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    Deutscher Bundestag 12. Sitzung Bonn, den 14. Februar 1958 Inhalt: Ergänzung der Tagesordnung 535 A Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft (Drucksachen 200, zu 200) Dr. h. c. Lücke, Bundesminister . . . 535 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall (FDP) (Drucksache 83) Mischnick (FDP) 543 B, 558 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) 546 A Wischnewski (SPD) 548 B Frau Kalinke (DP) 550 A Börner (SPD) 556 B Schüttler (CDU/CSU) 557 A Horn (CDU/CSU) 558 D Entschließungen der 46. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union (Drucksache 124) 559 A Schreiben des Bundesministers der Justiz betr. Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Dehler; Mündlicher Bericht des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 171) Ritzel (SPD), Berichterstatter 559 B Schreiben des Bundesministers der Justiz betr. Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Jaeger; Mündlicher Bericht des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 172) Ritzel (SPD), Berichterstatter 559 D Schreiben des Bundesministers der Justiz betr. Strafverfahren gegen den Abg. Caspers; Mündlicher Bericht des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 173) Dewald (SPD), Berichterstatter . . . . 560 B Schreiben des Bundesministers der Justiz betr. Strafvollstreckung gegen den Abg. Wehr; Mündlicher Bericht des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 174) Muckermann (CDU/CSU), Berichterstatter 560 C Schreiben des Bundesministers der Justiz betr. Strafverfolgung gegen Gustav Essig in Weiler; Mündlicher Bericht des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 175) Dr. Dittrich (CDU/CSU), Berichterstatter 561 A Schreiben der RA Dr. Keßler, Rolf Gyger, München, betr. Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Jaeger; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung (Drucksache 177) Dr. Bucher (FDP), Berichterstatter . 561 C Nächste Sitzung 562 C Anlagen: Liste der beurlaubten Abgeordneten; Schriftlicher Bericht des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 177) . . 563 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Februar 1958 535 12. Sitzung Bonn, den 14. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Ackermann 14. 2. Frau Albertz 14. 2. Dr. Barzel 24. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Bazille 14. 2. Dr. Bechert 14. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 2. Birkelbach 14. 2. Blachstein 14. 2. Frau Brauksiepe 14. 2. Dr. Brecht 14. 2. Conrad 14. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 17. 2. Dopatka 15. 2. Drachsler 14. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Eilers (Oldenburg) 14. 2. Even (Köln) 15. 2. Faller 7. 3. Felder 31. 3. Franke 14. 2. Frau Friese-Korn 28. 2. Dr. Furler 14. 2. Gedat 22. 2. Gerns 14. 2. Dr. Gleissner (München) 14. 2. Günther 14. 2. Hahn 14. 2. Häussler 14. 2. Hellenbrock 14. 2. Dr. Höck 21. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Illerhaus 14. 2. Jacobs 12. 3. Dr. Jordan 14. 2. Jürgensen 28. 2. Kemmer 14. 2. Dr. Kempfler 14. 2. Keuning 14. 2. Kiesinger 14. 2. Köhler 14. 2. Dr. Königswarter 14. 2. Dr. Kopf 15. 2. Kühlthau 14. 2. Kunze 15. 2. Dr. Leiske 22. 2. Lenz (Brühl) 14. 2. Dr. Leverkuehn 14. 2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Dr. Maier (Stuttgart) 14. 2. Maucher 14. 2. Mellies 8. 3. Dr. Mende 14. 2. Mengelkamp 14. 2. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Muckermann 14. 2. 011enhauer 14. 2. Paul 28. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Pelster 14. 2. Ramms 14. 2. Frau Dr. Rehling 14. 2. Dr. Rüdel (Kiel) 14. 2. Scharnberg 14. 2. Frau Schmitt (Fulda) 14. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 14. 2. Schoettle 14. 2. Schütz (Berlin) 14. 2. Dr. Serres 14. 2. Seuffert 14. 2. Dr. Siemer 14. 2. Stahl 14. 2. Dr. Weber (Koblenz) 22. 2. Dr. Wilhelmi 14. 2. Zoglmann 14. 2. Anlage 2 Drucksache 177 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Jaeger gemäß Schreiben der Rechtsanwälte Dr. Ernst Keßler, Rolf Gyger, München, vom 31. Januar 1957 (I/3) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Bucher. Die Rechtsanwälte Dr. Ernst Keßler und Gyger, München, haben als Prozeßbevollmächtigte des früheren Abgeordneten Kahn-Ackermann unter Beifügung der Privatklageschrift an das Amtsgericht Fürstenfeldbruck mit Schreiben vom 31. Januar 1957 gebeten, eine Entscheidung des Bundestages über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Jaeger wegen Beleidigung herbeizuführen. Die Sache wurde bereits vom Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität des 2. Deutschen Bundestages behandelt und ein Schriftlicher Bericht unter zu Drucksache 3582 vorgelegt, der jedoch vom Plenum des Bundestages nicht mehr verabschiedet werden konnte. Nunmehr hat dieser Bundestag darüber zu entscheiden. In der Begründung der Privatklage wird dem Abgeordneten Dr. Jaeger vorgeworfen, er habe ausweislich des in verschiedenen Tageszeitungen, u. a. in der „Landsberger Zeitung" vom 1. und 2. November 1956, erschienenen Berichts in einer Kreisversammlung der CSU in Fürstenfeldbruck am 31. Oktober 1956 in bezug auf den Privatkläger u. a. folgende Äußerungen gebraucht: „Wenn Kahn-Ackermann bekanntgebe, wie viele Briefe er beantwortet, wie viele Versammlungen und Sprechstunden er gehalten habe, dann müßte er - Dr. Jaeger - feststellen, daß er 3 Jahre in Bonn gearbeitet habe, während Kahn-Ackermann 3 Jahre lang im Lande herumgereist sei . ..". Ferner äußerte Dr. Jaeger in diesem Zusammenhang: „Der Aktivist Kahn-Ackermann bzw. Hennecke-Ackermann hat sein Soll erfüllt ... . 564 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Februar 1958 Es handelt sich hier um einen Streit der beiden aus dem gleichen Wahlkreis Fürstenfeldbruck kommenden Abgeordneten Kahn-Ackermann und Dr. Jaeger, wer mehr als Abgeordneter gearbeitet habe. Diese im politischen Raum liegende Auseinandersetzung, deren Schärfe unter dem Zeichen des bereits angelaufenen Wahlkampfes gesehen werden muß, führte auch zu einem Antrag des Abgeordneten Dr. Jaeger, die Immunität des früheren Abgeordneten Kahn-Ackermann wegen ähnlicher Äußerungen aufzuheben. Entsprechend der ständigen Praxis des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, bei Beleidigungen politischen Charakters die Immunität nicht aufzuheben, hat der Ausschuß in seiner Sitzung vom 17. Januar 1958 einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause vorzuschlagen, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Jaeger nicht zu erteilen. Bonn, den 28. Januar 1958 Dr. Bucher Berichterstatter
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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Man kann eine unterschiedliche Entwicklung im Arbeitsrecht der Arbeiter, der Angestellten und der Beamten nicht fortgesetzt in der Diskussion gesellschaftspolitischer Probleme -- und das ist ein gesellschaftspolitisches Problem — dazu benutzen, um mit Klassenkampfideologien die eine Gruppe der anderen gegenüberzustellen und sie gegeneinanderzuhetzen!

