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ID0301500900

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    Deutscher Bundestag 15. Sitzung Bonn, den 28. Februar 1958 Inhalt: Zur Tagesordnung: Arndgen (CDU/CSU) 687 A Vizepräsident Dr. Jaeger 687 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (CDU/CSU, SPD) (Drucksachen 240, 222) 687 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr Privatrechtliches Fernsehen (Drucksache 153) Kühn (Köln) (SPD) 688 A, 720 A Stücklen, Bundesminister 693 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) . 695 B Euler (DP) 698 B Zoglmann (FDP) 700 D Blachstein (SPD) 705 B, 725 A Dr. Schröder, Bundesminister . 710 D, 722 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 713 A Schmücker (CDU/CSU) 715 B Dr. Görgen (CDU/CSU) 718 B Antrag der Fraktion der SPD betr. Erleichterung der Einreise in die Bundesrepublik (Drucksache 152) 725 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache 135) — Zweite und Dritte Beratung — 725 D Nächste Sitzung 725 D Anlagen 727 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1958 687 15. Sitzung Bonn, den 28. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 28. 2. Frau Albrecht 3. 3. Altmaier 28. 2. Arndgen 28. 2. Dr.-Ing. e. h. Arnold 28. 2. Dr. Atzenroth 28. 2. Dr. Baade 28. 2. Dr. Barzel 28. 2. Bazille 18. 3. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Behrisch 28. 2. Benda 28. 2. Berendsen 28. 2. Birkelbach *) 28. 2. Dr. Birrenbach *) 28. 2. Conrad *) 28. 2. Dr. Dahlgrün 28. 2. Dr. Deist *) 28. 2. Dr. Dittrich 28. 2. Dr. Dollinger *) 28. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Eilers (Oldenburg) 28. 2. Even (Köln) 28.2. Faller 7. 3. Felder 31.3. Frehsee 28. 2. Frau Friese-Korn 28. 2. Funk 28. 2. Dr. Furler *) 28. 2. Dr. Gleissner (München) 28. 2. Gottesleben 28. 2. Dr. Greve 28.2. Dr. von Haniel-Niethammer 28. 2. Dr. Harm 28. 2. Heiland 28. 2. Hellenbrock 24. 3. Dr. Hesberg 28. 2. Hesemann 28. 2. Dr. Höck 10. 3. Holla 28. 2. Hörauf 28. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Huth 28. 2. Illerhaus 28. 2. Jacobi 28. 2. Jacobs 12. 3. Dr. Jordan 28. 2. Jürgensen 31.3. Kiesinger 28. 2. Könen (Düsseldorf) 28.2. Dr. Kopf *) 28. 2. Dr. Kreyssig *) 28. 2. Kühlthau 28. 2. Kühn (Bonn) 28.2. Kunze 28. 2. Kurlbaum 28. 2. *) für die Teilnahme an der Tagung ,der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Anlagen zum Stenographischen Bericht Leber 28. 2. Lenz (Brühl) *) 28. 2. Dr. Leverkuehn 28. 2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Ludwig 28. 2. Mellies 8. 3. Mensing 28. 2. Dr. von Merkatz *) 28. 2. Metzger *) 28. 2. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Müller (Erbendorf) 28. 2. Müser 28. 2. Neuburger 28. 2. Frau Niggemeyer 28. 2. Dr. Oesterle*) 28. 2. Oetzel 28. 2. Ollenhauer *) 28. 2. Paul 28. 2. Pelster *) 28. 2. Dr. Philipp *) 28. 2. Pöhler 28. 2. Prennel 28. 2. Dr. Preusker 28.2. Rademacher 28. 2. Rasch 28. 2. Reitzner 28. 2. Dr. Rüdel (Kiel) 8. 3. Scheel *) 28. 2. Schreiner 28. 2. Seidl (Dorfen) 28.2. Seuffert 28. 2. Dr. Seume 28.2. Siebel 1. 3. Dr. Siemer 28.2. Solke 28. 2. Stahl 28. 2. Stauch 28. 2. Frau Dr. Steinbiß 28. 2. Stenger 15. 3. Stiller 28. 2. Frau Strobel 28. 2. Vogt 28. 2. Wacher 28. 2. Wagner 28. 2. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 28. 2. Wehner *) 28. 2. Weimer 28. 2. Anlage 2 Drucksache 240 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung (7. Ausschuß) über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (Drucksache 222) Berichterstatter: Abgeordneter Jahn (Marburg) Der Gesetzentwurf Antrag Drucksache 222 ist von der Vollversammlung des Bundestages in der Sitzung am 27. Februar 1958 dem Ausschuß für 728 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1958 Wiedergutmachung zur Beratung überwiesen worden. Der Ausschuß legt hiermit seinen Schriftlichen Bericht vor. Der Antrag sieht eine Verlängerung der Anmeldefristen des Bundesrückerstattungsgesetzes, die nach der geltenden Fassung am 1. April 1958 ablaufen würden, bis auf den 31. Dezember 1958 vor. Diese Verlängerung erscheint notwendig, da durch die Verzögerung bei der Verabschiedung des Gesetzes die Anmeldefrist nur etwas über sieben Monate (23. Juli 1957 bis 31. März 1958) beträgt. Diese Frist ist um so eher zu kurz, als es sich bei der Rückerstattung um zum Teil schwierige Rechtsfragen handelt. Die Änderung des § 30 des Bundesrückerstattungsgesetzes (Artikel 1 Nr. 6) sieht u. a. vor, daß eine Anmeldung bei einer Entschädigungsbehörde auch dann noch als fristwahrend angesehen wird, wenn sie nach