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    Deutscher Bundestag 6. Sitzung Bonn, den 12. Dezember 1957 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Diel (Burg-Leyen), Nieberg und Frau Nadig 161 A Zur Tagesordnung: Erler (SPD) 161 B Dr. Bucher (FDP) 162 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 163 B Dr. Furler (CDU/CSU) 164 D Fragestunde (Drucksache 62) : Frage 1 des Abg. Schmitt (Vockenhausen): Benachteiligung von Rentnern des Saarlandes Blank, Bundesminister 166 B Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 167 B Frage 2 des Abg. Dr. Friedensburg: Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . . 167 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . . 168 A Frage 3 des Abg. Leonhard: Haftung bei Unfällen in deutschen Atomwerken Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . . . 168 B Frage 4 des Abg. Dr. Kohut: Personalpolitik bei der Bundesmonopolverwaltung Hartmann, Staatssekretär 169 A Dr. Kohut (FDP) 169 C Frage 5 des Abg. Dr. Werber: Neugliederung des Bundesgebiets Dr. Schröder, Bundesminister 169 D Dr. Werber (CDU/CSU) 169 D Frage 6 des Abg. Ritzel: Rechtzeitige Freigabe von Haushaltsmitteln für Straßenbauarbeiten Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . . 170 B Frage 7 des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Bepflanzung der Grünstreifen auf Autobahnen Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . . 171 D Frage 8 des Abg. Lohmar: Ausweitung des Truppenübungsplatzes Senne Dr. Rust, Staatssekretär 172 C Lohmar (SPD) 173 A Frage 9 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Angebliche Schweigepflicht des Generalrichters a. D. Roeder im Schörner-Prozeß; Ermittlungsverfahren gegen Zeugen wegen Verdachts der Mittäterschaft Schäffer, Bundesminister 173 C Schmidt (Hamburg) (SPD) 174 A Frage 10 des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Ruhegehalt des früheren Oberreichsanwalts Lautz Dr. Schröder, Bundesminister 174 C II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957 Frage 11 des Abg. Wittrock: Reform des Strafregisters Schäffer, Bundesminister 174 D Wittrock (SPD) 175 A Frage 12 des Abg. Wittrock: Vorlage von Ehescheidungsakten beim Bundesministerium für Verteidigung Dr. Rust, Staatssekretär 175 B Wittrock (SPD) 175 D Frage 13 des Abg. Dr. Mommer: Ausgabe von Carnets und Triptyks durch die Automobilklubs Hartmann, Staatssekretär 176 A Dr. Mommer (SPD) 176 C Frage 14 des Abg. Dr. Mommer: Rückgang der Unfälle im Straßenverkehr, Herabsetzung der Prämien in der Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister . . 176 D Dr. Mommer (SPD) 177 A Frage 15 des Abg. Rohde: Berechnung der Rentenmehrbeträge für Wanderversicherte Blank, Bundesminister 177 B Rohde (SPD) 177 C Frage 16 des Abg. Dr. Werber: Beseitigung von Munition, Bomben u. dgl. Hartmann, Staatssekretär 177 C Dr. Werber (CDU/CSU) 177 D Wahl der Mitglieder des Wahlmännerausschusses (Drucksache 73), Wahl der Mitglieder kraft Wahl des Richterwahlausschusses (Drucksache 74) Ergebnis 183 A Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Beratenden Versammlung des Europarates (Drucksache 75) 171 B Wahl der Mitglieder des Ausschusses nach Art. 77 Abs. 2 GG (Drucksache 50) . . . . 171 B Wahl der Mitglieder des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt (Drucksache 76) 171 C Wahl der Mitglieder des Bundesschuldenausschusses bei der Bundesschuldenverwaltung (Drucksache 77) 171 C Wahl eines Mitglieds des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank (Drucksache 78) 171 C Nachwahl von Mitgliedern des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 56 [neu]) . . 