Rede:
ID0301702200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 17. Sitzung Bonn, den 13. März 1958 Inhalt: Sammelübersicht 3 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Bundestagsausschüssen zu Petitionen (Drucksache 245) 763 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts (Drucksachen 260 zu 260) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 261. zu 261) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerlicher Vorschriften (Drucksachen 262, zu 262) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Sparleistungen (SparPrämiengesetz) (Drucksachen 263, zu 263) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer (WohnungsbauPrämiengesetz) (Drucksachen 264, zu 264) — Erste Beratung —. Etzel, Bundesminister 763 D, 816 A Neuburger (CDU/CSU) 776 C Seuffert (SPD) 781 B Dr. Atzenroth (FDP) 793 D Dr. Preusker (DP) 798 B Dr. Eckhardt (CDU 'CSU 803 D Frau Rösch (CDU/CSU) 807 D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 809 A Krammig (CDU/CSU) 812 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 815 A Überweisungen an die Ausschüsse . . . 819 A Nächste Sitzung 819 C Anlagen 821 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 17. ,Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1958 763 17. Sitzung Bonn, den 13. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.03 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 12. 4. Altmaier 14. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille 18. 3. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Dr. Birrenbach 15. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 14. 3. Conrad 18. 4. Dr. Dittrich 19. 3. Dr. Dollinger 14. 3. Ehren 13. 3. Frau Eilers (Bielefeld) 15. 3. Enk 14. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 13. 3. Funk 14. 3. Frau Geisendörfer 14. 3. Gottesleben 14. 3. Graaff 14. 3. Dr. von Haniel-Niethammer 14. 3. Dr. Heck (Rottweil) 13. 3. Heiland 31. 3. Hellenbrock 24. 3. Hesemann 14. 3. Hilbert 14. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15. 3. Höfler 14. 3. Frau Dr. Hubert 12. 4. Jürgensen 31. 3. Frau Keilhack 13. 3. Frau Kipp-Kaule 15. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Köhler 14. 3. Kühlthau 14. 3. Kühn (Köln) 13. 3. Kunze 15. 5. Leber 13. 3. Lenz (Trossingen) 29. 3. Dr. Lindenberg 29. 3. Logemann 20. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Mellies 25. 4. Mengelkamp 13. 3. Nellen 14. 3. Neumann 12. 4. Frau Niggemeyer 14. 3. Oetzel 15. 3. Paul 30. 4. Pelster 1. 4. Pietscher 14. 3. Ramms 13. 3. Frau Rudoll 15. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schranz 13. 3. Seidl (Dorfen) 14. 3. Dr. Starke 14. 3. Stenger 15. 3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter 13. 3. Frau Strobel 20. 3. Unertl 20. 3. Varelmann 13. 3. Vogt 12. 4. Dr. Wahl 13. 3. Wehking 20. 3. Wehr 31. 3. Weinkamm 14. 3. Dr. Wilhelmi 14. 3. Wittrock 13. 3. Frau Wolff (Berlin) 14. 3. Dr. Wolff (Denzlingen) 14. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Eckhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, sogleich an die letzten Worte meines Herrn Vorredners anknüpfen zu können. Es ist mir ein Bedürfnis, gerade anläßlich der ziemlich scharfen Kritik, die vorhin von dem Herrn Kollegen Seuffert vorgetragen worden ist und die mir ungewöhnlich erschienen ist, zu Beginn zum Ausdruck zu bringen, daß die Entwürfe des Bundesfinanzministeriums einen großen Zug tragen. Es ist angesichts der Haushaltslage und der schweren Belastungen, vor denen wir möglicherweise stehen, erfreulich, zu sehen, was hier an Reformmaßnahmen alles angepackt worden ist und in wie vielen Dingen Regelungen vorgeschlagen werden, die ohne Zweifel eine Verbesserung des bestehenden Zustandes darstellen.



    Dr. Eckhardt
    Es sind im großen und ganzen ja zwei Probleme, deren sich die geplante Steuerreform besonders annimmt. Einmal ist es eine Reform der Einkommenbesteuerung, und zum andern ist es im allgemeinen eine Förderung des Kapitalmarkts, aber über den Kapitalmarkt hinaus — und das begrüße ich besonders — etwa im Rahmen der Vermögensteuer endlich auch einmal eine Rücksichtnahme auf die Geldvermögen, die seit 1919 in Deutschland wahrhaftig schlecht genug weggekommen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der DP.)

