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ID0301701800

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    Deutscher Bundestag 17. Sitzung Bonn, den 13. März 1958 Inhalt: Sammelübersicht 3 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Bundestagsausschüssen zu Petitionen (Drucksache 245) 763 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts (Drucksachen 260 zu 260) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 261. zu 261) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerlicher Vorschriften (Drucksachen 262, zu 262) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Sparleistungen (SparPrämiengesetz) (Drucksachen 263, zu 263) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer (WohnungsbauPrämiengesetz) (Drucksachen 264, zu 264) — Erste Beratung —. Etzel, Bundesminister 763 D, 816 A Neuburger (CDU/CSU) 776 C Seuffert (SPD) 781 B Dr. Atzenroth (FDP) 793 D Dr. Preusker (DP) 798 B Dr. Eckhardt (CDU 'CSU 803 D Frau Rösch (CDU/CSU) 807 D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 809 A Krammig (CDU/CSU) 812 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 815 A Überweisungen an die Ausschüsse . . . 819 A Nächste Sitzung 819 C Anlagen 821 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 17. ,Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1958 763 17. Sitzung Bonn, den 13. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.03 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 12. 4. Altmaier 14. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille 18. 3. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Dr. Birrenbach 15. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 14. 3. Conrad 18. 4. Dr. Dittrich 19. 3. Dr. Dollinger 14. 3. Ehren 13. 3. Frau Eilers (Bielefeld) 15. 3. Enk 14. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 13. 3. Funk 14. 3. Frau Geisendörfer 14. 3. Gottesleben 14. 3. Graaff 14. 3. Dr. von Haniel-Niethammer 14. 3. Dr. Heck (Rottweil) 13. 3. Heiland 31. 3. Hellenbrock 24. 3. Hesemann 14. 3. Hilbert 14. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15. 3. Höfler 14. 3. Frau Dr. Hubert 12. 4. Jürgensen 31. 3. Frau Keilhack 13. 3. Frau Kipp-Kaule 15. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Köhler 14. 3. Kühlthau 14. 3. Kühn (Köln) 13. 3. Kunze 15. 5. Leber 13. 3. Lenz (Trossingen) 29. 3. Dr. Lindenberg 29. 3. Logemann 20. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Mellies 25. 4. Mengelkamp 13. 3. Nellen 14. 3. Neumann 12. 4. Frau Niggemeyer 14. 3. Oetzel 15. 3. Paul 30. 4. Pelster 1. 4. Pietscher 14. 3. Ramms 13. 3. Frau Rudoll 15. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schranz 13. 3. Seidl (Dorfen) 14. 3. Dr. Starke 14. 3. Stenger 15. 3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter 13. 3. Frau Strobel 20. 3. Unertl 20. 3. Varelmann 13. 3. Vogt 12. 4. Dr. Wahl 13. 3. Wehking 20. 3. Wehr 31. 3. Weinkamm 14. 3. Dr. Wilhelmi 14. 3. Wittrock 13. 3. Frau Wolff (Berlin) 14. 3. Dr. Wolff (Denzlingen) 14. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Atzenroth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Wenn ich für die Freie Demokratische Partei zu diesen Gesetzesvorlagen Stellung nehme, so geschieht dies aus unserer besonderen Haltung, die gerade auf diesem Gebiet wesentlich von der der anderen Oppositionspartei abweicht.

    (Abg. Dr. Dresbach: Das haben wir aber auch erwartet!)

    — Danke schön, Herr Dresbach.
    Ich muß heute darauf verzichten, mich mit den Ausführungen des Kollegen Seuffert auseinanderzusetzen. Das muß an anderer Stelle geschehen.



    Dr. Atzenroth
    Ich werde mich auf die Ausführungen des Herrn Ministers beschränken. Er hat dem Hohen Hause die Gründe dargelegt, warum der diesjährige Etat verspätet vorgelegt wird. Bei der großen Ausweitung, die dieser Haushaltsplan wahrscheinlich erfahren wird, wäre es von großer Bedeutung gewesen, ihn kennenzulernen, bevor die Gesetze beraten werden, mit deren Hilfe die erforderlichen Mittel aufgebracht werden sollen. In den alten Demokratien jedenfalls stand die Haushaltsforderung vor der Steuerbewilligung. Wir sehen aber ein, daß bei der Arbeitsmethode dieses Hauses die Vorlage der neuen Steuergesetze in einem möglichst frühen Zeitpunkt zweckmäßig war.
    Wir erkennen auch gerne an, daß hier eine schwierige Arbeit in erfreulich kurzer Zeit geleistet worden ist. Wir schließen uns dem Dank, den einer meiner Vorredner den Beamten des Ministeriums abgestattet hat, voll und ganz an.

    (Beifall bei der FDP und in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, mit großem Interesse haben wir die allgemeinen grundsätzlichen Bemerkungen des Herrn Ministers zu Fragen seiner Steuer- und Haushaltspolitik gehört. Wir begrüßen die Erklärung, die sich mit dem Verhältnis der staatlichen zur privaten Sphäre befaßt. Der Satz, daß der Staat nie etwas als seine Aufgabe beanspruchen dürfe, was er besser seinen Bürgern überlassen sollte, entspricht einem alten Grundsatz im Programm der Freien Demokraten. Wir wünschten, in den letzten Jahren wären die Mehrheitspartei und die Bundesregierung auch danach verfahren. Vielleicht bringt der Personenwechsel im Finanzministerium die von uns erwünschte Änderung.
    Der Herr Minister hat es als seine Aufgabe bezeichnet, die Ansprüche auf Befriedigung der Gemeinschaftsbedürfnisse dauernd kritisch zu überprüfen. Bei der Haushaltsdebatte nach Ostern werden auch wir kritisch prüfen, ob er diese Aufgabe schon in diesem Jahr folgerichtig durchgeführt hat. Die Höhe des vorgelegten Etats und die in seinen Ausführungen erwähnte weitere Erhöhung der „Kletterstange" zwingen leider schon jetzt, einige Zweifel daran zu äußern.
    Auch die grundsätzlichen Ausführungen über die Steuerpolitik als Ziel der Finanzpolitik finden unsere Billigung. Das gilt auch für die Frage der Kapitalbildung. Dabei möchte ich besonders die Erklärung herausstellen, daß es in der Marktwirtschaft auch eine unternehmerische Aufgabe ist, das Kapital über den Markt zu holen, wenn man es mit dem Begriff des Eigentums ernst meint. Herr Minister, wir unterstreichen diese Haltung, aber ich frage Sie: Vereinbart sich das uns vorgelegte Prämienspargesetz damit? Ich werde im Verlauf meiner Ausführungen darauf noch näher eingehen.
    Sie haben weiter ausgeführt, unser Bestreben müsse dahin gehen, die Zahl der am Kapitaleinkommen — am Kapitaleinkommen! — Beteiligten erheblich zu verbreitern. Das ist zweifellos richtig und erstrebenswert. Aber auch da muß man überprüfen, wieweit die uns vorgelegten Gesetzesvorlagen geeignet sind, uns diesem Ziel wirklich näherzubringen.
    Sie sagen, der Finanzminister könne nur dann eine gute Finanz- und Steuerpolitik machen, wenn die fur die Politik Verantwortlichen selbst eine richtige Politik machen. Diese beherzigenswerte Mahnung müssen Sie ja naturgemäß in erster Linie an Ihre Partei und an die Bundesregierung richten; aber ich darf doch bescheidentlich darauf hinweisen, daß Ihre Darstellung der Entwicklung der Bundesfinanzen eine einzige Anklage gegen die Finanzpolitik der zweiten Bundesregierung gewesen ist. Ich hoffe, daß wir gemeinsam die Folgerung daraus ziehen werden. Auch der Finanzminister selbst kann sehr aktiv in diese Politik eingreifen und damit Entwicklungen in der Gesellschaftsordnung fördern oder aufhalten. Wir sehen es daher als einen Mangel Ihrer Vorlagen an, daß sie keine Maßnahmen enthalten, die der übermäßigen Kapitalkonzentration entgegenwirken könnten. Die Besorgnisse, die sich aus der Entwicklung in der letzten Zeit für unsere Gesellschaftsstruktur ergeben, sind oft genug aufgezeigt worden, auch von der Regierung; aber bisher sind den Worten leider keine Taten gefolgt. Die Bestrebungen Ihrer Fraktion, die sich aus der Schaffung von Jedermann-Eigentum die Heilung verspricht, sind unklar, unrealistisch und zum Teil auch bedenklich. Die von der SPD geforderte Ausnahmegesetzgebung lehnen wir ab.
    Aber es gibt doch eine Reihe von anderen Möglichkeiten, hier durch die Steuerpolitik einzuwirken. Die Abschreibungsprivilegien, soweit sie der übermäßigen Anlagenerweiterung dienen, sollten sorgfältiger überprüft werden. Im Gegensatz zu dem Kollegen Neuburger sehe ich in den Vorlagen noch keine wirkliche Hilfe für den Mittelstand, für die kleinere oder mittlere Wirtschaft, im Gegenteil. Wir werden uns vielleicht auf einer gemeinsamen Ebene treffen, wenn wir die Frage der Gewerbesteuer anrühren werden. Aber hier, in diesen Vorlagen, ist eine wirkungsvolle Hilfe nicht zu erblicken. Die steuerlichen Abschreibungen gehen zum größten Teil zugunsten der großkapitalistischen Unternehmungen.

