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ID0301700200

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    Deutscher Bundestag 17. Sitzung Bonn, den 13. März 1958 Inhalt: Sammelübersicht 3 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Bundestagsausschüssen zu Petitionen (Drucksache 245) 763 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts (Drucksachen 260 zu 260) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 261. zu 261) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerlicher Vorschriften (Drucksachen 262, zu 262) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Sparleistungen (SparPrämiengesetz) (Drucksachen 263, zu 263) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer (WohnungsbauPrämiengesetz) (Drucksachen 264, zu 264) — Erste Beratung —. Etzel, Bundesminister 763 D, 816 A Neuburger (CDU/CSU) 776 C Seuffert (SPD) 781 B Dr. Atzenroth (FDP) 793 D Dr. Preusker (DP) 798 B Dr. Eckhardt (CDU 'CSU 803 D Frau Rösch (CDU/CSU) 807 D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 809 A Krammig (CDU/CSU) 812 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 815 A Überweisungen an die Ausschüsse . . . 819 A Nächste Sitzung 819 C Anlagen 821 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 17. ,Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1958 763 17. Sitzung Bonn, den 13. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.03 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 12. 4. Altmaier 14. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille 18. 3. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Dr. Birrenbach 15. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 14. 3. Conrad 18. 4. Dr. Dittrich 19. 3. Dr. Dollinger 14. 3. Ehren 13. 3. Frau Eilers (Bielefeld) 15. 3. Enk 14. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 13. 3. Funk 14. 3. Frau Geisendörfer 14. 3. Gottesleben 14. 3. Graaff 14. 3. Dr. von Haniel-Niethammer 14. 3. Dr. Heck (Rottweil) 13. 3. Heiland 31. 3. Hellenbrock 24. 3. Hesemann 14. 3. Hilbert 14. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15. 3. Höfler 14. 3. Frau Dr. Hubert 12. 4. Jürgensen 31. 3. Frau Keilhack 13. 3. Frau Kipp-Kaule 15. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Köhler 14. 3. Kühlthau 14. 3. Kühn (Köln) 13. 3. Kunze 15. 5. Leber 13. 3. Lenz (Trossingen) 29. 3. Dr. Lindenberg 29. 3. Logemann 20. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Mellies 25. 4. Mengelkamp 13. 3. Nellen 14. 3. Neumann 12. 4. Frau Niggemeyer 14. 3. Oetzel 15. 3. Paul 30. 4. Pelster 1. 4. Pietscher 14. 3. Ramms 13. 3. Frau Rudoll 15. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schranz 13. 3. Seidl (Dorfen) 14. 3. Dr. Starke 14. 3. Stenger 15. 3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter 13. 3. Frau Strobel 20. 3. Unertl 20. 3. Varelmann 13. 3. Vogt 12. 4. Dr. Wahl 13. 3. Wehking 20. 3. Wehr 31. 3. Weinkamm 14. 3. Dr. Wilhelmi 14. 3. Wittrock 13. 3. Frau Wolff (Berlin) 14. 3. Dr. Wolff (Denzlingen) 14. 3.
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    Rede von Franz Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich heute vor dem Hohen Hause aus Anlaß der Vorlage finanzpolitischer Gesetze einige grundsätzliche Bemerkungen zur Finanzpolitik mache, so lassen Sie mich vorweg sagen, daß dies keine Etatrede ist. Der Haushalt ist vor einigen Tagen im Bundesrat eingebracht worden. Er wird dem Hohen Hause unverzüglich nach Ablauf der Äußerungsfrist zugestellt werden.
    Die Bundesregierung legt aber dem Deutschen Bundestag heute ein größeres und zusammenhängendes finanzpolitisches Gesetzgebungswerk vor. Nach einer kurzen Vorbereitungszeit von nur wenigen Monaten hat die Bundesregierung diese Gesetzentwürfe am 29. Januar 1958 verabschiedet und dem Bundesrat zugeleitet. Die Bundesregierung nimmt zu den Bemerkungen und Vorschlägen des Bundesrates Stellung. In vielen Punkten schließt sie sich der Auffassung des Bundesrates an, in einigen wesentlichen kann sie das nicht.
    Die Bundesregierung bedauert, daß sie in diesem Jahre den Entwurf des Haushaltsplans erst zwei bis drei Monate später vorlegen wird, als das in den vergangenen Jahren üblich war. Der neue Haushaltsplan wird leider nicht fristgerecht zu Beginn des neuen Rechnungsjahrs in Kraft treten können.
    Der Entwurf des Haushaltsplans 1958 ist von der Bundesregierung am 5. März 1958 verabschiedet



    Bundesfinanzminister Etzel
    und inzwischen dem Bundesrat zugeleitet worden. Nach Ablauf der verfassungsmäßigen Anhörungsfrist für den Bundesrat wird die Bundesregierung den neuen Haushaltsplan im Hohen Haus sofort einbringen und besonders begründen. Grund für diese Verzögerung war zunächst die Regierungsumbildung nach den Neuwahlen des vergangenen Herbstes, daneben aber auch die Notwendigkeit, die heute eingebrachten Steuergesetze mit den Bedürfnissen des Haushalts in Einklang zu bringen, denn eine wirkungsvolle Finanzpolitik erfordert die Einheit und die innere Abstimmung von Haushaltspolitik und Steuerpolitik.
    In der Zwischenzeit bis zum Inkrafttreten des neuen Haushaltsplans wird die Bundesregierung eine geordnete Finanzgebarung auf der Grundlage ihres Nothaushaltsrechts aus Artikel 111 des Grundgesetzes sicherstellen.
    Diese Einheit und die innere Abstimmung von Haushaltspolitik und Steuerpolitik zwingt daher auch heute schon dazu, einige allgemeine Bemerkungen zu grundsätzlichen Fragen des Haushalts zu machen, ohne damit eine Haushaltsrede halten zu wollen.
    In der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 war für die kommende Legislaturperiode eine echte Steuer- und Finanzreform in Aussicht gestellt worden. Darüber hinaus wurde als Schwerpunkt der Regierungsarbeit die Schaffung von Kapital und die Streuung des Eigentums bezeichnet. Ich selbst habe am folgenden Tage, dem 30. Oktober 1957, in einer Erklärung vor der Presse die Pläne für die künftigen Reformarbeiten dahin umrissen, daß sie eine aufeinander abgestimmte Gesetzgebung für Besteuerung, Haushalt, Finanzausgleich und Finanzverwaltung umfassen sollen.
    Zwischen allen Gebieten des deutschen Finanzwesens besteht ein fester innerer Zusammenhang von entscheidender Wechselwirkung. Eine Reform muß sich daher, wie in der Erklärung vom 30. Oktober 1957 gesagt, auf Haushalt, Besteuerung, Finanzausgleich und Finanzverwaltung erstrecken. Die Reform muß alle Gebiete gemeinsam vorwärtsbringen.
    Die jetzt vorgelegten Entwürfe zur Steuergesetzgebung, die in einem inneren Zusammenhang mit dem gerade im Bundesrat eingebrachten Haushaltsplan 1958 stehen, wollen daher auch mehr sein als die regelmäßig wiederkehrende Anpassung einzelner steuerrechtlicher Bestimmungen an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse oder politische Auffassungen. Sie bilden ein in sich kaum teilbares Ganzes, das als Ausdruck einer umfassenden gesamtpolitischen Konzeption der Bundesregierung gewertet sein will und einen ersten Schritt ihres finanzpolitischen und steuerpolitischen Wollens in dieser Legislaturperiode darstellt. Die Einzelvorschläge dieses Finanzprogramms sind nicht überwiegend von fiskalischen und steuerrechtlichen Gesichtspunkten im engeren Sinne, sondern von allgemeinen wirtschaftlichen und nicht zuletzt von bestimmten sozial- und gesellschaftspolitischen Überzeugungen getragen.
    Der Bundesfinanzminister möchte daher die Gelegenheit dieser Gesetzesvorlage gerne benutzen, um seine finanzpolitischen Ziele in einer umfassenderen Form dem Hohen Hause vorzutragen. In dem Einklang und Gleichklang zwischen Finanz- und Haushaltspolitik muß er dabei auch kurz auf die Entwicklung und auf die gegenwärtige Lage der Bundesfinanzen eingehen sowie die Grundsätze darlegen, die für ihre künftige Entwicklung und insbesondere die jährlichen Haushaltspläne maßgebend sein sollen. Die besonderen Ausführungen zum Haushalt 1958 bleiben dann der Haushaltsrede vorbehalten.
    Die öffentlichen Finanzen und der Haushalt in Einnahme und Ausgabe sind ein Teil unserer Verfassung, d. h. der Ordnung des Zusammenlebens der Menschen in der Bundesrepublik. Nun treten immer neue Bedürfnisse, die individuell nicht befriedigt werden können, auf. Die Gemeinschaft muß sie daher sicherstellen. Sie kann aber nur geben, was sie vorher genommen hat. Der Staat ist eben keine Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken werden kann.

    (Heiterkeit. — Beifall in der Mitte.)

    Daraus ersteht die Erkenntnis: die Gemeinschaft kann nicht unbegrenzt geben, weil sie sonst immer unbegrenzter nehmen müßte. Das aber würde bedeuten, die private Sphäre immer mehr einzuengen, das Eigentum immer mehr zu beschränken und schließlich eine freiheitliche Lebens- und Wirtschaftsordnung zu verneinen.
    Deswegen dürfen die Gemeinschaftsbedürfnisse nicht ins Uferlose ausgedehnt werden. Der Staat darf nicht etwas als Aufgabe beanspruchen, was er besser seinen Bürgern selbst überlassen hätte. Die Umverteilung darf nicht Selbstzweck werden, was doch der Fall ist, wenn dem Bürger mit der einen Hand erst genommen wird, was man ihm dann mit der anderen Hand wieder gibt. Und schließlich darf sich die Finanzwirtschaft nicht dazu hergeben, nur aus Gewohnheit Leistungen zu vollbringen oder durch ihre Leistungen den gesunden Drang nach einer ständigen Verbesserung unserer Sozial- und Wirtschaftsordnung zu lähmen.
    Für das, was aber auch in solch weiser Beschränkung noch als Gemeinschaftsaufgabe bleibt, gilt das ökonomische Gesetz: mit den gegebenen Mitteln muß ein möglichst großer Erfolg herbeigeführt werden. Das Geheimnis dieses Erfolgs ist — neben Sparsamkeit am richtigen Platz —, die Bedürfnisse der verschiedenen Art nach Dringlichkeit zu ordnen und nach erkanntem Vorrang dann gleichmäßig zu befriedigen.
    Die Rolle des Finanzministers besteht in solcher Sicht darin, die Ansprüche auf Befriedigung der Gemeinschaftsbedürfnisse dauernd kritisch zu prüfen. Er muß unter Berücksichtigung aller allgemein politischen Gesichtspunkte, insbesondere der wirtschaftspolitischen, finanzpolitischen und sozialpolitischen Aspekte, die finanziellen Folgerungen aus allen politischen Entscheidungen ziehen.