    Erlauben Sie mir nun zunächst ein paar Worte zur Einkommenbesteuerung. Der vorhin hier in einem Zwischenruf zitierte bedeutende Finanzpolitiker und hohe Verwaltungsbeamte der Weimarer Republik hat die Einkommensteuer die Königin der Steuern genannt. Wenn wir uns dieses viel zitierten Wortes heute wieder einmal erinnern, dann will es uns scheinen, als ob diese Äußerung reichlich romantisch sei. Ich glaube, von ihrem Glanz hat die Einkommensteuer viel verloren. Aber mit den heutigen Augen gesehen waren die Steuern der Weimarer Republik nicht hoch, und tatsächlich schien die Einkommensteuer in manchen Augen das zu sein, was sie nach den sozialistischen Programmen der Zeit vor dem ersten Weltkrieg sein sollte: das Ideal sozialer Gerechtigkeit, die Verwirklichung dieser sozialen Gerechtigkeit auf dem Gebiet der Steuerpolitik.
    Das ist sie nun schon lange nicht mehr. Sie ist es — ich möchte das gleich vorausschicken — insbesondere auch nicht wegen der hohen Steuersätze, die uns durch die Entwicklung in der Zeit nach dem Kriege — ich will die Umstände hier nicht aufzählen — aufgenötigt worden sind. Hohe Steuern führen notwendig zu Ungleichmäßigkeiten aller Art, zu komplizierten Ausnahmevorschriften, zu Befreiungen und Vergünstigungen der mannigfaltigsten Art. Auch in der Einkommensteuer mußten nun Vergünstigungen vorgesehen werden, die — wir können es gar nicht leugnen — zahlreiche Mißbräuche im Gefolge gehabt haben.
    Wenn wir uns bei dem Thema hoher Einkommensteuertarif und hohe Spitzensätze einmal ansehen, wie die sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes eigentlich behandelt werden, dann müssen wir doch wohl zugeben, daß hier manches zu finden ist, was dem Ideal der Steuerpolitik, nämlich einer gleichmäßigen und sozial gerechten Besteuerung, kaum mehr entspricht. Die Forderung, daß man die Steuersätze senken solle, daß die beste Reform die Senkung von Steuersätzen sei, gilt selbstverständlich auch für die Einkommensteuer.
    Das Kernstück der Einkommensteuer, vielleicht das Kernstück unseres gesamten Steuerrechts überhaupt, ist der Tarif. Der Einkommensteuertarif hat eine wirtschaftliche, eine soziale und eine in mannigfacher Hinsicht über die sozialen und wirtschaftlichen Dinge noch hinausgehende Bedeutung, so daß er wohl wert ist, sehr genau geprüft und ausgewogen zu werden. Das werden wir selbstverständlich im Ausschuß tun. Es besteht gar kein Zweifel, daß der Entwurf der Bundesregierung die Kritik nicht ausschließen will. Vorschläge zu Änderungen und Verbesserungen sind immer aus dem ganzen Hause — keineswegs nur von der Opposition — gemacht worden.
    Der von der Bundesregierung vorgeschlagene Einkommensteuertarif muß unter fünf Gesichtspunkten betrachtet werden; sie erscheinen mir besonders wichtig. Es lohnt sich, sie noch einmal kurz hervorzuheben: 1. Der Grundgedanke des Splitting, 2. die Behandlung der Familie, die Frage der Kinderermäßigung im Tarif, 3. die steuerliche Behandlung der Ledigen, 4. die Steuerspitze: der Satz von 53 % und 5. die Frage der proportionalen Besteuerung.
    Zu den Grundgedanken des Tarifs möchte ich folgendes sagen. Wir haben uns hier 1954 gemeinsam bemüht, neue Lösungen zugunsten der Familie zu finden. Wir wußten 1954 ganz genau, daß wir auf diesem Wege noch nicht weit fortgeschritten waren, und haben eine Entschließung gefaßt, in der eine Weiterarbeit seitens der Bundesregierung, selbstverständlich auch des Parlaments, gefordert wurde. Wir haben uns damals in stundenlangen Debatten — ich erinnere nur an die Nachtsitzung zwischen der zweiten und dritten Lesung im Finanzausschuß — darüber unterhalten, wie man Ehe und Familie am besten fördern könne. Ich stelle mit Interesse fest, daß das nach Erklärung von Herrn Seuffert unter der Führung der SPD geschehen ist. Ich habe nichts dagegen, daß die SPD in guten Dingen die Führung übernimmt, muß allerdings zu dieser Feststellung bemerken, daß ich mich selbst nicht geführt gefühlt habe, sondern daß wir uns alle — ob das nun Frau Ilk von der FDP oder Gräfin Finckenstein oder Kollege Neuburger oder Kollege Krammig, der sich besonders dafür interessiert hat, gewesen ist — sehr energisch und, ich möchte sagen, ohne Führung anderer Gruppen um echte und vernünftige Lösungen bemüht haben.
    Es sind im großen und ganzen drei Lösungen vorgeschlagen worden, drei Lösungen, die man als möglich ansehen kann. Die eine ist die der getrennten Besteuerung, die andere ist die der Freibeträge zugunsten der Familie, und die dritte Lösung ist das Splitting.
    Die Frage der getrennten Besteuerung haben wir jetzt exerzieren müssen, gewiß, mit einem gewissen Zwang auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957. Ich glaube, die getrennte Besteuerung läßt sich verwaltungsmäßig, d. h. praktisch, überhaupt nicht durchführen. Sie führt zu Mißbräuchen aller Art, und ich sehe schon mit großer Sorge dem Zeitpunkt entgegen, in dem die Veranlagungen für 1956 und 1957 unter den Gesichtspunkten des Übergangsgesetzes unter die Lupe genommen werden. Ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister bitten, das Seine dazu beizutragen, daß diese Übergangszeit wirklich als Übergangszeit behandelt wird und nicht die vielfachen Versuche von Mißbräuchen nun in eine Unzahl von Rechtsmittelverfahren, ja, vielleicht von Steuerstrafverfahren, von Betriebsprüfungen, von Fahndungsaktionen und dergleichen ausarten. Solche Mißbräuche sind ja die notwendige Folge einer vollständig getrennten Besteuerung.



