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ID0301009300

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    Deutscher Bundestag lo. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1958 Inhalt: Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Diehl, Auge und Geritzmann 423 A Abg. Maucher tritt als Nachfolger des Abg. Dr. Brönner in den Bundestag ein . . . 423 A Zur Tagesordnung: Rösing (CDU/CSU) 423 C Fragestunde (Drucksache 187) Frage 1 des Abg. Ritzel: Streifen oder Flächen an Fahrzeugen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 423 D Ritzel (SPD) 424 B Frage 2 des Abg. Gewandt: Bau eines Nord-Süd-Kanals Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 424 D Frage 3 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Waffenhandel der Firma Schlüter, Hamburg Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 426 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 426 B Frage 4 des Abg. Dewald: Errichtung von Radarstationen und Raketenabschußrampen im Raum Miltenberg Strauß, Bundesminister 426 D Dewald (SPD) 427 B Frage 5 des Abg. Dr. Bucher: Strafverfahren gegen den Ministerialrat a. D. Ziebell Dr. Dr. h. c. Erhard, Vizekanzler . . . 427 D Dr. Bucher (FDP) 428 B Frage 6 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Besuch des Generals Dr. Speidel im Hamburger Rathaus Strauß, Bundesminister 428 D Schmidt (Hamburg) (SPD) 429 B Frage 7 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Einbau von Fernsehgeräten in Kraftfahrzeuge Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 429 D Frage 8 des Abg. Dewald: Gültigkeit der Arbeiterwochenkarten in Verbindung damit: Frage 15 des Abg. Ritzel: Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 430 B Dewald (SPD) 430 C Frage 9 des Abg. Dr. Ratzel: Beschaffenheit eines entwendeten radioaktiven Kupferstabs Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . . 430 D II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Februar 1958 Frage 10 des Abg. Dr. Ratzel: Benutzung radioaktiver Strahlenquellen in der gewerblichen Wirtschaft Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . . . 431 B Frage 11 des Abg. Seither: Wiederaufbau der Rheinbrücke bei Germersheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 432 C Frage 12 des Abg. Wittrock: Zulassung von Personen, die nach j 26 StGB aus der Strafhaft entlassen sind, zum Staatsexamen Dr. Schröder, Bundesminister . . . 432 D Wittrock (SPD) 433 A Frage 13 des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Verbesserung des deutschösterreichischen Abkommens über Sozialversicherung Blank, Bundesminister 433 B Frage 14 des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Rentenzahlungen an Rentnerwitwen Blank, Bundesminister 433 C Frage 16 des Abg. Riedel: Liederbuch für die Bundeswehr Strauß, Bundesminister 434 A Frage 17 des Abg. Regling: Ausschreibungs- und Lieferfristen bei der Bundeswehr Strauß, Bundesminister 434 C Regling (SPD) 435 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Anhebung der Verkehrstarife (Drucksache 136) In Verbindung damit: Antrag der Fraktion der SPD betr. Erhöhung der Tarife im Berufsverkehr und der Sozialtarife (Drucksache 141 (neu]), Antrag der Fraktionen CDU/CSU, DP betr. Verkehrstarife (Drucksache 185) Ritzel (SPD) (zur Geschäftsordnung) . 435 D Schmidt (Hamburg) (SPD) 435 D, 468 D, 476 B Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 441 D Dr. Bleiß (SPD) 450 A, 473 C Brück (CDU/CSU) 456 A Junghans (SPD) 459 A Müller-Hermann (CDU/CSU) . 462 C, 478 C Dr. Elbrächter (DP) 466 B Drachsler (CDU/CSU) 469 D Dr. Starke (FDP) 471 C Dr. Bucerius (CDU/CSU) 474 C Ritzel (SPD) 477 B Abstimmungen 477 D, 478 C Nächste Sitzung 478 C Anlagen: Liste der beurlaubten Abgeordneten, Umdrucke 10 und 11 . . . 479 A, 479 C Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Februar 1958 423 10. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Ackermann 12. 2. Dr. Barzel 24. 2. Bazille 14. 2. Dr. Bechert 14. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Berlin 12. 2. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 2. Blachstein 14. 2. Dr. Brecht 14. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 14. 2. Dopatka 15. 2. Even (Köln) 15. 2. Faller 7. 3. Gerns 14. 2. Freiherr zu Guttenberg 12. 2. Frau Herklotz 12. 2. Kalbitzer 12. 2. Kemmer 14. 2. Keuning 14. 2. Kiesinger 14. 2. Klausner 12. 2. Köhler 14. 2. Dr. Kopf 15. 2. Kühlthau 14. 2. Kunze 15. 2. Lenz (Brühl) 14. 2. Dr. Leverkuehn 14. 2. Dr. Lindenberg 12. 2. Mauk 12. 2. Mengelkamp 14. 2. Metzger 12. 2. Muckermann 14. 2. Paul 28. 2. Pohle 12. 2. Pöhler 12. 2. Dr. Preiß 12. 2. Rademacher 12. 2. Ramms 14. 2. Frau Rudoll 12. 