    Bundesfinanzminister Etzel
    Der Haushalt ist ein Kräftefeld, in dem sich die Einheit von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik sowie von Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik auswirkt. Alle drei Momente machen sich hier bemerkbar. Im Staate des 20. Jahrhunderts muß der Dreiklang: Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Finanzpolitik, angeschlagen werden, wenn keine empfindliche, störende Disharmonie entstehen soll. Aus dieser Auffassung ergibt sich eine Informationspflicht und Aufklärungspflicht des Finanzministers. Er muß allen verantwortlichen Instanzen: dem Parlament, der Regierung und der Öffentlichkeit, immer wieder die Möglichkeit und die Grenzen der Befriedigung von Gemeinschaftsbedarf und ihre wirtschaftspolitische, finanzpolitische und sozialpolitische Auswirkung darlegen.
    Die Steuerpolitik hat den Zielen der Finanzpolitik zu dienen, deren Abhängigkeit von einem hohen Sozialprodukt und einem ökonomisch und sozial sinnvoll gegliederten Volkseinkommen unverkennbar ist. Die Möglichkeiten dazu sind vielseitig.
    Es wird ohne Zweifel zu einer Steigerung des Sozialprodukts beitragen, wenn die Höhe der Einkommenbesteuerung nicht das Kostendenken tötet und so, um den Steuern zu entgehen, künstliche Kosten geschaffen und Fehlinvestitionen gemacht werden.
    Kapital ist nun einmal der Multiplikator, den wir brauchen, um die menschliche Arbeitskraft zu vervielfältigen. Volkswirtschaftliche Kapitalbildung und persönliche Eigentumsbildung hängen aber weitgehend von der Höhe der Verfügungseinkommen ab. Auch dieser Überlegung muß die Besteuerung Rechnung tragen, und sie setzt ihr Grenzen.
    Es kommt nicht nur darauf an, daß Kapital gebildet wird; falsch investiertes Kapital bedeutet keinen Nutzen für die Volkswirtschaft. Es ist daher ein Fehler des Steuersystems, wenn es den Fluß des Kapitals vom Ort seiner Entstehung zum Ort seiner volkswirtschaftlich sinnvollen Verwendung beeinträchtigt, indem es ihn mit zu hohen Steuerkosten belastet.
    Wenn man dieses Übel vermeiden will, müssen wir eine Reihe von liebgewordenen und populären Vorurteilen über Bord werfen und auch den Mut haben, bequeme, teilweise zu bequeme Finanzierungsmöglichkeiten zu beenden und uns zu der Erkenntnis durchzuringen, daß es in der Marktwirtschaft auch eine unternehmerische Aufgabe ist, das Kapital über den Markt hereinzuholen, wenn man es mit den Grundsätzen und dem Begriff des Eigentums ernst meint.
    Eigentum in breiter Streuung ist die stärkste ideelle Waffe zur Verteidigung unserer Freiheit gegenüber dem Bolschewismus.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Gleichzeitig mit einer Korrektur des Kapitalbildungsprozesses muß daher der Bildung des privaten Eigentums eine neue Chance geboten werden. Das Dogma von der Vergesellschaftung der Produktionsmittel hat angesichts der Erfahrungen im Osten
    sehr an Anziehungskraft verloren. Wir wissen aber auch, daß die Formen der volkswirtschaftlichen Kapitalbildung nach 1945, je mehr Zeit verstreicht, um so kritischer betrachtet werden.
    Die Ausgabengebarung und Besteuerung muß in Zukunft so gestaltet werden, daß sie nicht mehr wie in den Jahren 1950 bis 1956 eine Nettovermögensbildung erlauben, die zu etwa 44 % auf die öffentliche Hand, zu 34 % auf die Unternehmen und zu etwa 22 % auf die privaten Haushalte entfällt.
    Aber noch ein anderer Gedanke spricht für eine Reform. Wenn man Einkommen aus Arbeit und Einkommen aus Kapital einander gegenüberstellt, so ergibt sich bei allen Völkern der westlichen Welt, die man miteinander vergleichen kann, ein Verhältnis entweder von 85 zu 15 oder von 80 zu 20.
    Der teilweise erbittert geführte Quotenstreit erscheint mir daher nicht sehr sinnvoll. Er würde aber sehr viel an Schärfe verlieren, wenn die Zahl der an den 15 oder 20 % Kapitaleinkommen Beteiligten sich erheblich verbreitern würde.
    Eine solche Entwicklung einzuleiten, ist eine sehr wichtige staatspolitische Aufgabe, die auch in der Steuerpolitik ihren Niederschlag finden muß. Wir sprechen viel davon, daß die Aktie in Deutschland keinen guten Ruf habe, und bedauern, daß der Aktionär für viele Leute die Karikatur eines Mannes mit dem Zylinder im Nacken, der Sektflasche in der einen und der Couponschere in der anderen Hand ist. Wir müssen etwas dafür tun, dieses Bild zu ändern und in dem Aktieneigentümer einen ebenso ehrenwerten Zeitgenossen zu zeigen wie im Grundstückseigentümer, im Sparbuchinhaber oder in dem Mann, der sich einen Pfandbrief gekauft hat. Dazu gehört aber, daß das Aktieneigentum kein Exklusivrecht ist und daß auch der kleine Aktionär fair behandelt wird.
    Die heute vorgelegten Gesetze bedeuten einen großen Schritt auf dem Wege zu diesem Ziele. Sie dienen aber auch der Verbesserung des beunruhigenden Verhältnisses zwischen Eigen- und Fremdkapital, insbesondere bei Mittel- und bei Kleinbetrieben.
    Für die Ertragskraft der Wirtschaft und damit für ihren Beitrag zum Sozialprodukt ist von entscheidender Bedeutung, einen steuerlichen Abschreibungsbegriff zu entwickeln, der den volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen gerecht wird.
    Die Vereinfachung der Besteuerung, insbesondere auch in der Praxis der Verwaltung — ich denke hier an die Mechanisierung —, ist ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. In Zukunft wird anzustreben sein, alle steuergesetzlichen Änderungen in einem einzigen Jahressteuergesetz niederzulegen und, soweit möglich, sachlich und zeitlich mit dem Jahreshaushaltsplan zusammenzufassen.

    (Abg. Schoettle: Das wär schön!)

    Rechnungs- und Kalenderjahr sollten ebenfalls aus Vereinfachungsgründen zusammenfallen.

    (Beifall in der Mitte.)




    Bundesfinanzminister Etzel
    Die Finanzpolitik und der Haushalt sind ein hervorragendes politisches Instrument, in dem nicht nur eine bestimmte Wirtschaftsgesinnung, sondern auch der Geist unserer Gesellschaftsordnung seinen Niederschlag findet. Man kann durch eine falsche Steuerpolitik den Eigentumsbestand gefährden, mindestens aber kann man die Eigentumsbildung hemmen und Einkommen grundsätzlich und in großem Umfange umverteilen.
    Man kann aber auch von der Ausgabenseite her unserer Gesellschaftsordnung eine falsche Entwicklung geben. Ich denke dabei nicht an die echten sozialen Ausgaben, die in jedem Staatswesen auftreten. Aber wenn der Staat es sich zur Aufgabe macht, die aus der Wirtschaftsordnung sich ergebenden Einkommensströme umzulenken, über seine Finanzpolitik und den Haushalt die Einkommen künstlich zu verlagern, dann bedeutet das doch, der Marktwirtschaft ein ihr wesensfremdes System eines allgemeinen Ertragsausgleichs aufzusetzen, ein System, das unschwer zu demselben Erfolg geführt werden kann wie eine Sozialisierung, weil es nämlich durch Ertragsmanipulationen die Orientierungsmittel der Marktwirtschaft außer Kraft setzt.
    Hier wird eine Beziehung deutlich. Der Finanzminister kann nur dann eine gute Finanz- und Steuerpolitik machen, wenn die für die Politik Verantwortlichen selbst eine richtige Politik machen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Der ehemalige französische Finanzminister Baron Louis hat einmal gesagt: „Macht mir eine gute Politik, und ich mache euch gute Finanzen." Das gilt auch heute, und zwar für das Verhältnis des Finanzministers sowohl zu den Abgeordneten wie auch zu den Ressortministern.
    Ich werbe daher heute um Verständnis für die hier vorgetragenen Ideen, deren Geltungsbereich ich als unerläßliche Voraussetzung für die Durchsetzung des eingebrachten Gesetzgebungswerkes ansehe. Ich hoffe, daß wir in den zukünftigen Beratungen diese Gedanken vertiefen können.
    Da der Haushalt ein hervorragendes politisches Instrument für die Durchsetzung einer bestimmten Wirtschaftsgesinnung ist, gestatten Sie mir ein kurzes Eingehen auf die Lage der Bundesfinanzen. Die Lage der Bundesfinanzen war in den letzten Jahren gut und ist auch heute noch befriedigend. Der Bundesfinanzminister der dritten Bundesregierung übernahm trotzdem bei vollen Kassen ein schweres Erbe.
    Im einzelnen ist dazu folgendes zu sagen. Das äußere Bild der Finanzentwicklung seit 1952 ist durch ständige Kassenüberschüsse gekennzeichnet. Den Höhepunkt erreichte diese Kassenliquidität im Herbst 1956 mit einem Kassenbestand von über 8 Milliarden DM. Die Ursache für die großen Kassenüberschüsse seit 1952 lag in den überhöhten Einnahmen aus überhöhten Steuersätzen einerseits und Wenigerausgaben gegenüber dem Voranschlag andererseits. Die Mehreinnahmen beruhten zum
    Teil ebenfalls auf der Unterschätzung des Wachstums der Wirtschaft und nur zu einem sehr geringen Teil auf einer Steigerung der Preise. Die Minderausgaben aber waren die Folge des verspäteten Abrufs überhöhter Besatzungskosten und später der Stationierungskosten, heute des langsameren Anlaufens der Verteidigungsausgaben.
    Seit Herbst 1956 zeichnet sich ein beginnender Abbau der Kassenüberschüsse trotz weiter steigender Steuereinnahmen ab. Seitdem steigen die Ausgaben stärker und schneller als die Einnahmen. Im Jahre 1956 glichen sich die Kassenüberschüsse des ersten Halbjahres und die Kassenunterschüsse des zweiten Halbjahres noch aus. Das Rechnungsjahr schloß mit einem verhältnismäßig geringen Kassenfehlbetrag von 90 Millionen DM ab. Im gleichen Jahre wurde aber noch über 1 Milliarde DM an Krediten aus Kassenmitteln des Bundes im Inland ausgeliehen.
    Zu Beginn des laufenden Rechnungsjahrs 1957, das mit diesem Monat endet, hatte der Bund noch ein Kassenguthaben von 7 Milliarden DM, davon sofort verfügbar 6,1 Milliarden DM; 900 Millionen DM waren kurzfristig ausgeliehen an den Lastenausgleichsfonds und an einzelne Länder und Banken, von denen sie jetzt zurückgefordert werden müssen. Heute, am Ende des Rechnungsjahrs, beträgt das Kassenguthaben des Bundes nur noch rund 3 Milliarden DM, dazu noch kurzfristig fällige Außenstände von rund 300 Millionen DM beim Lastenausgleichsfonds und 150 Millionen DM bei den Ländern.
    Der tendenzielle Umschwung in der Lage der Bundesfinanzen, der im Herbst des Jahres 1956 begann, wird die Kassenbestände des Bundes von Monat zu Monat weiter verringern. Der Augenblick ist erkennbar, in dem der Bund zur Erhaltung seiner Zahlungsbereitschaft auch bei ausgeglichenem Haushaltsplan Kredite aufnehmen muß.
    Die Darstellung der Finanzlage geht absichtlich von den Ist-Zahlen der Kassenentwicklung und nicht von den Soll-Zahlen des Haushalts und der Rechnungsabschlüsse aus. Im Normaljahr stimmt das Bild von Soll und Ist bei ausgeglichenen Haushaltsplänen auch in den Rechnungen weitgehend überein. Es wird nicht durch einseitig überhöhte Ausgabenreste verzerrt, wobei die aus dem Vorjahr übernommenen Ausgabenreste und die in das neue Rechnungsjahr übertragenen Reste im allgemeinen gleich hoch sind. Die Rechnungsüberschüsse und Fehlbeträge halten sich dann in mäßigen Grenzen. Der Bundesfinanzminister befindet sich heute in einer einmaligen Lage, die absurd ist und komischer Züge nicht entbehrt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Er weiß, daß er bei voller Kasse ein armer Mann ist, weil seine sicheren und unausweichlichen Verpflichtungen in der Zukunft weit höher sind als seine volle Kasse. Der größte Irrtum der Gegenwart ist der, zu glauben, die Bundesrepublik sei ein reiches Land.

    (Lebhafte Zustimmung in der Mitte.)




    Bundesfinanzminister Etzel
    Aber niemand will das dem Bundesfinanzminister recht glauben, weil der Schein des Ists gegen die Tatsachen des Solls spricht.
    Diese Verzerrung von Haushalts- und Kassenlage, deren unmittelbarer Ausdruck jene Ausgabenreste vor allem im Verteidigungshaushalt sind, zwang den Finanzminister zunächst, die Haushaltsreste so weit wie möglich abzubauen und bei der Veranschlagung neuer Ausgaben für ein neues Rechnungsjahr Ausgaben nur für solche Beträge zu veranschlagen, die in diesem Rechnungsjahr voraussichtlich auch tatsächlich verausgabt werden. Diese allmähliche Heranführung des Ists an das Soll durch den Abbau der Ausgabenreste, der Schwund der Kassenbestände und die Heranführung des neuen Solls an das voraussichtliche Ist werden zusammen in absehbarer Zeit die Lage der Bundesfinanzen wieder übersehbarer, zugleich aber auch angespannter machen.
    Vom Jahre 1958 an werden sich die Bundesfinanzen hart am Rande des Defizits bewegen. Auf diesem richtigen, aber nicht ungefährlichen Weg werden sie im Gleichgewicht zu halten sein, wenn uns krisenhafte Erschütterungen der Wirtschaft erspart bleiben. Die Bundesregierung hat erfreulicherweise viele Möglichkeiten, solchen unvorhergesehenen Entwicklungen in einer neuen Lage mit neuen Maßnahmen zu begegnen, um das Gleichgewicht der Gesamtwirtschaft, der öffentlichen Haushalte sowie der Preise und der Löhne in gewissen Grenzen zu sichern. Selbst wenn eine Wirtschaftskrise die sieben fetten Jahre ablösen würde, so würde die Bundesregierung — anders als es die Reichsregierung in den Jahren 1930 bis 1932 getan hat — geeignete Mittel ergreifen, um das Ausmaß der Krise und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche und soziale Ordnung in unserem Lande zu begrenzen. Vor dieser Notwendigkeit stehen wir aber erfreulicherweise nicht. Wir müssen uns vielmehr umgekehrt darum bemühen, die Auswirkungen einer Hochkonjunktur auf die Löhne und Preise um der gleichbleibenden Kaufkraft des Geldes willen in angemessenen Grenzen zu halten.
    Die Finanzpolitik wird heute wie morgen der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung einzuordnen sein. Der Ausgleich des alljährlichen Haushaltsplans, der unter der gegenwärtigen Konjunkturlage unter allen Umständen gesichert bleiben muß, hat über fiskalische Nahziele hinaus die volkswirtschaftliche Gesamtentwicklung ständig im Auge zu behalten. In diesen konjunkturpolitischen Zusammenhängen über mehrere Jahre kommt der Entwicklung der öffentlichen Kassenverhältnisse, der öffentlichen Guthaben wie den öffentlichen Kreditaufnahmen eine größere Bedeutung zu als dem mehr programmatischen Soll der Haushaltspläne.
    Wir können heute nur sagen, daß das gute Wetter der letzten Jahre in den Finanzen von Bund, Ländern und Gemeinden seit etwa einem Jahr umgeschlagen hat. Es hat den Anschein, als ob die Jahre 1959 und 1960 stürmisch werden könnten.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Hört! Hört!)