    (Abg. Krammig: Ich verstehe Sie nicht. Die ganze Zeit haben Sie für die degressive Abschreibung für mittelständische Betriebe gekämpft!)

    — Ich spreche nicht gegen die degressive Abschreibung, sondern gegen die Übertreibung, die sie erfahren hat, und bin für eine gewisse Milderung, die an bestimmten Stellen unbedingt noch vorgenommen werden müßte. Das, was in der Zeit des Wiederaufbaus zu vertreten war, kann heute nicht mehr beibehalten werden. Eine Bestimmung, wie sie in § 36 des Investitionshilfegesetzes enthalten war, müßte endlich als überholt gelten.
    Sicherlich wird der Weg über die Umsatzsteuer der wichtigste sein, der der Kapitalkonzentration entgegenwirken soll. Aber auch auf dem Gebiet der Ertragsteuern liegen ernst zu nehmende Vorschläge vor, um die personenbezogenen Unternehmungen gegenüber den großen, also den publikums-



    Dr. Atzenroth
    bezogenen, zu begünstigen. Sie kennen sicher die Vorschläge von Dr. Gast oder von Dr. Troeger. Wir identifizieren uns damit noch nicht in vollem Umfang, aber wir hätten eine Stellungnahme der Bundesregierung zu diesen Problemen erwartet. Warum könnte es nicht auch bei uns einmal Steuerpräferenzen „anders herum" geben, wie in dem Small Business Act? Die Förderung der mittleren und kleineren Wirtschaft darf nicht nur auf dem Papier stehen; sie muß auch in der Sache ernsthaft angepackt werden. Dem kleinen Handwerker und dem Einzelhändler, der auch zu den Unternehmern gehört, von denen Herr Kollege Seuffert immer so viel gesprochen hat, und der die größte Zahl der Unternehmer stellt, bringen die vorliegenden Steuergesetze nur unwesentliche Erleichterungen. Der harte Druck der Gewerbesteuer muß so schnell wie irgend möglich beseitigt werden. Auf diesem Gebiet, Herr Minister, fehlt aber noch Ihre Grundsatzerklärung.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Atzenroth, wie wollen Sie denn die Gewerbesteuer senken?)

    Ich werde nachher darauf zurückkommen und sage schon jetzt, daß ich mich in der Frage der Personensteuer im Gegensatz zu dem Kollegen Seuffert befinde.

    (Abg. Dr. Dresbach: Es würde mich auch freuen, wenn wir beide mehr zueinander kämen!)

    — Ja, darin sind wir nie auseinander gewesen.

    (Abg. Dr. Dresbach: Von der Koalition mit Links möchte ich Sie lösen!)

    Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern hat sich noch nicht wesentlich gebessert. Wir hoffen aber, daß die Ansätze dazu bei dem neuen Bundesfinanzminister stärker zu finden sind als bei seinem Vorgänger. Die Länder stünden in einer wesentlich stärkeren Position, wenn man in ihren Haushalten nicht immer ein so übermäßig starkes Anschwellen der Personalausgaben feststellen müßte.
    Nun zu den einzelnen Vorlagen selbst.
    Eine von der FDP seit Jahren erhobene Forderung soll jetzt endlich erfüllt werden: Die Ehe und die Familie sollen künftig nicht mehr Steuerobjekt sein. Die Genugtuung darüber wird wenig beeinträchtigt durch die Tatsache, daß sich die Bundesregierung nicht freiwillig zu dem Vorschlag durchgerungen hat, sondern durch den Verfassungsgerichtshof dazu gezwungen worden ist. Ohne das Urteil dieses Gerichts brauchten wir uns heute wahrscheinlich nicht mit neuen Steuergesetzen zu beschäftigen; es wäre alles beim alten geblieben.
    Der Herr Minister bezeichnet die Vorlagen mit Recht als ein größeres zusammenhängendes finanzpolitisches Gesetzgebungswerk. Er gibt zu, daß die echte große Steuerreform, die die Bundesregierung seit vielen Jahren immer wieder angekündigt hat, nicht vorliegt. Ja, überraschenderweise erklärt er heute zum erste Male, daß eine grundsätzliche Änderung unseres Steuersystems nicht beabsichtigt sei. Das ist für uns eine neue Tatsache. Bisher hat nicht nur Thr Vorgänger, sondern auch die Bundesregierung immer die große, entscheidende neue Steuerreform angekündigt. Wir hören jetzt, daß damit nicht zu rechnen ist.
    Der Herr Minister erklärt, es habe den Anschein, als ob die Zeiten 1959 und 1960 stürmisch werden könnten. Wir müssen diese Ansicht leider teilen. In diesen stürmischen Zeiten könnten von der Bundesregierung Steuerforderungen erhoben werden, die über das jetzige Ausmaß möglicherweise beträchtlich hinausgehen. Es wäre eine sonderbare Situation — ich hoffe, daß wir nicht mehr hineinkommen —, wenn der Finanzminister Etzel den Dolch der Ergänzungsabgabe, den sein Vorgänger im Gewande verborgen hielt, im nächsten Jahre zücken müßte. Gegen eine solche Entwicklung erheben wir schon heute unseren schärfsten Widerspruch. Alle Maßnahmen der Regierung und des Gesetzgebers sollten schon jetzt darauf gerichtet werden, daß sich solche Notwendigkeiten nicht ergeben.
    Die Ertragsteuervorlage stellt keine großzügige Steuersenkung dar, so wie wir sie im vergangenen Jahr gefordert hatten und wie sie damals zweifellos möglich gewesen wäre. Es handelt sich im wesentlichen um eine Anpassung an die durch den Zwang zum Splitting neu geschaffene Lage. Wir begrüßen die Tendenz zu Vereinfachungen, die der Regierungsentwurf aufweist. Allerdings hat es den Anschein, daß Vereinfachungen mehr bei den Steuerbehörden, weniger bei den Steuerpflichtigen eintreten werden; aber auch das ist schon eine begrüßenswerte Entwicklung.
    Die Proportionalbesteuerung, die für die kleineren Einkommen — wie Herr Seuffert gesagt hat: die Verbrauchseinkommen — eingeführt werden soll, kommt dem Prinzip mathematischer Gerechtigkeit nicht gleich, aber sie führt tatsächlich zu einer wesentlichen Vereinfachung der Praxis der Steuererhebung.
    Wenn man aber schon das Prinzip der Steuergerechtigkeit bei fast 95 % der Einkommensbezieher zurücktreten läßt hinter dem Prinzip der Einfachheit des Systems, dann ist nicht einzusehen. warum man das Gleiche nicht auch für den Rest verwirklichen sollte. Es würde dann ein einheitliches Steuersystem entstehen, wenn es sich aus möglichst wenigen, für möglichst weite Einkommensbereiche geltenden proportionalen Sätzen zusammensetzte. Der schon jetzt leise erhobene Vorwurf einer verfassungswidrigen ungleichmäßigen Besteuerung würde dadurch vermieden werden. Wir behalten uns vor, bei den Ausschußberatungen einen Tarifvorschlag auf dieser Basis vorzulegen, selbst auf die Gefahr hin, daß wir unserem Kollegen Neuburger durch die zu große Zahl von Anträgen einigen Ärger bereiten. Dabei würde auch die Mehrbelastung, die sich in der Regierungsvorlage für bestimmte Gruppen von Ledigen ergibt, bis auf einen kleinen Rest beseitigt werden.
    Nun zu einer Frage, bei der ich auf den heftigsten Widerstand des allerdings nicht mehr anwesenden Kollegen Seuffert stoßen werde. Der Regierungsentwurf geht in der Spitze über den von der Regierung selbst als kritisch bezeichneten Punkt mit



