Rede:
ID0301012100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Müller-Hermann.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag lo. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1958 Inhalt: Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Diehl, Auge und Geritzmann 423 A Abg. Maucher tritt als Nachfolger des Abg. Dr. Brönner in den Bundestag ein . . . 423 A Zur Tagesordnung: Rösing (CDU/CSU) 423 C Fragestunde (Drucksache 187) Frage 1 des Abg. Ritzel: Streifen oder Flächen an Fahrzeugen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 423 D Ritzel (SPD) 424 B Frage 2 des Abg. Gewandt: Bau eines Nord-Süd-Kanals Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 424 D Frage 3 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Waffenhandel der Firma Schlüter, Hamburg Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 426 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 426 B Frage 4 des Abg. Dewald: Errichtung von Radarstationen und Raketenabschußrampen im Raum Miltenberg Strauß, Bundesminister 426 D Dewald (SPD) 427 B Frage 5 des Abg. Dr. Bucher: Strafverfahren gegen den Ministerialrat a. D. Ziebell Dr. Dr. h. c. Erhard, Vizekanzler . . . 427 D Dr. Bucher (FDP) 428 B Frage 6 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Besuch des Generals Dr. Speidel im Hamburger Rathaus Strauß, Bundesminister 428 D Schmidt (Hamburg) (SPD) 429 B Frage 7 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Einbau von Fernsehgeräten in Kraftfahrzeuge Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 429 D Frage 8 des Abg. Dewald: Gültigkeit der Arbeiterwochenkarten in Verbindung damit: Frage 15 des Abg. Ritzel: Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 430 B Dewald (SPD) 430 C Frage 9 des Abg. Dr. Ratzel: Beschaffenheit eines entwendeten radioaktiven Kupferstabs Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . . 430 D II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Februar 1958 Frage 10 des Abg. Dr. Ratzel: Benutzung radioaktiver Strahlenquellen in der gewerblichen Wirtschaft Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . . . 431 B Frage 11 des Abg. Seither: Wiederaufbau der Rheinbrücke bei Germersheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 432 C Frage 12 des Abg. Wittrock: Zulassung von Personen, die nach j 26 StGB aus der Strafhaft entlassen sind, zum Staatsexamen Dr. Schröder, Bundesminister . . . 432 D Wittrock (SPD) 433 A Frage 13 des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Verbesserung des deutschösterreichischen Abkommens über Sozialversicherung Blank, Bundesminister 433 B Frage 14 des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Rentenzahlungen an Rentnerwitwen Blank, Bundesminister 433 C Frage 16 des Abg. Riedel: Liederbuch für die Bundeswehr Strauß, Bundesminister 434 A Frage 17 des Abg. Regling: Ausschreibungs- und Lieferfristen bei der Bundeswehr Strauß, Bundesminister 434 C Regling (SPD) 435 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Anhebung der Verkehrstarife (Drucksache 136) In Verbindung damit: Antrag der Fraktion der SPD betr. Erhöhung der Tarife im Berufsverkehr und der Sozialtarife (Drucksache 141 (neu]), Antrag der Fraktionen CDU/CSU, DP betr. Verkehrstarife (Drucksache 185) Ritzel (SPD) (zur Geschäftsordnung) . 435 D Schmidt (Hamburg) (SPD) 435 D, 468 D, 476 B Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 441 D Dr. Bleiß (SPD) 450 A, 473 C Brück (CDU/CSU) 456 A Junghans (SPD) 459 A Müller-Hermann (CDU/CSU) . 462 C, 478 C Dr. Elbrächter (DP) 466 B Drachsler (CDU/CSU) 469 D Dr. Starke (FDP) 471 C Dr. Bucerius (CDU/CSU) 474 C Ritzel (SPD) 477 B Abstimmungen 477 D, 478 C Nächste Sitzung 478 C Anlagen: Liste der beurlaubten Abgeordneten, Umdrucke 10 und 11 . . . 479 A, 479 C Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Februar 1958 423 10. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Ackermann 12. 2. Dr. Barzel 24. 2. Bazille 14. 2. Dr. Bechert 14. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Berlin 12. 2. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 2. Blachstein 14. 2. Dr. Brecht 14. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 14. 2. Dopatka 15. 2. Even (Köln) 15. 2. Faller 7. 3. Gerns 14. 2. Freiherr zu Guttenberg 12. 2. Frau Herklotz 12. 2. Kalbitzer 12. 2. Kemmer 14. 2. Keuning 14. 2. Kiesinger 14. 2. Klausner 12. 2. Köhler 14. 2. Dr. Kopf 15. 2. Kühlthau 14. 2. Kunze 15. 2. Lenz (Brühl) 14. 2. Dr. Leverkuehn 14. 2. Dr. Lindenberg 12. 2. Mauk 12. 2. Mengelkamp 14. 2. Metzger 12. 2. Muckermann 14. 2. Paul 28. 2. Pohle 12. 2. Pöhler 12. 2. Dr. Preiß 12. 2. Rademacher 12. 2. Ramms 14. 2. Frau Rudoll 12. 2. Schneider (Bremerhaven) 12. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 14. 2. Seidl (Dorfen) 12. 2. Dr. Steinmetz 12. 2. b) Urlaubsanträge Abgeordnete(r) bis einschließlich Bauer (Wasserburg) 22. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 28. 2. Gedat 22. 2. Dr. Höck 21. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Jacobs 12. 3. Jürgensen 28. 2. Dr. Leiske 22. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Mellies 8. 3. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Dr. Weber (Koblenz) 22. 2. Anlage 2 Umdruck 10 Antrag der Fraktion der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 136) betr. Anhebung der Verkehrstarife. Der Bundestag wolle beschließen: Die deutsche Öffentlichkeit erwartet von der Erhöhung der Verkehrsentgelte der Deutschen Bundesbahn eine Sanierung des Unternehmens und eine Befreiung des deutschen Steuerzahlers von den seit Jahren gestiegenen Subventionen aus allgemeinen Steuermitteln. Aus der Erkenntnis, daß die Erhöhung der Tarife allein nicht ausreicht, eine ausgeglichene Betriebsrechnung bei der Deutschen Bundesbahn herzustellen, erwartet der Bundestag von der Bundesregierung, daß sie eine unabhängige, dem Bundesfinanzminister und dem Bundesverkehrsminister verantwortliche Prüfungskommission einsetzt, die die Betriebsrechnung der Deutschen Bundesbahn in ihren Einnahmen und Ausgaben überprüft und deren Aufgaben sich insbesondere auf folgende Fragen erstrecken: 1. Inwieweit kann durch eigene Anstrengungen unnötiger Aufwand vermieden und eine Betriebsführung nach kaufmännischen Gesichtspunkten sichergestellt werden? 2. Welche Verkehre weisen Verluste auf, welche Rationalisierungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen müssen ergriffen werden, um - gegebenenfalls unter Lockerung der gemeinwirtschaftlichen Auflagen der Bundesbahn - zu einer ausgeglichenen Ertragslage zu kommen, und inwieweit kann dies Ziel durch Gemeinschaftslösungen mit anderen Verkehrsträgern erreicht werden? 3. Inwieweit bestehen politische Sonderlasten, die zu einer kaufmännischen Betriebsführung in Widerspruch stehen und einen Leistungswettbewerb der Deutschen Bundesbahn auf der Grundlage gleicher Startbedingungen beeinträchtigen? 4. Inwieweit fördern die im Bundesbahngesetz festgelegte Organisation der Bundesbahnverwaltung sowie die Zusammensetzung und Funktion des Verwaltungsrates eine kaufmännische Betriebsführung, und welche Verbesserungen erscheinen geboten? Bonn, den 12. Februar 1958 Dr. Krone und Fraktion Frau Kalinke und Fraktion 480 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Februar 1958 Umdruck 11 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 136) betr. Anhebung der Verkehrstarife. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich einen Selbstkostenvergleich zwischen der Bundesbahn, dem gewerblichen Güterkraftverkehr und der Binnenschiffahrt zu erstellen und dem Bundestag bis zum 31. März 1959 den Selbstkostenvergleich vorzulegen. Bonn, den 12. Februar 1958 Ollenhauer und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Jürgen Junghans