    Der alljährliche Haushaltsplan, dessen Ausgleich Art. 110 des Grundgesetzes auch für den Bund verlangt, gibt nicht nur ein Gesamtbild von dem politischen Wollen seiner Zeit, er ist auch ein Kind seiner Zeit, behaftet mit seinen Irrtümern und seinen Vorurteilen. Jeder neue Haushalt steht auf den Schultern der Vorjahre, deren kluges Maßhalten ihm zugute kommt, deren Irrtümer er aber auch zu bezahlen hat.
    Das Jahr 1957 ist für die deutsche Finanzgeschichte ein entscheidendes Jahr gewesen. Verleitet durch die trügerische Fülle der Kassen in den Hortungstürmen von Geld und Devisen sind Dauerausgaben geschaffen worden, die nur durch eine einmalige Einnahme in Höhe von 5,9 Milliarden DM aus Kassenmitteln gedeckt wurden. Gegen diese sprunghafte Vermehrung der Bundesausgaben von einem zum anderen Jahr wäre vielleicht nicht viel einzuwenden gewesen, wenn die einmalige Entnahme aus dem Juliusturm in gleicher Höhe auch zu einmaligen Zwecken verwendet worden wäre. Tatsächlich aber haben die neuen Gesetze und der Haushaltsplan des Jahres 1957 zu fortdauernden Mehrausgaben geführt, die die folgenden Jahre nicht nur mit gleich hohen, sondern vielfach infolge gesetzlicher Automatik mit steigenden Ausgaben belasten. Bei wichtigen Lebensbereichen der sozialen Sicherheit und der Produktionsförderung wurden Konstruktionen gewählt, die die bisherigen erhöhten Ausgaben nicht nur für die künftigen Jahre unangreifbar zementieren, sondern eine weitere Erhöhung automatisch auslösen.
    Diese finanzpolitischen Feststellungen über die Wirkungen politisch so bedeutsamer Gesetzgebungswerke wie z. B. der Rentenreform und des Landwirtschaftsgesetzes oder der Wiedergutmachung mindern nicht den politischen Rang dieser großartigen Verbesserungen und Errungenschaften. Sie wollen nur auf jene innere Untrennbarkeit von Aufwand und Bezahlen hinweisen, die in den öffentlichen Haushalten ebenso unerbittlich herannaht wie in jedem privaten Haushalt. Auch in der Politik ist es ein Gebot der intellektuellen Sauberkeit, den Fordernden täglich neu zu sagen, was die Härte der Entwicklung immer neu bestätigt, nämlich daß die Fordernden immer auch zugleich die Zahlenden sind. Die untrügliche Sprache der Zahlen ist ein Prüfstein für die Richtigkeit der Politik einer Regierung.
    Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen und Überzeugungen möchte ich Ihnen nunmehr in kurzen Zügen die finanzpolitische Situation 1958 in einigen großen Strichen dartun und mich alsdann den tragenden Grundgedanken des Finanz- und Steuerprogramms zuwenden, das den heute eingebrachten Steuergesetzen zugrunde liegt.
    Die Gesamtausgaben für das Rechnungsjahr 1958 liegen mit 39,2 Milliarden DM wiederum um 1,8 Milliarden DM über den Haushaltszahlen des vergangenen Jahres. Sie setzen damit leider die unentwegte Ausgabenentwicklung seit 1950, wenn auch in verringertem Ausmaß, fort. Diese schreckliche



    Bundesfinanzminister Etzel
    Kletterstange hat folgende Jahresmarken: 1950 betrugen die Ausgaben 12,6 Milliarden DM, 1951 19,6 Milliarden DM, 1952 21,9 Milliarden DM, um im Jahre 1953 auf 26,8 Milliarden DM zu springen; im Jahre 1954 waren es 28,2 Milliarden DM, 1955 29,7 Milliarden DM, 1956 33,3 Milliarden DM, 1957 im Soll 37,4 Milliarden DM, und 1958 sind es im Soll 39,2 Milliarden DM.
    Von den Gesamtausgaben des Bundes entfallen im neuen Jahr 15,5 Milliarden DM und damit rund 40 v. H. auf das gesamte Wohlfahrtswesen einschließlich des Wohnungsbaus und der Vorsorge für die öffentlichen Bediensteten, 10,7 Milliarden DM = rund 27 v. H. auf die Verteidigungslasten. Diese beiden großen Blöcke bestimmen mit fast 70 v. H. das gesamte Gesicht und Gewicht des Bundeshaushalts. Demgegenüber treten die Ausgaben für Ernährung und Landwirtschaft und für den Verkehr mit je 2,4 Milliarden DM = je 6 v. H. und die restlichen Ausgaben mit 8,2 Milliarden DM = 20 v. H. zurück.
    Als Grundlage einer geordneten Finanzpolitik ist es der Bundesregierung bei der Vorbereitung des Haushaltsplans gelungen, Einnahmen und Ausgaben auszugleichen. Ein im ordentlichen Haushalt nicht zu deckender Fehlbedarf von 1,6 Milliarden DM wurde in den außerordentlichen Haushaltsplan eingestellt. Dabei handelt es sich um große vermögenswirksame Ausgaben, deren Deckung aus Anleihemitteln durch Verschuldung finanzwirtschaftlich und politisch gerechtfertigt ist. Die Bundesregierung wird sich im Laufe des Finanzjahres 1958 seit langem erstmalig wieder genötigt sehen, eine größere Bundesanleihe zur Deckung des außerordentlichen Haushalts aufzulegen. Wann das der Fall sein wird und in welchen Abschnitten, hängt von dem Abfluß der Kassenbestände durch die ständigen Mehrausgaben ab.
    Der Ausgleich des Haushaltsplans für für 1958 gelang der Bundesregierung nur in hartem Bemühen und in allseitigem Verständnis für die Notwendigkeit des Maßhaltens. Die ursprünglichen Anforderungen der Bundesressorts wurden in einvernehmlichen Verhandlungen mit dem Finanzminister um 4,7 Milliarden DM verringert. Der alsdann verbleibende Gesamtausgabenbedarf von 39,2 Milliarden DM, der, wie erwähnt, immer noch um 1,8 Milliarden DM über dem des Vorjahrs liegt, mußte mit 1,6 Milliarden DM zur Deckung durch Anleihen in den außerordentlichen Haushalt verwiesen werden und konnte mit 37,6 Milliarden DM aus ordentlichen Einnahmen gedeckt werden. Hier mußten erstmalig Mehrausgaben, die in den Vorjahren aus einmaligen Kassenbeständen gedeckt worden waren, aus laufenden ordentlichen Einnahmen gedeckt werden. Nur die Mehrung des Steueraufkommens um rund 3 Milliarden DM und die nochmalige und letztmalige Einstellung eines gleich hohen Betrags aus der Kassenrückstellung als ordentliche Einnahme verhinderten, daß bereits im Jahre 1958 ein nicht auszugleichender Fehlbetrag von mehreren Milliarden DM entstand.
    Von den erwarteten Mehreinnahmen aus Steuern in Höhe von rund 3 Milliarden DM rühren 2,1 Milliarden DM aus der erwarteten Zunahme des Sozialprodukts um 7 v. H. her. Alle Abgeordneten des Hohen Hauses werden mit mir der Meinung sein, daß eine nochmalige Zunahme des Sozialprodukts um 7 v. H. eine sehr optimistische Annahme ist. Die Mehrung des Sozialprodukts ist nur durch unentwegte Mehrung der Produktivität aller Produktionsmittel — einschließlich der menschlichen Arbeitskraft — und nur bei zunächst nicht weiter verkürzter Arbeitszeit zu erreichen. Einige dunkle Wolken am Himmel der Weltwirtschaft legen uns den Wunsch nahe, daß aus der bisherigen freiwilligen Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnminderung nicht eine unfreiwillige Kurzarbeit mit Lohnminderung werden möge.
    Aus dem erhöhten Anteil des Bundes am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer, der nach der Verfassung am 1. April dieses Jahres von 331/3 auf 35 v. H. ansteigt, erwartet die Bundesregierung eine Mehreinnahme von nur 280 bis 300 Millionen DM.
    Schließlich werden die verspäteten Veranlagungen zur Einkommensteuer für 1956 und für 1957 im kommenden Jahr zu einer einmaligen Mehreinnahme von rund 1,8 Milliarden DM führen, von denen auf den Bund aber nur rund 600 Millionen DM entfallen. Der Bundesminister der Finanzen hofft, daß die Veranlagungen für 1956 im Jahre 1958 in vollem Umfang durchgeführt und die Abschlußzahlungen eingezogen werden können. Die Veranlagungen für 1957 werden wohl im kommenden Rechnungsjahr nur zu einem Teil verwirklicht werden können. Ein Teil dieser einmaligen Mehreinnahmen bei der Einkommensteuer wird noch in das Rechnungsjahr 1959 fallen. Wir hoffen, dann wieder in den normalen Veranlagungsrhythmus zurückgekehrt zu sein, und werden es uns angelegen sein lassen, künftig die Veranlagungen zur Einkommensteuer wieder so nahe wie möglich an den Abschluß eines Kalenderjahres heranzuführen.
    Zu den erwarteten Mehreinnahmen an Steuern mit 3 Milliarden DM treten neben 200 Millionen DM Verwaltungsmehreinnahmen einmalig und letztmalig noch 3 Milliarden DM als Entnahme aus der Kassenrückstellung, die nochmals als Deckungsmittel in den ordentlichen Haushalt eingestellt wird. Die Hüter einer guten Finanztradition unter Ihnen werden vielleicht bei dem Gedanken erschauern, daß ein Finanzminister die vorübergehende Kassenfülle als Deckungsmittel unter die ordentlichen Einnahmen in den Haushaltsplan einstellt. Ich teile diese Empfindungen durchaus. Nach den Ausgabebeschlüssen von 1957 und dem Mehrbedarf für 1958 besteht leider keine andere Deckungsmöglichkeit für den Haushalt 1958 als diese Maßnahme. Dabei ist es für mich nur ein Trost, daß diese Maßnahme zugleich der Entzerrung des Finanzbildes dient, das in früheren Jahren durch Ausgabereste und entsprechende Kassenbestände von mehr als 7 Milliarden DM völlig verzerrt war.
    Der Bund steht nun mit der veränderten und angespannten Lage seiner Finanzen nicht allein.
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 17, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1958 769
    Bundesfinanzminister Etzel
    Bei den Ländern und Gemeinden sind ähnliche Anzeichen teils schon früher, teils auch schärfer aufgetreten. Unsere derzeitige Finanzverfassung geht von der unwirklichen Annahme aus, daß die Finanzmasse des Bundes und die der Länder einander getrennt gegenüberstehen, und von der weiteren unwirklichen Annahme, daß die Finanzmasse der Gemeinden und Gemeindeverbände nur die Länder, nicht aber den Bund berühre. Ich bekenne mich zu dem Grundsatz der Einheit der öffentlichen Finanzen, die der Einheit der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in einem modernen Sozialstaat entspricht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Niemand wird verkennen, daß die verfassungsrechtlichen Grundanliegen des Föderalismus und der gemeindlichen Selbstverwaltung auch die große Linie der Finanzverfassung mit ihrer Zuteilung von Aufgaben, Ausgaben und Deckungsmitteln bestimmen müssen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat aber gezeigt — und die künftige wird es noch deutlicher zeigen —, daß weder dem Bund noch den Ländern und Gemeinden unabhängige Verantwortungsbereiche für ihre Ausgaben und Einnahmen ohne Rücksicht auf die Gesamtheit der wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhänge eingeräumt werden können.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es zeigt sich mehr und mehr, daß die Einheit der steuerlichen Deckungsmittel, die von einer nationalen Wirtschaftseinheit erhoben werden, in einem modernen Bundesstaat weder eine Steuerautonomie der Länder und Gemeinden für bestimmte Abgabenarten noch ein Trennsystem des Finanzausgleichs für die Verteilung der großen Steuern zuläßt. Der Gedanke des Finanz- und Steuerverbunds rückt unentwegt vor. Im Verhältnis zwischen den Gemeinden und den Ländern ist er bereits durch die Ergänzung des Art. 106 des Grundgesetzes im Jahre 1957 allgemein angeordnet worden. Mit dem Verlangen nach einer Beteiligung der Gemeinden und damit auch der Länder an der Umsatzsteuer würde er weitere Fortschritte machen.
    Es ist hier nicht der Ort und sicherlich auch nicht die Zeit, auf die Entwicklungstendenzen der deutschen Finanzverfassung näher einzugehen. Die Bundesregierung widmet dieser Frage ihre besondere Aufmerksamkeit. Sie kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die mühsam erreichte Verbesserung der Finanzverfassung vom Dezember 1955 in den kommenden Jahren erneut veränderten wirtschaftlichen und finanziellen Erfordernissen angepaßt werden muß. Der Finanzausgleich wird die Gretchen-Frage des deutschen Föderalismus bleiben.
    Die Bundesregierung kann nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß der wieder aufgebrochene Streit um die Lastenverteilung und die Steuerquoten und um viele Einzelstücke im Kuchen des anderen Finanzpartners sich nicht zu einem „Freistilringen" aller gegen alle entwickeln möge. Sie hofft, daß die Finanzinteressen der öffentlichen Finanzpartner, insbesondere im Verhältnis des
    Bundes zu den Ländern, auf der Grundlage unbestreitbarer Tatsachen verständig ausgeglichen werden. Durch Forderungen nach Übertragung von Teilen der Finanzmasse des einen auf den anderen ist dieser weitschichtige Fragenkreis nicht zu lösen. Verhandlungen zwischen Bund und Ländern mit dem Ziele der Tatsachenklärung sind eingeleitet. Sie umfassen den gesamten Bereich der Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder einschließlich der Wiedergutmachungslasten.
    Zur Wiedergutmachung ist zu sagen, daß ihre Last wesentlich größer sein wird, als beim Erlaß des Bundesentschädigungsgesetzes angenommen wurde. Man ging damals von 8 Milliarden DM Entschädigung aus. Zwar steht heute der endgültige Entschädigungsbetrag noch nicht fest, und alle bisher genannten Ziffern beruhen auf unsicheren Schätzungen, zumal das Ende der Anmeldefrist — der 31. März 1958 — noch nicht erreicht ist. Aber bis heute scheint ein Betrag von 18 Milliarden DM eine gewisse tatsächliche Grundlage zu haben. Endgültige Schätzungen werden erst im Herbst dieses Jahres möglich sein, wenn die große Zahl der eingegangenen, bisher noch nicht registrierten Anträge gesichtet und beziffert ist.
    Die Bundesregierung hat für die Entschädigungszahlungen 1,3 Milliarden DM in den Bundeshaushalt 1958 eingesetzt; das ist fast 1 Milliarde DM mehr, als nach der ursprünglichen Voraussicht notwendig gewesen wäre. Da die Entschädigung in den nächsten fünf Jahren abgewickelt sein soll, würde das bei gleichbleibenden Raten bis zum Frühjahr 1963 6,5 Milliarden DM allein auf seiten des Bundes ausmachen. Da nach dem Gesetz die Länder den gleichen Beitrag leisten müssen, wären in diesen nächsten fünf Jahren somit 13 Milliarden DM aufzubringen. In der Vergangenheit wurden bereits 4,5 Milliarden DM gezahlt, so daß in der vorgesehenen Frist 17,5 Milliarden DM geleistet würden, wenn die Aufbringung in Bund und Ländern wie vorgesehen erfolgen kann. Das wären dann fast die vorhin erwähnten 18 Milliarden DM.
    Ich kann dem Hohen Hause nicht verschweigen, daß bei einigen der Länder eine Aufbringung von jährlich insgesamt 1,3 Milliarden DM an Stelle von insgesamt 0,35 Milliarden DM eine sehr erhebliche und schwer zu erbringende Last ist. Diese Länder befinden sich in einer echten Sorge.
    Grundsätzlich bin ich der Meinung, daß die hier und da stattfindende Diskussion über die Wiedergutmachung zur Zeit ganz einfach verfrüht ist. Es scheint mir wesentlich zu sein, daß zunächst einmal festgestellt wird, wie hoch die angemeldeten Ansprüche in Wirklichkeit sein werden, was erst im Oktober 1958 möglich sein wird. Zur Zeit wird in den Ländern — die Länder sind dafür zuständig — verstärkt an dieser Feststellung gearbeitet. Ausgehend von der Überzeugung, daß ein von Bundestag und Bundesrat einstimmig angenommenes Gesetz grundsätzlich auszuführen ist, werden wir uns dann gemeinsam überlegen müssen, wie wir die erforderlichen Mittel aufbringen, um die berechtigten Ansprüche zu erfüllen.