2. Schneider (Bremerhaven) 12. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 14. 2. Seidl (Dorfen) 12. 2. Dr. Steinmetz 12. 2. b) Urlaubsanträge Abgeordnete(r) bis einschließlich Bauer (Wasserburg) 22. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 28. 2. Gedat 22. 2. Dr. Höck 21. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Jacobs 12. 3. Jürgensen 28. 2. Dr. Leiske 22. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Mellies 8. 3. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Dr. Weber (Koblenz) 22. 2. Anlage 2 Umdruck 10 Antrag der Fraktion der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 136) betr. Anhebung der Verkehrstarife. Der Bundestag wolle beschließen: Die deutsche Öffentlichkeit erwartet von der Erhöhung der Verkehrsentgelte der Deutschen Bundesbahn eine Sanierung des Unternehmens und eine Befreiung des deutschen Steuerzahlers von den seit Jahren gestiegenen Subventionen aus allgemeinen Steuermitteln. Aus der Erkenntnis, daß die Erhöhung der Tarife allein nicht ausreicht, eine ausgeglichene Betriebsrechnung bei der Deutschen Bundesbahn herzustellen, erwartet der Bundestag von der Bundesregierung, daß sie eine unabhängige, dem Bundesfinanzminister und dem Bundesverkehrsminister verantwortliche Prüfungskommission einsetzt, die die Betriebsrechnung der Deutschen Bundesbahn in ihren Einnahmen und Ausgaben überprüft und deren Aufgaben sich insbesondere auf folgende Fragen erstrecken: 1. Inwieweit kann durch eigene Anstrengungen unnötiger Aufwand vermieden und eine Betriebsführung nach kaufmännischen Gesichtspunkten sichergestellt werden? 2. Welche Verkehre weisen Verluste auf, welche Rationalisierungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen müssen ergriffen werden, um - gegebenenfalls unter Lockerung der gemeinwirtschaftlichen Auflagen der Bundesbahn - zu einer ausgeglichenen Ertragslage zu kommen, und inwieweit kann dies Ziel durch Gemeinschaftslösungen mit anderen Verkehrsträgern erreicht werden? 3. Inwieweit bestehen politische Sonderlasten, die zu einer kaufmännischen Betriebsführung in Widerspruch stehen und einen Leistungswettbewerb der Deutschen Bundesbahn auf der Grundlage gleicher Startbedingungen beeinträchtigen? 4. Inwieweit fördern die im Bundesbahngesetz festgelegte Organisation der Bundesbahnverwaltung sowie die Zusammensetzung und Funktion des Verwaltungsrates eine kaufmännische Betriebsführung, und welche Verbesserungen erscheinen geboten? Bonn, den 12. Februar 1958 Dr. Krone und Fraktion Frau Kalinke und Fraktion 480 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Februar 1958 Umdruck 11 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 136) betr. Anhebung der Verkehrstarife. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich einen Selbstkostenvergleich zwischen der Bundesbahn, dem gewerblichen Güterkraftverkehr und der Binnenschiffahrt zu erstellen und dem Bundestag bis zum 31. März 1959 den Selbstkostenvergleich vorzulegen. Bonn, den 12. Februar 1958 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Dr. Hans-Christoph Seebohm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich glaube, das habe ich vorhin eingehend ausgeführt, Herr Kollege Schmidt. Ich hoffe, Sie sind meinen Ausführungen gefolgt. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß die Anstaltstarife nur insoweit gebildet werden können, als sie nicht dem Art. 1 des Preisgesetzes widersprechen. Das bedeutet also auch mit Bezug auf die Antwort, die ich namens der Bundesregierung zu Ziffer 6 erteilt habe, daß wir nicht der Auffassung sind, daß durch diese Maßnahme grundlegende und erhebliche Veränderungen des Preisstandes eintreten.
    Ich darf noch auf einige kleine Fragen antworten, die Herr Kollege Schmidt gestellt hat. Der Herr Kollege Schmidt hat den Wunsch nach der FünfTage-Karte ausgesprochen. Die Bundesbahn ist bereit, eine Fünf-Tage-Karte einzuführen, sobald entsprechende Betriebseinsparungen an den Sonnabenden eintreten, d. h. sobald wirklich ein entsprechender Anteil der Berufsfahrer auf die Fünf-TageWoche umgestellt ist. Das ist bisher noch nicht in dem erforderlichen Ausmaße geschehen. Bei allen Beratungen ist aber ausdrücklich vorgesehen worden, daß wir zu dieser Maßnahme kommen werden und auch kommen müssen, wenn eben die überwiegende Mehrzahl der entsprechenden Fahrer sich auf die Fünf-Tage-Woche umgestellt haben.
    Ich darf hierzu aber noch eines bemerken: Für die Deutsche Bundesbahn ist es schwer verständlich, daß man einerseits sagt, man wolle den sechsten Tag nicht bezahlen, wenn die Fünf-Tage-Woche gegeben sei, andererseits aber fordert, daß solche Karten für sieben Tage gelten sollen!