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Drucksache 141 (neu) liegt Ihnen ein Antrag meiner Fraktion vor, die in der Kabinettssitzung vom 15. Januar 1958 beschlossene Anhebung der Tarife im Berufsverkehr und der Sozialtarife rückgängig zu machen.
    Gestatten Sie mir zunächst einige allgemeine Bemerkungen zu der Tariferhöhung im Berufsverkehr am 1. Februar 1958.
    Ich möchte zunächst einmal wiederholen: Ausmaß und Ursachen des Defizits im Haushalt der Bundesbahn sind die Folgen der seit langem von der Bundesregierung vertretenen Verkehrspolitik. Das Defizit ist eine Folge der Verzögerung der Verkehrsreform, insbesondere eine Folge des ruinösen Wettbewerbs zwischen Straße, Schiene und Wasserstraße, der alle Verkehrsträger zu kostspieligen und unwirtschaftlichen Betriebsweisen zwingt.
    Insofern gehen die tarifpolitischen Maßnahmen der Deutschen Bundesbahn am Kern der Dinge vorbei; sie werden auch in Zukunft die Aushöhlung eines der größten deutschen Bundesvermögen nicht verhindern.
    Darüber hinaus — und das trifft gerade für den Berufsverkehr zu — erfüllt die Bundesbahn immer weniger ihre gemeinwirtschaftlichen Aufgaben. Dem Berufsverkehr muß im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben des größten Verkehrsträgers eine überragende Bedeutung zugemessen werden. Es geht nicht an, daß der Berufsverkehr im Lande des Wirtschaftswunders wie ein Stiefkind behandelt wird, das von einer Ecke in die andere gestoßen wird,

    (Oh-Rufe und Lachen bei der CDU/CSU) das keiner haben will.