Ablauf der Anmeldefrist des Bundesentschädigungsgesetzes bis zum 31. Dezember 1958 bei einer Entschädigungsbehörde erfolgt. Gegen diese Bestimmung sind zunächst von seiten des Bundesministeriums der Finanzen Bedenken erhoben worden, weil nach Ablauf der Anmeldefristen des Bundesentschädigungsgesetzes am 1. April 1958 die Entschädigungsbehörden nunmehr bei jeder neuen Anmeldung prüfen müßten, ob es sich bei dem angemeldeten Anspruch um einen Entschädigungsanspruch oder um einen rückerstattungsrechtlichen Anspruch handele. Der Ausschuß hat diese Bedenken eingehend geprüft, hält sie aber nicht für durchschlagend. In weiten Kreisen der Wiedergutmachungsberechtigten herrscht noch heute Unklarheit darüber, welche Ansprüche unter das Entschädigungsrecht und welche Ansprüche unter das Rückerstattungsrecht fallen. Nach Ansicht des Ausschusses kann es daher nicht zu Lasten des Berechtigten gehen, wenn dieser sich über die Rechtsnatur seines Anspruches irrt. Im übrigen ist an eine Verlängerung der Fristen aus dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) nicht gedacht. Daneben sieht der Entwurf auch eine Änderung des § 11 Nr. 6 des Bundesrückerstattungsgesetzes vor (Artikel 1 Nr. 1). Diese Änderung erscheint dem Ausschuß aus Billigkeitsgründen notwendig, da durch das 8. Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes, das am 2. August 1958, also zehn Tage nach Verkündung des Bundesrückerstattungsgesetzes, in Kraft getreten ist, eine Verbesserung der Stellung der Altsparerentschädigungsberechtigten eingetreten ist. Ohne die vorgesehene Änderung würde sich diese Verbesserung zugunsten der Rückerstattungsberechtigten nicht auswirken. Der Ausschuß hat den Gesetzentwurf einstimmig gebilligt. Bonn, den 27. Februar 1958 Jahn (Marburg) Berichterstatter Anlage 3 Umdruck 18 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 153) betr. Privatwirtschaftliches Fernsehen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. eine gesetzliche bzw. soweit erforderlich eine staatsvertragliche Regelung auf dem Gebiet des Rundfunkwesens anzubahnen, bei der u. a. in Betracht gezogen werden sollte, unter welchen Voraussetzungen und Auflagen, in welchem Umfang und an wen Sendelizenzen erteilt werden dürfen. Das Ziel sollte u. a. ein zweites Programm sein, das nicht durch die bestehenden Rundfunkanstalten veranstaltet wird; 2. bis zu dieser Regelung alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, Rundfunk und Fernsehen zunächst von der Geschäftswerbung freizuhalten; 3. für den Fall, daß die Bundesregierung die Einführung von Geschäftswerbung in Funk und Fernsehen im Rahmen der Regelung unter Nummer 1 für tunlich oder unabweisbar hält, folgende Fragen zu klären und darüber dem Bundestag zu berichten, a) wie jeder Mißbrauch, insbesondere jede nachteilige Auswirkung auf das Programm, ausgeschaltet werden kann. b) wie ungünstige Folgen für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Struktur verhindert werden können; 4. durch die Deutsche Bundespost die technischen Vorbereitungen für die Ausstrahlung eines zweiten Fernsehprogramms treffen zu lassen. Bonn, den 26. Februar 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
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    Rede von Dr. Otto Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Große Anfrage der SPD über den informatorischen Zweck hinaus eine politische Gestaltung, einen Schritt nach vorn auslöst, dann hat sie ihren Sinn erfüllt. Insofern können wir nur dankbar sein für die Initiative der SPD, als sie früher, als es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre, eine actio im Sinne einer politischen Gestaltung bei den Koalitionsparteien ausgelöst hat. Ich habe die Ehre, dem Hohen Hause einen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der DP zu unterbreiten und zu begründen, der Ihnen auf Umdruck 18 heute auf
    die Pulte gelegt worden ist. Wir bitten, diesen Antrag dem zuständigen Ausschuß zu überweisen, damit er dort gründlich beraten werden kann.
    Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat folgenden Wortlaut:
    Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht,
    1. eine gesetzliche bzw., soweit erforderlich, eine staatsvertragliche Regelung auf dem Gebiet des Rundfunkwesens anzubahnen, bei der u. a. in Betracht gezogen werden sollte, unter welchen Voraussetzungen und Auflagen, in welchem Umfang und an wen Sendelizenzen erteilt werden dürfen. Das Ziel sollte u. a. ein zweites Programm sein, das nicht durch die bestehenden Rundfunkanstalten veranstaltet wird;