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Auf die Frage der Lehrlinge bin ich vorhin schon eingegangen. Ich möchte nur zu gewissen Ausführungen, die der Herr Kollege Schmidt zur Frage der Abrechnung und ähnlichen Fragen gemacht hat, folgendes sagen:
    Die Post und die Bahn unterscheiden sich, wie Sie sehr genau wissen, wesentlich in ihrer gesetzgeberischen Struktur. Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen ist zugleich der oberste Chef der ganzen Postverwaltung. Seinen Weisungen muß Rechnung getragen werden. Der Bundesminister für Verkehr dagegen ist nur eine Aufsichtsinstanz der Deutschen Bundesbahn, und das Bundesbahngesetz sieht, wenn ich mich recht erinnere, auf besonderen Wunsch der Mitglieder Ihrer Fraktion ausdrücklich vor, daß es dem Bundesminister für Verkehr verboten ist, mit Einzelweisungen in den Betrieb der Bundesbahn einzugreifen. Er kann infolgedessen Dinge, die der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen ohne weiteres durch-



    Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
    setzen kann, leider nicht durchsetzen. Das ist ihm gesetzlich nicht ermöglicht worden. Dieser Zustand ist sehr stark auf die Stellungnahme Ihrer politischen Freunde bei der Beratung des Bundesbahngesetzes zurückzuführen.

    (Zuruf des Abg. Schmidt [Hamburg].)

    — Verzeihung, entweder Zwischenfragen oder keine Zwischenfragen, aber nicht Zwischenrufe von solcher Länge, daß man sie nicht aufnehmen und beantworten kann.
    Im übrigen, meine Damen und Herren, bin ich fertig. Ich darf nur noch bemerken, daß der Bilanzausgleich bei der Deutschen Bundesbahn für die Jahre 1948 bis 1956, also per 1. Januar 1957, durch die bekannten Beschlüsse der Bundesregierung über die Übernahme betriebsfremder Personallasten, die Ihnen, mindestens den Mitgliedern des Verkehrsausschusses ja bekannt sind, herbeigeführt worden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Zunächst hat das Wort in der allgemeinen Aussprache zu dem gesamten Tagesordnungspunkt 2 der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Paul Bleiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bedauern es, daß die Große Anfrage von dem Herrn Bundesverkehrsminister im Einvernehmen mit dem Herrn Bundespostminister und dem Herrn Bundeswirtschaftsminister beantwortet worden ist. Wir hätten es lieber gesehen, wenn auch der Herr Bundeswirtschaftsminister zu diesen unseren Fragen Stellung genommen hätte. Denn die Tariferhöhung ist nicht nur ein verkehrstechnisches Problem, sie ist in der Hauptsache ein zentrales Problem der Preis- und Wirtschaftspolitik. Die Verkehrsrate in der Bundesrepublik beläuft sich auf rund 10 % des Bruttosozialprodukts. Wenn die Tarife erheblich erhöht werden, so müssen sich daraus zwangsläufig Rückwirkungen auf das gesamte Wirtschafts- und Preisgefüge ergeben.
    In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu den Personalkosten. In der Stellungnahme des Herrn Bundesverkehrsministers zu unserer Großen Anfrage ist wiederum durchgeklungen, daß die Personalkosten, d. h. daß also praktisch das Anwachsen der Lohn- und Gehaltskosten unvermeidlich zu einer Erhöhung der Tarife habe führen müssen. Ich bin der Meinung, daß diese These nicht richtig ist. Mir scheint, daß eine solche Argumentation Ursache und Wirkung verwechselt. Wir müssen deshalb hier noch einmal deutlich festhalten, daß der Wettlauf zwischen Preis und Lohn vom Preis ausgegangen ist. Wenn die Preiskurve ständig nach oben geht, dann ergibt sich daraus die zwingende Notwendigkeit, die Löhne den gestiegenen Preisen anzupassen. Man kann nicht immer wieder versuchen, die Dinge umzudrehen. Deswegen möchte ich an den Anfang meiner Ausführungen die These stellen, daß die Ursache der Tariferhöhung in ;der nach unserer Auffassung falschen Preis- und Wirtschaftspolitik der
    Bundesregierung liegt. Das Tarifgebäude der Bundesbahn hat den wachsenden Preisdruck nicht ausgehalten. Der Preisdruck ist in den letzten Monaten so stark geworden, daß alle Überlegungen, die man um die Mitte des vergangenen Jahres angestellt hat, um die Defizite der Bundesbahn auszugleichen, längst überholt sind. Trotz der Tariferhöhung, Herr Bundesverkehrsminister — und da habe ich Sie eben nicht verstanden, als Sie in Ihren Darlegungen meinten, der Status sei per 1. Januar 1958 ausgeglichen -, arbeitet die Bundesbahn weiterhin mit erheblichen Verlusten, die heute schon für das Jahr 1958 mit etwa 400 Millionen Mark veranschlagt werden, die sehr bald auf 600 und 700 Millionen Mark anwachsen können.