    Der Berufsverkehr ist in jeder modernen Wirtschaft und Gesellschaft zwangsläufig. Die Aufgabe kann daher nur gemeinwirtschaftlich bewältigt werden. Zum anderen ist der Berufsverkehr aber auch eine Frage der Lebenshaltung. Der technische Fortschritt darf daran nicht vorbeigehen. Im Zeitalter der Düsenflugzeuge, des allgemeinen Komforts im Verkehr ist es unerträglich, in welchem Ausmaß der Berufsverkehr vernachlässigt wird. Wagen aus Urgroßmutters Zeiten, im Winter zum Teil ungeheizt, sind der Aufenthalt für Hunderttausende von Arbeitnehmern, Schülern und Lehrlingen, die meistens stehen müssen, wenn sie morgens zu ihren Arbeitsstätten fahren und abends abgearbeitet nach Hause wollen. Lange Wartezeiten, fahrplanmäßige und außerfahrplanmäßige, zum Teil auf zugigen Bahnsteigen, tun ein übriges, um in weiten Kreisen der Bevölkerung, Herr Kollege Brück, das Gefühl aufkommen zu lassen, daß der technische Fortschritt eben nicht für alle da ist.
    Wir würden es sehr lebhaft begrüßen, wenn sich endlich auch die Deutsche Bundesbahn ihrer Verantwortung für den Berufsverkehr bewußt würde und nicht zuletzt auch ihren Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme in vielen deutschen Großstädten leistete.
    Das kann man aber nicht durch eine Tarifpolitik tun, die eindeutig das Desinteresse der Verantwortlichen der Deutschen Bundesbahn am Berufsverkehr bekundet.
    Die Verteuerungen durch Wegfall vieler Vergünstigungen im Berufsverkehr, Einkaufsverkehr, Erholungsverkehr sowie bei den Sozialtarifen sind Ihnen allgemein bekannt. Sie liegen zwischen 50 und 300 %, während im normalen Reiseverkehr die Erhöhung 8,7 % beträgt.
    Die ursprüngliche Vorlage sah weit schlimmer aus. Von den angesetzten Mehreinnahmen im gesamten Personenverkehr in Höhe von 260 Millionen DM sollten allein durch Erhöhungen im Berufsverkehr und bei den Sozialtarifen 180 Millionen DM aufgebracht werden. Wir Sozialdemokraten haben uns mit aller Schärfe gegen diese Erhöhungen gewandt, sobald die Tendenz erkennbar wurde. Die Tendenz war nämlich, alle sozialen Vergünstigungen Zug um Zug abzubauen. Zu unserer Freude hat die Bundesregierung daraufhin die ursprüngliche Vorlage abgemildert, so daß heute ein um etwa 48 Millionen DM verringerter Betrag als Mehreinnahme angesetzt ist. Es handelt sich dabei im wesentlichen um die Erhöhungen, über die der Herr Bundesverkehrsminister hier schon vorgetragen hat.
    Trotzdem sind heute noch rund eineinhalb Millionen Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen betroffen. Betroffen sind die Ein- und Auspendler, die nach dem Kriege an den Stadträndern und in den sogenannten Satellitenstädten wieder eine Wohnung gefunden haben, von denen sehr viele jeden Tag eine längere Fahrzeit in Kauf nehmen müssen, wenn sie zu ihren endlich gefundenen Arbeitsplätzen gelangen wollen. Betroffen sind nicht zuletzt auch die Bewohner von Eigenheimen, für deren Bau wir uns alle in diesem Hause so sehr eingesetzt haben.
    Betroffen sind die Lehrlinge im dritten Lehrjahr. In einer Zeit, in der über einen Mangel an geeigneten Lehrstellenbewerbern geklagt wird, darf man ihre Beweglichkeit nicht noch künstlich einengen. Es gibt eben gute, volkswirtschaftlich wertvolle Ausbildungsstätten leider nur in den Großstädten Gleiche Ausbildungschancen für alle jungen Menschen sind durch das Grundgesetz garantiert. Die neuen Bestimmungen der Bundesbahn stellen dieses Grundrecht auf gleiche Ausbildungsmöglichkei-