    Dr. Atzenroth
    53 % Steuerbelastung hinaus. Der kritische Punkt liegt nach ihrer eigenen Ansicht bei 50 °/o. Das ist dann auch der Grund für die Erhöhung der Körperschaftsteuer um 2 %. Warum sind Sie hier nicht konsequent? Die Wirtschaft soll — das sagen Sie selbst — zu möglichst rationalem Handeln angehalten werden. Es sollte ihr insbesondere auch der kleinste Anreiz zu betrieblich nicht erforderlichen Ausgaben genommen werden. Diese werden häufig nur gemacht, weil die Steuer mehr als die Hälfte der Kosten trägt. Ich pflichte dem Kollegen Seuffert nicht darin bei, daß der kleine Unterschied zwischen 50 und 53 % hierauf keine Wirkung habe. Das ist für uns ein Grund, zu fordern, daß man diese vielleicht letzte Gelegenheit, Herr Minister, benutzen sollte, um bei der Einkommensteuer in der Spitze auf 50 % herunterzugehen. Mehr als die Hälfte des Ertrags sollte der Staat nicht für sich in Anspruch nehmen. Das würde dann auch erlauben, in der Körperschaftsteuer bei dem jetzigen Satz von 49 % stehenzubleiben.
    Mit allem Ernst muß ich auf eine überaus bedenkliche Auswirkung der Regierungsvorlage hinweisen. Durch die Kappung unten werden Millionen -ich glaube, es sind 2,8 Millionen — von Einkommenbeziehern von der direkten Steuerpflicht neu befreit. Nach Verabschiedung dieses Gesetzes würden mehr als 45 % der Deutschen keine Einkommensteuer mehr bezahlen. Eine immer größere Zahl von Menschen und mit ihr das entsprechende Stimmgewicht unserer Demokratie würden auf die politische Gesetzgebung einwirken, ohne einen Pfennig zum Staatswesen beizutragen.

    (Abg. Frau Beyer [Frankfurt] : Und die indirekten Steuern?)

    — Der Hinweis auf die indirekten Steuern ist hier nicht berechtigt. Zunächst einmal erscheinen die indirekten Steuern dem einzelnen niemals als eine direkte Leistung für den Staat.

    (Widerspruch bei der SPD.)

    Sie kommen ihm keineswegs so zum Bewußtsein,
    und außerdem sind sie überall gleichmäßig verteilt.

    (Erneuter Widerspruch bei der SPD.)

    Es ist keineswegs so, wie Herr Seuffert sagt, daß die indirekten Steuern in größerem Maße auf die kleineren Einkommenbezieher entfallen, sondern das richtet sich proportional genau nach der Höhe der Einkommen. Wer ein höheres Einkommen hat und größere Ausgaben macht, zahlt eine höhere indirekte Steuer. Das ist doch ganz selbstverständlich.

    (Abg. Frau Beyer [Frankfurt]: Aber die Wirkung! Wollen Sie nicht auf die Wirkung eingehen? Die ist doch für die kleinen Einkommen viel stärker!)

    — Die Wirkung meine ich eben! Ich bin der Meinung, daß jeder einzelne Staatsbürger das Gefühl haben muß: Ich muß zu meinem vielleicht ganz kleinen Teil auch zu den Lasten des Staates beitragen,

    (Beifall in der Mitte und rechts — Abg. Kriedemann: Denken Sie an die Körperchaftsteuer!)

    und wenn der Staat dazu übergeht, seine Steuern zu erhöhen, dann muß ich persönlich dabei auch beteiligt sein. Das ist eine Pflicht des einzelnen Staatsbürgers, der ja auch seine Rechte hat.

    (Abg. Kriedemann: Großartig! Das ist eine Argumentation!)

    In dem gleichen Maße verringern sich die Zahl und das Stimmgewicht derer, die wenigstens noch über die Steuer gezwungen sind, die Erledigung der öffentlichen Angelegenheiten kritisch zu beobachten.

    (Abg. Kriedemann: Und wenn's die Zuckersteuer ist?)

    — Nun kommen Sie auf ein ganz anderes Gebiet. Ich spreche von den direkten Steuern, bei denen der einzelne es deutlich erkennen soll, daß er etwas für den Staat leistet, nicht bei den indirekten Steuern, die Sie jetzt nennen.
    Weite Kreise — hören Sie bitte gut zu! —, darunter auch die Deutsche Angestelltengewerkschaft, stellen die Frage, haben mir die Frage gestellt, ob hier die Grenze, schon aus allgemeinen staatsbürgerlichen Erwägungen heraus, nicht zu weit gezogen worden ist. Hier liegt einer der bedenklichen Punkte in dieser Regierungsvorlage. Es ist vorgeschlagen worden — nicht von uns —, auf einen Teil der Freistellungen zu verzichten, das Aufkommen hieraus aber den Gemeinden zu überlassen und damit den ersten Schritt zu einer Neuregelung der kommunalen Steuern zu tun.
    Ein weiterer ernster Einwand gegen die Regierungsvorlage muß noch vorgebracht werden, der allerdings auch von seiten der SPD erhoben wurde. Seit Jahren hoffen wir, daß endlich mit der Vielzahl von Sonderbegünstigungen Schluß gemacht wird, so notwendig sie in den Jahren des Wiederaufbaus auch gewesen sein mögen. In den letzten Jahren haben sie zu Verzerrungen in den Kapitalströmen geführt und sicherlich nicht den Zielen entsprochen, die der Herr Minister zu Beginn seiner Rede aufgezeigt hat. Bestimmte Kreise der Einkommensbezieher sind ungerechtfertigt begünstigt worden. Das hat zu gerechter Empörung in der Bevölkerung geführt. Schon im Jahre 1954 hatte die Bundesregierung bei der Novellierung des Einkommensteuergesetzes beschlossen, diese Sonderbegünstigungen bis Ende 1955 auslaufen zu lassen. Damals lag das Hindernis bedauerlicherweise beim Parlament. Heute will die Regierung von ihrem damaligen Beschluß nichts wahrhaben. Sie haben es zwar fertiggebracht, daß der § 7 a endgültig ausläuft, aber bei § 51 z. B. sind wir nun schon langsam bei dem Buchstaben q angelangt. Hier fehlt eine echte Reform.
    Der Kanzler hat in seiner Regierungserklärung herausgestellt, daß eine Steuerreform nicht darin bestehen könne, daß man einen Paragraphen durch einen anderen ersetze. Dem Herrn Bundeskanzler hätten wir heute wahrscheinlich eine große Freude gemacht, wenn wir ihm voll und ganz beigepflichtet hätten, aber die Frage, wie sich der Herr Bundeskanzler bei der Beratung dieser Vorlage im Kabinett verhalten hat, ist doch berechtigt. Wenn man glaubt, von diesen Systemwidrigkeiten nicht abge-



    Dr. Atzenroth
    hen zu können, dann sollte man aber prüfen, ob die Vergünstigungen richtig gezielt sind. Dann darf man nicht an einer Hilfe für den Althausbesitz vorbeigehen, dem man doch die echte Kostenmiete wohl noch längere Zeit vorenthalten wird. In unserem großartigen Wiederaufbau nehmen sich die immer mehr verfallenden Althäuser schlecht aus. Eine Hilfe für sie im Rahmen von Abschreibungsvergünstigungen ist nach unserer Ansicht dann wenn man Sonderbegünstigungen beibehalten will, immer noch mindestens so gut angebracht wie die Förderung des Baues von neuen Wohnungen.
    Nur ein kurzes Wort noch zur Körperschaftsteuer. Wir sind der Meinung, daß es richtig ist, eine Senkung der Steuer für den ausgeschütteten Gewinn vorzunehmen und damit die Doppelbesteuerung wenn nicht wesentlich — das ist vielleicht schon zuviel gesagt —, so doch immerhin zu verringern. Wir haben vom Herrn Bundesfinanzminister mit besonderer Befriedigung gehört, daß er das sich hierbei ergebende Problem der kleineren Aktiengesellschaften und Kapitalgesellschaften, insbesondere der Familiengesellschaften, erkannt hat und selbst vorgeschlagen hat, nach einem Ausweg zu suchen. Für diesen Personenkreis würde sich die neue Steuerregelung nicht günstig auswirken. Eine stärkere Senkung der Steuern wäre in diesem Jahr doch noch möglich gewesen. Wir geben zu, daß die Schätzung des Herrn Ministers über das voraussichtliche Anwachsen des Sozialprodukts mit 7 % die obere Grenze darstellt. Aber Sie verfügen doch noch über eine Reserve, von der Sie heute zum ersten Mal gesprochen haben, nämlich den Teil der Steuern, der sich in den Bilanzen fast jedes Unternehmens als Rückstellung für rückständige Steuern darstellt, und ich glaube, Herr Minister, daß Sie mit der Zahl von 1,8 Milliarden DM diesen Betrag ganz gewaltig unterschätzen. Man kann mindestens die doppelte Höhe annehmen; denn es kommen nicht nur die Nachzahlungen, die die Unternehmungen für die Jahre 1956 und 1957 zu leisten haben, in Frage, sondern auch die sich dann erhöhenden Vorauszahlungen, die gleichzeitig automatisch eintreten, selbst dann, wenn sich die Wirtschaftslage verschlechtern sollte. Darin steckt eine sehr große Reserve.