    Bei einer solchen Situation hätte nun die Bundesregierung von sich aus alle Anstrengungen machen müssen, um die gestiegenen Beschaffungskosten durch Rationalisierungsgewinne so weit wie nur irgend möglich zu kompensieren. Das hätte bedeutet, eine vernünftige Verkehrspolitik zu treiben. Eine solche vernünftige Verkehrspolitik hätte nach meiner Auffassung zwei wichtige Voraussetzungen gehabt: die genaue Beobachtung der verkehrstechnischen Entwicklung und zweitens die Anpassung der Bundesbahn an eine solche Entwicklung.
    Beide Voraussetzungen sind aber von der Bundesregierung nicht erfüllt worden. Ich glaube, es gibt gerade für eine derartige Feststellung keinen besseren Zeugen als den Ersten Präsidenten der Bundesbahnverwaltung, Herrn Professor Oeftering. Herr Professor Oeftering schreibt in der Nr. 23 des Organs der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn „Die Deutsche Bundesbahn" — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Zu einem wesentlichen Teil ist diese finanzielle Lage der Bundesbahn aber die Folge einer weltweiten Entwicklung, und zwar schon vor einem halben Jahrhundert einsetzend, die sich aber erst nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland in vollem Umfang ausgewirkt hat. Ich meine die durch die Erfindung und technische Vervollkommnung des Motors ausgelöste Umwälzung des gesamten Verkehrswesens, die unaufhaltsam voranschreitet und die offensichtlich noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat.
    Herr Oeftering fährt interessanterweise fort:
    Die Bundesbahn selbst hat sich mit dem Verlust ihrer Monopolstellung längst abgefunden.
    Er sagt dann:
    Die Quelle der heutigen finanziellen Schwierigkeiten der Bundesbahn ist weit mehr darin zu finden, daß die soeben von mir skizzierte Umwälzung im Verkehrswesen vom Gesetzgeber
    — so sagt er vorsichtigerweise; er meint sicher die Bundesregierung —
    weitgehend einfach ignoriert wird und die Bundesbahn kraft Gesetzes noch immer insbesondere in ihren finanziellen Verhältnissen zum Bund als dem Vermögensträger denselben



    Dr. Bleiß
    Spielregeln unterworfen ist, die nur auf ein Monopolunternehmen passen können. Insbesondere muß noch immer die Bundesbahn als ein Wettbewerbsunternehmen zahlreiche Lasten tragen, die sie früher als Monopolunternehmen getragen hat und als solches auch tragen konnte.
    Es ist ein sehr hartes Urteil, das Herr Oeftering über die Bundesregierung fällt. Aber die von ihm getroffene Feststellung ist durchaus richtig. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß Herr Oeftering als früherer Leiter der Haushaltsabteilung im Bundesfinanzministerium jahrelang an der Pflege dieser Ignoranz maßgebend beteiligt war.
    Auch ich bin der Meinung, daß die weltweite Entwicklung des Motors von der Bundesregierung entweder überhaupt nicht erkannt oder bewußt nicht honoriert worden ist. Denn sonst hätte man sich doch seit langem Gedanken darüber machen müssen, wo die Grenzen der Wirtschaftlichkeit in der Verkehrsbedienung zwischen Schiene und Straße und der Binnenschiffahrt liegen, d. h. man hätte durch einen vernünftigen Selbstkostenvergleich innerhalb dieser drei Verkehrsträger feststellen müssen, auf welchen Strecken und in welchen Gütergruppen der jeweilige Verkehrsträger am leistungsfähigsten ist. Eine solche betriebswirtschaftliche Untersuchung hat natürlich zur Voraussetzung, daß man auch für die Bundesbahn echte Wettbewerbsbedingungen schafft, daß man sie also mit einer ausreichenden Kapitalausstattung versieht, die ihr erst einmal eine Modernisierung ihrer Anlagen ermöglicht.
    Der Bund — das darf ich in diesem Zusammenhang erwähnen — hat umfangreiche Mittel für den Neubau und für die Modernisierung der Binnen- und Hochseeschiffahrt und für den Auf- und Ausbau der Lufthansa zur Verfügung gestellt. Das war richtig, die Maßnahmen sind auch von uns voll unterstützt worden. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es uns aber um so unverständlicher, daß der Bund seinem eigenen Sondervermögen, der Bundesbahn, eine solche wirksame Kapitalausstattung verweigert und die Bundesbahn ohne Rücksicht auf die Entwicklung als einen Monopolbetrieb behandelt hat, auf den man eine Reihe von unangenehmen Verpflichtungen abwälzen kann.
    In diesem Zusammenhang darf ich kurz auf den Antrag zu sprechen kommen, der von der CDU/CSU und der DP eingereicht worden ist. Dieser Antrag hat eine Präambel, in der es u. a. heißt:
    Die deutsche Öffentlichkeit erwartet von der Erhöhung der Verkehrsentgelte der Deutschen Bundesbahn eine Sanierung des Unternehmens und eine Befreiung des deutschen Steuerzahlers von den seit Jahren gestiegenen Subventionen aus allgemeinen Steuermitteln.