    Junghans
    ten völlig in Frage. So schreibt mir ein Lehrling aus Salzgitter-Bad:
    Als Werkzeugmacherlehrling des Hüttenwerks erhalte ich im dritten Lehrjahr eine Erziehungsbeihilfe von 91 DM. Bisher kostete mich eine Monatskarte 9,30 DM. Ab 1. 2. bezahle ich 22,80 DM. Das bedeutet für mich, daß ich jetzt 145 % mehr zahlen muß als bisher, meine Erziehungsbeihilfe jedoch nicht gestiegen ist. Durch diese Härtefälle ist eine große Anzahl meiner Lehrkollegen ebenfalls betroffen.
    Ferner darf ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus einer Mitteilung über eine Sitzung der Industrie- und Handelskammer Coburg zitieren. Dort brachte der Präsident Eduard Schmidt das Beispiel eines in Mitwitz wohnenden Lehrlings, der täglich nach Coburg fahren muß. Bisher habe seine Monatskarte, damals Schülerkarte, 12,60 DM gekostet. Seit dem 1. Februar habe er eine Arbeitermonatsfahrkarte zum Preise von 33,60 DM zu lösen.
    Es gibt noch eine Reihe besonders hervorstechender Härtefälle. So ist durch den Wegfall der Arbeiterteilwochenkarten die Beschäftigung gerade der Bauarbeiter in den Feiertagswochen gefährdet. Ferner sind Schüler und Arbeiter, weil die Schülerwochenkarten und Arbeiterwochenkarten an Sonntagen nicht mehr gelten, weitgehend vom Besuch kultureller und kirchlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. Denken Sie hier z. B. an die Stadt Hamburg, wo früher sonntags Tausende von Studenten, Schülern und Arbeitern die Stadtbahn auch zum Besuch von kulturellen Veranstaltungen benutzt haben.
    Durch zahllose Protestschreiben aller Betroffenen — ein Teil von Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wird solche Schreiben auch erhalten haben; es wäre sehr nützlich — ist allgemein erwiesen, daß diese Maßnahme trotz der Anrede „Lieber Fahrgast" in dem gelben Blättchen auf völliges Unverständnis in der Bevölkerung gestoßen ist. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten noch einige Beispiele zitieren. So schreibt mir ein Kreisausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes — um Herrn Brück in dieser Beziehung zu beruhigen, darf ich es anführen —:
    Bei uns gehen laufend fernmündlich und schriftlich Proteste gegen die Fahrpreiserhöhung der Bundesbahn im Berufsverkehr ein.
    Diese Proteste werden unter Hinweis auf die
    tatsächliche Fahrpreiserhöhung, wie z. B.
    Arbeitermonatskarten
    von Sa.-Lebenstedt früher jetzt
    nach Sa.-Watenstedt DM 7,20 — DM 12,—, von Sa.-Thiede-Ost
    nach Sa.-Watenstedt DM 9,70 — DM 16,—, von Salzgitter-Bad
    nach Sa.-Watenstedt DM 17,80 — DM 24,60, ziemlich massiv erhoben.
    Nicht zuletzt werden auch die freien Berufe betroffen werden. Hier schreibt ein freiberuflich Tätiger:
    Ich reise seit Jahren täglich und zahle jetzt für die gleiche Fahrkarte, wofür ich 1950 etwa 9 DM gab, genau 22 DM, — also eine Steigerung von 150 %!

    (Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Ich bitte Sie, zugleich im Namen der vielen Tausende von freiberuflich Reisenden, doch die zuständigen Stellen auf diesen Irrtum aufmerksam zu machen.

    (Unruhe und erneute Zurufe in der Mitte und rechts.)

    — Ich will Sie nun nicht wie der Herr Kollege Brück noch weiter mit Zahlen bombardieren. Er hat selber gesagt: Man kann je nach Entfernung und je nach Zeit die Dinge beliebig variieren. Ich möchte dieses Spiel nicht mehr fortsetzen.
    Aber man kann solche Einwendungen nicht abtun durch Argumente wie z. B. die des Herrn Bundesverkehrsministers, der sagte, daß der Industriefacharbeiter 1936 im Durchschnitt für eine Arbeiterwochenkarte von 14 km Reiselänge drei Arbeitsstunden aufwenden mußte und nach dem 1. Februar 1958 nur noch 21/4 Arbeitsstunden.
    Erstens, Herr Bundesverkehrsminister, betrug die durchschnittliche Reiselänge 1936 keine 14 km, sondern war erheblich niedriger, so daß der Anteil des Aufwandes für den Berufsverkehr trotzdem gestiegen ist.
    Zum anderen — und das ist das Wichtigste Wo bleibt dann der gerechte Anteil an der Produktivität, die immerhin seit 1936 über 200 % gestiegen ist, wenn immer wieder Preiserhöhungen diesen Anteil kompensieren? Wenn ferner die gestiegenen Kohlenpreise für die Begründung der Tariferhöhung herhalten müssen, dann kann man nur fragen: Haben das wirklich die Teilnehmer am Berufsverkehr mit ihren kleinen und mittleren Einkommen zu vertreten, oder ist hierfür nicht letztlich die verfehlte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung verantwortlich zu machen?
    Im übrigen ist es wenig sinnvoll, die Tariferhöhungen oder gar allgemein die Tarifpolitik an globalen Betriebskennziffern orientieren zu wollen. Was soll es heißen, wenn gesagt wird, daß vor dem 1. Februar die Einnahmen aus dem Zeitkartenverkauf für den Berufsverkehr und Schülerverkehr nur bei 1,75 Pf je Personenkilometer gelegen hätten und nach dem 1. Februar bei 2,7 Pf lägen, während der Normaltarif bei 7,5 Pf liege? Das sagt doch über die Wirtschaftlichkeit noch gar nichts aus, da exakte Angaben über die tatsächlichen Selbstkosten, über den zu deckenden Anteil der fixen Kosten, über den sogenannten Mitläuferverkehr völlig fehlen. Meine Fraktion hat eine Selbstkostenrechnung nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten für alle Verkehrsträger gefordert. Wie nötig dies ist, zeigt auch das Problem des Berufsverkehrs.
    Ich betone nochmals: die Hauptursachen des Bundesbahndefizits liegen in einer verfehlten Verkehrspolitik. Aber es ist auch betriebswirtschaftlich völlig unvertretbar, ohne Kostenstellen- und ohne Kostenträgerrechnung geeignete Maßnahmen zur Beseitigung von Defiziten zu treffen. In jedem Großunter-