    (Zurufe von der SPD.)

    Sie werden mit allen Versuchen, das Arbeitsrecht, das Sozialrecht und das Beamtenrecht gleichzuschalten, doch nicht zu einem Einheitsstand der Arbeitnehmer und auch nicht zu einer einheitlichen Entwicklung für alle kommen. Das haben Sie, lieber Kollege Schellenberg, in Berlin ja am besten erlebt. Sie haben die Beamtenrechte beseitigt, und als sie vom Bund aus wieder eingeführt wurden, waren diejenigen, die für ihre Beseitigung gestimmt hatten, die ersten, die nun für die Wiederherstellung ihrer eigenen Beamtenrechte eintraten. Sie haben das besondere Angestelltenrecht beseitigt, und als wir nun die Versicherungsanstalt für Angestellte wieder in Berlin errichteten, waren die Gewerkschaften, die dagegen gekämpft haben, die ersten, die sich als die treuesten Gralshüter der Sonderrechte der Angestellten aufspielten. Sie haben gegen die Selbstverwaltung und gegen die Zulassung der Ersatz- und Betriebskrankenkassen in Berlin gekämpft, und ich habe mir erzählen lassen, daß diejenigen, die am heftigsten dagegen waren, sich jetzt schon um die Plätze auf den Einheitslisten für die Selbstverwaltungsorgane bewerben.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Es gibt wirklich — da stimme ich Ihnen zu — ein echtes Anliegen, dem Arbeiter im Krankheitsfall die gleiche Lösung zukommen zu lassen,. die der Angestellte hat.

    (Zuruf von der SPD: Das wollen wir ja! — Abg. Dr. Schellenberg: Das ist das zentrale Anliegen!)

    — Über das zentrale Anliegen besteht kein Gegensatz zwischen der Deutschen Partei und der SPD, ich meine, auch nicht zwischen der CDU und der SPD. Aber über die Form, den Weg, die Eilbedürftigkeit und das Tempo einer solchen Anpassung, darüber bestehen allerdings Gegensätze, und die Erfahrungen mit diesem Gesetz haben gezeigt, daß die konservative Forderung der Deutschen Partei, dem sozialen Fortschritt behutsam zu dienen, eine große Berechtigung hat.

