschaffen worden, seitdem wir die Aufrüstung in der Bundesrepublik haben, seitdem wir als Mitgliedstaat der NATO-Vereinbarungen die Bundeswehr haben? Damals hat man uns gesagt: Wir müssen hier die konventionellen Streitkräfte des Westens verstärken. Es sollen 500 000 Mann deutsche Soldaten zu den anderen in Deutschland und Europa stationierten Kräften der EVG-Mächte hinzukommen. Was ist jetzt das Resultat? Wir können die Bundeswehr gar nicht so rasch aufbauen, wie die westlichen Streitkräfte aus Europa abgezogen werden. Das ist doch die Lage. Ich gebe gar kein Urteil darüber ab. Aber wie können Sie hier behaupten, das sei alles unerläßlich im Namen dieser Sicherheit? Meine Damen und Herren, wenn wir hier in Frieden leben, wenn es nicht zu diesem Hauptkonflikt zwischen den Großmächten kommt, dann liegen die Ursachen doch auf einer ganz anderen Ebene als in der Frage des Status und der Zahl und des Umfangs der Ausrüstung der Bundeswehr in der Bundesrepublik.
    Das heißt nicht, daß wir erklären: „Alles ist Unsinn." Es gibt keine solche Erklärung. Im Gegenteil: in der Rede, die ich hier als Antwort auf die Erklärung der Bundesregierung nach dem ersten Zusammentritt des 3. Bundestages abgegeben habe, habe ich völlig eindeutig noch einmal zum Ausdruck gebracht, daß die Sozialdemokratie die Landesverteidigung bejaht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Und dabei bleibt es.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Na, na! — Abg. Majonica: Aber wie?)

    Das schließt doch nicht aus, daß wir endlich einmal darüber reden, welche zusätzlichen Gefahren wir uns aufladen müssen, ohne etwas wirklich Entscheidendes für die Sicherheit des Volkes zu tun.

    (Abg. Majonica: Wie sieht denn Ihre Verteidigungskonzepti on aus, Herr, Ollenhauer?)

    — Ich habe es Ihnen eben gesagt.

    (Abg. Majonica: Nein!) — Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Sie kennen natürlich die Antwort; sie brauchen aber solche Fragen und Antworten für das beliebte Puzzlespiel draußen.


    (Abg. Majonica: Nein, das ist eine echte Frage!)

    Sehen Sie, meine Damen und Herren, genauso wie andere demokratische Länder die Verteidigung ihres Landes organisieren, ohne in die atomare Aufrüstung zu gehen, z. B. Schweden, z. B. Dänemark, z. B. Norwegen — —

    (Abg. Majonica: Sie wissen doch, daß in Schweden die Diskussion über die Atombewaffnung im Gange ist!)

    — Entschuldigen Sie, die Diskussion haben wir auch. Der Unterschied ist nur: Sie können gar nicht abwarten, bis sie kommt, und die Schweden machen sich noch Gedanken darüber.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Kiesinger: Schweden will sogar produzieren! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich möchte hier noch eine andere Bemerkung machen, weil es vielleicht — vielleicht — die letzte Gelegenheit ist, über solche Dinge mit Aussicht auf irgendeinen Erfolg zu sprechen. Ich meine etwas ganz Konkretes. Herr Kollege Gerstenmaier hat davon gesprochen, als er noch einmal auseinandersetzte, welche Überlegungen ihn geleitet haben, die Idee von Verhandlungen über den Friedensvertrag in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Wir haben das Bulganin-Memorandum an den amerikanischen Präsidenten. Es hat eine Diskussion, es hat Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben, wie die Bemerkung über einen Friedensvertrag für Deutschland zu verstehen sei. Ich will darauf jetzt nicht zurückkommen. Aber wissen Sie, diese Frage stand bis zum Tag vor dieser Debatte im leidenschaftlichen Interesse der Offentlichkeit, und auch in Unterhaltungen mit dem Bundeskanzler hat diese Frage eine große Rolle gespielt.
    Da bekommt unsere Regierung, bekommt der Herr Bundeskanzler von der russischen Regierung ein ausführliches Aide-memoire mit außerordentlich interessanten Erläuterungen über die Art und Weise, wie die russische Regierung die Bemerkung über den Friedensvertrag verstanden hat. Es ist klargestellt worden: man denkt nicht an zwei Friedensverträge. Es ist gesagt worden: Wir sind nicht bereit, über die Wiedervereinigung zu reden. Aber, meine Damen und Herren, in diesem Aide-memoire ist gesagt worden, daß, wenn man die Frage eines Friedensvertrags aufwirft und behandelt, selbstverständlich auch die Bestimmung der militärischen und teilweise auch politischen und wirtschaftlichen Bedingungen für Gesamtdeutschland zur Diskussion steht.
    Meine Damen und Herren, wer gibt uns eigentlich das Recht, eine solche Bemerkung einfach beiseite zu schieben und nicht den Versuch zu unternehmen, einmal wenigstens festzustellen, ob nicht unter dem Begriff Friedensvertrag eine Diskussion über die