171 D Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP betr. Durchführung des § 132 Abs. 2 der Geschäftsordnung (Drucksache 57) 178 A Entwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1958; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 65, 22) 178 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes (SPD) (Drucksache 29) - Erste Beratung — Frau Strobel (SPD) 178 B Dr. Schröder, Bundesminister . . . 182 A Frau Dr. Steinbiß (CDU/CSU) 183 C Frau Kalinke (DP) 184 B Dr. Stammberger (FDP) 185 D Entwurf eines Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin (CDU/CSU) (Drucksache 14) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksachen 64, zu 64) — Zweite und dritte Beratung — Geiger (Aalen) (SPD), Berichterstatter 186 D Rohde (SPD) 187 B Arndgen (CDU/CSU) 188 A Frau Kalinke (DP) 188 B, 193 A Frau Krappe (SPD) 189 D, 194 A Horn (CDU/CSU) 190 C Dr. Will (FDP) 192 A Walpert (SPD) 195 B Büttner (SPD) 196 D Stingl (CDU/CSU) 197 C, 202 D Dr. Bärsch (SPD) 198 D Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend (SPD) (Drucksache 31 [neu]) — Erste Beratung — Lange (Essen) (SPD) 203 B Dürr (FDP) 205 C Jahn (Stuttgart) (CDU/CSU) 206 D Entwurf eines Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen (Drucksache 46) — Erste Beratung — Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 207 C Jacobi (SPD) 209 B Kraft (CDU/CSU) 210 D Dr. Winter (CDU/CSU) 211 B Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957 III Entwurf eines Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst (Drucksache 34) — Erste Beratung — 211 D Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 28. Juni 1955 mit dem Königreich Griechenland über Untersuchung und Überwachung von Wein (Drucksache 48) — Erste Beratung — 212 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (Drucksache 36) — Erste Beratung — 212 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. März 1956 mit der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung von Forderungen aus der Sozialversicherung (Drucksache 37) — Erste Beratung — 212 B Entwurf eines Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (Drucksache 38) — Erste Beratung — . . 212 C Entwurf eines Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung (Drucksache 39) — Erste Beratung — 212 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung für Berechtigte im Ausland (Drucksache 40) — Erste Beratung — 212 C Entwurf eines Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten (Drucksache 41) — Erste Beratung — . . . 212 D Entwurf eines Gesetzes über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin (Drucksache 42) — Erste Beratung — 212 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 1. Dezember 1956 zur Änderung des internationalen Zuckerabkommens (Drucksache 43) — Erste Beratung — 212 D Entwurf eines Gesetzes über die Preisstatistik (Drucksache 44) — Erste Beratung — 213 A Entwurf eines Gesetzes zur Vereinbarung vom 31. Oktober 1956 mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zollbehandlung von Müllergaze (Drucksache 45) — Erste Beratung — 213 A Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen vom 15. Mai 1956 mit dem Königreich Belgien über Grenzabfertigungsstellen, Grenzabfertigung in Zügen während der Fahrt und die Bestimmung von Gemeinschafts- und Betriebswechselbahnhöfen im Grenzverkehr (Drucksache 49) — Erste Beratung — 213 B Entwurf einer Verwaltungsgerichtsordnung und Entwurf eines Gesetzes über die Beschränkung der Berufung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Drucksache 55) — Erste Beratung — Wittrock (SPD) 213 B Dr. Anders, Staatssekretär 214 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Mühlengesetzes (Abg. Lükker [München], Kriedemann, Mauk, Dr. Elbrächter u. Gen.) (Drucksache 