    Bundesfinanzminister Etzel
    Nach diesen Bemerkungen über die Wiedergutmachung darf ich mich wieder den engeren Fragen des Finanzverhältnisses zwischen Bund und Ländern zuwenden.
    Zum Wesen und zur Gesinnung des modernen Bundesstaates gehört es auch, daß die Länder zunächst einander gegenseitig helfen, bevor die Schwierigkeiten einzelner zu Lasten des Bundes behoben werden. Diesen Weg weist auch das Grundgesetz. Die Finanzlage der Länder hat sich in den letzten Jahren außerordentlich unterschiedlich entwickelt. Unbestreitbaren Fehlbeträgen in einzelnen steuerschwachen Ländern stehen große, zum Teil großzügige Mehrausgaben, hohe Kassenbestände und Überschüsse in anderen Ländern gegenüber.
    Die Bundesregierung hält deshalb eine alsbaldige Verbesserung des Finanzausgleichs zwischen den Ländern für notwendig. Dabei werden die Leistungen der Verwaltung der Länder und der Gemeinden in allen Ländern mehr als bisher einander anzugleichen sein. In einem Bundesstaat gibt es eigentlich keinen überzeugenden Gesichtspunkt mehr, aus dem die Schulverhältnisse oder die Straßenverhältnisse oder die Ausstattung der Universitäten in einem Gliedstaat wesentlich schlechter als in einem anderen sein sollten, nur weil dieser nicht gleich finanzstark ist.

    (Beifall des ganzen Hauses.)

    Die Ballung der wirtschaftlichen Produktionsenergien in einigen Bezirken ist einer der stärksten Gründe, die einen nachhaltigen Finanzausgleich zwischen den einzelnen Gebietsteilen bei Ländern und Gemeinden unentbehrlich machen. Erst wenn diese Finanzpartner untereinander das Äußerste an föderativer Verpflichtung auch in finanzieller Beziehung erfüllt haben, können sie in ihrer Gesamtheit Wünsche auf Änderung der Finanzbeziehungen zum Bunde anmelden.
    Die Bundesregierung betrachtet es als ihre Aufgabe, diesen verbesserten und erweiterten Finanz- und Lastenausgleich zwischen den Ländern von Bundes wegen zu fordern und zu fördern. Sie weiß sich darin eins mit der öffentlichen Meinung, die gewisse ungehemmte Äußerungen des Länderpartikularismus in Finanzfragen gerade in den letzten Monaten einhellig mißbilligt hat. Erwähnt seien hier neben anderen Äußerungen bedeutender Politiker und Finanzwissenschaftler in der Presse vor allem auch die Denkschrift des Bundes der Steuerzahler und des Instituts Finanzen und Steuern.
    Die Finanzpartnerschaft zwischen Bund und Ländern ist nach dem Willen unserer Verfassung eine ungleiche. Die Länder sprechen ein einflußreiches Wort bei der Gestaltung des Bundeshaushalts in seinen Ausgaben und seinen Deckungsmitteln mit. Dem Bunde jedoch ist es verwehrt, die Finanzgebarung der Länder auch nur kritisch zu würdigen, geschweige sie von Bundes wegen zu beeinflussen. Die Länder können jeden Winkel der Finanzpolitik und der Haushaltsgebarung des Bundes durchleuchten und beeinflussen, während dem Bund eine Durchleuchtung und kritische Würdigung
    der Länderhaushalte unmöglich ist und damit ein zeitnaher Vergleich der Länderhaushalte untereinander und mit dem Bunde sehr erschwert wird.
    Mit nicht geringerer Aufmerksamkeit verfolgt die Bundesregierung auch die Entwicklung der Finanzen bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden. Es ist eine etwas billige Wiederholung, wenn ich sage, daß die Aufgaben der gemeindlichen Selbstverwaltungsträger in der Ortsinstanz keine geringere Bedeutung haben und ihre Finanzbedürfnisse nicht weniger wichtig sind als die der Länder und die des Bundes. Das ständige Wachstum der Aufgaben und Ausgaben hat auch im kommunalen Bereich zu einem recht ungleichmäßigen Finanzbild geführt, das durch die einseitige Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens an den Zentralplätzen von Industrie und Handel noch verstärkt wird. Im Zuge dieser Entwicklung haben sich nicht wenige Gemeinden und Gemeindeverbände bereits bedenklich weit und schnell verschuldet. Dieser Weg kann nicht ungehemmt fortgesetzt werden. Nach dem Willen der Verfassung ist es die Aufgabe der Länder und nicht die des Bundes, im Rahmen des gemeindlichen Finanzausgleichs für einen angemessenen Ausgleich zwischen reich und arm in der Welt der Gemeinden durch entsprechende Finanzausgleichsgesetze zu sorgen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dennoch muß und wird sich die Bundesregierung der Verantwortung für die Einheit der Finanzen, die auch die Gemeindefinanzen umfaßt, nicht entziehen können. Erste Folgerungen aus dieser politischen Verpflichtung sind bei der Einführung des Steuerverbundes durch die Ergänzung des Artikels 106 des Grundgesetzes bereits gezogen worden. Bei der sich abzeichnenden Anpassung der deutschen Finanzverfassung an veränderte wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse wird die Entwicklung der Gemeindefinanzen auch künftig beachtet und insbesondere dem Grundsatz der gemeindlichen Selbstverantwortung größere Bedeutung zugemessen werden müssen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Der tiefere Grund für den Wetterumschlag auch im innerdeutschen Finanzausgleich ist das dauernde Steigen der öffentlichen Ausgaben bei allen Finanzpartnern. Wir werden weder beim Bund noch bei den Ländern noch bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden um die harte Tatsache herumkommen, daß diesem Wachstum der Ausgaben energisch Grenzen gezogen werden müssen; es sei denn, wir erhöhten die Steuern in den kommenden Jahren wieder. Von dem dritten Weg, dem bewußten Verfall der Währung durch Verschuldung aus Kreditschöpfung, spreche ich nicht; denn das wäre ein Weg in den Abgrund.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ihn verwehrt erfreulicherweise auch die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, die vor kurzem erst durch das Bundesbankgesetz erneuert und gestärkt worden ist.
    Alle diese finanzpolitischen, diese wirtschaftspolitischen und haushaltsrechtlichen Gedanken und
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 17. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 13. März 1958 771
    Bundesfinanzminister Etzel
    Überzeugungen zwingen nun zum Handeln. In Übereinstimmung mit diesen Überlegungen zieht die Bundesregierung ihre Schlußfolgerungen auf steuerpolitischem Gebiet und legt Ihnen in fünf Gesetzentwürfen ein Steuergesetzgebungswerk vor, über das dieses Haus heute in erster Lesung zu beraten hat.
    Die Steuergesetzgebung dient u. a. der sinnvollen Einkommensverteilung und der Steigerung des Sozialprodukts. Die vorliegenden Gesetzentwürfe sind ein entscheidender Schritt in der Richtung einer echten Reform der Einkommensteuer und damit zur Erfüllung der vom Herrn Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung angekündigten Steuerreform. Durch sie werden zunächst die Steuern vom Einkommen in wesentlichen Punkten auf eine neue Grundlage gestellt. Weitere Reformvorschläge, auf die ich später noch kurz eingehen werde, werden im Laufe dieser Legislaturperiode folgen.
    Es ist nicht die Absicht der Bundesregierung, das deutsche Steuersystem als solches von Grund auf zu ändern. Dieses beruht seit den Reformen der Jahre 1920 und 1925 — von den Zöllen und Verbrauchsteuern abgesehen — auf einem ausgewogenen Verhältnis der Steuern vom Einkommen und Ertrag, vom Vermögen und vom Umsatz. Die Verteilung des Steueraufkommens auf direkte und indirekte Steuern bedarf keiner grundsätzlichen Änderung. Im Jahre 1956 entfielen von dem Steueraufkommen in der Bundesrepublik 53,9 v. H. auf die direkten Steuern, d. h. auf die Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen, und 46,1 v. H. auf die indirekten Steuern. Der Anteil der direkten Steuern liegt danach zwar unter den entsprechenden Anteilen in England und USA, wird jedoch in den Ländern des Gemeinsamen Marktes nur in Luxemburg mit 65,5 und in den Niederlanden mit 63,6 v. H. übertroffen. Dagegen liegt der Anteil der direkten Steuern in Belgien bei 50,5, in Frankreich bei 40 v. H. und in Italien nur bei 32,3 v. H. Gerade auch im Hinblick auf die Erfordernisse des Gemeinsamen Marktes erscheint daher der Anteil der Steuern zueinander in der Bundesrepublik als in der Mitte liegend in einem angemessenen Verhälnis.
    Aus der Situation bei Übernahme meines Amts als Bundesfinanzminister ergab sich die Notwendigkeit, die Reform der Einkommensteuer an die Spitze zu stellen. Durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 zur Ehegattenbesteuerung und durch die diesem folgende Übergangslösung, dem Gesetz zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957, war eine für die Steuerpflichtigen und für die Verwaltung äußerst schwierige Situation entstanden. Die endgültige Klärung der Ehegattenbesteuerung war ein Vermächtnis des Zweiten Bundestages, dessen beschleunigte Erfüllung mit Recht von allen Seiten erwartet wurde. Wir haben uns jedoch nicht auf diese Teilaufgabe beschränkt, sondern mit der vorliegenden Gesetzgebung versucht, zugleich mit den wichtigen Tarifproblemen der Einkommensteuer auch die Fragen einer Förderung des Kapitalmarktes einer volkswirtschaftlich erwünschten Lösung näherzubringen.
    Im Mittelpunkt der Gesetze stehen daher vier miteinander im Zusammenhang stehende Vorschläge:
    erstens die Erneuerung des Einkommensteuertarifs unter Lösung des Problems der Ehegattenbesteuerung und der Kinderfreibeträge,
    zweitens die Förderung des Kapitalmarkts, insbesondere durch Maßnahmen für die Aktie,
    drittens die Einführung eines Spar-Prämiengesetzes zur Förderung des Sparens auf längere Sicht gerade bei Beziehern kleinerer Einkommen und
    viertens die gesetzliche Regelung der degressiven Abschreibung.
    Bei der Gestaltung der Gesetzesvorschläge ist im übrigen entscheidendes Gewicht darauf gelegt worden, für die geplagte Finanzverwaltung und auch im Interesse der Steuerpflichtigen eine grundlegende Verwaltungsvereinfachung zu verwirklichen.
    Der neue Einkommensteuertarif ist der sogenannte Splitting-Tarif, wie er gleichfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen — in den USA 1948 eingeführt worden ist. Das Splitting geht davon aus, daß beide Ehegatten das in der Ehe erzielte Einkommen gemeinsam, und zwar je zur Hälfte, erworben haben. Das gilt auch dann, wenn die Ehefrau nur als Hausfrau tätig gewesen ist. Damit wird ein Weg begangen, der der Stellung der Frau im modernen Staat und in der heutigen Gesellschaft im besonderen Maße Genüge tut. Das Splitting entspricht auf güterrechtlichem Gebiete der sogenannten Zugewinngemeinschaft des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957. Mit dieser Gestaltung wird dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes, wonach sich Mehrsteuern bei bisher ledigen Personen als Folge ihrer Verheiratung grundsätzlich nicht ergeben dürfen, voll Rechnung getragen.
    Die wahlweise getrennte Besteuerung der Ehegatten, die in der jetzt geltenden Übergangslösung enthalten ist, hätte diesem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes ebenfalls entsprochen. Sie hat aber demgegenüber den Nachteil, daß einzelne Steuerpflichtige, z. B. große Gewerbetreibende und Bezieher großer Kapitaleinkommen, die Aufteilung des Einkommens unter den Ehegatten steuerlich günstiger gestalten können und daß andere, insbesondere die Mehrzahl der Lohnsteuerpflichtigen, diese Möglichkeit nicht haben. Ein Vorteil des Splitting liegt gerade darin, daß es alle Ehepaare mit gleichen Einkommen gleich behandelt und die Fälle, in denen die Ehefrau kein eigenes Einkommen hat und als Hausfrau und Mutter im Haushalt tätig ist, steuerlich nicht schlechterstellt als diejenigen, in denen der Ehefrau Einkommen zufließt.
    Hier ist das Splitting eine bedeutende Förderung des Familiengedankens.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte allerdings nicht so weit gehen, das Splitting 'schlechthin als ein ideales System zu bezeichnen. Als ein besonderer Nachteil des Splitting muß angesehen werden, daß sich seine steuerlichen