    (Abg. Dr. Hellwig: Aber eine nicht gleich in diesem neuen Haushaltsjahr zu erschließende Reserve!)

    — Ich gebe Ihnen zu, daß sie nur etwa zur Hälfte in diesem Haushaltsjahr zur Auswirkung kommt. Gegenüber Pressemeldungen, daß die Veranlagung 1957 schon zwei Monate nach der des Jahres 1956 erfolgen solle, haben wir — das darf ich auch noch einmal betonen — aus den Ausführungen des Herrn Ministers gehört, daß die Veranlagung erst ein Jahr später erfolgen wird. Dann haben Sie recht, Herr Dr. Hellwig, daß die Auswirkungen sich nur zur Hälfte in dem einen, zur anderen Hälfte erst in dem nächsten Jahr ergeben.
    Nun zu einem Punkt, den wir besonders kritisch betrachten, zum Prämienspargesetz! Ich habe schon darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz mit den von Ihnen, Herr Minister, entwickelten Grundsätzen
    nicht vereinbar ist. Wie Sie auf diesem Wege eine breite Streuung des privaten Eigentums erreichen wollen, ist uns nicht recht verständlich. Überhaupt scheint das Wort „Sparförderung" ein wenig zum Schlagwort geworden zu sein. Wenn wir die amtlichen Statistiken durchsehen, können wir feststellen, daß die Sparguthaben unaufhaltsam steigen. Die reinen Sparguthaben allein betrugen Ende vergangenen Jahres schon mehr als 28 Milliarden DM und sind selbst in dem ungünstigen Monat Januar weiter gestiegen. Es wird also schon gespart. Aber Sie sagen ja selbst, daß auch der Kapitalmarkt den marktwirtschaftlichen Grundsätzen unterworfen werden müsse. Nach Ihren Ausführungen bei der Begründung muß ich Sie fragen, ob die Sparbeträge, die jetzt angesammelt werden sollen, etwa zur Finanzierung künftiger Bundesanleihen bestimmt sind. Dann würden wir das System für sehr falsch halten.
    Ich will nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber es müßte Sie doch nachdenklich machen, daß selten ein Entwurf mit einer solchen Fülle von unwiderlegten und unwiderlegbaren Argumenten abgelehnt worden ist, und zwar von den verschiedensten Seiten. Ich erinnere an die Bank deutscher Länder, an die gesamte Fachpresse und auch an Ihren Kollegen, den Herrn Bundeswirtschaftsminister, zusammen mit seinem Wissenschaftlichen Beirat. Die Erklärungen, die dieser letztere abgegeben hat, sind doch sehr eindeutig.
    Und worauf läuft Ihr Vorschlag schließlich hinaus? — Herr Minister, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie gerade die folgenden Ausführungen einmal beachten wollten.

    (Beifall bei der FDP.)

    Sie rechnen mit einem Einkommen von 2 Milliarden DM im ersten Jahr. Alle Fachleute sind sich darin einig, daß weit mehr als die Hälfte der hierfür gesparten Beträge reine Umlagerungen von bisherigen Sparkonten sein werden. Man kann ohne weiteres annehmen, daß dann 1,2 Milliarden von einem Konto auf das andere wandern. Dann blieben etwa 800 Millionen DM übrig. Davon würde sicherlich die Hälfte auch ohne dieses Gesetz gespart werden.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Auch auf fünf Jahre?)

    — Sie würde auch auf fünf Jahre gespart werden,
    zwar nicht zusammenhängend, aber revolvierend.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Aber das ist das Wesentliche!)

    Aber das hat denselben Effekt. Dann hätten Sie noch 400 Millionen DM zusätzliches Sparkapital, und dafür wollen Sie 400 Millionen DM Prämien ausgeben. Sie hätten also das perpetuum mobile erfunden. Dabei müssen wir allerdings die Einschränkung machen, daß Sie eines Tages auch an die Tilgung gehen müssen.
    Das kann doch nicht der Sinn Ihres Vorschlags sein. Es wäre doch töricht, dem Bürger aus der einen Hand das zu nehmen, was wir ihm in die andere Hand geben.
    798 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 17, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1958
    Dr. Atzenroth
    Herr Minister, alle Ihre Grundsätze in Ehren! Was hier vorgelegt wird, ist eine Lieblingsidee von Ihnen. Ich kenne Sie so lange, daß ich Ihrer wirtschaftlichen Gesamthaltung positiv gegenüberstehe. Aber dieses Anliegen sehen Sie durch die politische Brille. Setzen Sie doch bitte einmal die ökonomische auf und werfen Sie das Ungeheuer in die Wolfsschlucht!

    (Beifall bei der FDP.)

    Dabei muß ich noch eine Mahnung hinzufügen, und damit unterstreiche ich wieder Ihre Grundsatzausführungen: Bester Lohn für Sparen ist ein stabiler Geldwert.

    (Beifall bei der FDP und in der Mitte.)

    Darauf sollten sich Ihre und unsere Maßnahmen
    in der nächsten Zeit ganz besonders konzentrieren.
    Ich darf zusammenfassen. Herr Minister, wir haben Ihre Grundsatzausführungen gehört und im großen und ganzen gebilligt. Unsere Opposition wird sich bei der Beratung dieser Steuergesetze darauf erstrecken, zu beobachten, ob diese Grundsätze auch wirklich durchgeführt werden. Wir haben das Gefühl, in einem Teil dieser Steuergesetzentwürfe ist das nicht geschehen. Da finden sich Widersprüche zu Ihrer grundsätzlichen Haltung. Sie zu beseitigen, wird unser Ziel bei der Beratung dieser Steuergesetze sein.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Finanzminister hat heute mit seinen einleitenden Ausführungen zum Haushalt bereits einen wesentlichen Beitrag zu der von Herrn Kollegen Atzenroth aufgeworfenen Frage der Stabilerhaltung des Geldes geleistet. Herr Kollege Atzenroth, Sie zitierten schon den Satz, mit dem der Bundesfinanzminister erklärte, er wolle nur so viel für den Staat beanspruchen, wie für diejenigen Angelegenheiten unbedingt benötigt werde, die nicht besser oder nicht ebenso gut auch von Privaten bewältigt werden könnten. Aber er hat noch ein Zweites getan. Er hat uns in einer schwierigen Situation einen ausgeglichenen Haushalt in Aussicht gestellt, ausgeglichen allerdings — das darf ich vielleicht vorausschicken — im Augenblick um den Preis der Einstellung der letzten 3 Milliarden — mit 500 Millionen Ausleihungen dazu — aus dem Juliusturm.
    Nun würde man in einer wirtschaftlichen Situation, die noch genauso der Überbeschäftigung zustreben würde wie im Jahre 1955 oder 1956, gerade in diesem Punkt Bedenken haben müssen. Aber ich glaube, angesichts des Umstandes, daß wir heutzutage nicht mehr bis zur Besetzung auch des letzten Arbeitsplatzes voll ausgelastet sind, sondern wieder etwas Spielraum haben, liegt volkswirtschaftlich gesehen in dem Vorhaben der Bundesregierung kein Fehler. Ich betrachte es vielmehr eher als eine bereits positive Maßnahme im Rahmen der angekündigten aktiven konjunkturpolitischen Haltung, die die Bundesregierung im Rahmen der Gesamtstabilität einzunehmen gedenkt.
    Das ganze gesetzgeberische Vorhaben, das in dieser Situation von einem immerhin sehr beachtlichen Mut zeugt, darf nach meiner Meinung, abgesehen von den steuerpolitischen Fragen und Auswirkungen, den Anspruch erheben, ebenfalls ein wirtschaftlicher Beitrag zur Steigerung der Unternehmenslust in der Wirtschaft zu sein, ein Beitrag zur Hebung der Arbeits- und Leistungsfreude und des Leistungswillens in der deutschen Wirtschaft.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf für unsere Fraktion erklären, daß wir schon aus diesen Gründen dieses Vorhaben positiv aufnehmen — obwohl es in einer Zeit der „Diktatur der leeren Kassen" unternommen wird, die Steuern zu senken — und daß wir alles daransetzen werden, daß diese Gesetzentwürfe in den Ausschüssen so schnell wie möglich verabschiedet werden, damit die angenehmen Teile der Gesetze am 1. Januar 1958 in Kraft treten können.
    Allerdings sind wir natürlich nicht mit allen vorgeschlagenen Einzellösungen schon in vollem Umfang einverstanden. Es wird in den Ausschüssen noch Gelegenheit sein, vieles zu diskutieren. Ich darf aber auf einige Punkte schon hier eingehen, um unsere grundsätzlichen Ansichten zu einzelnen Fragen hervorzuheben.
    Der Kollege Seuffert, der jetzt gerade wiederkommt — ich freue mich darüber —, hat sich in längeren Ausführungen besonders mit der, wie es nach seinen Worten klingen konnte, unsozialen unterschiedlichen Entlastung auf dem steuerlichen Gebiet beschäftigt; er sagte, daß bei den kleineren Einkommen nur eine relativ geringe Entlastung um 336 DM in Frage komme — die er hier besonders ansprach —, während es bei den großen Einkommen in der Spitze bis zu 41 000 DM gehe.
    An dieser Art der Darstellung stoße ich mich, Herr Kollege Seuffert. Wenn Sie es unternommen hätten, die steuerlichen Entlastungen nicht nur an dem unmittelbar vorhergehenden Steuertarif von 1957, sondern an dem von 1953 oder gar an dem Kontrollratstarif zu exemplifizieren, dann wäre die steuerliche Entlastung bei den hohen Einkommen noch viel sinnfälliger in Erscheinung getreten. Damit läßt sich doch, wenn man die Dinge ernsthaft betrachtet, die Debatte nicht ausschließlich bestreiten! Der Tatbestand ist vielmehr, daß noch einmal eine steuerliche Entlastung in einem nicht unerheblichen Maße eintreten soll. Auch wir bedauern, daß diese steuerliche Entlastung noch nicht so weit gehen kann, daß sie in allen Stufen dem einzelnen, der da schafft, wenigstens 50 Pf von jeder Mark beläßt. Das ist für uns ein endgültig anzustrebendes Ziel. Wir wissen ganz genau, daß die uralte schöne Zeit des „Zehnten" nicht wieder zurückzugewinnen ist.
    Herr Kollege Seuffert, Sie haben in den Vordergrund gerückt, man müsse dabei immer die Zahl der Steuerfälle und die steuerliche Schichtung der Einkommen im Auge haben. Selbstverständlich,



