Rede von
Dr.
Hans-Christoph
Seebohm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anregung aus Kreisen der Hamburger Wirtschaft, einen Nord-Süd-Kanal zur Verbindung von Hamburg mit dem Mittellandkanal und dem Industriegebiet von Braunschweig zu bauen, ist seit längerer Zeit bekannt und Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen und Untersuchungen. Eine Reihe von Gutachten sind darüber auf Anregung des Kanalvereins, der sich gebildet hat, erstattet worden, sowohl nach der verkehrlichen als auch nach der wasserwirtschaftlichen und landeskulturellen Seite. Die Auffassungen sind jedoch in allen diesen Fragen keineswegs hinreichend geklärt und abgestimmt. Zur Zeit werden die Gutachten — wie z. B. das bekannte Gutachten, das Professor Dr. Predöhl von der Universität Münster in dieser Frage erstattet hat — auf Grund neuerer Überlegungen auch wieder überarbeitet. Alle Vorschläge und Denkschriften sind in meinem Hause geprüft worden. Aus diesen Prüfungen hat sich folgender Überblick ergeben.
Der Anschluß des Hamburger Hafens an das mitteldeutsche Kanalsystem ist auf verschiedene Weise möglich, nämlich einmal durch den Bau eines Nord-Süd-Kanals, zum anderen durch eine Kanalisierung der Elbe bis in die Gegend von Magdeburg oder drittens durch eine Kanalverbindung von der Elbe bei Geesthacht nach der inzwischen ausgebauten Mittelweser bei Drakenburg. Auch sind Pläne bekannt, im Zuge der Oste eine Verbindung zwischen Unterweser und Unterelbe herzustellen, die dann über den ausgebauten Küstenkanal eine entsprechende Verbindung zum ausgebauten Dortmund-Ems-Kanal gewährleisten würden. Welche dieser vorgeschlagenen und je nach Interessenlage mehr oder weniger nachdrücklich vertretenen Lösungen wirtschafts- und verkehrsmäßig die günstigste ist, bedarf noch weiterer gründlicher Untersuchungen.
Für diese Untersuchungen spielen u. a. die Frage der Energieversorgung, beim Nord-Süd-Kanal die Frage der Überquerung der neuentdeckten Erzlagerstätten im Raume Gifhorn, die Frage der Landwirtschaft und die Frage der Wasserwirtschaft eine sehr wichtige Rolle. Auch sind die Untersuchungen über die Rentabilität der neuen Wasserstraßenverbindungen und die Möglichkeit, sie zu finanzieren, noch keineswegs abgeschlossen. Entscheidend bleibt nur, daß nach der Lösung des internationalen Moselvertrages eindeutig die aufzuwendenden Wegekosten für diesen Schiffahrtsweg von der Schiffahrt selbst durch Abgaben getragen werden müssen, und zwar nicht nur die Unterhaltungskosten, sondern auch die Kosten für Amortisation und Verzinsung des aufgewendeten Kapitals. Dies ist auch im internationalen Moselvertrag so festgelegt worden. Diese Tatsache ist aber bei den verschiedenen Gutachten nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Die Vielfalt der hier anfallenden Fragen und ihre noch nicht abgeschlossene Vorklärung durch Gutachten und Untersuchungen machen es noch nicht möglich, zum Nord-Süd-Kanal-Projekt jetzt endgültig Stellung zu nehmen. Wir müssen uns vielmehr mit genau derselben Aufmerksamkeit auch den anderen Lösungsmöglichkeiten zuwenden. Daher ist zunächst der Ausbau der Staustufe Geesthacht in Angriff genommen worden, der bis zum Jahre 1961 abgeschlossen sein wird. Dieser Ausbau, durch den die Elbe in einen Tidefluß und in einen Mittellandfluß getrennt wird, ist Voraussetzung für die Durchführung der drei zuerst genannten Wasserstraßenprojekte, also sowohl des Nord-SüdKanals als auch der Elbekanalisierung oder auch einer etwaigen späteren Kanalverbindung von der Elbe zur kanalisierten Mittelweser. Erst nach Beendigung der sehr umfangreichen und aufwendigen Bauvorhaben im Raume von Geesthacht kann also eines dieser Projekte weiter in Angriff genommen werden.
Bei all diesen Überlegungen bitte ich zu bedenken, daß keine der vorgeschlagenen Wasserstraßenverbindungen in der Lage ist, dem Hamburger Hafen innerhalb kurzer Zeit eine entscheidende Hilfe zu gewähren. Der Hamburger Hafen ist durch die Zonengrenzziehung von seinem organischen Hinterland und durch die Abschneidung der Elbe bei Lauenburg von seiner natürlichen Flußverbindung mit diesem Hinterland getrennt. Die Durchführung eines der genannten Kanalprojekte wird nicht nur erhebliche Zeit für die Entwicklung der Baupläne erfordern, sondern vor allem wird der Bau selber mehrere Jahre in Anspruch nehmen, selbst wenn die Finanzierung gesichert werden könnte. Der Bau des aus Kreisen der Hamburger Wirtschaft vorgeschlagenen Nord-Süd-Kanals wird — einschließlich der Vorbereitung der Baupläne — sicherlich eine Gesamtbauzeit von etwa zehn Jahren erfordern. Die dafür notwendigen Investitionen in Höhe von mehreren hundert Millionen DM können aber wohl nur verantwortet werden, wenn zuverlässig feststeht, daß auch zu dem Zeitpunkt der Beendigung der Arbeiten noch die gleichen wirtschaftlichen Voraussetzungen wie bei ihrer Aufnahme für die Amortisation und Verzinsung des aufgewendeten Baukapitals gegeben sein werden.
Auf die politischen Rückwirkungen, die sich durch die Entscheidung für eines der genannten Projekte für das natürliche Hamburger Hinterland ergeben, möchte ich nur hingewiesen haben. Das gilt insbesondere auch für den Ausbau der Wasserstraßenverbindung zwischen Hamburg und Berlin, die durch den Bau des Nord-Süd-Kanals keine Verbesserung erfahren würde.