    Dr. Eckhardt
    Wenn man es so machen könnte, daß man nur die Arbeitseinkünfte aus dem Einkommen herausnimmt und getrennt besteuert, dann ginge es ja noch. Aber sozial gerecht wäre das ganz bestimmt auch nicht; denn heute muß man ganz andere Auffassungen über die Fundierung oder Nichtfundierung von Einkünften haben, als man sie vor 1914 oder meinetwegen auch vor 1933 gehabt hat. Die Einkünfte etwa aus der Tätigkeit in den freien Berufen oder die Einkünfte auch aus Kapitalvermögen sind heute in der Regel trotz des Fundus des Vermögens in Wirklichkeit viel weniger fundiert als manche anderen Einkunftsarten. Das alles muß berücksichtigt werden. Wenn man aber eine vollständige Trennung voneinander will, dann bleibt gar nichts anderes übrig, als das Wahlrecht zu schaffen, als mit den Freibeträgen in Konflikt zu kommen und in manchen Fällen, wie das nach geltendem Recht augenblicklich noch immer der Fall ist, statt der vernünftigen zwei Freibeträge für Ehegatten drei Freibeträge zu gewähren, eine ganz unerfreuliche, aber einfach aus dem Zwang dieser komplizierten Übergangslösung folgende Regelung.
    Da muß man sich nun doch sagen, daß das Splitting gewiß allerlei gegen sich hat; man kann Einwände gegen das Splitting erheben. Aber gegen welches System nicht, Herr Seuffert? Können wir wirklich ein ideales System des Steuertarifs finden? Wir werden von unserer Erde nicht in den Platonischen Ideenhimmel hinaufsteigen können. Wir müssen das tun, was am besten ist. Das Splitting hat zunächst einmal für sich den Vorteil einer großen Einfachheit. Es hat den Vorteil, daß die Verwaltung wesentlich besser mit dem Splitting als mit jeder anderen Methode arbeiten kann, sei es die Methode der Freibeträge, sei es die Methode der getrennten Besteuerung. Und es hat noch einen anderen Vorteil; es werden nämlich jene vielen individuellen, gelegentlich zu Recht bestehenden Unterschiede hier nicht berücksichtigt; man kann sie einfach nicht berücksichtigen, ohne unser Recht überhaupt, nicht nur das Steuerrecht, aufzulösen. Ehemann und Ehefrau werden steuerlich in einer, ich möchte sagen, nahezu vollkommenen Weise gleichmäßig behandelt. Das hat uns, insbesondere auch meine Freunde von der Landesgruppe der CSU, dazu bewogen, schon 1955 immer wieder mit dem Bundesfinanzminister in Verbindung zu treten und von ihm zu fordern, daß ein Tarif mit dem Grundgedanken des Splitting eingeführt werde.
    Die Freibeträge, die uns damals einmal genannt worden sind, sollten Unterscheidungen bringen zwischen Ehegatten, die Arbeitseinkommen haben, und solchen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehen, solchen, bei denen die Ehefrau im Betrieb mitarbeitet und dergleichen mehr. Wir wollen mehr, und das ist mit diesem Tarif erreicht, mag er im einzelnen Unvollkommenheiten zeigen; die werden wir im Ausschuß miteinander bereden müssen. Zum erstenmal ist die Hausfrau, ist die oft gleichförmige Arbeit der Hausfrau, die oft entsagungsvolle Tätigkeit der Hausfrau und die Tätigkeit der Hausfrau, die doch wohl auch besondere ethische Anforderungen stellt, in einem Steuergesetz, in einem Steuertarif zu ihrem vollen Recht gekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das halte ich als den entscheidenden Vorteil des Splitting fest.

