Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Die Bundesregierung war ja als Partner an der Berliner Außenministerkonferenz überhaupt nicht vertreten,
und die Frage Bidaults scheint immerhin zu beweisen, daß er zumindest den Versuch gemacht hat, einmal die Lage zu testen.
— Ich habe sie nicht, und Sie haben mir sicherlich in Kenntnis der Hintergründe vieles voraus.
— Nein, so war es nicht gemeint. Ich habe mich mit diesen Dingen nicht so beschäftigt, weil es
Bundesverteidigungsminister Strauß
nicht zu meinem Aufgabengebiet gehört. Da hat sicher der Kollege Wehner in seiner jahrelangen Beschäftigung manches an Detailkenntnis voraus, das ich mir erst beschaffen müßte, wenn ich dazu heute autoritativ — und ich bitte, das Wort richtig zu verstehen — eine Auskunft geben sollte.
Aber die These des Kollegen Erler, daß, solange sich fremde Truppen gegenüberstehen, eine Wiedervereinigung ausgeschlossen sei, scheint mir falsch zu sein; denn eine politische Lösung zwischen den Großmächten mit deutscher Beteiligung könnte ja trotzdem freie Wahlen vorsehen. Es kommt hier auf etwas anderes an, nämlich — und das ist der entscheidende Unterschied zwischen der österreichischen Lösung, dem österreichischen Problem und dem deutschen Problem — daß die Sowjets in Deutschland während ihrer Anwesenheit freie Wahlen mit einem manifesten Zusammenbruch des kommunistischen Systems und den ganzen sich daraus ergebenden Folgen für ihren Satellitenblock, möglicherweise noch für die Verhältnisse im Innern ihres Landes, nicht wagen können, und wann sie es wagen können oder wagen wollen, ist eine Frage, die einer sorgfältigen Analyse bedarf. Mir scheint doch der entscheidende Punkt die Frage zu sein, was die Sowjets wollen, eine Frage, die wir hier schon oft gestellt haben und auf die wir allerdings bisher verschiedene Antworten gegeben haben. Darüber ist heute gesprochen worden und wird auch in Zukunft noch zu sprechen sein. Aber die These, daß eine Wiedervereinigung ausgeschlossen sei, solange sich fremde Truppen auf deutschem Boden gegenüberstehen, scheint mir nicht richtig zu sein.
Die dritte These heißt: Die fremden Truppen bleiben weiterhin auf deutschem Boden stehen, wenn das Atomrüsten weitergeht. Herr Kollege Erler, die erste These war richtig, die zweite kann richtig oder falsch sein, die dritte ist bestimmt falsch. Es kann sehr wohl eine Lage eintreten, daß, gerade wenn das Atomrüsten weitergeht, die Amerikaner mit der zunehmenden Entwicklung der interkontinentalen Waffen, mit all den Risiken und auch der europäischen Uneinigkeit nicht mehr Wert darauf legen, auf europäischem Boden stehenzubleiben, wie sie es in der Vergangenheit getan haben. Und dann zahlen wir die Zeche: die Russen bleiben da und die Amerikaner in diesem Fall nicht.