    Bundesfinanzminister Etzel
    Vorteile bei einem Progressionstarif automatisch mit zunehmendem Einkommen vergrößern. Im Laufe der Diskussion, besonders auch im Rahmen des Wissenschaftlichen Beirates des Bundesfinanzministeriums, der ein Gutachten zu diesen Fragen bearbeitet hat und demnächst abschließen wird, ist daher die Frage erörtert worden, ob nicht für die Differenz zwischen der Jahressteuer der Ledigen und der Verheirateten mit gleichem Einkommen eine Höchstgrenze, z. B. von 3000 DM, gesetzlich fixiert werden sollte. Die Bundesregierung hat hiervon jedoch mit Rücksicht auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes abgesehen, weil dadurch ja wieder eine Ungleichheit eingeführt werden würde. Sie hat sich aber bemüht, bei der Gestaltung des Einkommensteuertarifs, und zwar durch die Einführung einer erheblich steileren Progression als bisher, zu verhindern, daß die Vorteile der verheirateten Steuerpflichtigen mit höheren Einkommen absolut und gegenüber dem jetzigen Stand zu groß werden.
    Der vorgeschlagene Splittingtarif ist, vor allem aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, durch eine breite Proportionalstufe ergänzt worden. Andernfalls hätten sich insbesondere in Fällen, in denen beide Ehegatten Arbeitnehmer sind, schwierige verwaltungstechnische Probleme ergeben. Die Einführung einer Proportionalstufe erfordert den Abzug erhöhter Freibeträge, die die Auswirkung des einheitlichen Steuersatzes bei kleinen Einkommen vermindern und dadurch eine indirekte Progressionswirkung hervorrufen. Nach gründlichen Untersuchungen ist die Bundesregierung zu dem auch vom Bundesrat gebilligten Vorschlag gelangt, eine Proportionalstufe von 20 v. H. bei Ledigen bis 8000 DM Einkommen und bei Verheirateten bis 16 000 DM Einkommen einzuführen. Die Freibeträge wurden auf 1680 DM bei Ledigen und auf 3360 DM für Verheiratete bemessen. Damit werden zusätzlich etwa 2,8 Millionen bisher steuerbelastete Personen nicht mehr zur Steuer herangezogen. Insgesamt sind also in Zukunft rund 10 Millionen, d. h. rund 45 v. H. aller Steuerpflichtigen, nicht mehr Einkommensteuerzahler. Dieses Verhältnis ist übrigens ungefähr das gleiche wie vor dem Krieg.
    Ein weiterer außerordentlicher Vereinfachungseffekt entsteht daraus, daß künftig 95 v. H. der Steuerpflichtigen nach dem einheitlichen Satz von 20 v. H. besteuert werden. Durch die Auswirkung der Freibeträge wird, wie ich schon angedeutet habe, auch innerhalb der Proportionalstufe eine erhebliche Progression wirksam. Die Proportional-stufe hat noch den Vorzug, daß bei den Beziehern der hier in Betracht kommenden Einkommen gerade für den Fall von Lohn- und Gehaltserhöhungen und von Entlohnungen für Mehrarbeit der einheitliche Steuersatz als vorteilhaft empfunden werden muß, weil ja eine Steuerprogression dann nicht mehr eintritt. Ein Lohnsteuer-Jahresausgleich wird außer in den Fällen unständiger Beschäftigung regelmäßig entbehrlich. Auch in England besteht übrigens — allerdings mit einer Vorstufe versehen — ein einheitlicher Steuersatz für die Masse der Steuerpflichtigen.
    Die Bundesregierung hat von der Einführung eines Plafonds im Tarif, der bisher 55 v. H. betrug, abgesehen und den Spitzensatz auf 53 v. H. festgelegt. Diese Festsetzung des Spitzensatzes, die mit der künftig weit steileren Gestaltung des Einkommensteuertarifs im Zusammenhang steht, beruht vor allem auf zwei Überlegungen: Einmal erscheint es wünschenswert, sich dem psychologischen Bruchpunkt von 50 v. H. möglichst zu nähern, bei dessen Überschreitung nach allen Erfahrungen in der Vergangenheit die Tendenz, unwirtschaftliche Unkosten zu machen, erheblich steigt. Ferner steht der Spitzensatz bei der Einkommensteuer in einem engen Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Körperschaftsteuersatz für nicht ausgeschüttete Gewinne von 47 v. H. zuzüglich 4,09 v. H. Notopfer Berlin, also von zusammen 51,09 v. H. Die Annäherung dieser beiden Steuersätze wird dazu beitragen, daß das Interesse an dem Übergang von einer Unternehmensform zur anderen geringer wird.
    Die Bundesregierung hat sich bemüht, bei der Gestaltung des Tarifs, und zwar in Verbindung mit dem Splitting wie auch mit der Proportionalstufe gerade die Interessen des Mittelstandes zu fördern. Bei verheirateten Einkommensteuerpflichtigen mit Einkommen zwischen 15 000 und 60 000 DM treten durchweg Minderungen der jetzigen Belastung von über 15 v. H. ein; bei den größeren Einkommen gehen sie zurück.
    Bei den verheirateten Einkommensteuerpflichtigen mit Einkommen zwischen 5000 und 10 000 DM tritt infolge des Verlaufs der Proportionalstufe eine geringere prozentuale Senkung ein. Die Senkung ist bei den kleinsten Einkommensteuerpflichtigen wieder besonders groß. Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß gerade diese Einkommensgruppen zwischen 5000 und 10 000 DM in den letzten Jahren schon besonders starke Tarifsenkungen erhalten haben, die zum Teil über 50 v. H. der damaligen Steuersätze hinausgingen.
    Die Anwendung des Tarifs auf die Ledigen führt dazu, daß hier gewisse Einkommensteuererhöhungen gegenüber 1957 — eintreten. Diese halten sich aber durchaus in Grenzen. Auch ein Teil der Ledigen mit Einkommen zwischen 4000 und 6000 DM wird infolge des Verlaufs der Proportionalstufe etwas mehr zu zahlen haben als bisher. Es handelt sich hierbei jedoch im Höchstfalle um Jahresbeträge von 22 DM bei Lohnsteuerpflichtigen. Gegenüber dem Jahr 1956, in dem das Notopfer Berlin noch in Kraft war, ergeben sich aber auch hier nur Entlastungen. Die leichten Erhöhungen gegenüber 1957 in diesen Gruppen hätten praktisch nur durch eine weitere beträchtliche Heraufsetzung der Freibeträge beseitigt werden können. Dies hätte wesentliche Mehrausfälle — wir haben 400 Millionen DM errechnet — und ein weiteres Herausfallen von Personen aus der Steuerpflicht zur Folge gehabt und wäre auch nach Ansicht des Bundesrats aus Haushaltsgründen nicht zu vertreten.
    Aus der Anwendung des Splitting, durch das die Progression durchweg vermindert wird, ergibt sich