    Ollenhauer
    beiderseitigen Vorstellungen von dem Status eines wiedervereinigten Deutschlands möglich ist? Keine Frage, die Debatte wird sehr schwierig sein. Wir alle wissen, daß im Zuge der Entwicklung eine isolierte Regelung der Deutschlandfrage nicht mehr möglich ist. Wir müssen sie im Rahmen von Abrüstung und Entspannung im Zusammenhang mit dem internationalen Status eines wiedervereinigten Deutschlands zu lösen versuchen. Hier haben wir mindestens einen, ich möchte sagen, Tagesordnungspunkt, über den man mit der anderen Seite doch einmal reden sollte. Es hat niemand getan, und ich sage ganz offen, ich vertiefe und zerrede das in diesem Augenblick nicht, aus einem ganz einfachen Grunde: ich hoffe, daß dieses Aide-memoire nicht dasselbe Schicksal erleidet wie die Noten des Jahres 1952.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Wir haben niemals, weder im März 1952 noch später in unserer Kritik an Ihrer Politik, gesagt: da war das Deutschland-Programm der Sowjetregierung, das wir so akzeptieren können. Wir haben gesagt: Es ist beklagenswert, daß man nicht ernsthaft über diese Vorschläge geredet hat.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Sie stehen jetzt wieder vor diesem Dokument. Sie haben es hier beiseite geschoben, als existiere es nicht. Aber ich sage Ihnen: Wenn Sie jetzt nur die atomare Aufrüstung sehen und wenn Sie die Möglichkeiten nicht untersuchen, werden Sie eines Tages unter Umständen vor derselben Lage stehen und sich selbst den Vorwurf machen, in einem solchen Zeitpunkt vor dem Beschluß über die atomare Aufrüstung mit der anderen Seite nicht wenigstens einmal ernsthaft gesprochen zu haben.

    (Beifall bei der SPD. — Zustimmung des Abg. Döring [Düsseldorf].)

    Was immer die Motive der anderen Seite sind, ob sie taktisch bedingt waren — im Zusammenhang mit dieser Debatte durchaus denkbar —, das ändert nichts an dem Tatbestand, daß das Dokument vorliegt. Es liegt allein in unserer Verantwortung.
    Wie gesagt, ich wollte das hier angesprochen haben mit der Hoffnung -- ich füge das hinzu —, daß am Tage nach dieser Debatte die Regierung sich bereit findet, in dieser Sache wirklich an den Kern der Dinge zu gehen und im Rahmen der künftigen Verhandlungen am Zustandekommen einer Gipfelkonferenz mitzuhelfen. Wenn unter diesem Stichwort eine Diskussion darüber stattfindet, ist es vielleicht möglich, erste, auch von uns vertretbare Schritte in die Richtung der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu gehen.
    Ich finde, die Lage ist zu allem anderen mehr angetan als zu einem so weitgehenden Beschluß über die atomare Aufrüstung, wie Sie ihn hier sich jetzt zum Vorsatz gemacht haben. Ihre Verantwortung können wir Ihnen nicht abnehmen. Aber noch einmal: Es ist nicht die Entscheidung über die Konsequenzen für die Bundeswehr aus der technischen Umorganisation der NATO, es ist die Entscheidung, ob wir ohne Not und ohne Zwang die Massenvernichtungswaffen in die deutsche Politik einführen — mit unabsehbaren Konsequenzen für uns und für die anderen Völker.