70) — Erste Beratung — 214 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Vorlage der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1955 mit Antrag auf nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben gemäß § 83 RHO (Drucksache 17) 214 C Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Umbenennung des 24. Ausschusses (Drucksache 67) 214 D Beschwerde des Hugo Büttner, LudwigshafenMaudach, u. Gen. vor dem Bundesverfassungsgericht wegen des Volksbegehrens auf Angliederung des Regierungsbezirks Pfalz an das Land Bayern; Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (Drucksache 68) Dr. Dittrich (CDU/CSU), Berichterstatter 215 A Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 1) 215 B Kundgebung gegen Beschlüsse der sowjetzonalen Volkskammer: Erschwerung von Reisen in die Bundesrepublik, Knebelung der Freizügigkeit Vizepräsident Dr. Jaeger 215 C Nächste Sitzung 215 D Anlagen: Liste der beurlaubten Abgeordneten, Schriftliche Berichte, Änderungsanträge 217 ff. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957 161 6. Sitzung Bonn, den 12. Dezember 1957 Stenographischer Bericht Beginn: 10.05 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Atzenroth 12. 12. Bauer (Wasserburg) 14. 12. Bauereisen 12. 12. Bauknecht 15. 12. Dr. Becker (Hersfeld) 18. 12. Berendsen 16. 12. Fürst von Bismarck 20. 12. Blachstein 12. 12. Brese 12. 12. Dowidat 12. 12. Dr. Elbrächter 14. 12. Gedat 14. 12. D. Dr. Gerstenmaier 23. 12. Dr. Gülich 14. 12. Heide 14. 12. Dr. Dr. Heinemann 14. 12. Dr. Höck (Salzgitter) 12. 12. Dr. Huys 12. 12. Dr. Jordan 13. 12. Kalbitzer 13. 12. Dr. Knorr 13. 12. Kraus 12. 12. Kurlbaum 31. 12. Dr. Leverkuehn 14. 12. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 12. 12. Dr. Pferdmenges 12. 12. Dr. Preusker 12. 12. Dr. Schild 14. 12. Dr. Schneider (Saarbrücken) 12. 12. Dr.-Ing. Seebohm 14. 12. Dr. Vogel 16. 12. Dr. Wolff (Denzlingen) 12. 12. Zühlke 31. 12. b) Urlaubsantrag Abgeordneter bis einschließlich Dr. Brönner 25. 1. Anlage 2 Drucksache 65 Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über den Entwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (ÜberleitungsVerordnung) (Drucksache 22). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Löhr Der Außenhandelsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 4. Dezember 1957 mit den Entwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Überleitungs-Verordnung) - Drucksache 22 - befaßt. Anlagen zum Stenographischen Bericht Zur Behandlung der Vorlage führte der Vertreter der Bundesregierung u. a. aus, daß, beginnend mit Januar 1958, seitens der Bundesregierung die durch die Vierte Konjunkturpolitische Zollsenkung eingetretenen wirtschaftspolitischen Auswirkungen geprüft und hierüber dem Außenhandelsausschuß laufend Bericht erstattet werden soll. Von einer Seite wurde an das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Wunsch herangetragen, bei der Anfang kommenden Jahres vorgesehenen Ausschußberatung zu erklären, inwieweit Waren der Agrarwirtschaft in die Vierte Konjunkturpolitische Zollsenkung einbezogen werden können. In diesem Zusammenhang regte der Vertreter der Bundesregierung an, daß zweckmäßigerweise die Mitglieder des Außenhandelsausschusses im Monat Januar 1958 ihre Anträge auf Ergänzung der Ausnahmeliste gemäß § 4 des Entwurfs der obigen Verordnung - Drucksache 22 - dem Bundesministerium für Wirtschaft einreichen, damit auch diese Anträge in die oben angekündigte Überprüfung des Bundesministeriums für Wirtschaft mit einbezogen werden können. Hiernach soll alsbald eine Behandlung im Außenhandelsausschuß anberaumt werden. Der Außenhandelsausschuß erklärte sich daraufhin bereit, von der Einzelbehandlung der bereits vorliegenden Anträge abzusehen; er stimmte dem Entwurf der Bundesregierung einstimmig zu. Bonn, den 6. Dezember 1957 Dr. Löhr Berichterstatter Anlage 3 zu Drucksache 64 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (20. Ausschuß) über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung und Angleichung des Rechts der Krankenversicherung im Land Berlin (Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetz Berlin - SKAG Berlin (Drucksache 14). Berichterstatter: Abgeordneter Geiger (Aalen) I. Allgemeines Schon in der 2. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hatte die Bundesregierung den Entwurf des Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin eingebracht. Der Bundesrat hatte gegen den Entwurf keine Einwendungen erhoben, aber einige Änderungsvorschläge beschlossen. Auch der Bundestag hatte sich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt, konnte ihn aber wegen des Ablaufs der Legislaturperiode nicht mehr endgültig verabschieden. 218 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957 Geiger (Aalen) Die Fraktion der CDU/CSU hat nunmehr in der 3. Wahlperiode des Deutschen Bundestages den Gesetzentwurf — Drucksache 14 — als Initiativantrag eingebracht. Der Gesetzentwurf deckt sich im wesentlichen mit dem in der 2. Wahlperiode eingebrachten Regierungsentwurf bzw. mit der vom Ausschuß erarbeiteten Fassung. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf in 1. Beratung am 28. November 1957 behandelt und ihn nach Debatte an den Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen. In seiner Sitzung am 5. Dezember 1957 behandelte der Sozialpolitische Ausschuß dièses Gesetz. Der Gesetzentwurf will in seinem Ersten Abschnitt das im Bundesgebiet für Sozialversicherungsträger geltende Recht der Selbstverwaltung auf das Land Berlin ausdehnen. Da im Laufe des kommenden Jahres im Bundesgebiet Neuwahlen bei den Sozialversicherungsträgern stattfinden, bietet sich der gegenwärtige Zeitpunkt für die Einführung des Selbstverwaltungsgesetzes und die Ablösung der vom Senator für Arbeit und Sozialwesen aus den Kreisen der Arbeitgeber und Gewerkschaften berufenen Vorstände durch solche nach den Grundsätzen des Selbstverwaltungsgesetzes gewählten Organe an. Einem Antrag der Fraktion der SPD, dieses Gesetz nur in seinem Ersten Abschnitt zu verabschieden und die übrigen Teile bis zur gänzlichen Neuordnung der sozialen Krankenversicherung zurückzustellen, konnte die Mehrheit des Ausschusses nicht zustimmen. Der Zweite Abschnitt des Gesetzentwurfs gleicht das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung in Berlin an das im Bundesgebiet geltende Recht an. Vor allem gilt dies für die Organisation der Versicherungsträger. Im Land Berlin werden künftig wieder alle Kassenarten tätig sein können. Unberührt bleibt das Leistungsrecht, soweit das Berliner Recht die Versicherten gegenüber dem Recht des Bundesgebietes begünstigt. Dieses Recht soll bis zur Neuordnung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht angetastet werden, schon um die Reform nicht in dieser oder jener Richtung zu präjudizieren. Der Dritte Abschnitt des Gesetzentwurfs enthält die für den Übergang zur gegliederten Krankenversicherung notwendigen Regelungen. Die nach dem 8. Mai 1945 stillgelegten Betriebs- und Innungskrankenkassen können unter bestimmten Voraussetzungen ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Geschieht dies nicht, so werden die Krankenkassen aufgelöst. Die Treuhandschaft des Bundes und des Landes Berlin an dem Vermögen der stillgelegten Versicherungsträger und des stillgelegten Verbandes Berliner Ortskrankenkassen wird aufgehoben. Das Vermögen geht auf die früheren Vermögensträger über, wenn