    Dr. Preusker
    aber auch diese Betrachtung ergibt bereits, daß nach der Vorlage der Bundesregierung weitere 2,8 Millionen Steuerpflichtige aus der direkten Einkommensbesteuerung völlig ausscheiden und daß bei einem weiteren Teil der Steuerpflichtigen unterschiedliche, etwa zwischen 7 und 15 % schwankende Entlastungen eintreten. Ferner ergibt sich, daß immerhin bereits 95 % der Steuerpflichtigen sich innerhalb des proportionalen Tarifs von nur 20 % Belastung befinden.
    Natürlich wird dann dort, wo man für die restlichen 5 % mit einer stark progressiven Besteuerung beginnt, zunächst einmal der, wie soll ich sagen, Ankuppelungsprozentsatz, der erste Sprung, etwas größer. Das ergibt sich schon klar daraus, daß man die früher ansteigende Linie auf einmal durch den Proportionalsatz waagerecht gelegt hat; dadurch entsteht natürlich am oberen Ende plötzlich eine Treppenstufe, was im Wege der erhöhten Freibeträge für die Familie, für die Kinder dann wieder etwas gemildert wird.
    Aber Sie haben sich auch gar nicht dagegen gewandt, daß derjenige, der erhöht zu leisten imstande ist, auch erhöhte Steuerlasten tragen soll. Darüber werden wir uns wahrscheinlich ohnehin einig sein. Jedoch über das Maß gehen unsere Meinungen auseinander. Ich sagte Ihnen schon: ich möchte nicht eine noch höhere Belastung, sondern im Gegenteil, mir erschiene es volkswirtschaftlich viel sinnvoller, wenn wir uns endlich der Grenze der im Maximalfall hälftigen Wegsteuerung des erarbeiteten Einkommens nähern könnten.
    1 Herr Kollege Seuffert, die ganze Frage hat ja auch eine sehr wichtige volkswirtschaftliche Auswirkung, und in diesem Zusammenhang bitte ich auch noch einmal das Problem der Herausnahme der 2,8 Millionen Steuerpflichtigen aus der direkten Besteuerung zu betrachten. Wenn der Staat aus irgendwelchen Gründen der Sicherheit — sei es auf dem Gebiet der Vorbereitung der Landesverteidigung, sei es auf dem der ökonomischen Sicherheit, der Sicherung der Vollbeschäftigung — erhöhte Aufwendungen zu machen hat, dann wird er, wenn die laufenden Einnahmen aus Steuern oder Anleihen ihm dies nicht gestatten, daran denken müssen, die Steuern zu erhöhen. Nun muß man einmal überlegen, welche Konsequenzen es hat, wenn zu dieser Erhöhung der Besteuerung nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung als Steuerzahler zur Verfügung steht. Bekanntlich ist es im Augenblick doch so, daß 20 % der Steuerzahler rund 80 % des gesamten Aufkommens aus direkten Steuern aufbringen.

    (Abg. Seuffert: Weil sie auch das entsprechende Einkommen haben!)

    —Sicher, denn sonst könnten sie es nicht, Herr Kollege Seuffert, und dagegen ist ja auch von niemandem etwas eingewandt worden.
    Man muß einmal klarstellen, daß die großen Einkommen — bis auf die verschwindend wenigen Fälle überkommener großer Vermögen — in der Regel hart erarbeitete Wirtschaftseinkommen und nicht Verbrauchseinkommen im direkten Sinne darstellen. Die Teile, die davon konsumiert werden können, sind jedenfalls nur Bruchteile des gesamten erarbeiteten und zu versteuernden Einkommens. Wenn man nun bei den Wirtschaftseinkommen die Schraube überdreht, dann ist die logische Konsequenz, daß sich dieses Überdrehen auf dem Umweg über die Preise in die ganze Wirtschaft fortwälzt, und was sich als Resultat ergibt, ist erstens unsozial und zweitens völlig unkontrollierbar, weil die Wirkungen in jeder Stufe unter Umständen nicht im Anhänge-, sondern im Aufschlagsverfahren weitergegeben werden. Wenn Sie die Stabilität der gesamten Preisentwicklung sichern wollen, dann ist ein Prinzip dazu bestimmt am ehesten geeignet: den Finanzbedarf für alle Anforderungen, die staatlicherseits gestellt werden müssen, so zu decken, daß die Wirkungen endgültig in der Steuer aufgefangen werden können und nicht auf dem Umweg über die Preise weitergegeben werden. Damit würde auf alle Fälle das Sozialste und Vernünftigste geschehen.
    Unter diesem Gesichtspunkt bitte ich einmal das Problem der Höchstproportional- oder Höchstprogressionssätze in der Besteuerung zu betrachten. Hier gibt es ein Optimum, bei dessen Überschreitung eine weitere Progression im Grunde genommen nur Augenpulver ist, in Wirklichkeit unsoziale Konsequenzen durch Preisauftrieb hat. Dieses Problem sollten wir ganz genau prüfen. Aus dem gleichen Grunde, Herr Kollege Seuffert, möchte ich den Gedanken der Jahressteuergesetze, die der Bundesminister der Finanzen vorgeschlagen hat, bejahen. Sie geben die Möglichkeit einer viel größeren Anpassung. Ich halte es für möglich, daß man z. B. im Rahmen einer solchen Jahressteuerregelung — worüber ich mich freue — zwei, drei, vier Millionen Menschen aus der direkten Steuer herausläßt. Man muß aber die Möglichkeit behalten, dann, wenn es einmal im Gesamtinteresse notwendig ist, sie daran zu gemahnen, daß sie nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mitzutragen haben.
    Ich darf in diesem Zusammenhang noch ein weiteres Problem anschneiden. Herr Kollege Seuffert, Sie wandten sich so gegen den Gedanken einer eventuellen kommunalen Einkommensteuer

    (Abg. Seuffert: Mit Grund!)

    in dem Bewußtsein, sie könnte gegen das Grundgesetz verstoßen. Man könnte das aber so regeln, daß, ebenso wie der Bund einen festen Anteil von 35 % an der Einkommen- und Körperschaftsteuer hat, auch zwischen Ländern und Gemeinden ein fester Anteil festgelegt wird.

    (Abg. Seuffert: Das ist etwas ganz anderes!)