    (Beifall bei der SPD. — Zustimmung des Abg. Döring [Düsseldorf].)

    Ich habe schon gesagt, daß es Ihre Entscheidung ist. Heute sind wir noch Herr unserer Entschlüsse. Wenn wir uns für die atomare Aufrüstung entscheiden, gehen die Dinge ihren eigenen Gang, und wir haben nicht mehr alle Möglichkeiten, den Punkt zu bestimmen, an dem wir vielleicht sehr gern einen anderen Weg gehen würden.
    Natürlich gibt es ein Risiko. In dieser Welt gibt es ein ungeheures Risiko für alle; ob wir überleben oder nicht. Aber wenn ich auf der einen Seite vor dem Risiko stehe, hier durch die Aufrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen den Kreis der sogenannten Atommächte weiter zu ziehen mit dem unzweifelhaft größeren Risiko, daß diese Ausbreitung die Kriegsgefahr und der Katastrophe näher bringen kann, und wenn ich auf der anderen Seite die Chance habe, mindestens zunächst durch Verhandlungen zu versuchen, Entspannung und Abrüstung ein Stück voranzubringen, dann gehe ich den zweiten Weg,

    (Beifall bei der SPD)

    einen Weg, der uns sichert und uns mindestens die Chance gibt, einer Katastrophe aus dem Wege zu gehen. Ich will gar nicht an Sie appellieren. Ich denke, daß die Debatte die Positionen klargelegt hat, und wir sollen die Positionen auch ganz klar beziehen. Man mag das bedauern. Aber es wäre eine Unaufrichtigkeit, das nicht auszusprechen.
    Ich sage Ihnen eines hier am Schluß der Debatte — Herr Kiesinger, Sie haben von der gemeinsamen Resolution vom 17. Mai 1953, der sogenannten Friedensresolution, gesprochen —: in dieser Entscheidung, vor die wir heute gestellt sind, gibt es für uns nur ein Ja oder Nein

    (Beifall bei der SPD)

    und keine Art von Überbrückung oder Verdeckung des Problems. Sie haben Ihre Position bezogen, auch wir. Wir werden nein sagen, und wir werden, auch wenn Sie heute so entscheiden, wie Sie es für richtig halten, den Kampf, die Werbung, das Bemühen nicht aufgegeben, dafür zu sorgen wie wir glauben, im Interesse unseres ganzen Volkes
    daß dieser Beschluß der atomaren Ausrüstung auf unserem Boden niemals Realität wird.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Unter allen Fraktionen dieses Hauses besteht auf irgendeine Weise



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    eine Kommunikation über das, was in den Fraktionssitzungen gesprochen wird. Die Nachrichten, die Sie bekommen, und die Nachrichten, die wir bekommen, sind zum Teil richtig und zum Teil nicht richtig. So hat Herr Ollenhauer sicher in gutem Glauben etwas Unrichtiges zitiert. Ich habe in der Sitzung meiner Fraktion nicht gesagt: „Wir haben die Wahl 1953 ohne Atomwaffen gewonnen, wir haben die Wahl 1957 ohne Atomwaffen gewonnen, wir werden auch die Wahl 1961 mit Atomwaffen gewinnen." Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: „Wenn wir wie bisher eine überschaubare, geradlinige, gute Politik führen, dann werden wir auch die Wahl des Jahres 1961 gewinnen";

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    und das werden wir auch, meine Damen und meine Herren.