    Junghans
    nehmen ist es üblich, daß an Hand einer Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung geprüft wird, wo denn tatsächlich die roten Zahlen sind. Alles andere ist ein Lotteriespiel. Wer sagt uns z. B., auf Grund welcher betriebswirtschaftlicher Fakten — „Fakten" wohlgemerkt und keiner globalen Betriebskennziffern — errechnet wurde, daß nach dem „Schlüssel" im Haushaltsjahr 1958/59 bei der Bundesbahn der Personenverkehr 260 Millionen DM und der Güterverkehr 450 Millionen DM mehr einzubringen haben? Von den 260 Millionen DM im Personenverkehr entfallen meines Wissens rund 107 Millionen DM auf den Berufsverkehr und rund 30 Millionen DM auf die Sozialtarife. Wie kann man solche Zahlen wiederum aus globalen Kennziffern errechnen? Ich weiß es nicht. Das ist nach meinem Gefühl mehr als höhere kameralistische Mathematik. Oder besser: ich meine, daß man doch den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist.
    Am dubiosesten in diesem Falle ist die Kalkulation über die überhaupt zu erwartenden Mehreinnahmen. Es sollen 107 Millionen DM sein. Eine Schätzung der von mir bereits erwähnten Abwanderung zu anderen Verkehrsmitteln hat man dadurch umgangen, daß man mit dem Verkehrsaufkommen von 1955 kalkuliert hat; das heißt, die Abwanderungsquote darf nicht größer sein als der Verkehrszuwachs von 1955 zu 1958, wenn die fraglichen 107 Millionen DM aufkommen sollen.
    Wie groß ist nun der Grenzwert der Abwanderungsquote, wenn das Geschäft nach dem 1. Februar nicht plus/minus null ausgehen soll? Ich will Ihnen das an einem Beispiel zu erläutern versuchen. Auf einer Strecke fahren 100 Berufstätige und Schüler. Die Einnahmen sollen 1957 im Monatsdurchschnitt 10 DM pro Person betragen haben; das sind also für diese Strecke, auf der 100 Personen fahren, 1000 DM im Monat. Bei einer 50%igen Erhöhung wären das 1500 DM, unter der Voraussetzung, daß alle 100 weiter fahren. Fahren nur noch 67 — genau sind es 662/3 —, so sind das bei 15 DM je Arbeitermonatskarte wiederum nur 1000 DM. Es ist anzunehmen, daß die Zugförderkosten, die Abfertigungskosten, die Gleisunterhaltungskosten, die allgemeinen Verkehrs- und Betriebsdienstkosten die gleichen sind, ob dieser Zug mit 100 oder mit 67 Personen besetzt ist. Man kann also einen Grenzwert von etwa 35 % errechnen. Es mag sein — wahrscheinlich ist es sogar richtig —, daß diese Rechnung zu global ist, da noch andere Größen — durchschnittliche Streckenlänge, Auslastungsgrad und dergleichen — Einfluß darauf haben. Aber die sind mir und auch der Bundesbahn unbekannt; die schlichte Betriebsabrechnung der Bundesbahn bietet hierfür bekanntlich keine Ansatzpunkte.

    (Zuruf von der Mitte.)