    (Abg. Könen [Düsseldorf]:: Können wir uns das nicht sparen?)

    2. bis zu dieser Regelung alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, Rundfunk und Fernsehen zunächst von der Geschäftswerbung freizuhalten;
    3. für den Fall, daß die Bundesregierung die Einführung von Geschäftswerbung in Funk und Fernsehen im Rahmen der Regelung unter Nummer 1 für tunlich oder unabweisbar hält, folgende Fragen zu klären und darüber dem Bundestag zu berichten,
    a) wie jeder Mißbrauch, insbesondere jede nachteilige Auswirkung auf das Programm ausgeschaltet werden kann,
    b) wie ungünstige Folgen für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Struktur verhindert werden können;
    4. durch die Deutsche Bundespost die technischen Vorbereitungen für die Ausstrahlung eines zweiten Fernsehprogramms treffen zu lassen.
    — Herr Kollege, ich glaube, auch die Offentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, was in diesem Antrag steht, um den Verhandlungen in diesem Hause folgen zu können.

    (Zurufe von der SPD: Wir können nicht jeden Antrag vorlesen!)

    Der Antrag der Koalition zu Ziffer 1 spricht mit Vorbedacht nicht von einem Rundfunkgesetz — darum hat sich das Hohe Haus in zwei Legislaturperioden vergeblich bemüht —, er spricht von einer „gesetzlichen bzw., soweit erforderlich, einer staatsvertraglichen Regelung auf dem Gebiet des Rundfunkwesens". Und das heißt nun nicht, daß wir ein perfektionistisches Bundesrundfunkgesetz brauchen, das alle Streitfragen und Meinungsverschiedenheiten, die zwischen Bund und Ländern in Ansehung des außerordentlich schwierigen Komplexes bestehen, regelt, sondern das heißt, daß nun endlich einmal die im Grundgesetz geregelte ausschließ-



    Dr. Schmidt (Wuppertal)

    liche Bundeskompetenz gesetzlich angesprochen und das unabweisbar Notwendige geregelt werden muß, um dem Bund zu geben, was des Bundes ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was auf diesem Gebiet durch sehr verschiedenes Besatzungsrecht von drei Besatzungsmächten, durch Länderrecht vor und nach Inkrafttreten des Grundgesetzes an Verwirrung ausgelöst worden ist, übersteigt nachgerade jedes erträgliche Maß. Das bezeugt am besten die Fülle der Literatur, die Fülle der Gutachten und das fast unübersehbare Bündel von Streitfragen. Es würde zu weit führen, hier auch nur die elementarsten Probleme aufzuzeigen. Das Entscheidende für uns im Deutschen Bundestag ist, daß einmal die in Art. 73 Nr. 7 des Grundgesetzes angesprochene ausschließliche Zuständigkeit des Bundes, nämlich seine Funkhoheit, unbestreitbar umrissen wird. Auch die Länder, auch die Rundfunkanstalten, die sich darauf berufen, -die Funkhoheit der Bundesrepublik sei erloschen, können nicht bestreiten, daß die Alliierte Hohe Kommission, als sie ihnen die Ausübungsmöglichkeiten übertrug, sich selbst die Funkhoheit vorbehalten hat und auch selbst von dieser Funkhoheit entsprechenden Gebrauch gemacht hat. So kann nicht zweifelhaft sein, daß nach Art. 73 Nr. 7 des Grundgesetzes diese Funkhoheit beim Bund liegt und daß insbesondere nach der Wiederherstellung der deutschen Souveränität auch die Rechte der Alliierten Hohen Kommission auf die Bundesrepublik übergegangen sind. Ebensowenig kann man bestreiten, daß das Fernmeldeanlagengesetz nach wie vor in Kraft ist. Wir sind schon der Meinung, daß, wenn die Uneinsichtigkeit auf den verschiedensten Seiten weiterhin jeder verständigen gesetzlichen oder staatsvertraglichen Regelung im Wege stehen sollte, gegebenenfalls auch von den Exekutivmöglichkeiten, die die Gesetzgebung gibt, Gebrauch gemacht werden müßte.
    Das Besatzungsrecht auf dem Gebiete des Rundfunkwesens muß jedenfalls abgelöst werden. Es bezweckte seinerzeit, die nationalsozialistisch-staatliche Einheitsorganisation als Machtinstrument zu zerschlagen. Jeder überzeugte Anhänger einer rechtsstaatlichen und freiheitlichen Ordnung konnte damit nur einverstanden sein und muß auch heute damit einverstanden sein und wird es auch in der Zukunft sein müssen. Alsdann wurde nach dem Willen der Besatzungsmächte ein regionales, selbständiges Anstaltssystem aufgebaut. Auch das entsprach der damaligen politischen Entwicklung, und niemand denkt daran, dieses regionale Anstaltssystem anzutasten.
    Aber, Herr Kollege Kühn, es kann nicht bestritten werden, daß die politische Entwicklung inzwischen weitergegangen ist, daß die Länder den Bund geschaffen haben, daß der Bund nun über die Gesichtspunkte der Länder hinaus das deutsche Volk als Ganzes zu repräsentieren hat, und zwar als Ganzes auch hinsichtlich unserer Brüder und Schwestern, die durch einen Staatsnotstand von uns getrennt sind. Es kann niemand bestreiten, daß der Bund nun seine Beziehungen zur Welt aufgenommen hat und daß auch von daher begründete Gesichtspunkte und Ansprüche gestellt sind. Das verpflichtet uns geradezu, dem Bunde zu geben, was des Bundes ist.
    Herr Kollege Kühn, es geht nicht darum, der jeweils führenden Gruppe ein Machtinstrument in die Hand zu geben. Nichts wäre verhängnisvoller; das würde das Grundgesetz eklatant verletzen. Aber es geht darum, eine Organisation auf Bundesebene zu schaffen, die unabhängig und frei das ganze deutsche Volk anspricht und in seinen vielfältigen Meinungen und Auffassungen im Rahmen des Grundgesetzes seine schöpferischen Leistungen auch über die Grenzen hinaus als Ganzes vertritt und ihnen würdigen Ausdruck verleiht.