    Das ist ein Gedanke, dem wir durchaus zuneigen. Wenn wir das sowohl beim Bund wie auf der Landesebene und der Ebene der Gemeinden mit der Jahressteuerregelung kombinieren, können die tüchtigeren Gemeinden einmal zeigen, daß sie effektiv etwas leisten, indem sie unter den jeweiligen Höchstsätzen bleiben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Jetzt zur Problematik des Splittings! Ich war etwas erstaunt, zu hören, daß Sie, Herr Kollege Seuffert, auf einmal wieder dem Gedanken der getrennten Veranlagung zuneigen. Daß das nur für



    Dr. Preusker
    die 5 % der oberen Steuerzahler zutreffe, ist wirklich keine prinzipielle Argumentation. Soweit wir eine proportionale Besteuerung haben, ist es völlig gleichgültig, wieviel der Mann und wieviel die Frau verdient. Aber nun das andere: Wenn man den Gedanken der getrennten Veranlagung weiter verfolgt, bleibt die Problematik dieses Verfahrens bei der ganzen landwirtschaftlichen Bevölkerung, dem Bauern und der Bäuerin, der ganzen handwerklichen Bevölkerung, dem Einzelhandel und den freien Berufen bestehen. Überall dort kann der Leistungsanteil der Frau nur über ganz fiktive Zurechnungen gefunden werden. In der Regel wird man sogar sagen: Jeder hat die Hälfte dazu beigetragen. Man käme so in der Praxis wahrscheinlich ohnehin auf diese günstigste Lösung, oder aber man würde in irgendeiner Weise wieder mißbräuchlichen und gekünstelten Konstruktionen Raum geben. Ausgangspunkt des ganzen Problems war immer wieder die große Zahl der Menschen mit der gemeinsamen Veranlagung in der Landwirtschaft, im Handwerk, im Einzelhandel, in den freien Berufen. In diesen Gruppen wird auf alle Fälle durch das Splitting, wenn auch die Problematik der Dinge — —

    (Abg. Lange [Essen] : Die Frage wird damit nicht gelöst!)

    — Das wird niemand von uns behaupten wollen. Das behauptet noch nicht einmal die Denkschrift des Bundesfinanzministers. Aber unter allen denkbaren Lösungen scheint mir nach der gegebenen Situation die Kombination von proportionaler Besteuerung und Splitting in dem aufgesetzten Progressionsteil doch am meisten den Notwendigkeiten einer ungekünstelten gerechten Besteuerung zu entsprechen. Es kann auch nicht bestritten werden — ich glaube, das ist etwas, was wir alle bejahen sollten —, daß hierbei der familiengünstigste Steuertarif herauskommt, der überhaupt denkbar ist.
    Damit entsteht auf der anderen Seite natürlich wieder ein Problem; auch Herr Kollege Seuffert hat davon gesprochen. Es gibt nämlich unter den Alleinstehenden eine Fülle von Sonderfällen, in denen plötzlich eine Benachteiligung erfolgt, ohne daß diese Alleinstehenden etwas dafür können. Sie sprachen von der alleinstehenden Frau mit Kindern oder Pflegekindern. Ich möchte sagen, daß es hier schlechthin um die alleinstehende Frau geht.
    Wenn wir auch im Grundgesetz das Prinzip der Gleichberechtigung haben, so kann man, glaube ich. doch nicht so weit gehen, zu erwarten, daß die alleinstehende Frau in der gleichen Weise um den Mann werben sollte, wie nach der Natur und der bisherigen Sitte der Mann um die Frau wirbt, sondern es soll doch sicher so bleiben, wie es gewesen ist. Eine Ausnahme mag es dann und wann einmal geben. Aber nun Spaß beiseite!
    Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß wir aus zwei fürchterlichen Kriegen Millionen von Frauen haben, die beim besten Willen keinen Ehepartner gefunden haben.

    (Frau Dr. h. c. Weber [Essen]: Das stimmt ja gar nicht!)

    — Aber sicher in den betreffenden Altersklassen.
    Ich darf in dem Zusammenhang an einen Antrag erinnern, den die Fraktion der DP in der letzten Legislaturperiode im April 1956 auf Drucksache 2311 gestellt hat. Danach sollten für alleinstehende Frauen die Sätze der Steuerklasse II schon vom 45. Lebensjahr an gelten anstatt erst vorn 55. Lebensjahr an. Wenn man diese Regelung trifft, wird man einen wesentlichen Teil der wirklichen Härtefälle erfassen. Wir haben das dem Bundesfinanzminister kürzlich in unserer Fraktion vorgetragen, und er hat versprochen, diesen Gedanken eingehend prüfen zu lassen. Ich glaube, er hat diesmal Aussicht auf Verwirklichung.
    Aber ganz abgesehen davon, Herr Kollege Seuffert, bin auch ich der Meinung, daß wir den Gedanken, höhere Freibeträge anzusetzen — Sie haben davon gesprochen —, ernsthaft überlegen sollten. Man sollte die Möglichkeiten und die finanzielle Tragweite überprüfen. Wenn damit Härtefälle überhaupt vermieden werden können und die Steuerausfälle zu verkraften sind, dann sollte man diesen Weg gehen.
    Zur Beseitigung der Vergünstigungen und zur degressiven Abschreibung darf ich ebenfalls noch einige Bemerkungen machen. Diese Fragen sind sehr stark unter dem Gesichtspunkt nicht nur der Steuervereinfachung, sondern gleichzeitig auch der Förderung der Kapitalbildung für die mittelständischen Schichten gestellt worden. Unter diesem Blickwinkel können wir die gesetzliche Fixierung der degressiven Abschreibung mit 25 % nicht nur für die sogenanntën langlebigen, sondern auch für diejenigen Wirtschaftsgüter, deren Lebensdauer unter zehn Jahren liegt, nur begrüßen. Allerdings hängt die gute Wirkung dieses Tropfens davon ab, daß alle mittelständischen Steuerpflichtigen davon Gebrauch machen können.
    Ich weiß, daß die Forderung nach der Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns, wie sie § 10 a einmal vorsah, aus dem Wunsch nach der Stärkung der Eigenkapitalbasis für die Kreise entstanden ist, die nicht direkt an den Kapitalmarkt appellieren können. Wenn man ihnen jetzt die Chance der gesetzlichen degressiven Abschreibung einräumt, dann muß auch gewährleistet sein, daß die einzelnen Finanzämter die Ausführungsbestimmungen nicht so praktizieren, daß sie bei 90 % der Steuerpflichtigen die Buchführung einfach verwerfen. Im Schätzungsverfahren sind die Dinge doch nicht realisierbar. Hier muß also, glaube ich, in den Ausschußberatungen die notwendige Sicherheit geschaffen werden, daß das, was vom Gesetzgeber beabsichtigt wird, nämlich eine ausreichende Stärkung der Eigenfinanzierungskraft der mittleren Betriebe und Unternehmen, auch erreicht und nicht nachher aus kleinlichen fiskalischen Gesichtspunkten, so darf ich in diesem Fall einmal sagen, eingeengt wird.
    Zu den §§ 7 b und 7 c des Einkommensteuergesetzes sind hier schon verschiedentlich Bemerkungen gemacht worden. Hier darf ich vielleicht aus besonderer Erfahrung noch etwas hinzufügen. Die Erhaltung des § 7 b in der Form, daß die in ihm



    Dr. Preusker
    vorgesehene Vergünstigung bei Einfamilienhäusern mit Kosten von über 120 000 DM wegfallen, daß sie also nur für Einfamilienhäuser mit Kosten von unter 120 000 DM gewährt werden soll, begrüße ich. Denn ich bin der Auffassung, daß die Schäden infolge der Kriegszerstörungen und der innerdeutschen Fluchtbewegungen noch lange nicht so ausgestanden sind, daß wir uns tatsächlich das, was steuerlich ideal wäre, nämlich die restlose Beseitigung von Sondervergünstigungen aller Art, schon erlauben könnten.
    Irgendwo in der Begründung des Bundesfinanzministers steht, es sei das Ziel. „wettbewerbsneutrale" Steuern zu haben. Wettbewerbsneutrale Steuern müßten aber insgesamt noch etwas niedriger sein können, als die Steuern gegenwärtig sind. Voraussetzung für die Schaffung wettbewerbsneutraler Steuern wäre weiter, daß es innerhalb der Wirtschaft und bei den arbeitenden Menschen keine durch Kriegsfolgen ganz spezieller Art einseitig orientierte Wettbewerbspositionen mehr gäbe.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Zum § 7 c! Der Kollege Seuffert hat beklagt, daß hier eine Einschränkung beabsichtigt sei, nach der zwar weiterhin noch der Eigenheim- und der Eigentumswohnungsbau gefördert werden solle, durch die aber doch der Bau von Mietwohnungen für Arbeiter beeinträchtigt werde. Herr Kollege Seuffert, ich habe mir das auch lange hin und her überlegt. Ich bin bereit, meiner Fraktion zu empfehlen, dieser Einschränkung zuzustimmen. Es ist nämlich nicht so, wie Sie sagen, sondern der Wiederaufbau auch von Mietwohnungen ist ausdrücklich noch zugelassen worden, und ich kann mir vorstellen, daß der besondere Hinweis auf den Wiederaufbau in den Städten, in denen wir auch heute im Jahre 1958 noch Baulücken und Trümmer haben. dazu dienen kann. diese Lücken und Trümmer schnell endgültig verschwinden zu lassen.