    Bundesfinanzminister Etzel
    automatisch eine Verringerung der steuerlichen Auswirkung der Kinderfreibeträge. Um im Interesse der Familienpolitik dennoch zu erreichen, daß diese Auswirkung jedenfalls bei Einkommen bis 10 000 DM auch absolut die gleiche bleibt, sieht die Regierungsvorlage eine Erhöhung der Kinderfreibeträge für das erste Kind von 720 auf 900 DM, für das zweite von 1440 auf 1680 DM und für die weiteren Kinder von 1680 auf 1800 DM vor. Schließlich ist zu erwähnen, daß Unverheiratete vom 55. Lebensjahre an und Unverheiratete, soweit ihnen Kinderermäßigung zusteht, einen besonderen Freibetrag von 800 DM erhalten und daß verwitwete Personen in entsprechenden Fällen in dem Genuß des Splitting bleiben sollen.
    Neben dem neuen Einkommensteuertarif ist die Änderung des Körperschaftsteuertarifs von entscheidender Bedeutung. Sie steht im Mittelpunkt einer Anzahl von Maßnahmen zur Förderung des Kapitalmarkts und zugunsten einer Verbesserung der Stellung der Aktien.
    Die Bundesregierung hofft, mit einer Herabsetzung des Körperschaftsteuersatzes für ausgeschüttete Gewinne inländischer Kapitalgesellschaften von 30 v. H. auf 11 v. H. — daneben in beiden Fällen die 4,09 v. H. Notopfer Berlin — und einer gleichzeitigen Erhöhung des Steuersatzes für nicht ausgeschüttete Gewinne von 45 auf 47 v. H. — auch daneben die 4,09 v. H. Notopfer Berlin — höhere Ausschüttungen der Aktiengesellschaften und damit eine höhere Rendite der Aktie sowie eine Erhöhung des Interesses des Sparers an der Aktie zu erreichen. Zugleich glaubt sie, damit der bisher in den großen Kapitalgesellschaften häufigen übermäßigen Selbstfinanzierung entgegenzuwirken. Es wird angestrebt, das Eigentum am Produktionsvermögen der deutschen Wirtschaft stärker als bisher zu streuen, insbesondere auch in Form der vom Kleinsparer erworbenen Aktie. Schließlich bezweckt die Maßnahme, die Gesellschaften zu veranlassen, sich mehr als bisher durch Kapitalerhöhungen zu finanzieren und dafür die Inanspruchnahme des Rentenmarkts weitgehend den Pfandbriefanstalten und der öffentlichen Hand zu überlassen. Eine wesentliche Zielsetzung der Regierungsvorlage ist die Annäherung des Körperschaftsteuersatzes für nicht ausgeschüttete Gewinne an den vorgeschlagenen Einkommensteuerspitzensatz von 53 %. Eine weitere Herabsetzung des Satzes für die ausgeschütteten Gewinne, die gefordert worden war, hätte im Hinblick auf die Besteuerung der ausländischen Anteilseigner an inländischen Kapitalgesellschaften und auch im Verhältnis zu der Besteuerung der Personengesellschaften erhebliche Schwierigkeiten hervorgerufen.
    Im Laufe der Gesetzgebungsarbeit wird noch die besondere Lage der kleinen Kapitalgesellschaften, besonders der Familiengesellschaften, weiter zu erörtern sein.
    Die Änderung der Körperschaftsteuersätze wird ferner durch eine Anzahl anderer den Kapitalmarkt fördernden Maßnahmen ergänzt, z. B. durch eine Erhöhung der steuerfreien Nebeneinnahmen nach § 46 des Einkommensteuergesetzes, durch die Verbesserung der Werbungskostenpauschale bei den Kapitaleinkünften, durch die Einführung besonderer Freibeträge für Kapitalvermögen bei der Vermögensteuer und durch die Senkung der Gesellschaftsteuer von 3 v. H. auf 1,5 v. H., also auf den Satz der Wertpapiersteuer.
    Als dritter wichtiger Teil der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen ist das Sparprämiengesetz hervorzuheben, das neben dem Wohnungsbauprämiengesetz der Förderung des Sparens gerade der kleinen Einkommenbezieher auf längere Sicht dienen soll. Es beruht auf der Erkenntnis, daß steuerliche Maßnahmen allein nicht ausreichen, um die von der Bundesregierung erstrebte breite Streuung des privaten Eigentums zu erreichen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es bedarf hierzu eines wirksamen Anreizes zur Spartätigkeit, der gerade auch die Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen zur Kapitalbildung veranlaßt. Nur die Gewährung der Sparprämien bietet gegenüber der bisherigen Begünstigung des Sparens im Rahmen des Sonderausgabenabzugs bei der Einkommensteuer auch denjenigen Sparern greifbare Vorteile, die keine oder nur eine geringe Einkommensteuer zu zahlen haben. Dieses Kriterium wiegt um so schwerer, als infolge der Heraufsetzung der Steuerfreigrenze bei der Einkommensteuer annähernd 3 Millionen Steuerpflichtige zusätzlich aus der Besteuerung entlassen werden.
    Die grundsätzliche Förderung des Sparens hat aber nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine ethische Seite. Ich möchte mit diesem Sparprogramm neben dem ökonomischen einen ethischen und einen gesellschaftspolitischen Effekt auslösen. Es scheint mir für die Gesellschaftsstruktur sinnvoll zu sein, in unserem Volk auch den kleinen Mann davon zu überzeugen, daß es einen Wert hat, ein kleines Kapital für die verschiedensten zukünftigen Zwecke, z. B. für die Ausbildung des Sohnes, für die Aussteuer der Tochter, für die Vorsorge für den Krankheitsfall oder für den Lebensabend, zu besitzen und dieses kleine Kapital langfristig anzulegen. Diese Maßnahme soll auch dazu beitragen, aus den Deutschen in breiter Schicht wieder ein Volk von Eigentümern zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der DP.)

    Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die traditionellen Formen des Versicherungssparens und Bausparens nach wie vor im Rahmen des Sonderausgabenabzugs bei der Einkommensteuer begünstigt bleiben sollen. Dies ist bei den Lebensversicherungen schon mit Rücksicht auf die gleichfalls im Rahmen der Sonderausgaben abzugsfähigen gesetzlichen Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten angemessen und zweckdienlich. Die Beträge des in der Regel langfristigen und zum Bau eines Eigenheims führenden Bausparvertrages sollen gleichfalls nach wie vor als Sonderausgaben abzugsfähig bleiben, allerdings mit einer wichtigen Einschränkung der Möglichkeit, die Vertragsrechte ohne steuerlichen Nachteil abzutreten. Dagegen sollen die Kapitalansammlungsver-



    Bundesfinanzminister Etzel
    träge, die besonders in der bisherigen Form — Festlegung der Sparbeträge auf nur drei Jahre — in den Rahmen der Sonderausgaben nicht mehr paßten, aus dem Einkommensteuergesetz herausgenommen werden und den Inhalt des Sparprämiengesetzes bilden. Die Sparkassen, die einige längerfristige Sparverträge mit Beziehern höherer und mittlerer Einkommen verlieren werden, erhalten auf die Dauer durch die gerade bei ihnen mögliche Anlage von Sparprämiengeldern einen angemessenen Ersatz und ein ihnen gemäßes Wirkungsfeld.
    Die Förderung des Sparens auf breitester Basis setzt voraus, daß nicht nur das Kontensparen, sondern auch das Sparen in Wertpapieren prämiiert wird. Deshalb müssen auch Aktien und Investmentzertifikate in die Förderung einbezogen weiden. Allerdings soll sich das begünstigte Sparen auf den Ersterwerb der Wertpapiere beschränken, damit mit dem Sparvorgang zugleich eine langfristige Anlage des Geldes bei den Empfängern gesichert ist. Das Sparprämiengesetz wird auch für die beabsichtigte Emission von sogenannten Volksaktien besondere Bedeutung erhalten. Der mit der Prämiengewährung angestrebte Erfolg kann nur eintreten, wenn der Sparer sich einem einigermaßen langfristigen Konsumverzicht unterwirft, seine Ersparnisse also auch für längere Zeit bindet. Deshalb sollen und können lediglich solche Sparleistungen prämiiert werden, die auf mindestens fünf Jahre festgelegt sind. Als Prämie schlägt die Bundesregierung für die Zeit von fünf Jahren
    20 v. H. vor, was bei einer fünfjährigen Festlegung einer zusätzlichen Verzinsung von 4 v. H. jährlich entspricht. Dieser Betrag soll schon nach Ablauf eines Jahres gutgeschrieben werden und steuerfrei sein. Um die Maßnahme im wesentlichen auf den Kreis kleiner Sparer zu beschränken, soll die Prämie für Einzelpersonen auf jährlich 250 DM und für Ehegatten auf jährlich 500 DM beschränkt sein. Dies entspricht einem Sparbetrag für Einzelpersonen von 1250 DM und für Ehegatten von 2500 DM. Die Beschränkung ist schon aus haushaltsmäßigen Gründen notwendig. Zum anderen verhindert sie, daß Personen mit erheblichem Einkommen oder Vermögen die Prämie in starkem Maße für Vermögensumschichtungen in Anspruch nehmen und dadurch einen unangemessenen, ungerechtfertigten Vorteil erlangen können.
    Eine weitere wesentliche Maßnahme, durch die verschiedene Zwecke erreicht werden sollen, ist die gesetzliche Festlegung der degressiven Abschreibung auf das Zweieinhalbfache des Satzes der linearen Abschreibung und auf einen Höchstsatz von 25 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Hierin liegt eine gewisse Einschränkung der übertriebenen degressiven Abschreibungen bei beweglichen Anlagegütern mit längerer Lebensdauer. Sie ist geeignet, in gewissem Grade die Selbstfinanzierung gerade bei größeren Unternehmungen etwas zu begrenzen. Wichtiger ist allerdings auch für diese Unternehmungen die vorgesehene gesetzliche Anerkennung der degressiven Abschreibung in ihrer Ausdehnung auf Wirtschaftsgüter mit kürzerer Lebensdauer. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß im Hinblick auf die auch künftig große Bedeutung der Investitionen und die Notwendigkeit, die Kapazität bei manchen Industrien auch in Zukunft zu erhöhen, die degressive Abschreibung nicht entbehrt werden kann. Auf der anderen Seite ist zu erwarten, daß manche mittelständische Betriebe in stärkerem Ausmaß als bisher von der Möglichkeit dieser Abschreibungsform Gebrauch machen werden. Allgemein ist dabei wichtig, daß durch die gesetzliche Festlegung der degressiven Abschreibung in einem bestimmten, vernünftigen Ausmaß und besonders infolge der Einführung der festen Höchstgrenze der Streit über die Bemessung der Abschreibung und über die Lebensdauer der Wirtschaftsgüter weitgehend beendet sein wird.
    Ich möchte auf den weiteren Inhalt des Gesetzgebungswerkes nicht mehr im einzelnen eingehen, jedoch noch folgendes kurz erwähnen. Den an sich berechtigten Forderungen der Länder und der Finanzverwaltung, die am 31. Dezember 1958 auslaufenden Sondervergünstigungen nicht zu verlängern, hat die Bundesregierung aus wohlerwogenen Gründen nicht in vollem Umfang entsprechen können. Von den Sondervergünstigungen für die Vertriebenen, Flüchtlinge und Verfolgten wird nur der § 7 a des Einkommensteuergesetzes ab 31. Dezember 1958 fortfallen, nicht aber die §§ 7 e und 10 a des Einkommensteuergesetzes. Auch der § 7 c des Einkommensteuergesetzes soll auf weitere drei Jahre verlängert werden, jedoch mit der wichtigen Einschränkung, daß er nur noch für Eigenheime und ihnen gleichgestellte Gebäude sowie für den Wiederaufbau gelten soll. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß der Bundesrat trotz der dringenden Forderungen der Finanzminister der Länder auf Vereinfachung dahin Stellung genommen hat, daß der § 7 c des Einkommensteuergesetzes ohne jede Einschränkung aufrechterhalten bleiben soll.
    War somit eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung auf diesem Gebiet nicht zu erreichen, so kann die Bundesregierung doch für sich in Anspruch nehmen, durch ihre übrigen Maßnahmen die Verwaltung der Steuern vom Einkommen bei den Finanzämtern in stärkstem Maße erleichtert zu haben. In diesem Zusammenhang hebe ich die Auswirkung folgender Vorschriften hervor:
    a) die Erhöhung der tariflichen Freibeträge auf 1680 DM, wodurch rund 3 Millionen bisher Steuerpflichtige mit geringem Einkommen aus der Steuerpflicht herausfallen und damit keine Verwaltungsarbeit mehr machen;
    die Anwendung des Proportionalsatzes von 20 v. H. auf ledige Einkommensteuerpflichtige mit Einkommen bis 8000 DM und auf Verheiratete mit Einkommen bis 16 000 DM, wodurch 95 % aller Einkommensteuerpflichtigen mit einem Einheitssatz veranlagt werden, was eine große Verwaltungsvereinfachung bedeutet;
    b) die Herausnahme der Kapitalansammlungsverträge aus den Sonderausgaben — die sich durch das