    (Abg. Blachstein: Meinen Sie einen Bundessender?)

    — Jawohl, einen Bundessender, aber nicht in der Organisationsform, in der Sie es meinen. Wie die Organisation erfolgt, das kann hier völlig offenbleiben. Mannigfache Formen bieten sich an. Das ist hier nicht das Entscheidende. Die Kulturhoheit der Länder wird dadurch unseres Erachtens nicht berührt. Kulturhoheit ist ja dann ein Widerspruch in sich selbst, wenn diese, Hoheit etwa eine Hoheit über das Programm, über die künstlerischen, wissenschaftlichen und volksbildnerischen Äußerungen über das Mikrophon sein soll; denn diese Äußerungen sind nach dem Grundgesetz frei, und niemand, auch die Länder nicht, auch der Bund nicht, niemand hat ein Hoheitsrecht über diese Äußerungen durch das Mikrophon. Hoheit meint doch öffentlich-rechtliche Vollmacht, zu erlauben, zu genehmigen, zu versagen. Hinsichtlich dieser künstlerischen, wissenschaftlichen und sonstigen volksbildnerischen Äußerungen hat der Staat überhaupt nichts zun tun. Er hat nur über eins zu wachen. Er hat darüber zu wachen, daß das Grundgesetz nicht verletzt wird. Darüber hat der Bund auf der Bundesebene selbst zu wachen. Dessen kann er sich nicht begeben, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 30 des Grundgesetzes. Es wäre ja auch widersinnig, wenn die große Zahl der Länder etwa als Kollektivgremium die Einhaltung des Grundgesetzes auf der Bundesebene zu überwachen hätte.
    Den Ländern, insbesondere den bestehenden Rundfunkanstalten, soll durch unseren Antrag nichts genommen werden, was ihnen gerechterweise gebührt. Daher streben wir sehr wohl, soweit erforderlich, staatsvertragliche Verhandlungen an, allerdings in der Hoffnung, daß sie nicht weitere vier Jahre vergeblich geführt werden und daß auch die Rundfunkanstalten einsehen, daß hier eine Neuordnung unabweisbar ist.
    Die regionalen Rundfunkanstalten tun ihren notwendigen Dienst. Aber ihr Monopol, meine Damen und Herren, ist vom Übel.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie scheffeln die ständig wachsenden Gebühren risikolos in ihre Scheuern, ohne daß sie nach Leistung und Gegenleistung zu fragen brauchen. Es kann ihnen gleichgültig sein, wer aus welchem Grunde vom Rundfunk abspringt. Mit der Leistung jedes Monopolinhabers — und das gilt auch für



    Dr. Schmidt (Wuppertal)

    die bestehenden Rundfunkanstalten — muß man sich abfinden, ob sie gut oder schlecht ist,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Leider!)

    und jeder, der dem Monopolinhaber dient, ist ausschließlich auf seine Loyalität angewiesen.
    Das ist der Grund, weshalb wir in Ziffer 1 unseres Antrags ein zweites Programm fordern, auf das unser Volk seit langem einen Anspruch hat,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    und zwar ein zweites Programm, das nicht über die bestehenden Rundfunkanstalten ausgestrahlt und von ihnen veranstaltet wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das bedeutet aber nicht, daß das etwa in privater Hand und verbunden mit einem kommerziellen Fernsehen geschehen müsse. Das ist eine ganz andere Frage,

    (Abg. Schmücker: Sehr richtig!)

    und das spricht dieser Antrag überhaupt nicht an.

    (Abg. Blachstein: Wer soll denn bezahlen?)

    — Wir haben ja eine Gebührenhoheit des Bundes; darauf komme ich gleich noch zu sprechen, Herr Kollege.
    Ich war sehr überrascht, heute morgen, als ich mir die Frankfurter Allgemeine Zeitung kaufte, die Überschrift zu sehen: Ein privates Fernsehprogramm von der Regierungskoalition beantragt. Wer lesen kann, der muß objektiv feststellen, daß davon in diesem Antrag nicht die Rede ist und auch nicht die Rede sein kann.
    Wir haben zunächst einmal die Frage der Geschäftswerbung durch Rundfunkanstalten anzusprechen. Mit der Geschäftswerbung haben ja die bestehenden Rundfunkanstalten begonnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Diese Entwicklung bedauern wir mit einem großen Teil der Bevölkerung, die sich nämlich für ihr eigenes Geld nicht auch noch Werbung aufnötigen lassen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist doch die Grundfrage, und das spricht die Anfrage der SPD mit keinem Worte an. Etwas ganz anderes ist es, wenn keine Empfangsgebühren erhoben werden. Jedermann weiß, daß man nichts umsonst haben kann. Wenn man nicht bereit ist, eine Empfangsgebühr zu zahlen, muß man die Werbung eben in Kauf nehmen. Durch das Vorgehen der bestehenden Rundfunkanstalten ist die Rechts- und Wirtschaftsgrundlage verschoben worden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das ist der Sinn unseres Antrags unter Ziffer 2. Die Entwicklung droht hier jetzt alles zu präjudizieren. Einige Rundfunkanstalten sind vorangegangen, und diejenigen, die widerstanden haben, fühlen sich nun durch irgendwelche Gerüchte über die
    Einführung eines privaten Werbefernsehens veranlaßt, denen zu folgen, die vorangegangen sind.