    (Lachen bei der SPD.)

    - Darauf können Sie sich ziemlich fest verlassen

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Ziemlich!)

    Ich glaube, daß der Ausgang der Wahl gestern in Bayern, mitten in dieser Atomdebatte, ein günstiges Vorzeichen dafür ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Höher geht's nimmer!)

    Herr Kollege Ollenhauer hat dann immer wieder die Frage gestellt: Warum jetzt diese Debatte? Er hat ausgeführt, der Grund sei der Ausgang der Bundestagssitzung in der Nacht vom 23. zum 24. Januar. Nun, Herr Kollege Ollenhauer, ich darf Sie daran erinnern — und Sie haben das selbst im weiteren Verlauf Ihrer Rede ausgeführt —, daß im Hinblick auf die Fortschritte der Waffentechnik — ganz allgemein sage ich das, dazu gehören auch die nuklearen Waffen — in der NATO eine Überprüfung der ganzen Konzeption stattfindet.
    Die neue Konzeption wird zur Zeit von den militärischen Sachverständigen der NATO-Staaten geprüft. Am 16. April wird sie den Verteidigungsministern vorgelegt. Nächste Woche ist die Karwoche. Dann kommt die Osterwoche. Wenn unser Verteidigungsminister am 16. April in der Konferenz der Verteidigungsminister in Paris zu all diesen Fragen Stellung nehmen soll, dann muß er und muß die Bundesregierung wissen, wie der Bundestag in seiner Mehrheit darüber denkt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Das ist der zwingende Grund, warum wir diese Aussprache in diesen Tagen haben müssen.
    Herr Kollege Ollenhauer hat dann geglaubt, besonders hervorheben zu müssen, daß ich Herrn Wehner geantwortet habe, das vornehmste Ziel unserer Politik sei die Rettung und Sicherheit der 52 Millionen Bewohner der Bundesrepublik; nur dann, wenn wir diesen die Sicherheit schaffen könnten, könnten wir mit Aussicht auf Erfolg auch darauf ausgehen, den 17 Millionen Deutschen in der Sowjetzone Beseitigung ihres Jochs zu verschaffen.
    - Das habe ich gesagt und wiederhole es. Das muß auch das Ziel unserer Politik sein.

    (Beifall bei CDU/CSU und DP.) Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß irgend jemand von Ihnen, meine Damen und Herren, gleichgültig, welcher Partei er angehört, einen anderen Weg zu gehen gewillt ist. Wir können doch nicht annehmen, daß, wenn wir das Schicksal der 52 Millionen Deutschen in der Bundesrepublik, für die wir alle miteinander die Verantwortung tragen, aufs Spiel setzen, wir dadurch etwas für unsere Leute in der Ostzone gewinnen würden.


    (Abg. Erler: Das wurde auch nicht gesagt!)

    — Dann weiß ich nicht, Herr Erler, warum mir das zum Vorwurf gemacht wird und warum darin die Erklärung gesucht wird für mein ganzes, „unmögliches" Verhalten; den Ausdruck hat der Kollege Ollenhauer nicht gebraucht; er hat es umschrieben.
    Dieses Auseinanderfallen des Bundestages in dieser Frage in einer so ungemein gefährlichen Weltsituation ermutigt doch geradezu die Sowjetunion, die Sowjetzone nicht freizugeben;

    (Beifall bei CDU/CSU und DP)

    denn damit hat sie doch ein Pfand uns gegenüber in der Hand

    (Zurufe von der SPD)