    Bundesfinanzminister Etzel
    Sparprämiengesetz für die Finanzämter ergebenden Arbeitsbelastungen sind erheblich geringer als die mit dem Sonderausgabenabzug verbundene Arbeit —;
    d) die gesetzliche Regelung der degressiven Abschreibung mit einem pauschalen Höchstsatz von 25 v. H., durch die zahlreiche Streitigkeiten bei der Veranlagung und bei der Betriebsprüfung vermieden werden.
    Auch die anderen Vorschriften enthalten zum Teil Verwaltungsvereinfachungen. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Finanzverwaltung, nachdem sie die schwierigen Einkommensteuerveranlagungen 1956 und 1957 durchgeführt haben wird, ihre Aufgaben ebenso ordnungsgemäß und zeitnah erfüllen wird, wie es in früheren Jahren der Fall gewesen ist.
    Die neuen Tarifvorschriften sollen im wesentlichen ab 1. Januar 1958 in Kraft treten. Dabei sind Nachzahlungen für die Lohnsteuerpflichtigen selbstverständlich ausgeschlossen. Das rückwirkende Inkrafttreten ist im übrigen nur dann technisch durchführbar, wenn die Gesetze noch vor den Sommerferien vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet werden. Entsprechendes gilt für die Rückwirkung der Körperschaftsteuer. Andere Vorschriften, wie z. B. das Sparprämiengesetz, können dagegen erst am 1. Januar 1959 in Kraft treten, zu dem gleichen Zeitpunkt, zu dem die Kapitalansammlungsverträge aus den Sonderausgaben herausfallen sollen.
    Zu den haushaltsmäßigen Auswirkungen der Gesetze ist zusammenfassend folgendes zu bemerken:
    Die Gesamtentlastung der Steuerzahler durch die ab 1. Januar 1957 wirksame Übergangsregelung zur Ehegattenbesteuerung, die wir also schon verdaut haben, ist mit 1335 Millionen DM in Ansatz gebracht. Das neue Gesetzgebungswerk bringt im Rahmen der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer per Saldo zusätzliche Entlastungen der Steuerzahler im Betrage von 350 Millionen DM.
    Durch die Gewährung von Sparprämien entstehen
    — im ersten Jahre der vollen Wirksamkeit des Sparprämiengesetzes — Aufwendungen von etwa 400 Millionen DM. Außerdem ergeben sich Steuerausfälle im Betrage von 90 Millionen DM bei der Kapitalverkehrsteuer und bei der Vermögensteuer.
    Der Gesamtwert der durch die Reformgesetze bewirkten Maßnahmen stellt sich mithin — bei 12monatiger Wirksamkeit der Gesetzesänderungen
    — auf 840 Millionen DM. Von diesem Betrag belasten 350 Millionen DM Bund und Länder gemeinsam, also den Bund rund 120 Millionen, 400 Millionen DM nur den Bund, die aus der Sparprämie entstehen und die wir aus Anleihen aus dem zu bildenden Kapital holen wollen, und 90 Millionen DM nur die Länder bei der Gesellschaftsteuer und Vermögensteuer.
    Meine Damen und Herren, damit habe ich die Gesetze im allgemeinen begründet. Ich will auf die Stellungnahme des Bundesrates, die er in seiner
    Sitzung vom 28. Februar 1958 beschlossen hat, im einzelnen nicht eingehen, sondern auf die schriftlichen Bemerkungen dazu verweisen, möchte dabei jedoch meiner Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß die Konzeption der Bundesregierung und die des Bundesrates in weitem Maße übereinstimmen. Abgesehen von verschiedenen technischen Verbesserungen und Anregungen, die die Bundesregierung übernommen wissen möchte, sind die Gegenvorschläge des Bundesrates im allgemeinen nicht grundsätzlicher Art. Das gilt nach meiner Meinung auch von der Frage der endgültigen Bemessung des Spitzensatzes bei der Einkommensteuer und von der Frage der Höhe des Körperschaftsteuersatzes für den ausgeschütteten Gewinn, obgleich die Bundesregierung ihren Standpunkt in beiden Punkten meiner Ansicht nach mit guten Gründen aufrechterhalten hat. Ein grundlegender Meinungsunterschied besteht jedoch hinsichtlich des Vorschlages des Bundesrates, das Notopfer Berlin in den Körperschaftsteuertarif einzubauen, denn dieser Vorschlag führt unmittelbar dazu, daß der Bund einen zusätzlichen Steuerausfall von etwa 330 Millionen DM erleidet, die Länderhaushalte sich jedoch um den gleichen Betrag verbessern. Es handelt sich hier im wesentlichen um eine Frage des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern. Der Bund allein finanziert das Defizit von Berlin. Das Notopfer Berlin „dient" nach den Berlin-Gesetzen dieser Finanzierung. Es ist daher unverständlich, wieso die Länder einen Teil dieses Notopfers für sich beanspruchen.
    Ich darf nun zum Abschluß noch mit einigen Worten auf die weiteren Pläne der Bundesregierung auf dem Gebiete der Steuerreform eingehen. Auf dem Gebiete der Umsatzsteuer beschäftigen sich die Bundesregierung und das Bundesfinanzministerium schon seit einiger Zeit mit den Fragen einer grundlegenden Reform, insbesondere aber mit den Möglichkeiten einer Systemänderung. Die im Bundesfinanzministerium ausgearbeitete Denkschrift wird in Kürze fertiggestellt werden. Das Bundesfinanzministerium wird sie dann zunächst der Bundesregierung vorlegen und anschließend veröffentlichen. Da eine Diskussion über die Denkschrift mit allen Kreisen des Wirtschaftslebens stattfinden soll, halte ich eine beschleunigte Herausgabe der Denkschrift für erforderlich.
    Bei der weiteren Behandlung dieser wichtigen und schwierigen Frage sehe ich als Ziel die Einführung einer Umsatzsteuer, durch welche Konzentrationswirkungen und Wettbewerbsverfälschungen möglichst vermieden werden. Beim Übergang zu einem neuen System wird sorgfältig darauf zu achten sein, daß bei Aufrechterhaltung des Steueraufkommens die sich ergebenden Übergangsschwierigkeiten auf dem Gebiet der Preise und auch der Verwaltung möglichst gering gehalten werden. Auch eine Abstimmung mit den Mitgliedstaaten des Gemeinsamen Marktes vor Einführung eines neuen Systems erscheint angebracht. Ich möchte annehmen, daß sich der Bundestag mit den Gesetzentwürfen auf diesem Gebiet im Laufe des nächsten Jahres zu beschäftigen haben wird.



    Bundesfinanzminister Etzel
    Dieser Bundestag hat einen weiteren wesentlichen Beitrag auf dem Gebiet des Steuerrechts durch Verabschiedung eines Gesetzes zu leisten, das die Grundlage für eine neue Einheitsbewertung des Grundbesitzes bildet. Ein solches Gesetz, das gegenüber früheren Entwürfen wesentliche Vereinfachungen enthält, ist in Vorbereitung. Es sieht als Stichtag für die Einheitsbewertung den 1. Januar 1960 vor. Der jetzige Zustand, bei dem der Grundbesitz durchweg mit nicht mehr zeitgemäßen Werten aus dem Jahre 1935 bewertet wird, ist aus den verschiedensten Gründen unhaltbar. Einer dieser Gründe ist darin zu sehen, daß bei der Vermögensteuer das andere Betriebsvermögen, insbesondere auch das Kapitalvermögen, mit zeitnahen Werten bewertet wird, das Grundvermögen jedoch mit völlig überholten und größtenteils viel zu niedrigen Werten.
    Im Zusammenhang mit den Einheitswerten des Grundbesitzes, die sich — allerdings erst zwei Jahre nach dem Bewertungsstichtag — auf die Vermögen- und Grundsteuer auswirken werden, müssen auch diese Steuern, vor allem in Richtung einer Herabsetzung der Steuersätze, einer Überprüfung unterzogen werden. Denn die Einheitsbewertung des Grundbesitzes dient nicht fiskalischen Zwecken, sondern soll die auf diesem Gebiet verlorengegangene Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung wiederherstellen.
    Im Laufe der Gesetzgebungsperiode werden auch die mit der Gewerbesteuer zusammenhängenden Fragen im Rahmen einer kommunalen Finanzreform einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen sein. Gerade diese Steuer bildet eine erhebliche Belastung des gewerblichen Mittelstandes, ist aber andererseits zur Zeit die entscheidende Finanzquelle der Gemeinden.
    Schließlich darf ich noch darauf hinweisen, daß weitere grundlegende Gesetze zur Änderung der Abgabenordnung vorbereitet werden, um die rechtlichen Grundlagen für eine weitgehende Mechanisierung der Finanzverwaltung zu schaffen. Auch diese Gesetze werden den Bundestag in dieser Legislaturperiode beschäftigen. Der Entwurf einer Finanzgerichtsordnung, die in den Rahmen dieser Gesetze fällt, ist dem Rechtsausschuß des Bundestags bereits zugeleitet worden.
    Damit, meine Damen und Herren, bin ich am Ende der Ausführungen. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß die hier vorgetragenen Gedanken und die vorgelegten Gesetzentwürfe im Laufe der im Parlament stattfindenden Diskussion und der Ausschußbesprechungen eine kritische Würdigung erhalten, die sie reifer macht, zum Segen des deutschen Volkes, dem wir mit unserem Bemühen dienen.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie haben die Begründung der Gesetzentwürfe gehört.
Ich eröffne die Beratung der ersten Lesung. Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August Neuburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ehe ich zur Sache selbst spreche, möchte ich zwar keine Vorschußlorbeeren erteilen, aber doch namens meiner Parteifreunde Ihnen, Herr Finanzminister, und natürlich all Ihren Mitarbeitern den Dank dafür aussprechen, daß Sie einmal die aus dem Karlsruher Urteil und der sich anschließenden Übergangsregelung entstandenen Probleme angepackt und zum anderen die immer drängender gewordenen wesentlichen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Forderungen an unsere Finanz- und Steuerpolitik so zielbewußt und energisch aufgegriffen und in den nunmehr vorliegenden Entwürfen praktisch zu einem einheitlichen Ganzen verarbeitet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Unsere Aufgabe als Gesetzgeber wird nun darin bestehen, diese Vorlagen ebenso vordringlich wie verantwortungsbewußt zu beraten. Sie alle wissen, wie sehr die Finanzverwaltung mit den Veranlagungen im Rückstand ist, wie schwierig und kompliziert diese Veranlagungen sind und wie dringend es daher erforderlich ist, daß die Steuerfestsetzungen am 1. Januar 1958 nicht mehr mit diesem Gestrüpp — ich möchte den Ausdruck „Wirrwarr" nicht gebrauchen — belastet sind. Wir wissen alle, daß eine rückwirkende Inkraftsetzung der Vorschriften nur dann zu verantworten ist, wenn wir die Steuervorlagen noch vor den Sommerferien verabschieden, — ein Wunsch, den ja der Herr Bundesfinanzminister ebenfalls vorgetragen hat.
    Nun zu den Vorlagen selbst! Namens meiner Fraktion kann ich erklären, daß wir sowohl die finanz- und steuerpolitische Grundhaltung und Zielsetzung dieser Vorlagen als auch die im einzelnen hineingearbeiteten steuerpolitischen Grundsätze im engeren Sinne in allen wesentlichen Zügen gutheißen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aus dieser grundsätzlichen Bejahung der Vorlagen kann selbstverständlich nicht der Schluß gezogen werden, all unsere steuerpolitischen Vorstellungen und Wünsche fänden darin ihre Erfüllung: Vielen — zum Teil sehr berechtigten — Verlangen konnte nur teilweise Rechnung getragen werden, andere konnten keine Berücksichtigung finden. Meine Parteifreunde, die nach mir sprechen, werden auf diese Anliegen noch im einzelnen zurückkommen. Die gemeinsame Verantwortung für den Ausgleich des Haushalts setzt leider auch der Erfüllung dieser Steuerwünsche Grenzen.
    Welches sind nun unsere Gründe für diese unsere grundsätzliche Zustimmung? Da möchte ich den Satz voraussteilen: Steuern und Steuergesetze sind niemals Selbstzweck, sie können sich also in bezug auf ihre Zweckbestimmung niemals an sich selbst orientieren; sie sind und bleiben immer nur Mittel um mitzuhelfen, die großen Zielsetzungen in den verschiedenen politischen Bereichen wie Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Familien- und Sozialpolitik zu verwirklichen. Ein in den Steuergesetzen enthaltener Dirigismus ist also ein Widerspruch in sich selbst und muß sich, wie wir es ja leider zur