    (Zuruf von der Mitte: Es wird der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben!)

    Wir würden tatsächlich, Herr Kollege Kühn, überfahren werden, wenn wir nicht zunächst hier gemeinsam dem Willen Ausdruck gäben, daß die Entwicklung der Tatsachen nicht in Zukunft alles Weitere präjudiziert, daß einmal die Grundfrage überhaupt, ob sich Funk und Fernsehen für die Geschäftswerbung eignen, in einer gesetzlichen oder staatsvertraglichen Regelung geklärt wird.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Ziffer 2 spricht von allen Möglichkeiten, die die Bundesregierung ausschöpfen soll. Es ist sicherlich zu fragen, welche Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten werden bei dem Rechtswirrwarr, der besteht, und bei der höchst unterschiedlichen Regelung nach den verschiedenen Seiten hin verschieden sein. Aber wir denken in allererster Linie an die Gebühren. Nach der herrschenden Meinung in der Literatur liegt die Gebührenhoheit beim Bunde. Die Gebühren werden für die Empfangsanlagen als Konzessionsgebühren erhoben, und von da her ist auch hoheitlich die Möglichkeit eines Eingriffs, soweit es die vertragliche Regelung gestattet. Aber soweit die Landesrundfunkgesetze die Gebührenhoheit des Bundes nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes tangieren, sind sie zweifellos gegenstandslos und nichtig geworden.
    Im übrigen meine ich: was den Rundfunkanstalten erlaubt ist, das sollte jedem anderen Sendelizenzinhaber billig sein. Die Frage der Geschäftswerbung in Funk und Fernsehen scheint uns in ihren Vorausetzungen und in ihren Folgen noch ungeklärt zu sein. Hier mögen uns die Erfahrungen in anderen Ländern dienen. Sicher ist, daß sie nicht ohne weiteres übertragen werden können. Wir müssen in diesem Zusammenhang aber auch die Einwirkungsmöglichkeiten aus dem Ausland berücksichtigen. Ich denke z. B. an die neue Maßnahme von Radio Luxemburg. Wir müssen daran denken, daß wir in einen Gemeinsamen Europäischen Markt hineingehen und daß auch international in diesem Gemeinsamen Markt möglichst gleichmäßige und gleichwertige Vorstellungen über den Funk und das Fernsehen als Mittel der Werbung bestehen sollten und müssen.
    So ist vieles zu prüfen. Ich meine -- und ich glaube, darin stimme ich mit dem größeren Teil der Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion überein —, daß zunächst einmal geprüft werden muß, welche geistigen, welche seelischen und sittlichen Auswirkungen die Geschäftswerbung über Funk und Fernsehen auf Erwachsene und Kinder haben kann. Hier sind sicherlich unübersteigbare Grenzen geboten. Es kann aber sein — und, Herr Kollege Kühn, ich bin überrascht, daß Sie in dieser Hinsicht den englischen privaten Werbefernsehsender offenbar abwerten —, daß sich diese Grenzen ziehen lassen. Ich habe mit Interesse in diesen Tagen die Bestimmungen der Television Act über die Einrichtung von ITA gelesen und festgestellt, daß darin



    Dr. Schmidt (Wuppertal)

    sehr sorgfältig Mißbrauchsmöglichkeiten nicht nur angesprochen, sondern mit Machtmöglichkeiten ausgeschaltet werden, die wir unseren bestehenden Rundfunkanstalten gegenüber jedenfalls nicht haben.

    (Abg. Kühn [Köln]: Haben Sie auch jemals in der Realität gesehen, was dabei herauskommt?)