    (Abg. Seuffert: Das genügt doch nicht für den Wohnungsbedarf! Sie bekommen ja ohnehin kein Bauland, geschweige denn aus den Aufbaugrundstücken!)

    — Ja, Herr Kollege Seuffert, gerade dann ist es aber doch sinnvoll, einen zusätzlichen Druck zugunsten der Bebauung der vorhandenen Baulücken und des Wiederaufbaus der Ruinen zu setzen. Denn das ist ja Bauland. Also das sollte man auf alle Fälle erst einmal machen. Wenn die letzte Trümmerlücke verschwunden ist, wenn mit dieser besonderen Konzentration auf Grund des § 7 c in unseren Städten alles wieder aufgebaut ist, dann bin ich auch bereit, über die anderen Fragen weiter zu diskutieren.

    (Abg. Seuffert: Die alten Grundstücke im Zentrum sind doch heutzutage vielfach keine Wohnlage mehr!)

    In diesem Zusammenhang darf ich schließlich auch auf die Sparprämien eingehen. Zu der nicht ganz einfachen Problematik dieser Sparprämien ist hier von den verschiedensten Seiten — teils
    positiv, teils negativ — Stellung genommen worden. Ich möchte vorausschicken, daß unsere Fraktion, vor allem gestützt auf die guten Erfahrungen mit dem Wohnungsbau-Prämiengesetz, das Sparprämiengesetz für die große Zahl der kleinen Einkommensteuerpflichtigen begrüßt und eifrig daran mitarbeiten wird, Möglichkeiten zu finden, es in dieser Richtung schnell wirksam werden zu lassen. Nicht etwa, weil wir Sorge hätten, daß ohne dies die kleinen Einkommensbezieher weniger sparen würden als bisher. Auch ich kann nur sagen, daß das Sparen gerade bei kleinen Einkommensbeziehern ein ungewöhnlich gutes Ergebnis erbracht hat. Insbesondere gilt das auch für das Wohnungsbauprämiengesetz. Wer hätte vor einigen Jahren angenommen, daß hier allein pro Jahr 250 Millionen Mark an Prämien gezahlt würden, d. h. also eine Sparsumme von über 1 Milliarde von kleinen Angestellten, arbeitenden Menschen, aufgebracht würde?
    Diese Sorge habe ich also nicht; aber umgekehrt bin ich der Meinung, daß wir gerade die Eigentumsbildung, gerade die Spartätigkeit in diesen breiten Schichten unserer Bevölkerung belohnen sollten, und damit sollte wieder der Grundstein für eine allmählich eigenständige und unabhängige Entwicklung durch die Generationen hindurch gelegt werden.
    Ein Zweites! Je mehr Menschen Sparer sind, je mehr Menschen auf Eigentum zurückgreifen können, um so sicherer wird die Wand aufgerichtet werden können gegen jeden Versuch, mit der Währung Experimente zu machen.

    (Beifall rechts.)

    Ich gehe deshalb auch in einem anderen Punkte mit Ihnen einig, Herr Kollege Seuffert. Ich bin auch der Auffassung, daß überlegt werden müßte, ob der Ersterwerb von Aktien tatsächlich in diese Förderung nach dem Sparprämiengesetz hineingehört.
    Der Kollege Seuffert hat schon von der Bindung bei Aktien über fünf Jahre hinweg gesprochen. Fünf Jahre können sicher in der Gesamtkonjunktur durchaus stabil verlaufen. Aber sie können unter Umständen für eine bestimmte Branche eine ganz unterschiedliche Entwicklung aufweisen. Wir alle haben einmal erlebt, wie Strohhüte und Hosenträger — ich bitte um Entschuldigung — nicht mehr Modeartikel waren.
    Es kommt noch etwas Weiteres hinzu. Die Aktie ist doch nun einmal das Papier, das der ganzen Natur nach das Risikobeteiligungspapier sein soll. Wenn wir nun schon auf der Spitze der Konjunktur stehen, dann weiß ich nicht, ob man dem kleinen Sparer gerade den Ersterwerb einer bestimmten Aktie für 1250 DM — oder 2500 DM, wenn er verheiratet ist — empfehlen soll. Ich weiß nicht, ob das das sicherste Mittel ist, ihn für das Sparen aufgeschlossen zu machen. Etwas ganz anderes ist es, ob man ihm die von unserem Kollegen Neuburger ja immer so intensiv geförderte Idee des Investmentsparens, der Risikoverteilung, nicht besonders nahebringen sollte.



    Dr. Preusker
    Aber ich würde .sagen: Sparprämien gern für das Kontensparen, für die festverzinslichen Wertpapiere. Ich glaube jedoch, daß es sehr überlegt werden muß, den Ersterwerb der Aktien gerade für den kleinen Mann hier mit in Erwägung zu ziehen. Vorerst kann ich mich nicht dazu bereit finden. Lassen wir es erst einmal bei den anderen, wenn Sie so wollen, konventionellen und gewohnten Sparformen.

    (Abg. Dr. Becker [Mönchen-Gladbach]: Er braucht ja keine Aktien zu kaufen, das steht ihm frei!)

    — Gut, aber Herr Kollege Becker, man soll dem Kleinsparer nicht unter der Vorstellung, daß das Aktiensparen etwas ganz Besonderes sei, dann nachher zu einem sehr enttäuschten Sparer werden lassen. Die Gefahr dieser Enttäuschung bei einer Einzelanlage ist doch wohl nicht von der Hand zu weisen.
    Jetzt kommt aber die Frage: Soll man es überhaupt in dieser Form machen? Wir haben schon gehört, daß der Bund allein diese Prämien zahlen muß, daß sie allein mindestens auf 400 Millionen Mark geschätzt werden. Der Herr Kollege Seuffert hat zu meinem Schrecken noch den Vorschlag gemacht, dann möge man auch noch das Bausparen aus dem § 10 herausnehmen. Bis jetzt wird der Steuerausfall bekanntlich von Bund und Ländern getragen. Stellen Sie sich vor, daß das dann auch noch auf den Bund allein zukommt! Ich glaube, man sollte das doch lieber so lassen, wie es gegenwärtig ist.
    Wenn man schon über fünf Jahre hinweg 20 % gleich jährlich 4% als Prämie zahlen will, sollte man einmal überlegen, ob nicht vielleicht das Verfahren, das in der Schweiz und in den angelsächsischen Ländern üblich ist, zweckmäßiger ist. Dort wird dem kleinen Sparer laufend eine höhere Verzinsung im Wege der Prämie gewährt. Was dort sehr einfach möglich ist, wäre auch hier zu machen, sogar völlig unbürokratisch. Es wäre nur eine Frage der höheren Verzinsung der Ausgleichsforderungen. Mit dieser Lösung könnte man vielleicht manches an Schwierigkeiten überwinden. Denn mit einem Problem werden wir bei keiner Form von Sparförderung fertig; ich glaube, das muß man einmal ganz offen aussprechen. Ob man drei Jahre, ob man fünf Jahre oder zehn Jahre wählt, man kann nie verhindern, daß der gleiche Betrag nach dieser Zeit unter Umständen wieder festgelegt wird. Allein deswegen eine Bürokratie aufrechtzuerhalten, ist doch vielleicht ein nicht ganz angemessener Aufwand. Ich könnte mir im übrigen vorstellen, daß im Bereich der Bezieher mittlerer und großer Einkommen eine um 1 oder 2 % stärkere Senkung des Tarifs wertvoller wäre, als wenn dieses Prämiengesetz auch dort in allen Fällen praktiziert würde.
    Nun lassen Sie mich noch ein paar Worte zu einem weiteren Gesetzentwurf sagen, der einige nach meinem Dafürhalten nicht ganz leichte Probleme beinhaltet, nämlich den Vorschlag der Anhebung der Körperschaftsteuer von 45 auf 47 % und
    der Senkung der Steuer für den ausgeschütteten Gewinn von 30 auf 11 plus 4 % oder, wie der Bundesrat möchte, 15 plus 4 %. Ich glaube, daß das, was für die großen Aktienunternehmungen eine durchaus weise Beschränkung einer übermäßigen Selbstfinanzierung sein soll — was auch in Ihren Begründungen anklingt — und in diesem Sinne auch von uns begrüßt wird, nicht in gleicher Weise für die personenbezogenen oder nicht emissions- fähigen Unternehmungen gilt. Hier müssen wir uns bemühen, eine Lösung zu finden, die verhindert, daß sie in die höhere Besteuerung hineingetrieben werden, und daß nicht aus der im ganzen beabsichtigten Begünstigung der mittleren Schichten hier eventuell die Gefahr einer zusätzlichen Substanzaushöhlung wird. Es besteht wohl auch weitgehend die Bereitschaft — ich sehe es an Ihrem Kopfnikken —, das zu bedenken.
    In diesem Zusammenhang sollte man noch ein Weiteres erwägen. Wenn man schon hofft, die Kapitalmarktbelebung zu erreichen und eine stärkere Emissionsfähigkeit für Anleihen dadurch zu gewinnen, daß man die Aktienunternehmen auf die Eigenkapitalverstärkung, auf die Aktienemission hinlenkt, dann sollte man doch einmal überlegen, ob man nicht auch die Ausfallbürgschaft des Bundes, etwa über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, für mittelbare Emissionen der Mittelschichten, Sammelemissionen der mittleren Wirtschaft, einsetzen könnte. Wenn die mittelständische Wirtschaft vor Jahren bereit gewesen ist, immerhin über 1 Milliarde DM für den notwendigen Aufbau der Schwerindustrie über die Investitionshilfe aufzubringen, dann ist es, glaube ich, an der Zeit, daß — es kostet nicht mehr als die Bereitschaft zu einer Unterschrift — die Konsolidierung der mittleren Wirtschaft, der nicht emissionsfähigen Wirtschaft, hier auch einmal von Bundes wegen unterstützt wird.