    — Bitte, wissen Sie es besser?
    Gegen die Annahme einer erhöhten Abwanderung hört man den Einwand — er ist hier zum Teil angeklungen —, die Omnibusbetriebe hätten auch heute noch höhere Fahrpreise. Das kommt doch auf die Tarifgestaltung an. Das Argument zieht überhaupt nicht. Zum großen Teil fahren nämlich auch die Omnibusbetriebe heute zu Einheitstarifen, so daß sie ab einer bestimmten Kilometerzahl durchaus niedriger im Preis liegen als die Bundesbahn. Andererseits dürfen Sie nicht vergessen, daß in der Regel die Anmarschwege zu den Haltestellen der Omnibusse erheblich kürzer sind. Ferner bieten die besseren Fahrpläne, die häufigere Wagenfolge usw. mehr Möglichkeiten der Ausnutzung der Zeitkarten, gar nicht zu reden vom besseren Fahrkomfort.
    Es ist vorhin von dem Kollegen Brück gesagt worden : Die Kommunalbetriebe erhöhen auch laufend die Fahrpreise. Das mag stimmen. Sie brauchen da nicht nach den Mehrheiten zu sehen. Die Kommunen haben nicht die Verkehrspolitik der Bundesregierung zu verantworten. Sie sitzen also heute praktisch in demselben Boot wie die Bundesbahn. Wir bezweifeln gar nicht, daß der Betrieb der Bundesbahn defizitär ist. Zum anderen habe ich noch bei keinem Kommunalbetrieb erlebt, daß der Regeltarif um 8,7 % und die Berufstarife um 50 % erhöht worden sind.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Das alles wird meines Erachtens zu einer viel stärkeren als der von der Bundesbahn kalkulierten Abwanderung führen. An einem Beispiel möchte ich Ihnen das erläutern. Ich nehme den Raum, aus dem ich komme; das ist hier wohl so üblich. Der Herr Bundesverkehrsminister sprach von Bonn, der Herr Kollege Brück von Köln; ich nehme einmal das Beispiel Salzgitter. Es fuhren von den rund 10 000 Belegschaftsmitgliedern des Hüttenwerkes Salzgitter 1957 mit der Eisenbahn 22 %, mit dem Bus 44,3 %, mit dem Rad 13,7 %, mit dem Moped 6,2 %, mit dem Motorrad 6,0 %, Fußgänger sind 2,7 % und Pkw-Fahrer 5,1 %.
    Nach dem 1. Februar 1958 verschiebt sich nach vorläufigen Erhebungen dieses Bild etwa wie folgt: Eisenbahn statt bisher 22 % der Belegschaft nur noch 12 %. Den Bus benutzen statt bisher 44,3 % rund 55 %. Die Benutzung der anderen Verkehrsmittel ist etwa die gleiche geblieben; wahrscheinlich werden wir erst im Frühjahr eine weitere Umschichtung erleben. Die Abwanderungsquote beträgt hiernach rund 45 %, meine Damen und Herren! Das ist mehr als der vorhin so global errechnete Grenzwert von 35 %.
    Sie werden einwenden. daß das als Einzelbeispiel nicht repräsentativ genug sei. Es zeigt uns aber trotzdem sehr deutlich, in welcher Größenordnung Mehreinnahmen aus dem Berufsverkehr tatsächlich zu erwarten sind. Es wird, so glaube ich, nur ein Bruchteil dessen sein, was die Bundesbahn kalkuliert hat.
    Für eine Erhöhung der Sozialtarife — ich sagte vorhin schon, daß erfreulicherweise eine Anzahl gerade der größten Härten schon beseitigt ist — gibt es überhaupt keine wirtschaftliche Begründung. Es handelt sich hier um Verpflichtungen, die man nicht aus kaufmännischen Erwägungen heraus abtun kann. Ich meine hiermit weniger die Bundesbahn als vielmehr die Bundesregierung, die schon längst diese Lasten hätte übernehmen müssen. Es ist für uns eine unbestreitbare Tatsache, Herr Brück, daß das Personal der Bundesbahn in den Jahren



    Junghans
    nach dem Krieg seinen Teil zu den Rationalisierungsmaßnahmen beigetragen und Hervorragendes geleistet hat, damit ein wirtschaftlicher Betrieb erreicht werden konnte. Wir haben aber die Sorge, daß diese Anstrengungen ohne eine Verkehrsreform nicht hinreichend gewürdigt werden können.
    Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Aufgabe, Ihnen unsere Auffassung über eine Verkehrsreform zu entwickeln. Das hat mein Freund Dr. Bleiß schon überzeugend getan. Ich habe Ihnen an Hand einiger Beispiele die Auswirkungen der Tariferhöhungen im Berufsverkehr und bei den Sozialtarifen erläutert.
    Nun legen die Fraktionen der Koalitionsparteien in der Drucksache 185 ebenfalls — in Miniaturausgabe — einen Antrag betreffend Tarife im Berufsverkehr vor. Allerdings ist er erst einen Tag vor dieser Debatte noch schnell eingebracht worden, offensichtlich also, wie man bei der Bundesbahn sagt, eine Notbremse. Der Antrag soll dem Kabinettsbeschluß vom 15. Januar 1958 noch einen Giftzahn ziehen.
    Warum aber — so ist zu fragen — bleibt man hierbei stehen? Ich muß sagen: wenn schon, denn schon!
    Im übrigen möchte ich im Namen meiner Fraktion noch beantragen, daß, falls der Antrag der Koalitionsparteien beraten wird, unser Änderungsantrag dazu beraten wird, die Lehrlinge im dritten und vierten Lehrjahr den Schülern gleichzustellen.

    (Abg. Müller-Hermann: Akzeptiert!) — Akzeptiert? Vielen Dank!

    Es steht außer Zweifel, daß die Tariferhöhungen im Berufsverkehr und besonders die Erhöhungen der Sozialtarife eine erhebliche Mehrbelastung für die sozial Schwachen bedeuten. Nach unserer Auffassung — ich muß das immer wieder sagen — darf das Defizit der Deutschen Bundesbahn nicht auf den Rücken der sozial Schwachen abgewälzt werden. Deshalb beantragen wir, die Erhöhung der Tarife im Berufsverkehr und die Erhöhung der Sozialtarife rückgängig zu machen. Wenn die Bundesbahn diesen Sozialaufwand nicht tragen kann, muß der Bund diese Verpflichtungen übernehmen. Wir haben beantragt, in den Einzelplan 12 des Haushaltsplans 1958/59 einen Betrag von 130 Millionen DM einzusetzen. Ich darf mitteilen: die „136 Millionen DM" sind offenbar ein Druckfehler, es soll „130" heißen; es stand so auch in der ursprünglichen Drucksache.
    Damit es zu einer tatsächlich wirksamen Hilfe für die Deutsche Bundesbahn bei der Erfüllung ihrer gemeinwirtschaftlichen Aufgaben im Berufsverkehr kommt — jenseits aller dubiosen Maßnahmen, die letzten Endes die gemeinwirtschaftliche Aufgabe nicht fördern, sondern Zug um Zug abbauen — und angesichts der angespannten Preissituation bitte ich Sie, meine Damen und Herren, dem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen. Wir beantragen Überweisung an den Haushaltsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Müller-Hermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich mit den Ausführungen unserer hochwohllöblichen Opposition beschäftige

    (Zurufe von der SPD)

    — immer freundlich, meine Herren! —, möchte ich ein paar einleitende Worte an die Adresse unserer Bundesregierung richten.

