Rede von
Dr.
Hans
Furler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe am Ende dieser sehr
langen Debatte den Auftrag, den Entschließungsantrag zu begründen, den die Fraktionen der Deutschen Partei und der CDU/CSU Ihnen in den letzten Stunden vorgelegt haben. Ich will nicht erneut in die Debatte eintreten, sondern nur einige Bemerkungen dazu machen.
Wir haben das, was wir politisch für notwendig halten, in vier Punkten niedergelegt. Auch wir sind dafür — das ergibt sich aus unserem Antrag —, daß der Westen die Verhandlungen mit der Sowjetunion fortsetzt. Aber wir meinen — da stehen wir im Einklang, glaube ich, auch mit allen Rednern dieses Hauses —, daß solche Verhandlungen durch diplomatische Vorbereitung in der richtigen Form präpariert sein müssen, daß eventuell eine Konferenz der Außenminister stattfinden muß und daß letztlich eine Konferenz auf höchster Ebene durchgeführt werden soll, aber erst am Ende solcher vorbereitenden Verhandlungen, damit nicht diese Konferenz entweder von der Sowjetunion lediglich dazu benutzt wird, propagandistische Dinge zu tun, oder aber mit den Erfahrungen endet, die bei der ersten großen Genfer Konferenz gemacht worden sind; dort gelangte man nicht zu wirklichen Lösungen, weil, wie es seinerzeit bei den Erklärungen und Weisungen an die Außenminister geschah, von sowjetrussischer Seite schon am nächsten Tag und danach konsequent gesagt würde, man habe diese Erklärung gar nicht so verstanden, wie es der Wortlaut ergibt.
Der Zweck dieser Verhandlungen kann natürlich nur sein, die Entspannung zwischen Ost und West zu ermöglichen, Schritt für Schritt an sie heranzukommen. Aber wir betonen am Ende der ersten Ziffer weiter, daß diese Verhandlungen auch den Zweck haben müssen, die deutsche Wiedervereinigung herbeizuführen. Alle Anregungen haben das gemeinsam: das Ziel aller unserer politischen Bestrebungen ist, die Voraussetzungen, die Ausgangspositionen für die Wiedervereinigung zu schaffen und auszubauen. Das war auch der Sinn der Intervention der Bundesregierung noch während der Abrüstungsverhandlungen. Wir sagten: Tut einen ersten Schritt, beschließt aber nichts Endgültiges, ohne die Frage der Freiheit der 17 Millionen Deutschen jenseits des Eisernen Vorhanges einer Lösung zuzuführen.
Wir sind auch dafür — das ist der zweite Punkt —, daß die Verhandlungen über eine kontrollierte Abrüstung fortgesetzt werden. Wir sind aber der Meinung, daß der Westen die Aufgabe einer vorbereitenden Koordinierung hat. Lesen Sie, was wir dazu vorzuschlagen haben, daß nämlich zur Vorbereitung alle ernsthaften Vorschläge geprüft werden, die zur allgemeinen oder teilweisen Abrüstung führen können; diese Vorschläge sollen auf ihre politischen und militärischen Folgen untersucht werden.
Zum Schluß, in den Ziffern 3 und 4, behandeln wir die Frage der Wiedervereinigung und der Koordinierung der westlichen Politik. Ich glaube, in all diesen Punkten könnte das ganze Haus eigentlich einer Meinung sein. Aber damit komme ich zu einer grundlegenden Frage.
Zuvor möchte ich mich zu dem Antrag der SPD und der FDP erklären: „Die Bundesregierung wird ersucht, mit der polnischen Regierung in Besprechungen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu Polen einzutreten." Ich beantrage, diesen Antrag an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen; denn es wäre im Augenblick unzweckmäßig, der Bundesregierung ein solches Ersuchen durch einen sofortigen Beschluß dieses Hauses zukommen zu lassen. Die Dinge müssen überprüft werden. Sie haben ja vom Herrn Bundeskanzler gehört, wie er sich, auf weite Sicht gesehen, zu dieser Frage stellt. Allerdings müssen die realpolitische Situation, die Auswirkungen und die Folgerungen einer Prüfung zugeführt werden.
Nun komme ich zu dem schwerwiegendsten Punkt, nämlich zum Antrag der Fraktion der SPD in der neuen Fassung. Dieser Antrag lag uns mit einem wesentlich gleichen Inhalt, aber anderem Wortlaut schon vor, vier Tage, bevor die große NATO-Konferenz begann. Wir hatten damals eine kurze Geschäftsordnungsdebatte, und ich sagte: Wenn ich diesen Antrag lese, muß ich leider sagen, wir sind offenbar noch weit von einer gemeinsamen Außenpolitik entfernt, und das wird sich wahrscheinlich auch nicht ändern, wenn wir die außenpolitische Debatte durchführten, die von uns zu jenem Zeitpunkt für unzweckmäßig gehalten wurde. Die Probe auf das Exempel hat die Richtigkeit dieser Prognose ergeben. Wir sind in der Frage der Gestaltung unserer Außenpolitik in wesentlichen Punkten verschiedener Auffassung. Das hat die heutige Debatte gezeigt. Darüber wollen wir nicht
Dr. Furler
hinwegreden. Es ist ganz klar, daß wir die wesentlichen Fragen, die in dem Antrag aufgeworfen werden, nicht in der von der SPD vorgeschlagenen Form lösen wollen. Wir sind nicht geneigt, der Bundesregierung die Weisung zu geben, sich in dieser Richtung mit Vorleistungen oder auch mit endgültigen politischen Entschlüssen zu bewegen. Wir sind davon überzeugt, daß das die westliche Solidarität sprengen und zum anderen auch nicht zu dem Ziel, das angegangen werden soll, führen würde, nämlich zu einer wirklichen Entspannung und der Ermöglichung der Wiedervereinigung oder mindestens einer schrittweisen Annäherung an sie.