    — so glaubt sie wenigstens —, ein Pfand, das ihr die Möglichkeit gibt, die Freiheit unserer Entschließungen zu beeinträchtigen. Ich meine, auch das sollte man bei der Führung der Debatte in diesem Hause berücksichtigen.
    Nun hat Herr Kollege Ollenhauer in einem recht. Es besteht im NATO-Vertrag keine rechtliche Verpflichtung, nukleare Waffen zu übernehmen, weil im Jahre 1949 die nuklearen Waffen allein im Besitz der Vereinigten Staaten waren und infolgedessen eine Bewaffnung der übrigen Mitglieder von NATO mit nuklearen Waffen überhaupt nicht in Frage stand.
    Aber die Dinge haben sich seit jener Zeit eben dadurch so außerordentlich verändert, daß seit jener Zeit die Sowjetunion im Besitz von nuklearen Waffen ist und auch England im Besitz von nuklearen Waffen ist.
    Herr Kollege Ollenhauer sagt, daß wir uns vordrängten. Nun, ich glaube, die Vorgänge im Bundestag, die Erklärungen, die die Bundesregierung in den letzten Jahren über eine nukleare Bewaffnung der Bundeswehr abgegeben hat, sind alles andere als ein Vordrängen gewesen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Wir haben immer wieder gesagt: wir brauchen noch keine Entschlüsse zu fassen, es ist noch Zeit dazu. Wir haben, nicht etwa um irgend jemanden zu täuschen, sondern wirklich der Wahrheit entsprechend und unserer Hoffnung entsprechend, daß man doch zu einer Abrüstung kommen würde, die entscheidende Debatte darüber hinauszuschieben versucht.
    Völlig irrig ist aber, wenn Herr Kollege Ollenhauer sagt, daß wir die ersten seien. Frankreich, Italien, Griechenland, die Türkei, England und die Niederlande haben alle erklärt, daß sie ihre Truppen atomar aufgerüstet wissen wollen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)




    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    Das ist aber doch bekannt, meine Damen und Herren! Ich meine, das hat in allen möglichen Zeitungen immer gestanden; das weiß doch jeder, der sich mit diesen Fragen beschäftigt.
    Nun sagt Herr Kollege Ollenhauer: Warum temporär gerade in diesem Augenblick, in dieser Zeit der internationalen Entspannung? Verehrter Herr Ollenhauer, ich wünschte, wir wären schon in einer Zeit der internationalen Entspannung,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    ich wünschte es von ganzem, ganzem Herzen. Aber bisher, — —

    (Abg. Wehner: Einfacher seichter Schwindel!)

    — Ach, das sind Bemerkungen, Herr Kollege Wehner,

    (Abg. Majonica: Er kann nicht anders!)

    die ich Ihnen gegenüber nicht gebrauchen würde. Ich würde von Ihnen nicht sagen, daß Sie schwindeln.

    (Zurufe und Pfui-Rufe von der CDU/CSU. — Glocke des Präsidenten.)

    Meine Damen und Herren, wir können nur hoffen und alle dazu beitragen, was wir können, daß es zum Beginn einer internationalen Entspannung dadurch kommt, daß wirklich auf einer Gipfelkonferenz die Frage der kontrollierten Abrüstung verhandelt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber bis jetzt hat leider diese Entspannung noch nicht begonnen. Wir sind erst im Vorfeld dazu. Wenn wir, weil wir erst im Vorfeld sind, nun stehenblieben, etwa in der NATO am 16. April unseren Verteidigungsminister sagen ließen: „Wir können noch nicht zu der Frage Stellung nehmen", — glauben Sie mir, daß eine solche Erklärung des Verteidigungsministers der Bundesrepublik Rußland anspornen würde, schneller zu einer Gipfelkonferenz zu gehen?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Keineswegs!) Genau das Umgekehrte ist der Fall.


    (Zustimmung in der Mitte.)

    Ich darf auch daran erinnern, Herr Kollege Ollenhauer: die erste Gipfelkonferenz in Genf hat stattgefunden, obwohl wir vorher in die NATO eingetreten waren; und auf der ersten Gipfelkonferenz in Genf hat Rußland sich, obwohl wir in die NATO eingetreten waren, bereiterklärt, die Einheit Deutschlands wiederherzustellen. Und obwohl wir in die NATO eingetreten waren, haben mir gegenüber Bulganin und Chruschtschow im September 1955 dieselbe Erklärung abgegeben.