    (Abg. Seuffert: Um so entsagungsvoller, je mehr der Mann verdient?)

    — Das ist bereits vorhin gesagt worden, daß Sie eine Progression mit der Progression bekämpfen wollen, und dann sind wir uns auch nicht ganz einig, Herr Seuffert, über die Höhe der Steuersätze. Ich komme auf diesen Punkt noch einmal zurück.
    In der Folge der Punkte, die ich Ihnen vorhin aufgeführt habe, möchte ich nur noch kurz darauf hinweisen, was dieser Tarif alles für die kinderreiche Familie, für die Familie überhaupt bringt. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, sich einmal die Mühe zu machen, die Tabelle auf Seite 35 der Drucksache 260 aufzuschlagen, in der in einer Gegenüberstellung der Tarife von 1949 bis 1958 dargestellt wird, von welchem Einkommen ab eine Familie nach dem neuen Tarif überhaupt erst zur Steuer herangezogen wird. Ich nehme ein Ehepaar mit zwei Kindern. Der Beginn der Steuerbelastung lag im Jahre 1949 bei einem Einkommen von 2175 DM, im Jahre 1957 bei einem Einkommen von 5987 DM. Nach dem neuen Tarif beginnt die Steuerbelastung erst bei einem Einkommen von 7231 DM.

    (Zuruf von der SPD: Das ist eine Tariffrage, keine Frage des Splitting!)

    Ich nehme einen Verheirateten mit vier Kindern. Da lag der Beginn der steuerlichen Belastung im Jahre 1949 bei einem Einkommen von 3575 DM, 1957 bei einem Einkommen von 9337 DM. 1958, also nach dem neuen Tarif, hat diese Familie mit vier Kindern Steuern erst dann zu bezahlen, wenn sie ein Einkommen von 10 831 DM erreicht; bei fünf Kindern sind es sogar 12 631 DM.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Ich meine, das sind außerordentlich erfreuliche Zahlen.

    (Abg. Seuffert: Das hat mit Freibeträgen zu tun und nichts mit dem Splitting!)