sie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, auf die Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin, soweit sie aufgelöst werden. Die Krankenversicherungsanstalt Berlin wird in eine allgemeine Ortskrankenkasse mit der Bezeichnung „Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin" umgewandelt. Mit der Einführung des Ersten und Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung können auch die Ersatzkassen in Berlin ihre Tätigkeit in vollem Umfange wieder aufnehmen. Eine besondere Vorschrift sichert den freiwillig Weiterversicherten im Land Berlin, die im Zeitpunkt der Stillegung einer Betriebs- oder Innungskrankenkasse oder einer Ersatzkasse angehört haben, die Möglichkeit zu, zu ihrer alten Kasse zurückzukehren. Um bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin größere Schwierigkeiten zu vermeiden, die durch das Ausscheiden zahlenmäßig stärkerer Gruppen von Versicherten entstehen, soll das Land Berlin bis zur Neuregelung des Rechts der Krankenversicherung eine gewisse Garantie übernehmen. Der Vierte Abschnitt des Gesetzentwurfs enthält Angleichungen der Berlin-Klauseln anderer Gesetze an den durch dieses Gesetz geschaffenen neuen Rechtszustand. Der Fünfte Abschnitt enthält die Berlin-Klausel und bestimmt den Tag des Inkrafttretens. II. Einzelheiten Soweit der Ausschuß den Antrag der Fraktion der CDU/CSU gebilligt hat, wird hier von einer besonderen Begründung abgesehen. Es kann insoweit auch auf die Begründung des Gesetzentwurfs — Drucksache 3127 der 2. Wahlperiode —der damaligen Bundesregierung und den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik — Drucksache 3720 der 2. Wahlperiode — verwiesen werden. Zu § 1 Nr. 1 Der Ausschuß war der Ansicht, daß das Recht, Vorschlagslisten einzureichen, nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber auf die Organisationen beschränkt werden sollte, die im gesamten Geltungsbereich des Selbstverwaltungsgesetzes tätig sind. Die Gründe, die dafür maßgebend seien, bei Gewerkschaften und ständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung Tätigkeit im gesamten Geltungsbereich des Selbstverwaltungsgesetzes zu fordern, träfen auch für die Vereinigungen von Arbeitgebern zu. Der Ausschuß beschloß demgemäß, in der 3. Zeile der in Berlin künftig geltenden Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 5 des Selbstverwaltungsgesetzes das Wort „und" durch ein Komma und in der 6. Zeile die Worte „sowie der" durch „und" zu ersetzen. Zu § 2 Da in der ersten Hälfte dieses Jahres Wahlen zu den Sozialversicherungsträgern stattfinden, erschien dem Ausschuß eine Vorschrift, die die erste Wahl im Land Berlin zugleich mit der zweiten Wahl im Bundesgebiet stattfinden läßt, entbehrlich. Die gleichzeitige Wahl ist durch die Erstreckung des Selbstverwaltungsgesetzes auf das Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957 219 Geiger (Aalen) Land Berlin und durch die Berlin-Klausel in der Wahlordnung, die demnächst vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung erlassen werden wird, gewährleistet. Dagegen erschien es erforderlich, die Amtsdauer der erstmals im Land Berlin gewählten Mitglieder der Organe der Amtsdauer der Organe im übrigen Geltungsbereich des Selbstverwaltungsgesetzes anzugleichen, da die Aufnahme der Tätigkeit der wieder zugelassenen Kassen im Land Berlin sich unter Umständen verzögern kann. Der Ausschuß beschloß dementsprechend, an Stelle des Vorschlages der Drucksache 14 die in der Zusammenstellung aufgeführte Fassung des § 2. Zu § 4 Die Neufassung des Ausschusses stellt bei im wesentlichen gleichem materiell-rechtlichem Inhalt eine redaktionelle Verbesserung dar. Zu § 7 Der Ausschuß beschloß, die für das