    Nun, meine Damen und Herren, was heißt eigentlich Subventionen? Sie haben jahrelang der Bundesbahn eine vernünftige Kapitalausstattung verweigert. Sie haben sie auf den Weg gewiesen, die Gelder sich irgendwo zusammenzuborgen, wo es nur geht, und Sie haben die Bundesbahn gezwungen,
    sich kurzfristig die Mittel zu beschaffen, die sie brauchte, um den Haushalt auszugleichen. Jetzt machen Sie ihr plötzlich den Vorwurf, daß sie von Subventionen gelebt habe. Ich glaube, der Fehler liegt bei der Bundesregierung. Man hätte das eigene Bundesvermögen kapitalmäßig vernünftig ausstatten müssen. Dann, glaube ich, wäre es auch auf Subventionen — von denen im übrigen keine Rede sein kann — nicht angewiesen.
    Man hat später, als die Entwicklung die Bundesbahn in eine defizitäre Wirtschaft gezwungen hatte, versucht, der Bundesbahn durch indirekte Maßnahmen zu helfen, d. h. durch eine verstärkte Belastung des Straßenverkehrs. Man hat beide Verkehrsträger immer mehr mit Lasten belegt und diese beiden Verkehrsträger gegeneinander ausgespielt. Diese von der Bundesregierung geübte Methode hat zweifellos zu einer Verkrampfung des ganzen Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße geführt und hat die beklagenswerte ruinöse Konkurrenz verursacht. Das hat auch dazu geführt, daß die Bundesbahn ihren eigenen DEGT laufend unterbieten mußte, nur um das Frachtgut an sich zu ziehen.
    Mir liegt hier ein Schreiben des Werbedienstes der Bundesbahndirektion Münster vor. In diesem Werbeschreiben, aus dem ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren möchte, wird unter anderem gesagt:
    Unter der Voraussetzung, daß die in Aussicht gestellte Verkehrssteigerung im Stückgutversand auf monatlich 100 t erfolgt, wird ein Rollgeldkostenzuschuß in Höhe von 60 Pfennig je 100 kg gezahlt.
    Es wird weiter gesagt:
    Die bereits bestehende Abmachung über die Erstattung von 50 % der Behältermiete bleibt unverändert bestehen.
    Und weiter heißt es:
    Für die Wagenladungen wird, ausgenommen nach der 5-t-Klasse, je nach Gutart und Entfernung ein Rollgeld- und Umladekostenzuschuß gezahlt. Die Höhe dieses Zuschusses wird verschieden hoch ausfallen. Für Blechladungen von der Sieg würden z. B. 3 DM je Tonne tragbar sein, während der Zuschuß für Eisenladungen von der Ruhr rund 10 % der Fracht ausmachen würde.
    Meine Damen und Herren, das ist eines von vielen Beispielen, sie sind beliebig vermehrbar. Das hat dazu geführt, daß die Bundesbahn sich selbst tarifuntreu wurde, daß sie auf einen Teil ihrer Einnahmen zwangsläufig verzichtet hat. Es hat dazu geführt, daß sie mit einer Vielzahl von Vergünstigungen und Tarifunterbietungen arbeiten mußte. Man schätzt, daß allein dadurch der Bundesbahn ein Ausfall von mindestens 150 Millionen DM jährlich entsteht. Das sind zweifellos Gelder, die der Steuerzahler zahlen muß und die praktisch der verladenden Wirtschaft zugute kommen. Ich möchte meinen, daß gerade hierin noch Möglichkeiten liegen, Steuergelder zu sparen.



    Dr. Bleiß
    Ein weiteres trauriges Kapitel, das im Bundestag wiederholt angesprochen worden ist, ist der Dualismus zwischen Bahn und Post im Personen- und im Kleingutverkehr. Es ist offengestanden einfach nicht zu verstehen, daß zwei große Bundesvermögen, die Bundesbahn und die Bundespost, sich gegenseitig im Personenverkehr den Fahrgast und im Kleingutverkehr das Paket wegschnappen und daß der Steuerzahler und der Verkehrsteilnehmer diesen Kompetenzstreit der beiden häufig so feindlichen Brüder bezahlen muß. Ich bin der Meinung, auch auf diesem Gebiet liegt eine Vielzahl von Reserven, die ausschöpfbar sind.
    Meine Damen und Herren! Ich habe diese Beispiele gebracht, um darzutun, daß es bei einer vernünftigen Verkehrspolitik möglich gewesen wäre, durch Rationalisierung einen erheblichen Teil der Kostensteigerungen zu kompensieren, einen erheblichen Teil der Verluste zu verhüten und dadurch die Tariferhöhung erträglicher zu machen. Wenn das nicht geschehen ist, dann liegt die Schuld vielleicht noch nicht einmal so sehr bei dem Herrn Bundesverkehrsminister; sie liegt vielmehr bei dem Bundesfinanzminister, der sich bisher unter Voranstellung anderer Ausgabeposten konstant geweigert hat, den Verkehrshaushalt so ausreichend zu dotieren, daß eine leistungsfähige, in ihren Wettbewerbsverhältnissen ausgeglichene Verkehrswirtschaft ihre großen volkswirtschaftlichen Aufgaben auch erfüllen kann.

    (Abg. Müller-Hermann: Mehr Geld drucken!?)