    Wir haben noch niemals so weitgehende Vergünstigungen für kinderreiche Familien gehabt, und wir sollten stolz darauf sein, daß eine Bundesregierung heute, in einer gewiß nicht leichten finanzpolitischen Lage, einen solchen Entwurf vorlegt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun zur Frage der Ledigenbesteuerung. Ohne Zweifel bringt ein Splitting-Tarif — das ist einer der Einwände, die man machen kann — eine gewisse Mehrbelastung der Ledigen mit sich; das ist richtig. Aber ich halte es für sehr erfreulich, daß in diesem Tarif von einer Ledigen- oder Junggesellensteuer im alten Sinne überhaupt nicht die Rede sein kann. Sie brauchen sich dazu nur die Tabellen anzusehen und die geringen Erhöhungen, die der Ledige nach dem Entwurf in Kauf nehmen muß. Ich behaupte ja nicht, daß dieser Entwurf sakrosankt



    Dr. Eckhardt
    ist. Im Gegenteil, wir werden ihn uns gerade nach dieser Richtung genau ansehen und werden gemeinsam mit den Vertretern des Bundesfinanzministeriums versuchen, Wege zu finden, die allem gerecht werden, was man billigerweise verlangen kann.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Aber man muß es offen sagen, daß die Ledigen in manchen Gruppen ungünstiger dran sind!)

    — Jawohl, Frau Kollegin. Ich glaube auch, daß ich das hier in aller Offenheit getan habe.
    Nun zu der Spitze des Steuersatzes, zu der Spitze von 53 °/o. Ich habe vorhin einige allgemeine Bemerkungen über hohe Steuern gemacht. Hohe Steuern sind, insbesondere wenn sie einen gewissen Prozentsatz übersteigen, Gefahren für den Bestand der Wirtschaft.

    (Beifall bei der DP.)

    Das gilt insbesondere auch für hohe Personalsteuern. Meine Damen und Herren und Herr Seuffert, ich bitte Sie, mir einen Fachmann auf volks- und finanzwirtschaftlichem Gebiet, einen Volkswirt, einen Finanzwirt zu nennen, der nicht in den letzten Jahren die Überzeugung vertreten hätte, daß 50 % ein Satz sei, hinter dem nun einmal unbedingt aufgehört werden müsse,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    weil das — so begründen es viele — eine psychologische Grenze sei.


Rede von Walter Seuffert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Dr. Eckhardt, ich bitte Sie, mir einen Fall zu nennen, in dem ein wirtschaftlicher Nachteil für unsere gesamte Wirtschaft durch die derzeitige Höhe der Steuerbelastung bei diesen Einkommen eingetreten ist. Ich habe ja noch gar nicht davon gesprochen, was diese Einkommen zahlen könnten, sondern nur davon, daß sie nicht weniger zahlen müssen als bisher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Eckhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meines Erachtens geht die Art der Betriebsausgabengebarung und manche in den Jahren nach 1948 eingerissene Unsitte zu einem großen Teil ausschließlich auf die überhöhten Steuersätze zurück und auf den Verstoß gegen das Rationalprinzip der Wirtschaft, den man in der Steuerpolitik begangen hat, vielleicht hat begehen müssen. Das ist meine Überzeugung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Seuffert: Die mogeln bei 50 % noch genauso!)