    — Ich bin gern bereit, mich auch darüber zu informieren, wie es in der Praxis aussieht. — Das Problem, Herr Kühn, ist für uns alle so ernst und so wichtig, daß wir uns in diesem Zeitpunkt unter keinen Umständen präjudizieren lassen hinsichtlich der Einführung eines privaten Werbefernsehens.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Daraus ist die Ziffer 3 zu begründen mit den beiden dort aufgeführten Fragen, auf die ich um so weniger einzugehen brauche, als dort alle diese Fragen angesprochen sind, wie z. B. die mittelständische Wirtschaft in unserer gesellschaftlichen Struktur gewahrt werden kann, wie insbesondere der Mißbrauch auch der Programmgestaltung ausgeschaltet werden kann usw.
    Die Ziffer 4 unseres Antrages will die Funkhoheit mit ihren notwendigen technischen Voraussetzungen für das zweite Programm im Fernsehen wieder fest in die leistungsfähige, bewährte und vertrauenswürdige Hand der Bundespost legen. Nur so kann die notwendige Ausgewogenheit der Kräfte zwischen Bund und Ländern erreicht werden. Die technischen Vorbereitungen nehmen geraume Zeit in Anspruch. Bis dahin sollten wir unsere Pflicht tun und die rechtlichen Voraussetzungen für das zweite Programm schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kühn hat seine Ausführungen vornehmlich auf den Begriff der Kulturhoheit der Länder gestützt und sich dabei auf Art. 30 des Grundgesetzes berufen. Wer Art. 30 des Grundgesetzes liest, wird darin nichts von Kulturhoheit finden, denn es ist darin einfach gesagt:
    Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.
    Nun hat aber, Herr Kollege Kühn, das Grundgesetz für den gesamten Bereich der Kultur eine außerordentlich wichtige, die wichtigste Regelung überhaupt getroffen, die man sich vorstellen kann, und zwar mit den Artikeln 4 und 5, die die Magna Charta des gesamten Kulturlebens darstellen. Denn was gäbe es in unserer Demokratie, im gesamten demokratischen Bereich der Welt für den Sektor Kultur Grundlegenderes als jenes in Art. 5 des Grundgesetzes festgelegte Prinzip, wonach Kunst
    und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind? Das ist doch das eine, was im Zusammenhang mit Fernsehen ebenso wie mit Rundfunk und Zeitungswesen zu beachten ist.
    Bei dem anderen Prinzip, das in Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes seinen Niederschlag gefunden hat, handelt es sich um die Informationsfreiheit und die darauf beruhende Freiheit der Meinungsbildung und Meinungsäußerung. Danach kann man, wenn man von Kulturhoheit überhaupt sprechen will, nur von einer Kulturhoheit des Bundes sprechen insofern, als der Bund lediglich darüber zu wachen hat, daß die Prinzipien der Freiheit, der freien Information, der freien Meinung und ihrer Äußerung, der Freiheit der Kunst und Wissenschaft, der Forschung und der Lehre nicht verletzt werden. Der Bund hat keineswegs eine positive Kulturhoheit etwa in dem Sinne, daß er auf diesem Gebiet etwas zu verfügen hätte. Es gibt im Bereich der Kultur nur e i n Prinzip, nur eine Hoheit: das ist die der Freiheit der eigenschöpferischen Persönlichkeit. Es sind alle diejenigen Störungen abzuwehren, die diese Hoheit beschränken könnten. Darum geht es dem Grundgesetz. Der Wahrer dieser Freiheit zur Abwehr von Störungen, die sie behindern, ist der Bund, es können niemals die Länder sein.
    Herr Kollege Kühn ist also sehr schlecht beraten, wenn er seine Ausführungen auf eine angebliche Kulturhoheit der Länder stützt, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Nach dem heutigen Inhalt des Grundgesetzes gibt es lediglich für den beschränkteren Bereich des Schul- und Erziehungswesens die Gesetzgebungskompetenz der Länder, und zwar in Ermangelung einer ausdrücklichen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes.
    Warum sprach eigentlich Herr Kollege Kühn so ausschweifend von der Kulturhoheit der Länder? Anscheinend wollte er vergessen machen, daß ein Monopol in Anspruch genommen wird, das die Länder, nachdem sie es auf dem Gebiete des Rundfunks praktisch haben, nun auch für den Bereich des Fernsehens haben wollen.
    Hier besteht allerdings ein prinzipieller Unterschied. Der Rundfunkempfang ist schon aus technischen Gründen sehr viel freier, viel weniger regional gebunden, als der Fernsehempfang nicht nur heute ist, sondern wahrscheinlich noch für sehr lange Zeit sein wird. Der Rundfunkhörer ist im hessischen Bereich nicht von Radio Frankfurt abhängig. Er kann eine relativ große Zahl deutscher Sender hören, auch wenn er nur ein verhältnismäßig billiges und wenig leistungsfähiges Empfangsgerät besitzt. Der Empfänger des Fernsehens ist jedoch auch mit dem besten und teuersten Empfangsgerät, das heute zu haben ist, auf seinen regionalen Sender angewiesen, und an den Empfang ausländischer Sendungen im deutschen Bereich ist gar nicht zu denken.
    Nun hört man mancherlei Argumente von den Verfechtern dieses Monopols für die Rundfunkgesellschaften. Sie gehen daran vorbei, daß nach unseren demokratischen Anschauungen und auch nach