    Neuburger
    Genüge erlebt haben, über kurz oder lang in negativem oder direkt schädlichem Sinne auswirken.
    Sie werden mir vielleicht entgegenhalten, das sei eine zu billige Wahrheit. Und doch erscheint es mir erforderlich, diesen Gesichtspunkt besonders herauszustellen. Denn auf Grund von über achtjähriger Erfahrung im Bundestag weiß ich, wie schwierig es ist, konsequent dieser sogenannten Binsenwahrheit entsprechend zu handeln. Keine Partei kann sich davon freisprechen, immer wieder nach Steuerdirigismus in der einen oder anderen Richtung gerufen zu haben oder den Steuerdirigismus mittelbar zum Vorspann wirtschaftspolitischer, allgemeinpolitischer oder sozialpolitischer Zielsetzungen gemacht zu haben.
    Da der wirtschaftende Mensch die Steuern aufbringen muß, steht die Steuerpolitik zwangsläufig in engster Tuchfühlung mit unserer Wirtschaftspolitik. Aus dieser Tatsache folgt, daß sich die Steuerpolitik der Wirtschaftspolitik nicht nur anzupassen, sondern einzuordnen, ja unterzuordnen hat, und nicht wie vielfach in der Vergangenheit — umgekehrt. Grundsatz einer guten und — gestatten Sie mir, daß ich den Ausdruck gebrauche — organischen Steuerpolitik muß also sein, den wirtschaftspolitischen Prinzipien nicht entgegenzuwirken, sondern sich diesen anzupassen und sie dynamisch zu ergänzen. Der gleiche Grundsatz muß im Bereich unserer Mittelstandspolitik, der Eigentumspolitik, der Wohnungs- und Familienpolitik als Teilen unserer Wirtschaftspolitik Anwendung finden.
    Nach dieser Gegenüberstellung ein offenes Wort. Gehen die Meinungen von Regierung und Opposition in diesen politischen Bereichen auseinander — was meistens der Fall ist —, so ist es zwangsläufig, daß die steuerlichen Folgerungen in verschiedene Richtungen gehen. Die unterschiedliche Beurteilung steuerlicher Maßnahmen ist daher zwangsläufig das Resultat der unterschiedlichen allgemeinen politischen Auffassung. Das Aufeinander und das Gegeneinander dürfen daher nicht schockieren und nicht erschrecken. Wer die sozialistische Wirtschaft anstrebt, muß sich zwangsläufig zu Steuersätzen bekennen, die Enteignungscharakter haben, um nur ein Beispiel anzuführen. Wer die Sozialisierung der Betriebe — ob der Großbetriebe oder mehr oder weniger aller Betriebe, ist gleich — anstrebt, muß ein Gegner der Förderung breiter Streuung des Eigentums an unseren Produktionsmitteln und damit Gegner der Förderung der Kleinaktie oder Volksaktie sein. Er muß insoweit auch die Abschaffung oder die Beschneidung der Doppelbesteuerung, die Herabsetzung der Doppelbesteuerung, angreifen.
    In der Regierungserklärung wurde die Forderung nach möglichst breiter Streuung des Eigentums erhoben. Der eine oder andere Sprecher wird das nachher wieder tun. Ich möchte daran erinnern, daß diese Forderung nicht erst in den letzten Monaten erhoben wurde. Ich habe bereits im 1. Bundestag von dieser Stelle aus ein Wort für die Aktie eingelegt. Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich das nochmals im Wortlaut vortrage:
    Wenn wir die Aktie einerseits als Mittel zur Beschaffung haftenden Kapitals und damit als Mittel individueller Eigentumsbildung an unserer Wirtschaft noch nicht hätten, so müßte die Schaffung der Aktie die sozialpolitische Forderung von heute erster Ordnung sein. Denn außer durch die Schaffung von Wohnungseigentum kann der Forderung: „Schafft individuelles Eigentum!" durch nichts besser gedient werden als durch die Förderung des Aktiengedankens. In einem Zeitalter, in dem wir, und zwar wir alle,
    — gleich, auf welcher Bank wir hier im Hause sitzen —
    zum Kampf gegen den Kollektivismus aufgerufen sind, geht es nicht an, mittels Steuergelder über staatliche Investierungen kollektives Eigentum zu schaffen. Das hieße, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben!
    Es gilt vielmehr, durch das Instrument der Aktie, insbesondere der Kleinaktie, über Privatinvestierungen die individuelle Möglichkeit zu schaffen, jedem einzelnen, der sparen will, zum Erwerb industriellen
    — und individuellen —
    Eigentums zu verhelfen.
    Das habe ich im Jahre 1953 von dieser Stelle aus ausgeführt.
    Die Steuern dürfen also niemals Selbstzweck sein, und die steuerlichen Vorschriften müssen in einer zweckbestimmten Abhängigkeit stehen. Die steuerliche Belastung muß dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und der steuerlichen Gerechtigkeit entsprechen. Vereinfachung der Steuergesetze, Gleichmäßigkeit der Besteuerung und Vermeidung von Steuerdirigismus sind also die engen und bleibenden Maximen jeder echten steuerlichen Reformbewegung.
    Ein wesentliches Handicap unserer Steuerpolitik sowohl des 1. als auch des 2. Bundestags bestand darin, daß sie zu sehr dirigistisch sein mußte. Die anomalen wirtschaftlichen Verhältnisse, der Zwang, wirtschaftlich sozusagen wieder ganz von unten anzufangen, verlangten auch auf steuerlichem Gebiet außerordentliche Maßnahmen. Niemand konnte sich im Interesse einer raschen Ankurbelung unserer Wirtschaft diesen. Forderungen entziehen.
    Der Versuch — zu Zeiten der sogenannten Großen Steuerreform; es sind jetzt vier Jahre her von diesem Steuerdirigismus wegzukommen, kam über die Anfänge leider nicht hinaus. Der Ruf nach Abschaffung bzw. Einschränkung sowohl gezielter steuerlicher Maßnahmen wie sonstiger Steuervergünstigungen war zwar allgemein, aber die wirtschaftlichen und sozialen Fakten, die weiterhin zu meistern waren — ich erinnere nur an den Wohnungsbau —, waren leider stärker, so daß trotz aller Einsicht und allen Verantwortungsbewußt-seins die notwendigen steuerlichen Konsequenzen nicht gezogen werden konnten. Hinzu kam die ständige Steigerung der Ausgaben. Wohl nur wenige



    Neuburger
    in diesem Hause werden sich davon freisprechen können, dazu nicht beigetragen zu haben. Die steigenden Ausgaben haben es von der Haushaltsseite her unmöglich gemacht, die berechtigten steuerlichen Reformwünsche zu erfüllen.
    So war zwar der Ruf nach Abschaffung oder wenigstens Einschränkung gezielter steuerlicher Maßnahmen und Steuervergünstigungen allgemein vorhanden; aber dabei blieb es auch. Die Wünsche — zum Teil völlig berechtigt, zum Teil weniger berechtigt — waren zu vielseitig.
    Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem Zwang zu einer Übergangsregelung müssen wir heute — und das wollen wir auch ganz ehrlich tun — feststellen, daß das Ergebnis der Bemühungen, die unter den Schlagworten Kleine Steuerreform, Große Steuerreform, Permanente Steuerreform erfolgten, in keiner guten Relation zu der aufgewendeten Arbeit und Zeit stand.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir wollen nun vor diesem Hintergrund die heutige Vorlage betrachten. Im Mittelpunkt dieses Reformwerks steht auf dem Gebiet der Einkommensteuer erstens ein zum Teil völlig neuer Tarifaufbau, zweitens der weitere Abbau der Vergünstigungen im Sektor der 7er-Paragraphen, drittens die Zurückführung der Bestimmungen des § 10 auf den Begriff der Sonderausgaben in ihrer klassischen Form; damit haben wir endgültig darauf verzichtet, über § 10 irgendeinen Steuerdirigismus zu treiben. Das ist gut so und ganz besonders zu begrüßen.
    Ein weiterer Hauptfaktor dieser Reform ist die Herbeiführung der Gleichmäßigkeit bei der Ehegattenbesteuerung durch Einführung des Splitting.
    Das immer wieder gestellte Verlangen, die Grundsätze der Steuervereinfachung, der Steuergleichmäßigkeit und der steuerlichen sozialen Gerechtigkeit ausschließlich im Tarif und im Tarifaufbau zu verankern, findet in dem vorgelegten Tarif eine möglichst weitgehende Realisierung. Nicht die Steuervergünstigungen und die sonstigen Ausnahmebestimmungen sind das Kernstück unserer künftigen Einkommensteuerregelung, sondern endlich wieder der Tarif.

    (Abg. Dr. Dresbach: Sehr gut!)

    Dieser Gesichtspunkt kann hier nicht stark genug herausgestellt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zu diesem Thema wird daher auch noch einer meiner Fraktionskollegen eingehend sprechen.
    Inwieweit finden nun die Grundsätze der von uns vertretenen Wirtschaftspolitik im allgemeinen — unserer Mittelstandspolitik, unserer Wohnungsbaupolitik, unserer Familienpolitik, unserer Sozialpolitik — in diesen Entwürfen nicht ihre dirigistische, sondern ihre organische Verwirklichung und inwieweit erscheinen angesichts dieser politischen Zielsetzung die noch verbleibenden Steuervergünstigungen — siehe § 7 c des Einkommensteuergesetzes und die Vergünstigungen für Flüchtlinge — begründet und berechtigt?
    Lassen Sie mich ein Wort vorausschicken. Unsere Wirtschaft und damit auch unsere Wirtschaftspolitik — steht unter dem Zwang, exportieren zu müssen, da wir im eigenen Wirtschaftsraum nicht autark sind. Diese Tatsache wird bei den wirtschaftspolitischen und damit auch bei den steuerpolitischen Überlegungen und Maßnahmen leider oft übersehen. Auch das ist — und diesmal muß ich „leider" sagen — eine Binsenwahrheit. Dieser Zwang zum Export bedeutet, ob wir wollen oder nicht, zugleich den Zwang zum Wettbewerb auf den internationalen Märkten. Das bedeutet den Zwang, sowohl im Preis wie in der Qualität wettbewerbsfähig zu sein. Auf die Dauer wettbewerbsfähig sind wir aber nur dann, wenn wir abgesehen von ausreichendem Arbeitseinsatz und ausreichendem Leistungswillen die betrieblichen und technischen Einrichtungen unseres Wirtschaftsapparates auf dem jeweils modernsten und rationellsten Stande halten. Das erfordert infolge der in der Wirtschaftsentwicklung liegenden Dynamik, die wiederum allein die Erhaltung und die Steigerung unseres Lebensstandards garantieren kann, im Klein-, Mittel- wie im Großbetrieb heute und morgen Kapital, Kapital und nochmals Kapital. Sie wissen alle, die kommunistischen Staaten machen sich diese Sache einfach. Sie drosseln gewaltsam den Konsum zugunsten staatlicher Kapitalbildung.
    Unsere wirtschaftspolitischen Ziele sind Erhaltung und Steigerung des Leistungswillens sowie technische Rationalisierung und Modernisierung. Ihnen gilt erstens die durch den Tarif vorgenommene generelle Senkung der Steuern einschließlich der Herabsetzung des Plafonds von 55 auf 53. Wir wollen also keine billigen Steuergeschenke machen, sondern die Plafondherabsetzung und die Steuersenkungen haben einen ganz entscheidenden wirtschaftspolitischen Zweck.
    Zweitens gilt diesem wirtschaftspolitischen Ziele die Legalisierung der degressiven Abschreibungen und ihre Ausdehnung auf alle beweglichen Anlagegüter,
    drittens die weitere Senkung der Körperschaftsteuer für ausgeschüttete Gewinne — u. a. zur Erleichterung der Eigenfinanzierung auf dem Wege über verantwortliches, d. h. über haftendes Kapital, und
    viertens die steuerrechtlichen Erleichterungen im Bereich der Vermögensteuer und der Verkehrsteuer.
    Wenn die Einkommen- und Körperschaftsteuern immer noch als direkte Steuern bezeichnet werden und damit die Vorstellung geweckt und genährt wird, als ob die Steuersätze in der Progression und in ihrer Spitze beliebig hoch sein könnten, ohne wirtschaftsschädliche Auswirkungen zu verursachen, so muß ich auch heute wieder, wie schon mehrmals von diesem Platze aus, darauf hinweisen, daß diese sogenannten direkten Steuern im Preis unseres Sozialprodukts echte Kosten- und Preiselemente darstellen.

    (Zustimmung in der Mitte.)




    Neuburger
    Sie sind im Preis enthalten, 01) Sie das wahrhaben wollen oder nicht.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Lohnsteuer als Bestandteil des Bruttolohnes

    (Abg. Seuffert: Ist doch kein Kostenfaktor des Unternehmers!)

    ist ein Faktor, der im Preis enthalten ist.

    (Abg. Seuffert: Es ist doch keine Steuer des Unternehmers!)

    - Ob sie im Preis enthalten ist, darum geht es.
    Die auf den Gewinn entfallenden Steuern als Erlösbestandteile sind ebenfalls im Preis enthalten. Niemand kann das im Ernst bestreiten.