    Zu der Spitze von 53 % noch eines! Gewiß kann man sich darüber unterhalten, ob man statt 53 % 55 % nehmen soll. Das werden wir im Finanzausschuß tun. Gründe des Haushalts könnten vielleicht für einen Satz von 55 % sprechen. Erstens sind gegen diesen Satz von 55 % allgemeine Gesichtspunkte ins Feld zu führen — ich habe sie eben kurz hervorgehoben —, zweitens darf im Zusammenhang damit die Frage des Wettbewerbs von Personenfirmen, großen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften nicht vernachlässigt werden. Ich würde es auch nicht für glücklich halten, wenn die Spitzensätze der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer allzusehr voneinander abwichen. Das muß vorsichtig und mit Überlegung geprüft werden.
    Jedenfalls stehe ich zu der Meinung, daß eine Senkung von Steuersätzen nicht nur im Interesse der Wirtschaft liegt. Niedrige Steuersätze sind nicht nur mit einer Utilité sociale, d. h. mit irgendwelchen sozialen und wirtschaftlichen Überlegungen zu begründen, wie es manche getan haben, sondern hier geht es um ganz andere, um grundsätzliche Fragen, auch um die Respektierung des Eigentums. Denn ohne Eigentum, so hat ein bedeutender evangelischer Theologe gesagt — die Enzykliken des Papstes bestätigen es in gleicher Weise —, gibt es kein freies Personenleben. Ich behaupte, daß die stärksten und wichtigsten Begrenzungen des Eigentums, wenn auch vielleicht nicht durch Eingriffe im einzelnen, so im allgemeinen doch durch die Steuern vorgenommen werden. Darauf beruht ihre große wirtschaftliche Bedeutung, ihre Bedeutung aber auch in moralischem Sinne; denn man kann Steuergesetze nicht formulieren, nicht betrachten, nicht auslegen, ihre Ziele nicht erkennen, wenn man nicht zunächst von diesen grundlegenden Tatsachen ausgeht. So viel zur Spitze.
    Das, was ich hier ausgeführt habe, ist oft gesagt worden, und es ist bis heute eigentlich, nämlich bis zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Seuffert, niemals bestritten worden. Auch die amerikanische Wissenschaft steht auf dem Standpunkt, daß es sich bei dem Satz von 50 % um eine psychologische Grenze handele; ich möchte sagen, nicht nur um eine sozialpsychologische Grenze, sondern auch um eine Grenze des Rechtsgefühls, was mir noch mehr zu bedeuten scheint.
    Zum Problem des Proportionalsatzes will ich mich deswegen kurz fassen, weil sich viele meiner verehrten Vorredner bereits darüber ausgesprochen haben und Herr Seuffert diesen Gedankengängen — in diesem Fall glücklicherweise — nahesteht. Der Proportionalsatz von 20 % für Eheleute bis zu einem Einkommen von 16 000 DM, für Ledige bis zu einem Einkommen von 8000 DM hat in Verbindung mit dem Freibetrag — oder nennen Sie es Manipulierungsbetrag — von 1680 DM die Wirkung, daß 3 Millionen Steuerpflichtige aus der Steuerpflicht ausscheiden; 95 % aller Steuerpflichtigen werden vom Proportionalsatz erfaßt. Das ist eine sehr erfreuliche Tatsache vom Gesichtspunkt der Verwaltung, der Vereinfachung unserer Verwaltung und der Vereinfachung unseres Rechts.
    Die Tatsache, daß 3 Millionen aus der Steuerpflicht herausfallen, ist eben von meinen Herren Vorrednern zum Anlaß genommen worden, eine Debatte über Personensteuern im Rahmen etwa der Gemeindepolitik zu beginnen. Ich will mich hier keinesfalls zum Befürworter einer solchen Personensteuer machen. Ich bin der Ansicht, daß diese Frage in einer besonderen Diskussion geklärt werden müßte und daß wir uns dieses schwierige und wichtige Problem für die vom Herrn Bundesfinanzminister angekündigte weitere Etappe der Reformen