    (Beifall bei der DP. — Abg. Dr. Schellenberg: Immer langsam voran!)

    Herr Wischnewski hat zugegeben — und er hat damit wiederholt bestätigt, was ich hier in den Debatten zum Gesetz vor einem Jahr gesagt habe—, daß doch viele betriebliche Lösungen besser waren und daß sogar eine Verschlechterung für sehr viele Arbeitnehmer eingetreten ist. Aber er hat dann hinzugefügt — und das soll auch loyal gesagt wer-
    den —: Natürlich für 15 000, für die übrigen ist das Gesetz eine Verbesserung. Hier ist genau wieder das Problem, auf das ich zuerst hingewiesen habe. Man kann eben nicht vom Großbetrieb aus und auch nicht vom Monopolbetrieb aus alle Probleme sehen wollen. Unsere Wirtschaft lebt mit der Erhaltung unserer mittelständischen gewerblichen, landwirtschaftlichen und handwerklichen Betriebe.

    (Beifall bei der DP.)

    Man kann deshalb diese Dinge nicht nur so lösen, wie es am bequemsten wäre. Die Industriegewerkschaft eines Industrieverbandes verständigt sich mit der Großindustrie, und dann ist alles einfach! Wenn die Dinge so einfach wären, dann brauchten wir hier überhaupt keine Sozialdebatten zu haben, dann würden die Sozialpartner vielleicht schon vieles in Autonomie gelöst haben.
    Meine Kollege Dr. Berg hat in der zweiten Lesung am 31. Mai 1957 meine Ausführungen ergänzt und gesagt, daß diese Vorlage sowohl für die Arbeitnehmer wie für die Arbeitgeber viele Gefahrenmomente habe. Wir haben vor der Vorwegnahme sozialpolitischer Teillösungen gewarnt. Sie haben unsere Freunde aus der CDU erpreßt

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    und haben immer wieder auf die Streikdrohung und das Versprechen auf dem Parteitag der CSU hingewiesen.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Jawohl, das haben Sie gesagt. Wir wollen doch die Debatten nicht vergessen, die im Ausschuß stattgefunden haben.
    Nun haben wir im Bundestag einen Kompromiß gemacht; es war einer der üblichen Kompromisse, wie er so oft in diesem Hause gemacht wird, und wir sollten den Mut haben zu sagen: er ist reformbedürftig; er ist halt nicht geglückt. Wir sollten weiter den Mut haben zu sagen: wenn er nicht in allen Teilen geglückt ist, dann brauchen wir ihn nicht gleich morgen zu ändern, aber wir sollten ihn bald ändern.
    Ich mache Ihnen die Freude und komme zum Schluß.

    (Beifall und Zurufe.)

    — Ich weiß ja, es ist so anstrengend, den Problemen auf den Grund zu gehen und sie zu diskutieren,

    (Heiterkeit und Zurufe)

    aber es ist leider unser Auftrag, das zu tun. Ich fasse jedenfalls den politischen Auftrag in diesem Hause so auf, daß wir auch über die unbequemen Dinge nachdenken müssen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Wir haben die Frage zu stellen: ist eine Verbesserung möglich? Wenn wir sie bejahen — meine Freunde von der Deutschen Partei bejahen diese Frage —,_dann haben wir nicht zu zaudern, auch Irrtümer einzugestehen, allerdings zu gegebener Zeit, untermauert mit ausreichenden Erkenntnissen und mit dem notwendigen Material. Der Antrag der Sozialdemokraten von gestern, der Notlage



    Frau Kalinke
    der Krankenkassen mit einigen kleinen Forderungen zu begegnen und die Reformprobleme damit vorwegzunehmen, daß man Fragen der Kostenabgrenzung oder der Erstattung oder Fragen, die auf dem Wege der Vereinbarung geregelt werden können, zur Lösung dieses Problems oder zur Vertuschung der finanziellen Krise heranzieht, scheint mir nicht der geeignete Weg zu sein, hier entscheidend zu helfen. Wichtig scheint mir vielmehr, daß wir uns die Erfahrungen mit diesem Gesetz nutzbar machen und uns darüber klarwerden, welches die echten Aufgaben der Krankenversicherungsreform sind. Und diese werden wir, hoffe ich, in nicht zu ferner Zeit in der Debatte über die Anliegen der Krankenversicherungsreform und, wie ich hoffe, in der Einsicht und in der Gesamtverantwortung vor dem Gesamtproblem sehr ernsthaft ohne Zeitdruck, ohne Nervosität und mit der Bereitschaft, nachzudenken, miteinander lösen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Aber nicht behutsam!)