    Euler
    dem Inhalt des Grundgesetzes jedes Monopol auf dem kulturellen Gebiet nicht nur undemokratisch, sondern auch unmoralisch ist. Es muß als verfassungswidrig bezeichnet werden, den Rundfunkgesellschaften neben dem bisherigen Monopol auch noch das Monopol für die Fernsehprogramme zu belassen.
    Unter den vielen schlechten Argumenten, die für die schlechte Sache dieses Fernsehmonopols geltend gemacht werden, gibt es zwei, die einander ausschließen. Von den Verfechtern wird nämlich einerseits gesagt, es bestehe überhaupt kein Monopol, während andererseits gesagt wird — und das hat auch Herr Kollege Kühn gesagt —, das Monopol sei erforderlich, um das Niveau der Sendungen zu halten.
    Was zunächst das Bestreiten des Vorliegens eines Monopols betrifft, so darf ich darauf aufmerksam machen, daß das Bundesgebiet nach dem Fernsehvertrag vom 27. März 1953 in neun Parzellenmonopole — darf man wohl sagen —, in neun Teilgebietsmonopole aufgeteilt ist und daß diese neun Teilbereichsmonopolgesellschaften zu einer das Gesamtgebiet umfassenden Monopolsendeorganisation verbunden sind. Sie betreiben ein Programm aus sieben Studios, die einander abwechseln, und jeder Fernsehzuschauer oder Fernsehhörer im gesamten Bundesgebiet kann nur ein Programm empfangen.
    Wie nachteilig sich das Fehlen eines Wettbewerbs auswirkt, ist u. a. daran zu sehen, daß die Verteilung der Programme auf die Studios schon seit Jahren nach demselben Schlüssel festgelegt ist. Für den Anteil der einzelnen Rundfunkanstalten an den Werbungen ist nicht eine wachsende Qualität oder ein Qualitätsverlust bei den einzelnen Anstalten entscheidend, sondern es ist ein Schlüssel festgelegt, wonach 46 % dem Nord- und Westdeutschen Rundfunkverband, 18 % dem Bayerischen Rundfunk und je 9% den vier Rundfunkanstalten Hessen, Süddeutschland, Südwestdeutschland und Sender Freies Berlin zustehen. Schon allein eine derartige schematische Abwicklung zeigt, wie nachteilig sich die mangelnde Konkurrenz in der Erstarrung des ganzen Sendesystems auswirkt.
    Wenn das zweite Programm von denselben Rundfunkgesellschaften gesendet würde, so wie das im Rundfunk ja schon getan wird — dort wird neben dem sogenannten ersten Programm ein etwas anders zusammengesetzes zweites Programm gesendet; dieses Prinzip des zweiten Programms wird von ihnen nun auch für das Fernsehen entwickelt werden —, würde das durchaus keine Brechung des Monopols bedeuten; das wäre nur ein abgewandeltes Muster. Es wäre nicht ein qualitativ anderes, sondern lediglich ein anders zusammengesetzes Programm, und beide Programme blieben in der Hand desselben Apparats. Damit würde die Macht des Monopols nur gestärkt, sie würde nur wachsen.
    Wir sind entschieden der Meinung, daß es erforderlich ist, diesen gegenwärtigen monopolistischen Zustand zu überwinden. Wir sind es auch deswegen, weil wir nicht der Auffassung sein können, daß gerade der Wettstreit der weiteren Entwicklung des Fernsehens unzuträglich wäre. Wie sollte gerade auf dem Gebiete des Fernsehens der Wettstreit ein schädliches, leistungsminderndes Prinzip sein, während auf allen anderen kulturellen Gebieten der Wettstreit sich immer wieder als ein positives, antreibendes, leistungssteigerndes Moment erweist.
    Im 17. Jahrhundert hat das Zeitungswesen in Deutschland damit angefangen, daß es, weil man die Presse für etwas sehr Gefährliches hielt, in bestimmten Gegenden oder Städten nur eine, öffentlich lizenzierte und überwachte, streng zensurierte Zeitung gab. Es hat etwa 2 1/2 Jahrhunderte gedauert, bis sich das Prinzip der Pressefreiheit durchgesetzt hat, bis man zu der Erkenntnis kam, daß es sowohl für die Öffentlichkeit wie für die Entwicklung des Pressewesens selbst nicht schädlich ist, Wettstreit durch freies Nebeneinanderbestehen mehrerer Zeitungen innerhalb derselben Region oder innerhalb derselben Stadt zu haben. Weder das Wachstum noch das geistige Niveau des Zeitungswesens ist durch das Prinzip der Freiheit bedroht worden; und so war es auf allen Gebieten.
    Nichts ist uns selbstverständlicher als die Erfahrung, daß nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im geistigen und kulturellen und auch im politischen Bereich der Wettstreit leistungssteigernd wirkt. Da macht sich Herr Kühn plötzlich anheischig, uns vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Das kann ihm natürlich nicht gelingen.
    Es wird gesagt, ein vom Massengeschmack unabhängiges Programm hohen kulturellen Niveaus könne sich nur auf den heutigen monopolistischen _Zustand stützen. Dann müßten wir ja den Zustand eines hohen Leistungsniveaus haben. Denn die Rundfunkgesellschaften sind ja heute ohne Wettbewerb und haben ungeteilt die Gebühren der Fernsehteilnehmer. Sie haben keine Konkurrenten neben sich. Trotzdem besteht Einhelligkeit darüber, daß das deutsche Fernsehprogramm dieser neun Teilmonopolisten, in einer monopolistischen Sendeorganisation zusammengefaßt, schlechter, als es heute ist, nicht sein kann. Natürlich ist aller Anfang schwer, und wir wollen gar nicht bestreiten, daß ganz außerordentliche Schwierigkeiten zu überwinden waren, um den heutigen Zustand zu erreichen. Wir würdigen auch durchaus die Leistung der Rundfunkgesellschaften, die in der bisherigen Entwicklung zutage getreten ist. Aber wir sind der Meinung, daß sich diese Entwicklung durchaus beschleunigen läßt, nicht nur in Richtung einer quantitativen Ausbreitung, sondern auch einer qualitativen Steigerung des deutschen Fernsehens.
    Die Entwicklung in England ist die beste Parallele für uns, wenn wir uns fragen, ob wir den Empfehlungen des Herrn Kollegen Kühn von der SPD folgen sollen oder ob wir uns dafür entscheiden sollen, das Monopol der Rundfunkgesellschaften zu brechen, indem wir freie Sendegesellschaften zulassen. In England hat die Entwicklung auch so begonnen, daß die BBC als monopolistische öffent-