    (Zurufe von der SPD.)

    Nun hat der Herr Kollege Ollenhauer darauf hingewiesen — und ich freue mich dessen —, daß er in der ersten Sitzung dieses Bundestages nach der Regierungserklärung für seine Fraktion die Erklärung abgegeben habe, daß die SPD auf dem Boden
    der Landesverteidigung stehe. Gut, ich begrüße das.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Als ob Sie das zum erstenmal gehört hätten!)

    Aber, meine Damen und Herren, nach der Süddeutschen Zeitung hat der Kollege Ollenhauer in Frankfurt am Sonntag erklärt, daß wir hier Debatten über Verteidigung nach dem Muster führten, wie sie vor hundert Jahren geführt worden seien.

    (Abg. Metzger: Stimmt doch!)

    Ich weiß nicht, ob die Süddeutsche Zeitung richtig zitiert hat. Aber wenn sie richtig zitiert hat, dann ist das eine sehr inhaltsreiche und geheimnisvolle Erklärung gewesen, die einem sehr zu denken gibt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)

    — Nun, ich darf doch über eine Erklärung Ihres Fraktionsführers nachdenken; das ist mir doch wohl gestattet!

    (Erneutes Lachen bei der SPD. — Abg. Schoettle: Das könnte des öfteren nicht schaden!)

    Weiter hat der Kollege Ollenhauer gefragt, warum wir trotz des Aide-memoire der sowjetrussischen Regierung nicht mit der Regierung Sowjetrußlands verhandelt hätten. Woher weiß denn Herr Ollenhauer, daß wir das nicht getan haben? Ich habe das getan, Herr Kollege Ollenhauer, und ich habe mit dem Botschafter Smirnow mindestens anderthalb Stunden über diese Dinge gesprochen.

    (Lachen bei der SPD.)

    — Was nun daran zu lachen ist, weiß ich auch
    wieder nicht, meine Damen und Herren! Aber Herr Smirnow hat — und ich glaube, das darf ich auch öffentlich sagen — scharf unterschieden. Er hat meine Erklärung begrüßt, daß wir die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Sowjetrußland pflegen und intensivieren wollen. Er hat aber weiter erklärt: Über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands kann ich nicht mit Ihnen sprechen; das ist lediglich Sache der Deutschen Demokratischen Republik.

    (Abg. Kraft: Hört! Hört!)

    Das war die kurze und knappe Antwort, die ich bekommen habe; und alle meine Versuche, da etwas weiterzukommen, wurden mit der Erklärung erledigt: Die DDR ist ein selbständiger Staat, Sowjetrußland hat nicht das Recht, ihr da irgend etwas hineinzureden.
    In den letzten Tagen ist hier wieder von einer Politik der Stärke gesprochen worden, die wir betrieben. Das ist auch früher schon und immer wieder gesagt worden.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Das Wort haben Sie doch erfunden! Sie höchstpersönlich haben dieses Wort geprägt! — Abg. Rasner: Sei ruhig, Bubi!)

    1102 Deutscher Bundestag —. 3. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. März 1958
    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    — Nun mal Ruhe, Ruhe, Ruhe!

    (Abg. Majonica: Das kann er nicht! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Und Herr Dr. Heinemann hat heute morgen gesagt, ich hätte im Jahre 1952 in einem Interview —
    mit United Press, glaube ich, war es — erklärt, jetzt müßte nur noch in der Frage der nuklearen Aufrüstung durchgehalten werden. Ich habe in der Zwischenzeit den Wortlaut dieses Interviews, das ich Herrn Bradford gegeben habe, bekommen. Ich stelle ihn dem Herrn Dr. Heinemann gern zur Verfügung. Er wird finden, daß kein Wort davon darin steht.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Typisch! — Abg. Wienand: Das hat er ja gar nicht gesagt!)