    — Behutsam zu handeln ist immer etwas besseres, als Porzellan zu zerschlagen.

    (Beifall bei der DP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, es sind noch drei Redner gemeldet. Das Wort hat der Abgeordnete Börner.

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    Rede von Holger Börner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben Sie keine Sorge, daß ich die Debatte dieses Hauses dadurch unnötig verlängern will, daß ich die schon sachlich behandelten Probleme erneut aufgreife! Aber ich glaube, man kann sich den Fragenkomplex, der heute zur Debatte steht, nicht so leicht machen, daß man versucht, hier eine Debatte über Ideologien vom Zaune zu brechen, und daß man darüber hinaus Formulierungen wählt, die einen Teil dieses Hohen Hauses zumindest sehr schockiert haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bei aller Wertschätzung der CDU/CSU-Fraktion und meiner eigenen Fraktion kann man doch nicht unterstellen, daß zwei so große Gruppierungen dieses Hauses sich in einer so wichtigen sozialpolitischen Frage hätten erpressen lassen. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes nach reiflicher Überlegung sowohl der Sozialpartner als auch der Fraktionen dieses Hauses zustande gekommen ist.
    Wir sind die letzten, die behaupten, daß dieses Gesetz ein Idealzustand sei. Wir müssen aber eindeutig folgendes feststellen. Frau Kollegin Kalinke, Sie waren ja so höflich, meinem Kollegen Wischnewski zu unterstellen, er habe als Abgesandter irgendeiner Interessentengruppe gesprochen.

    (Abg. Frau Kalinke: Das habe ich nicht gesagt!)

    — Aber der Blickwinkel war doch sehr deutlich.
    Wir sollten unterstellen, daß in der Frage der Lohnfortzahlung die Meinungen der Arbeiterschaft, wenn auch vielleicht nicht in allen Detailproblemen, sich etwa mit dem decken, was der Herr Kollege Wischnewski und andere hier ausgeführt haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte Ihnen ganz eindeutig sagen, daß das Spiel mit den Zahlen, die heute morgen von verschiedenen Seiten angeführt worden sind, ziemlich ermüdend ist, einfach deshalb, weil diese Zahlen aus sehr unterschiedlichen Quellen stammen und weil mit Statistiken manches und manchmal auch alles bewiesen werden kann. Ich kann Ihnen aus der Erfahrung meines Wahlkreises berichten und ich könnte Ihnen durchaus auch Statistiken aus Großbetrieben bringen, aus denen sich eindeutig ergibt, daß der Prozentsatz der kranken Angestellten in der Grippewelle höher gewesen ist als der der Arbeiter. Ich verzichte darauf, dieses Problem erneut aufzugreifen; denn wir sind nicht der Meinung wie Sie, daß das Material, das das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung jetzt gesammelt hat, ausreicht, dieses Gesetz neu zu diskutieren. Wir glauben vielmehr ebenso wie die CDU/ CSU-Fraktion, daß der Beobachtungszeitraum sehr begrenzt ist und daß sich die Betrachtungsweise darüber hinaus durch die Grippewelle des letzten Herbstes entschieden verzerrt hat.
    Was Frau Kollegin Kalinke über die Karenztage gesagt hat, ist sehr unbefriedigend, unbefriedigend deshalb, weil es ein Ausweichen vor der sehr konkreten Frage des Herrn Kollegen Professor Dr. Schellenberg war. Es ist durchaus so, daß von unserer Seite und auch von breiten Kreisen der Arbeiterschaft, nicht nur von den oft zitierten Industriegewerkschaften, die Frage der Karenztage als eine soziale Diskriminierung angesehen wird. Die sozialdemokratische Fraktion betrachtet auch die Stellungnahme von seiten dieses Arztes, die Sie in Ihren Ausführungen angeführt haben, als eine Argumentation für sich. Wir glauben nämlich, daß durch die Abschaffung der Karenztage das Problem endlich vom Tisch kommt, und sind immer noch der Meinung, daß die soziale Moral der Arbeiter und der Angestellten nicht gegeneinander ausgespielt werden sollte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das Problem der Sicherung des Arbeiters im Krankheitsfalle müßte, auch wenn man hier von sogenannten behutsamen Lösungen auf lange Sicht spricht, doch einmal unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, daß es gerade die Arbeiterschaft gewesen ist, die einen wesentlichen Beitrag zum Wiederaufbau unseres Vaterlandes geleistet hat, und daß es entscheidend darauf ankommt, dieser Gruppe von Menschen die soziale Sicherstellung zu geben, die ihr auf Grund ihrer Leistungen für die Gesamtheit unseres Volkes zukommt.

    (Beifall bei der SPD.)