    (Beifall bei der DP.)

    Ich sage das aus folgendem Grunde. Wenn sich, wie wir annehmen müssen, bei einer vollbeschäftigten Wirtschaft und bei einer gewissen Rezession auf den Weltmärkten ergibt, daß die Wirtschaft sich nicht mehr so stark weiter aufwärts entwickeln kann wie bisher — und darin liegt ja, wenn eine Wirtschaft voll beschäftigt ist, eigentlich eine natürliche Entwicklung —, dann würde doch immer die Gefahr bestehen, daß die Großen unter Umständen bei ihrer größeren Kapitalkraft auf dem Wege über günstigere Zahlungsbedingungen den Wettbewerb verschärfen können. Diesem stärkeren Wettbewerb sind die mittleren, nicht emissionsfähigen Betriebe nur dann gewachsen, wenn sie sich auch tatsächlich konsolidieren können. Das, was sie nicht direkt am Kapitalmarkt bekommen können, das, was ihnen auch die Steuerentlastung über den neuen Tarif nicht bringt, das sollte man ihnen dann wenigstens mittelbar durch eine weitere Hilfestellung bei der, sagen wir einmal, indirekten Emission gewähren.
    Lassen Sie mich dann noch ein Wort aufgreifen, das hier im Zusammenhang mit den Plänen — die wir sehr begrüßen — über die Freibeträge bei der Vermögensteuer gefallen ist. Ich möchte es ganz



    Dr. Preusker
    offen aussprechen: uns gehen diese Vermögensteuer-Freibeträge noch nicht weit genug; wir möchten gern statt der 5000 DM 10 000 DM in Anpassung an die veränderten Wertverhältnisse und zur weiteren Begünstigung der eigenständigen Spartätigkeit und Vermögensbildung in den breiten Schichten. Wir möchten aber noch ein Weiteres: wir möchten gern, daß man auch daran denkt — rechtzeitig denkt! —, den Satz der Vermögensteuer wieder zu korrigieren, mindestens, ehe man an den — hier angekündigten — Gedanken der Korrektur der Einheitswerte an den sogenannten zeitnahen Wert herangeht.
    Es ist in der Debatte das Wort von der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefallen, die es nahelegen, auch bei der Grundsteuer auf die zeitnahen Werte umzuschalten. Ich glaube, man muß hier eine Forderung klar aufstellen: Die Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung sind erst dann wieder gerechtfertigt, wenn vorher auch der gesamte Grundbesitz und insbesondere auch der Althausbesitz nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit behandelt wird.

    (Beifall rechts.)

    Dann ein abschließendes Wort zu den Sätzen in Ihrer Rede, Herr Bundesfinanzminister, über die Reform der Umsatzsteuer. Wir dürfen Sie bitten, diese Reform der Umsatzsteuer soweit wie möglich vorzuziehen. In dieser Beziehung ist die Situation durch ein neuerliches Urteil irgendwie brenzlig geworden. Man kann zwar ohne weiteres attestieren: die Absicht zur Reform hat auch schon vorher bestanden. Ich erinnere mich hier an unsere gemeinsame Tätigkeit im Rahmen der Montanunion in ihren Anfängen. Ich glaube, seit jener Zeit ist auch bei Ihnen die Erkenntnis der Notwendigkeit einer solchen eindeutigen Reform bereits vorhanden gewesen. Aber ich glaube, gerade dieses Urteil hat gezeigt, daß man eben mit irgendwelchen Sondergesetzen bei der Umsatzsteuer nichts mehr ausrichten kann, sondern daß wir das Problem im ganzen anpacken müssen, mit einer wirklich grundlegenden Reform, die jede zukünftige Begünstigung der Mehrstufigkeit, jede Begünstigung der Kapitalkonzentration eindeutig ausschaltet und eine wirklich wettbewerbsneutrale Umsatzsteuer schafft.

    (Abg. Dr. Dresbach: Sie haben doch bei Popitz studiert; Sie kennen doch seine These: „Die beste Umsatzsteuerreform ist die Senkung des Satzes"!)

    — Das ist natürlich schon einmal etwas, Herr Kollege, was für alle Steuern generell gilt.

    (Abg. Dr. Dresbach: Speziell für die Umsatzsteuer!)

    Aber trotz alledem bleibt das eine bestehen: Auch eine Senkung meinetwegen von 4 auf 3 % würde noch immer nicht die Unterschiede, die zwischen mehrstufigen und einstufigen Betrieben, zwischen handwerklichen und mehrstufigen Betrieben bestehen, aus der Welt schaffen. Ich glaube vielmehr, das erreicht wirklich nur ein System des added value, der Mehrwertsteuer, oder was Sie sonst der Einfachheit halber für pauschalierte Sätze erfinden
    mögen, jedenfalls nicht etwas, was generell die Unterschiedlichkeit kumuliert.

    (Abg. Dr. Dresbach: Wollen Sie noch mehr Stockwerke auf die Finanzämter?)

    — Nein, ich denke gar nicht daran. Es gibt ja viel einfachere Systeme, in denen man das verwirklichen kann.

    (Abg. Dr. Becker [Mönchen-Gladbach]: Sie können sich darauf verlassen, daß wir einen Weg finden werden, die Umsatzsteuer umzubauen!)

    — Das hoffe ich eben, daß wir den jetzt gemeinsam finden. Mir liegt daran, daß das nicht erst, wie vorhin gesagt wurde, im nächsten Jahr in Angriff genommen wird, sondern daß wir es, wenn wir dieses Gesetzgebungswerk programmgemäß noch vor den Sommerferien erledigt haben, unmittelbar danach im Herbst beginnen können. Wir werden damit jedenfalls der gesamten mittleren Wirtschaft, um deren Konsolidierung es bei der Stabilisierung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung wirklich in einem ganz besonderen Maße geht, einen großen Dienst leisten.
    Ich möchte zusammenfassen. Auf viele Einzelheiten kann man in einem solchen Rahmen gar nicht eingehen; sie müssen der Behandlung in den Ausschüssen vorbehalten bleiben. Die generelle Linie, auf der hier mit dem Splitting, mit der Einführung der proportionalen Stufe auf dem Gebiete der Einkommensteuer schon eine grundlegende Reformidee verwirklicht worden ist, bejahen wir ausdrücklich. Wir ermuntern die Bundesregierung, bei der Umsatzsteuer in derselben Weise und mit demselben Mut weiterzugehen. Wir bejahen insbesondere den Mut, auf dem Wege der Förderung der Eigenständigkeit, der Eigentumsbildung, der Sparfähigkeit, der Steuersenkung, der steuerlichen Entlastung und der Zurückdrängung des Staates und der staatlichen Wirtschaft weiterzugehen, und wir bitten die Bundesregierung, auf diesem Wege fortzuschreiten.

    (Beifall bei der DP und der CDU/CSU.)