Ich empfehle Ihnen, Herr Kollege, nachzulesen, was ich dazu in der ersten, zweiten und dritten Lesung im 2. Bundestag gesagt habe. Ich habe mich da mit dem Problem „Arbeiter und Angestellte" und Ihrer Ideologie auseinandergesetzt. Im Interesse der Kollegen, die das wissen, möchte ich mich nicht wiederholen. Ich meine, daß die Gleichstellung ad hoc nicht möglich ist, daß es bessere Wege gegeben hätte, das Niveau des Arbeiters zu dem des Angestellten, des Angestellten zu dem ganz anders gearteten Recht des Beamten emporzuheben, daß aber alle Wege, einheitliches Recht ad hoc und mit Gewalt zu schaffen, immer falsche Wege sind.
— Ein Gesetz, das unter einem Streikdruck von außen und unter Zeitdruck, mit dem Sie damals gepreßt haben, so gemacht wird, führt zu einer gewaltsamen Lösung von Problemen, die man behutsamer besser gelöst hätte.
Nun ist eine interessante Frage von dem Kollegen der SPD angesprochen worden, nämlich daß sich gezeigt habe, daß die Angestellten keineswegs moralischer seien als die Arbeiter. Ich möchte mich dagegen verwahren, daß hier Angestellte und Arbeiter konfrontiert werden mit der Auffassung, die einen seien moralischer als die anderen.
— Eben nicht! Das ist eine Ihrer üblichen Unterstellungen und Vereinfachungen. Sie sollten es sich nicht so einfach machen. Sie sollten nicht eine Ersatzkassenstatistik heranziehen. Sie wissen genau, daß dem Verband der Ersatzkassen Arbeiter- und Angestelltenersatzkassen angehören und daß es gar keine getrennte Statistik für die Angestelltenersatzkassen gibt, die das beweisen würde, was Sie hier behauptet haben, sondern daß natürlich die Arbeiterersatzkassen in noch stärkerem Maße als die Ortskrankenkassen und die Betriebskrankenkassen dasselbe Dilemma hatten. Wer wollte das bestreiten?
Der Herr Minister hat auf die Anfrage der CSU erklärt, es sei nichts möglich, daß der Arbeiter ein Krankengeld erhält, welches den Nettolohn übersteigt. Der Kollege von der FDP hat bei der Begründung seines Antrags schon solche Beispiele genannt, in denen es doch möglich ist, und ich bitte daher den Herrn Minister, nachprüfen zu lassen, inwieweit die Dr. Oeterschen Beispiele zutreffen. Ich meine, sie treffen weitgehend zu. Ich glaube, wir haben auch dafür Sorge zu tragen, daß kein sozialethischer Schaden entsteht und daß bei den Arbeitnehmern, die noch ein echtes Gefühl für soziale Verantwortung haben, keine Verwirrung angerichtet wird. Es besteht doch wohl gar kein Zweifel, daß in der Mehrzahl unserer Betriebe das soziale Klima viel besser ist, als es manche Funktionäre gelegentlich darzustellen wünschen.
Es besteht auch kein Zweifel darüber, daß die Wirtschaftliche Situation der Mehrzahl aller Arbeitnehmer — und das rechnen wir in der Koalition uns als Erfolg der Wirtschaftspolitik an, die wir in diesen Jahren mit getrieben und verteidigt haben — so ist, daß man ihnen sehr wohl zumuten kann, für Bagatellschäden oder kurze Krankheitsfälle einzutreten. Das wird ein Problem der Krankenversicherungsreform sein. Es bedeutet eine Diskriminierung der Arbeiter, wenn man ihnen in einem Augenblick, in dem sie Bausparverträge abschließen oder Autos, Fernsehapparate usw. kaufen können, nicht zutraut, daß sie in der Lage wären, für kleine Krankheitsfälle selbst verantwortlich zu sein. Ich glaube, daß das bei der Krankenversicherungsreform ein Prüfstein für wahrhaft soziale Verantwortung sein wird, auf die wir uns alle besinnen müssen. Darum habe ich davor gewarnt, Gegensätze aufzureißen. Wenn Sie nun sagen, das sei doch geschehen, dann muß ich Sie an das erinnern, was die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes selber mitgeteilt haben. Die haben nämlich selbst gesagt, daß viele Befürchtungen eingetroffen sind, ja übertroffen worden sind.
Ich wiederhole also: Die Karenztage sollten nicht außerhalb des dargestellten Zusammenhangs gesehen werden. Ich möchte wirklich darum bitten, daß wir alle uns darum bemühen, bei der Krankenversicherungsreform Wege zu finden, die es ermöglichen, dieses Problem nicht, wie es Herr Schellenberg mehrfach getan hat, als eine Frage der sozialen Diffamierung der Arbeiter zu sehen; ich verweise auf das Protokoll, das hier zitiert worden ist. Ich meine vielmehr, daß wir dieses Problem so sehen sollten, wie wir es sehen müssen: als ein echtes Reformproblem der Krankenversicherung.
Bitte schön, Herr Schellenberg!