    Euler
    lich-rechtliche Anstalt allein befugt war, das Fernsehen zu betreiben, bis dann der Independent-Television-Authority-Act vom 30. Juli 1954 nach jahrelangen Kämpfen durchgefochten wurde. Sehr viele Argumente von der Art, wie wir sie heute von der Sozialdemokratie hörten, wurden in England jahrelang vorgetragen, um den Gesetzesakt, mit dem das freie Fernsehen begründet wurde, zu verhindern. Schließlich, nach jahrelangen Kämpfen, im Juli 1954, wurde das Gesetz wirksam, mit dem die freie Fernsehautorität als Grundlage des freien Fernsehens in England geschaffen wurde. Nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß sich der Wettbewerb in jeder Weise günstig auswirkte. Zwar hat zunächst die ITA große Vorteile gegenüber der BBC errungen; nicht weniger als 72 % der Hörer entschieden sich für die Sendungen der ITA, nur 28 % blieben bei der BBC. Aber siehe an, in den letzten Monaten ist eine Rückwendung eingetreten, und zwar gerade deshalb, weil die BBC die Chance genutzt hat, die Qualität ihrer Sendungen außerordentlich zu steigern. Die BBC hat in einem ganz anderen Maße als vordem gelernt, auf das Vertrauen ihrer Zuhörer zu achten. Sie hat gelernt, sehr wichtige Sendungen, die ein allgemeines Bedürfnis trafen, in ihr Programm aufzunehmen; und schon ist eine starke Rückwendung eingetreten, nicht etwa deshalb, weil sie ihr Programm popularisiert hat, sondern deswegen, weil sie wertvolle Sendungen in ihr Programm aufgenommen hat, die in diesem Umfang vorher in ihm nicht enthalten waren. Wir wissen aus den verschiedensten Äußerungen sowohl von der einen wie auch von der anderen Seite, daß der Wettstreit zwischen dem britischen Rundfunk auf der einen Seite und der freien Fernsehorganisation auf der anderen Seite durchaus nicht so zu sehen ist, wie es Herr Kollege Kühn dargestellt hat, nämlich so, als handle es sich eben darum, daß das freie Fernsehen über die größere Bindungslosigkeit, wie er wohl etwa zu verstehen gab, zu einer solchen Niveausenkung führte, daß es ihm leichter wurde, die Masse der Hörer zu gewinnen.
    Wir haben auf der einen Seite Äußerungen aus der Umgebung des Programmdirektors der britischen Rundfunkgesellschaft, die etwa dahin gehen, daß alle früheren Sorgen über das kommerzielle Fernsehen behoben seien. Das kommerzielle Fernsehen hat in der kurzen Zeit seines Bestehens gute Arbeit geleistet — so wird gesagt —, und die BBC hat kein Monopol für gute Absichten oder gute Technik. Auf der anderen Seite steht kein geringerer als Kenneth Clark, ein Kunstwissenschaftler sehr prominenter Art in England, Vorsitzender des Art Councils, auch jahrelanger Vorsitzender der Fernsehbehörde der ITA, bevor er von Sir Kirkpatrick abgelöst wurde. Kenneth Clark hat einmal die Aufgabe der Fesselung großer Zuhörer- und Zuschauermassen dahin bezeichnet, daß er sagte, die Zuschauer müßten Vertrauen zum Programm haben. Sie müßten wissen, daß das Programm sie interessieren und unterhalten wolle und nicht langweilen oder schulmeistern wolle. Darüber hinaus ist zu sagen, so fährt er fort, daß das Publikum, wenn es erst Vertrauen zu einem Programm erworben hat, bereitwilliger sein wird, auch gehaltvollere Sendungen einzuschalten als bisher.
    Es ist wie auch auf anderen Gebieten des politischen und geistigen Lebens in einer Demokratie eben das Problem, wie man das Vertrauen der breiten Volksmassen gewinnt. Man müßte ja Feind des demokratischen Prinzips sein, wenn man der Überzeugung huldigen wollte, daß das nur mit minderwertigen und verwerflichen Mitteln zu erzielen sei, sei es nun im Bereich der Politik, sei es im Bereich der Kultur und des Geisteslebens. Im Gegenteil. Die Erfahrungen zeigen, daß immer sehr positive Leistungen erforderlich sind, um auf die Dauer Erfolg in einer Demokratie zu haben.

    (Abg. Blachstein: Beispiel deutscher Film!)

    Wir dürfen, glaube ich, auch nicht kurzsichtig der Auffassung sein, es sei nicht möglich, breite Volksmassen über wertvolle Sendungen des Rundfunks und Fernsehens zu gewinnen. Wir sind vielmehr überzeugt, daß gerade durch die Dauerhaftigkeit dieser modernen Einrichtungen immer breitere Volksschichten eine Sehnsucht für die wertvollen Produktionen auf allen Gebieten des Geisteslebens gewinnen werden.

    (Abg. Blachstein: Meinen Sie die Reden des Kanzlers?)

    Diese Auffassung finden wir erneut bestätigt. Wir sind deshalb nicht die Gegner des Prinzips der Freiheit auch auf diesem Gebiet, sondern seine Förderer. Wir können von der Überwindung des gegenwärtigen monopolistischen Zustands nur Vorteile erwarten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)