    Dr. Eckhardt
    vorbehalten sollten. Das heißt, ich möchte hier weder ja noch nein sagen. Ich möchte Sie, Herr Seuffert, aber doch darauf hinweisen, daß gerade die Beteiligung aller Kreise, die überhaupt zu der EinkommensBildung in der Nation beitragen, an der Steuerpflicht eine Forderung ist, die nicht etwa zu dem Zweck erhoben worden ist, die kleinen Einkommen steuerlich besonders zu erfassen oder die kleinen Einkommensempfänger zu drücken. Vielmehr handelt es sich um eine Forderung, die sich auch in den meisten wissenschaftlichen Darlegungen zu dieser Frage findet. Ich möchte einmal kurz auf die sehr interessanten Ausführungen von Blumenstein in seiner Schrift über das schweizerische Steuersystem hinweisen, in denen er die Notwendigkeit einer sogenannten Aktivbürgersteuer bei kleinen Einkommensempfängern aus allgemeinpolitischen Gründen darlegt und in denen er sich über die Urabstimmungen in dieser unmittelbaren Demokratie
    — einer der wenigen unmittelbaren Demokratien der Welt — zu dieser Frage äußert. Ich möchte Sie weiter auf die sehr wertvolle Rektoratsrede von Wackernagel in Basel hinweisen, in der mit zumindest sehr guten Gründen geltend gemacht wird, daß das Prinzip der Gleichmäßigkeit — nämlich in der Form der Allgemeinheit der Besteuerung
    - eine Beteiligung der allerweitesten Kreise an den Lasten fordert.
    Ich habe nicht gesagt, Herr Seuffert, daß ich mich hier für die Personensteuer aussprechen will. Einer eingehenden Diskussion ist diese Frage aber um so mehr wert, als selbst im Bereich der Bundesrepublik die Vertretung etwa der kleineren Gemeinden sich für eine solche Besteuerungsform ausgesprochen hat, und Sie können wohl nicht leugnen, daß es auch kommunalpolitisch gesehen geradezu ein Unglück ist, daß über die Lasten einer Gemeinde mehr oder weniger von denen entschieden wird, die an diesen Lasten nur indirekt, aber nicht direkt mittragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich verzichte wegen der vorgeschrittenen Stunde darauf, noch auf Einzelheiten der Gesetzentwürfe einzugehen. Es bleibt uns eine sehr schwierige, aber auch lohnende Arbeit im Finanzausschuß. Ich bin nach unseren bisherigen Erfahrungen überzeugt, daß Herr Seuffert zu einem erfreulichen Ergebnis der Arbeit im Finanzausschuß beitragen wird. Wir müssen uns — um ein sokratisches Wort zu gebrauchen — im Finanzausschuß bemühen, in der Vielfalt und Fülle dieser Dinge zu erkennen, was gerecht und was ungerecht ist. Kritische Bemerkungen werden nicht fehlen.
    Es ist einleuchtend, daß wir eine Reihe von Verbesserungswünschen haben. Ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister z. B. ausdrücklich auf eine der letzten Entschließungen des Bundestages hinweisen, auf den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP und FVP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften. Er lautete: die Bundesregierung wird ersucht, in Zusammenhang mit einer Neuregelung von Vorschriften des Einkommensteuerrechts zu prüfen, in welcher Weise den Angehörigen freier Berufe eine entsprechende steuerliche Behandlung gewährt werden kann. Ich halte das für ein sehr wichtiges Problem. Ein ebenso wichtiges Problem — das ich hier nicht vertiefen kann — ist das der mittelgroßen, der personenbezogenen Firmen, der Familienkapitalgesellschaften. Ich möchte hier nicht darauf eingehen. Wir werden Zeit und Gelegenheit genug haben, uns darüber zu unterhalten.
    Es ist selbstverständlich, daß wir die Ankündigung des Herrn Bundesfinanzministers, weitere Etappen seiner Reform würden folgen, aus vollem Herzen begrüßen. Wir wünschen eine Umsatzsteuerreform, die den Notwendigkeiten der Gegenwart, die vor allen Dingen den wirtschaftspolitischen Anforderungen gerecht wird und bei der doch nicht vergessen wird, daß gerade diese Steuer so einfach wie möglich gefaßt werden sollte. Wir glauben auch, daß es Wege dazu geben wird, wenn auch die Vorarbeiten, die bisher geleistet worden sind, zum Teil in die Irre geführt haben. Bei der sehr großen Schwierigkeit der Materie und der Vielfalt der Interessen und Interessentenkreise ist das nicht zu verwundern.
    Wir begrüßen es weiter, daß eine Gewerbesteuerreform, eine Reform der kommunalen Steuern, geplant ist, und wir hoffen, daß sie in dem Sinne erfolgt, daß auch hier die Einseitigkeit der Belastung gemildert wird und manche mehr antiquierte Auffassungen über diese Steuern verschwinden.
    Wir werden uns im Finanzausschuß die Zielsetzungen wirtschafts-, sozial- und finanzpolitischer Art zu eigen machen können, die Sie, Herr Bundesfinanzminister, vorgetragen haben; wir stimmen ihnen zu. Wir stimmen auch darin zu, daß es über die wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen hinaus selbst bei einem Steuergesetz noch Wichtigeres gibt, nämlich die Findung des materiellen Rechts im Sinne der materiellen Gerechtigkeit. Wenn es mir erlaubt ist, hier zum Schluß einen Leitgedanken der modernen Rechtsphilosophie zu zitieren, so möchte ich sagen: wir müssen uns bemühen, den Polarstern des „richtigen Rechts" niemals aus dem Auge zu verlieren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)