Wir wollen uns da gar keinen Täuschungen hingeben. Wir werden den Weg, den wir für richtig halten, den die Bundesregierung eingeschlagen hat und den Sie aus der Regierungserklärung entnommen haben, konsequent weitergehen, weil wir glauben, daß es für unsere Sicherheit und zur Erreichung unserer großen Ziele keine andere Möglichkeit gibt. Sie sind anderer Meinung. Die heutige Debatte hat dies geklärt. Es bestehen hier in entscheidenden Punkten außerordentliche Differenzen. Wir können hier nicht gemeinsam gehen. Wenn wir aber schon in wichtigen materiellen Punkten verschiedener Meinung sind, dann sollten wir doch gewisse Grenzen respektieren, die man auch bei differierenden Auffassungen respektieren muß. Einmal darf man dem Gegner nicht Dinge unterstellen, die er als ehrenrührig empfinden muß. Man darf uns nämlich nicht unterstellen, daß wir, wie Herr Erler sich ausdrückte, im Herzen die Einheit des Vaterlandes abgeschrieben hätten, also gar nicht mehr daran glaubten. Noch weniger darf man uns unterstellen, daß wir die Wiedervereinigung vielleicht überhaupt nicht wollten. Darüber sollten wir einig sein.
Aber noch etwas anderes. Es ist hier gesagt worden, man sei über den Ernst der Lage einig. Herr Ollenhauer hat es betont, der Bundeskanzler hat es betont, auch Herr Dehler hat es betont. Aber, meine Damen und Herren, es ist doch schon sehr schlecht, wenn dann gesagt wird: daß die Lage so ernst sei, habe seinen Grund in der Politik der Bundesregierung. Ich will gar keine langen Ausführungen darüber machen, daß wir nicht im Mittelpunkt der Welt stehen. Ich verweise lediglich auf das, was der Führer der Opposition, Herr Ollenhauer, erklärt hat. Er hat gesagt: Die Lage ist deshalb so ernst geworden, weil sich einmal die Waffentechnik, manifestiert durch den Sputnik, in einer Weise entwickelt hat, die beängstigend wirken mußte, und weil zum anderen die großen Abrüstungsverhandlungen abgebrochen worden sind. Meine Damen und Herren, beides sind Dinge, die nicht im geringsten mit der Politik der Bundesregierung zusammenhängen. Das wollte ich nur am Ende sagen.
Wir lehnen den Entschließungsantrag der SPD, auch wenn man über ein oder zwei Punkte dieses Antrages sprechen könnte, in allen Punkten als eine geschlossene Konzeption ihrer Politik ab. Wir sind uns klar, daß wir uns darüber nicht einigen können.
Wir sind aber der Meinung, man sollte — —
— Nein, nicht „alles oder nichts". Gerade darauf will ich eingehen, Herr Wehner. Wir haben auch unsere Vorschläge, und Sie wissen, daß die Fragen durchaus ernsthaft geprüft werden. Ich möchte Ihnen nur empfehlen, den Brief genauer zu lesen, den Präsident Eisenhower an Bulganin als Antwort auf dessen Note geschrieben hat und der zur Deutschlandfrage immerhin eine außerordentlich konkrete und interessante Ausführung enthält. Er sagt nämlich:
Im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands sind die USA mit anderen Regierungen bereit, über spezifische Vereinbarungen bezüglich der Stärke der Streitkräfte und ihre Dislozierung und über weitgesteckte vertragliche Vereinbarungen zu verhandeln, Vereinbarungen nicht nur für den Fall einer Aggression, sondern Vereinbarungen mit positiver Wirkung auf die Möglichkeit einer Aggression in Europa.
Wer zu lesen versteht, weiß, daß hier positive Entwicklungspunkte vorhanden sind, aber Entwicklungspunkte, die sich grundlegend von dem unterscheiden, was von atomwaffenfreier Zone und ähnlichen daraus hervorgehenden politischen Bildungen zu halten ist. Hier sind Konzeptionen gegeben, die, wenn sie real betrachtet werden, in einer bestimmten Situation auch Sowjetrußland zur Akzeptierung eines Abkommens veranlassen könnten, das dann aber auf einer anderen politischen Linie läge.
Ich bitte Sie, den Anträgen in der von mir vorgeschlagenen Form zu entsprechen.