    (Zuruf von der SPD: Die hochwohllöbliche?)

    Im Gegensatz zu den Vorstellungen der SPD, die meint, daß diese Tarifanhebung überflüssig sei, möchte ich der Bundesregierung in aller Freundschaft zurufen: Spät kommt ihr, doch ihr kommt! Ich glaube, daß die Tarifanhebung, die jetzt durchgeführt wurde, seit drei oder zwei Jahren zwingend notwendig gewesen ist und daß wir heute nur nachholen, was damals infolge mangelnder Vorbereitungen und Vorarbeiten — sie waren noch im Gange — nicht durchgeführt werden konnte.

    (Zurufe von der SPD: Die Wahlen standen bevor!)

    Damals, als dieses Thema auftauchte, wurde die These vertreten: die Bundesbahn braucht nur mehr Verkehr und ihr Defizit wird sich einschränken lassen. Aber es ist völlig klar: wenn man ständig zu unterbezahlten Tarifen fährt, läßt sich das Defizit nicht ausgleichen, sondern es steigt dadurch an. Das ist eingetreten.
    Zum zweiten müssen wir uns darüber im klaren sein, daß sich durch den Eintritt in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und wegen der Notwendigkeit, eine gemeinsame europäische Verkehrspolitik zu betreiben, auch für unsere eigene deutsche Verkehrspolitik sehr klare Konsequenzen ergeben werden. Ich möchte aus dem vorbereitenden bereits fertiggestellten Bericht, aus dem sogenannten Kapteyn-Bericht, nur einen einzigen Satz zitieren, der sich mit diesem Themenkreis beschäftigt. Herr Kapteyn stellt die These auf:
    Eine gute Verkehrspolitik muß davon ausgehen, daß alle Transporte die ihnen zuzumessenden variablen und festen Kosten, die eine Belastung für die gesamte Wirtschaft darstellen, auch tragen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist eine Binsenwahrheit!)

    Ich kann also der Bundesregierung nur unsere volle Unterstützung aussprechen, wenn sie den bisher beschrittenen und den hier begonnenen Weg konsequent fortsetzt,

    (Zuruf von der SPD: Die Preise ständig zu erhöhen!)

    den Weg zu einer Anhebung der Tarife im Bereiche des Verkehrs, die den echten Selbstkosten entsprechen.

    (Erneute Zurufe von der SPD.)


    Müller-Hermann
    — Ja, ich komme gleich auch zu Ausführungen an die Adresse der Freunde von der SPD und werde ihnen aufzeigen müssen, daß zwischen den Ausführungen, die Herr Kollege Schmidt und Herr Dr. Bleiß gemacht haben, eine Diskrepanz klafft, die Sie uns noch erläutern müssen; denn der eine ist für eine Marktwirtschaft im Bereiche des Verkehrs eingetreten, und der andere ist für eine völlige Negierung aller marktwirtschaftlichen Überlegungen eingetreten.

    (Abg. Schmücker: Seien Sie doch nicht so kleinlich, Herr Müller-Hermann!)

    Wir sind der Meinung, daß wir auch im Bereich der Verkehrspolitik zu einem echten Leistungswettbewerb auf der Grundlage angenäherter Startbedingungen zwischen den Verkehrsträgern kommen müssen und daß sich auf dem Wege eines echten Leistungswettbewerbs von selbst sehr viele Probleme lösen lassen, die uns heute noch unlösbar erscheinen.
    Wir haben eine weitere Bitte an die Bundesregierung, nämlich die, die Erfahrungen, die mit der jetzigen Tarifreform gemacht werden, sehr sorgfältig zu beobachten und eventuell zu gewissen Korrekturen zu kommen. Ich denke insbesondere an die verkehrsfernen Gebiete. Wir müssen prüfen, inwieweit sich hier eventuell ungünstige Auswirkungen ergeben, und was mit gezielten Maßnahmen zur Abstellung getan werden kann. Wir werden unsere besondere Aufmerksamkeit auch der von der SPD dankenswerterweise zur Debatte gestellten Anregung zuwenden müssen, eine Zusammenballung der Wohnstätten und in der Industrieansiedlung zu verhindern. Wir alle wünschen eine solche Zusammenballung nicht. Wir müssen auch da sehen, ob wir andere Wege, neue Wege eventuell, beschreiten müssen, um einer Tendenz zu weiterer Konzentrierung entgegenzuwirken.
    In diesem Sinne ist auch der Punkt 2 unseres Antrags Drucksache 185 aufzufassen, in dem wir die Bundesregierung ersuchen, darauf hinzuwirken, daß im Arbeiterberufsverkehr bei der Benutzung verschiedener Verkehrsmittel möglichst ein durchgehender Tarif angewandt wird, damit bei größeren Entfernungen eine Degression des Gesamtfahrpreises eintreten kann.
    Im übrigen darf ich zu unserem Antrag bemerken, daß wir — in Übereinstimmung mit dem von der SPD geäußerten Wunsch — die Lehrlinge nicht nur im dritten, sondern auch im vierten Lehrjahr

    (Zuruf von der CDU/CSU: Während der ganzen Lehrzeit!)