    — Nein! Mit einer besseren Verteilung der Haushaltsausgaben würden wir vielleicht, ohne mehr Geld zu drucken, wesentlich bessere volkswirtschaftliche Wirkungen erzielen. — Es ist deshalb nicht gut, wenn das Schwergewicht der Verkehrspolitik im Bundesfinanzministerium liegt und wenn der Haushaltsreferent diesen Tatbestand auch äußerlich dadurch kennzeichnet, daß er sein Referat in „Abteilung für Verkehrspolitik" umfirmiert hat.
    Meine Damen und Herren! Diese Fehler der nach unserer Auffassung falschen Verkehrs- und Finanzpolitik müssen jetzt Verbraucher und Fahrgast in einer Form bezahlen, die mit der Tariferhöhung vom 1. Februar ihren Anfang nimmt. Gerade weil es sich hier um die erste wesentliche Tarifreform handelt, möchte ich mich mit den Einzelheiten dieser Reform noch etwas eingehender auseinandersetzen. Ich bin der Meinung, daß die Bundesbahn es sich bei der Abschätzung der wirtschaftlichen Auswirkungen verhältnismäßig leicht gemacht hat. Sie vergleicht das mutmaßliche Mehraufkommen mit dem Bruttosozialprodukt und errechnet sich eine Mehrbelastung von 0,45 %. Sie geht sogar noch weiter — der Herr Bundesverkehrsminister hat vorhin auch diese Zahlen angedeutet — und meint, daß, auf die Lebenshaltungskosten umgelegt, die Erhöhung nur 0,08 bis 0,16 % ausmacht.
    Mir scheint eine solche Methode etwas zu primitiv zu sein. Die Tariferhöhung, die in ihrer Gesamtheit immerhin 1 Milliarde DM ausmacht, bedeutet doch zweifellos den schwersten Schlag, den — als Einzelmaßnahme — unser Preisniveau bisher auszuhalten hatte, und man kann nicht durch irgendwelche Rechenkunststücke die eine Milliarde einfach in der Versenkung verschwinden lassen. Sie ist da; wir müssen mit dieser einen Milliarde Mehrbelastung rechnen. Ich bin der Meinung, daß diese Durchschnittsrechnung den Kern der Sache absolut nicht trifft. Ich bin vielmehr der Überzeugung, daß die Tariferhöhung eine generelle Preiswelle von erheblicher Bedeutung auslösen wird, und ich möchte Ihnen hierfür einige Beispiele nennen.
    Zunächst scheint es mir bemerkenswert zu sein, daß die Tariferhöhung nicht einheitlich und nicht gleichmäßig erfolgt ist, sondern daß man sich der jeweiligen Wettbewerbslage angepaßt hat, d. h. daß sie eine bewußte Kampfmaßnahme gegen den Straßenverkehr und insbesondere gegen den gewerblichen Güterfernverkehr enthält. Überall dort, wo der Lkw oder der Omnibus oder der Pkw als Wettbewerber im Hintergrund steht, hat die Bundesbahn entweder nur mäßig oder überhaupt nicht die Tarife erhöht. Sie hat die Tarife in solchen Fällen teilweise sogar noch gesenkt. Aber überall dort, wo man glaubte, mit nur geringem Widerstand rechnen zu müssen, wurden die Tarife kräftig angezogen: im Güterverkehr bis zu 42 %, im Berufsverkehr bis zu 76 % und bei den Sozialtarifen bis zu 300 %. Erfreulicherweise hat die CDU nunmehr auch den Antrag gestellt, diese ganz grobe Ungerechtigkeit zu beseitigen.
    Die Methode der Tariferhöhung zeigt wenig soziales Verständnis und muß zu einer Vielzahl von wirtschaftlichen und sozialen Härten führen. Nutznießer dieser Methode ist der Großbetrieb, Leidtragender ist der Klein- und Mittelbetrieb, Leidtragender ist der Berufsverkehr und Leidtragende sind insbesondere die sozial schwachen Schichten unseres Volkes.
    Die von der Bundesregierung als Kampfmaßnahme gegen den Straßenverkehr verfügte Tarifsockeländerung — der Herr Bundesverkehrsminister hat sich ausführlich damit beschäftigt — führt zu einer Reihe von kuriosen Tarifentwicklungen. Ich möchte Ihnen hier einmal ein solches Kuriosum vorrechnen. Bei einer mittleren Versandweite von 200 km zahlt ab 1. Februar ein Verlader, der 5 t verlädt, 24 DM mehr Fracht. Wenn er 10 t verlädt, zahlt er nur noch 7 DM mehr Fracht. Wenn er 15 t verlädt, zahlt er 26,50 DM weniger Fracht, und wenn er 20 t verlädt, zahlt er 64 DM weniger Fracht. Der Großbetrieb erhält einen Frachtnachlaß von 11 %, der mittlere und der Kleinbetrieb müssen eine um 15 % erhöhte Fracht zahlen.
    Diese erheblichen Frachtunterschiede, die von den Klein- und Mittelbetrieben getragen werden müssen und diese Betriebskategorie wesentlich benachteiligen, sind nach meiner Auffassung einer vernünftigen Mittelstandspolitik diametral entgegengesetzt. Ich hätte gern von den Mittelstandspolitikern der CDU ihre Stellungnahme zu diesen tarifarischen Maßnahmen der Bundesregierung gehört. Wir halten diese Differenzierungen für gefährlich, weil sie den Mittelbetrieb benachteiligen, weil sie die Wettbewerbsverhältnisse erheblich



    Dr. Bleiß
    verschieben und weil sie damit eine zusätzliche Unruhe in die Wirtschaft tragen.
    Noch einen weiteren Beweis für die preissteigernde Wirkung der Tariferhöhung; diesmal nach Warenkategorien. Mein Freund Schmidt hat schon die Tarifentwicklung bei dem Versand von Kohlen aufgezeigt. Er hat darauf hingewiesen, daß sich der Kohlepreis pro Tonne bei einer mittleren Versandweite von etwa 300 km um 2,50 DM erhöht. Das ist ungefähr die Hälfte der Kohlenpreiserhöhung vom Oktober des vergangenen Jahres. Aber für eine weitere Grundstoffindustrie, für die Stahlindustrie, ergibt sich pro Jahr eine Frachterhöhung von 80 Millionen DM. Das ist eine Mehrbelastung von 4 DM je Tonne Stahl in der ersten Stufe der Verarbeitung.
    Ich möchte Sie weiter darauf hinweisen, daß insbesondere die Steine und Erden, also die Baustoffe, von der Tariferhöhung hart betroffen werden. In dieser Gruppe rechnet man mit einem Anteil der Frachtkosten am Preis bis zu 54 %. Wenn man hier zu einer 10- oder 15 %igen Tariferhöhung kommt, muß das zwangsläufig preispolitische Auswirkungen haben.
    Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen diese Beispiele vorgetragen, um Ihnen darzustellen, daß uns die Tariferhöhung vor ernste preispolitische Probleme stellt und daß es wenig Sinn hat, die preispolitischen Wirkungen durch einige Globalrechnungen zu bagatellisieren.
    Nun einige Sätze zum Berufsverkehr! Ich möchte nach den Mitteilungen und Zuschriften, die ich bekommen habe, sagen, daß die drastischen Anhebungen der Tarife im Berufsverkehr eine große Erregung in der Öffentlichkeit ausgelöst haben. Sie alle, meine Damen und Herren, werden eine Reihe von Beschwerden von den verschiedenen Betroffenen, von den Betriebsräten, von den Belegschaften der Firmen, von Angestelltenkammern und von anderen Institutionen, erhalten haben, in denen je nach der Lage des Betriebes auf die besonderen Härten hingewiesen worden ist. Ich glaube, Sie werden wirklich niemand trösten können, wenn Sie sagen, die Bundesbahn sei bisher zu billig gefahren und müsse nun die Tarife kräftig anheben.
    Der Herr Bundesverkehrsminister hat bei der Beantwortung unserer Großen Anfrage gesagt, von einer drastischen Anhebung der Tarife des Berufsverkehrs und der Sozialtarife könne man doch wohl nicht sprechen. Ich möchte Sie, Herr Bundesverkehrsminister, fragen: was verstehen Sie eigentlich unter „drastischer" Anhebung, wenn 50 bis 76 % noch nicht in diese Kategorie fallen? Ich möchte Sie fragen: wo fangen dann bei Ihnen eigentlich die „drastischen Anhebungen" an? Sie haben weiter gesagt, daß die Anhebungen der Tarife im Berufsverkehr doch „sehr maßvoll" seien. Auch dazu wieder eine Zahl. Die Mehreinnahmen machen 107 Millionen DM aus. Wir haben etwa 1,5 Millionen Pendler. Für jeden Pendler ergibt sich im Durchschnitt eine jährliche Mehrbelastung von 70 DM. Das wäre schon kein Pappenstiel. Aber nun gibt es große Spannweiten. Es wird viele Familienväter geben, die künftig für die Fahrt einige hundert Mark im Jahr mehr ausgeben müssen. Ich glaube, das ist doch schon eine erhebliche Belastung.
    Ich kann mich auch nicht mit Ihrer Antwort zufriedengeben, daß die dem Berufsverkehr dienenden Personenzüge im Mittel nur zu 40 % ausgelastet sind. Es ist leider so, daß wir heute noch über sehr starke Überbesetzungen zu klagen haben. Herr Bundesverkehrsminister, ich verstehe Sie auch nicht, wenn Sie sagen: Es mag schon einmal möglich sein, daß vom Verkehrszentrum aus eine starke Belastung eintritt, diese lockert sich nachher aber bald auf. Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, gehen dahin, daß diejenigen, die sich des Berufsverkehrs bedienen, oft lange Zeit in den Gängen stehen müssen, um überhaupt an den Arbeitsplatz oder wieder nach Hause zu kommen.