    — während der ganzen Lehrzeit — mit den Schülern gleichgestellt wissen wollen.
    Schließlich soll nach unserem Antrag die Bundesregierung ersucht werden, in Verhandlungen mit der Deutschen Bundesbahn sicherzustellen, daß bei künftigen Investitionen der Bundesbahn eine Verbesserung des Arbeiterberufsverkehrs besondere Berücksichtigung findet. Ich darf in diesem Zusammenhang auf eine bereits vor Anberaumung dieser Debatte von einer Reihe von Kollegen eingebrachte
    Anfrage verweisen, in der besonders von der Schaffung einer ausreichenden Zahl von Sitzplätzen im Arbeiterberufsverkehr, der Erneuerung des Wagenparks und der Aufstellung optimaler Fahrpläne mit dem Ziel, die Fahrzeiten zu verkürzen, gesprochen worden ist.
    Nun noch eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers. Der Herr Bundesverkehrsminister hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, die tarifarischen Maßnahmen seien so kompliziert, daß sie nicht en detail im Plenum des Bundestages, ja, ich möchte sogar meinen, auch in einem Verkehrsausschuß nicht, besprochen werden können. Darin besteht völlige Übereinstimmung der Auffassungen. Aber wir müssen uns auch darüber im klaren sein, daß es sich bei den jetzt durchgeführten Tarifreformmaßnahmen und vor allem bei der noch zu erwartenden Weiterentwicklung der Tarifreform, wobei ja auch das Problem der Auseinanderentwicklung der Tarife für Schiene und Straße betroffen ist, nicht nur um rein tariftechnische Maßnahmen handelt, sondern um Maßnahmen mit erheblicher verkehrspolitischer und wirtschaftspolitischer Auswirkung. Mir scheint daher das Verlangen durchaus berechtigt, daß das Parlament, der Bundestag bzw. der zuständige Ausschuß des Bundestages, zumindest über die Grundlinien einer Tarifreform, und zwar auch der kommenden Tarifreform, rechtzeitig informiert wird und daß Gelegenheit gegeben wird, über diese Maßnahmen im einzelnen zu sprechen. Ich muß hier eine gewisse Kritik anklingen lassen, daß über die jetzigen Tarifmaßnahmen auch der Verkehrsausschuß des Bundestages nicht rechtzeitig informiert und er dazu nicht gehört worden ist.
    Gestatten Sie mir nun einige Bemerkungen an die Adresse der — ich möchte das Wort von der „hochwohllöblichen" Opposition vermeiden, obwohl es wirklich im besten Sinne gemeint war — Freunde der SPD! Da möchte ich in Abwandlung des Wortes, das ich an die Bundesregierung gerichtet habe, meinen: Spät tönt ihr, doch ihr tönt! Wir haben ja — hier muß ich auf einiges zurückkommen, was der Kollege Brück schon gesagt hat — im Laufe der letzten Jahre das Thema der Tarife in fast allen Stadtparlamenten behandelt, bzw. es ist wohllöblich aus den Stadtparlamenten herausgehalten worden, nicht zuletzt dort, wo die SPD über eine absolute Mehrheit verfügt hat, weil man eben weiß: Das ist ein sehr heikles und unbequemes Thema, und man macht es besser hinter den Kulissen ab, als darüber allzuviel in der Öffentlichkeit zu sprechen.
    Ich komme aus Bremen; da ist die SPD sehr stolz darauf, daß sie die absolute Mehrheit hat. Da sind die Verkehrstarife im Laufe der letzten Jahre mehrmals angehoben worden, und im letzten Jahr noch einmal.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Da habe ich mir böswilligerweise die Bemerkung erlaubt, man sollte doch einmal die Frage prüfen, ob nicht eventuell die Konzessionsabgabe gekürzt werden kann, um dieses Maß der Anhebung zu ver-



    Müller-Hermann
    meiden. Und was meinen Sie, Herr Kollege Dr. Bleiß, was für eine Antwort ich dort von Ihren Freunden bekommen habe! „Das ist eine reine Propagandamaßnahme", „völlig unwirtschaftlich gedacht" und „selbstverständlich muß von einem Monopolunternehmen auch verlangt werden, daß es an den Staat, der ja auch die Straßen zur Verfügung stellt, eine Abgabe entrichtet".
    Ich muß hier meinen Einwand berichtigen, Herr Dr. Bleiß. Es gibt, wie ich mich inzwischen habe belehren lassen, eine Stadt, die auf die Konzessionsabgabe verzichtet hat, und das ist Köln. Das wollen wir hier gerechterweise festhalten.