    Dann bitte noch eine organisatorische Frage! Sie sagten: Eine solche Zuggarnitur fährt morgens 'rein und abends raus oder umgekehrt; d. h. sie wird in 24 Stunden nur einmal in Bewegung gesetzt. Ich möchte fragen: was ist das eigentlich für eine Organisation, bei der man den Zug nur morgens einmal hin- und abends zurückfährt? Ich bin der Meinung, daß derartige Verhältnisse doch geradezu nach Reform schreien. Da liegen doch noch große Möglichkeiten, um den Betrieb zu vereinfachen und insbesondere, um dafür zu sorgen, daß der Wagenpark besser und vernünftiger genutzt wird.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin im Gegensatz zu dem Herrn Bundesverkehrsminister und zu der Regierungskoalition der Meinung, daß der Berufsverkehr eine gemeinwirtschaftliche Aufgabe ist, die die Bundesbahn zu erfüllen hat. Wenn die Bundesbahn diesen gemeinwirtschaftlichen Aufwand wegen der völlig veränderten Wettbewerbslage nicht mehr tragen kann, dann muß eben dieser Sozialaufwand vom Bund übernommen werden. Wir halten die von der Bundesregierung verfügte scharfe Anhebung der Tarife im Berufsverkehr für eine so große, in die Lebensverhältnisse des einzelnen Berufstätigen so tief eingreifende soziale Härte, daß wir den Antrag gestellt haben, diese Maßnahme unverzüglich wieder rückgängig zu machen.
    Ich darf kurz zusammenfassen: Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß die Ursache der Tariferhöhung in der falschen Preis- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung liegt und daß die Bundesregierung auch auf verkehrspolitischem Gebiet nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um die Kostensteigerung durch Rationalisierungserfolge zu kompensieren. Wir sind der Meinung, daß die Erhöhung der Tarife nicht gleichmäßig und einheitlich erfolgt ist, sondern daß sie eine gezielte Kampfmaßnahme gegen den Straßenverkehr ist, die als solche den Großbetrieb bevorzugt und bewußt und nachhaltig die mittelständische Wirtschaft benachteiligt.

    (Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt den Vorsitz.)

    Wir sind der Meinung, daß die Tariferhöhung eine Entfernung vom Prinzip der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung bedeutet.



    Dr. Bleiß
    Aus diesen vielerlei Gründen erheben wir unsere Bedenken gegen die getroffenen tarifarischen Maßnahmen. Wir halten eine Erhöhung der Sozialtarife und der Tarife des Berufsverkehrs für nicht vertretbar. Wir haben ihre Aufhebung beantragt. Wir halten es für unvertretbar, daß die Bundesregierung systematisch dazu übergeht, soziale Einrichtungen immer stärker abzubauen. Wir sind der Meinung, daß es bei einer vernünftigen Verkehrspolitik, bei einer besseren Tariftreue der Bundesbahn, bei etwas mehr Ordnung der Bundesvermögen im eigenen Hause durchaus möglich gewesen wäre, die Tariferhöhung in ihren Ausmaßen wesentlich zu beschränken.
    Wir machen dem Bundeswirtschaftsminister den Vorwurf, daß er sich um diese Entwicklung nicht in dem Maße gekümmert hat, wie es im Interesse einer Stabilität der Preise notwendig gewesen wäre. Jetzt ist mit der Tariferhöhung ein weiterer wesentlicher Stabilisierungsfaktor unseres Preissystems zusammengebrochen. Die Auswirkungen sind im Moment überhaupt noch nicht zu übersehen.
    Noch einige Sätze zur Bundespost! Der Herr Bundesverkehrsminister hat sich in den Fragen der Tariferhöhung der Bundespost sehr zurückhaltend geäußert. Das ist zunächst tröstlich. Wir haben noch nicht wieder die unliebsame Überraschung, erst post festum darüber beraten zu dürfen. Die Verhältnisse sind bei der Post nicht so schwierig wie bei dem größeren Bruder, der Bundesbahn. Trotzdem müssen wir auch bei der Post feststellen, daß der Bund wenig für den Ausbau des Post- und Fernmeldewesens getan hat. Er hat die Post ebenfalls auf den Weg der Fremdfinanzierung gewiesen. Die Bundespost hat es hierbei verhältnismäßig leicht gehabt, weil ja die Sammelbecken des Postscheck- und des Postsparkassenwesens zur Verfügung standen. Aber die Kehrseite der Medaille ist eben die außerordentlich ungünstige Entwicklung des Verhältnisses von Eigenkapital zu Fremdkapital. Wir müssen heute konstatieren, daß die Bundespost eine Verschuldung von mehr als drei Milliarden DM hat und daß es sich dabei um mehr als die Hälfte kurz- oder mittelfristiges Geld handelt, das in kurzer Zeit abgefordert werden kann.
    Nun, Herr Bundespostminister, auch hier muß man fragen: warum ist bei der Bundespost keine vernünftige Kapitalausstattung möglich? Die Bundespost hat 1949 eine Million DM Zinsen gezahlt. 1956 ist die Zinslast auf 156 Millionen DM angewachsen. Man belastet also hier ein Bundesvermögen mit immer höheren Zinsen, die bei einer vernünftigen Kapitalausstattung hätten erspart werden können. Es ist uns gesagt worden, daß die Bundesregierung — —