Errichtungsverfahren von Innungskrankenkassen geltenden Grundsätze auch hinsichtlich der Wiederaufnahme der Tätigkeit stillgelegter Innungskrankenkassen im Land Berlin zur Anwendung zu bringen. Der im Gesetzentwurf genannte Termin des 31. Januar 1958 wurde, da er zu eng erschien, durch eine Frist ersetzt, die sich von der Verkündung des Gesetzes an errechnet. Zu § 7a Im Bereich der Postverwaltung des Bundesgebiets und von West-Berlin bestehen einheitliche Sozialeinrichtungen mit Bezirksstellen bei jeder Oberpostdirektion und bei der Landespostdirektion Berlin. Es erschien dem Ausschuß zweckmäßig, die Herbeiführung einer Einheitlichkeit auch hinsichtlich der Bundespostbetriebskrankenkasse zu ermöglichen. Da nach dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der in einzelnen Verwaltungszweigen des Landes Berlin beschäftigten Personen vom 26. April 1957 (BGBl. I S. 397) Arbeitgeber der Arbeiter und Angestellten für den Bereich der Landespostdirektion Berlin das Land Berlin, im Bundesgebiet aber Arbeitgeber der Angestellten und Arbeiter der Deutschen Bundespost der Bund ist, stehen einer Erstreckung der Bundespostbetriebskrankenkasse auf die Postverwaltung in Berlin (West) §§ 245, 246 der Reichsversicherungsordnung entgegen. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich nämlich, daß eine Betriebskrankenkasse nur auf Betriebe desselben Arbeitgebers erstreckt werden kann. Um die Bildung einer einheitlichen Postbetriebskrankenkasse zu ermöglichen, beschloß daher der Ausschuß die Einfügung eines § 7 a, der die Zulässigkeit der Erstreckung an die Zustimmung der für die Bundespostbetriebskrankenkasse in Betracht kommenden Arbeitnehmer im Land Berlin und der Landespostdirektion Berlin bindet. Als fiktiver Arbeitgeber im Sinne der genannten Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung gilt insoweit die Bundesrepublik Deutschland. Einem Antrag der SPD, für die Errichtung der Postbetriebskrankenkasse wie in § 7 den Termin auf einen Monat nach Verkündung des Gesetzes festzusetzen, hat der Ausschuß nach der Erklärung des Vertreters der Bundespost, daß die Erstreckung der Betriebskrankenkasse der Bundespost auf das Land Berlin einen Monat nach Verkündung des Gesetzes abgeschlossen sei, nicht stattgegeben. Zu § 15 Der Ausschuß beschloß, das Wort „einzustellen" durch die Worte „zu übernehmen" zu ersetzen, um damit zu betonen, daß das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin, die zu den neu gebildeten Versicherungsträgern übertreten, fortgesetzt wird. Zu § 16 beantragt die CDU/CSU-Fraktion eine andere Fassung, da die Formulierung des § 16 im Initiativgesetz zu verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten führen könne. Dem Zwecke des Gesetzes entsprechend sollte die mit § 16 gegebene Garantie nur dazu dienen, eventuelle Schwierigkeiten der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin zu vermeiden, die sich aus der Abwanderung eines Teiles der Versicherten ergäben. Die Garantie sollte aber nicht dazu führen, daß ein allgemeines Risiko der Krankenversicherung auf die Garantieträger abgewälzt würde. Der Ausschuß war daher der Ansicht, daß unter Zugrundelegung der Verhältnisse bei den allgemeinen Ortskrankenkassen im Bundesgebiet Maßstab für die Garantie der durchschnittliche Beitragssatz der allgemeinen Ortskrankenkassen im Bundesgebiet sein solle. Die SPD beantragte demgegenüber für den § 16 die vom Bundesrat vorgeschlagene Formulierung, die auch von dem Vertreter des Senats Berlin gefordert wurde, mit Ausnahme des letzten Satzes, der eine Einschränkung der Selbstverwaltung beinhaltet, zu übernehmen. Nach diesem Vorschlag sollte sich die Garantie des Landes Berlin für ein Jahr lang auf alle Ausgaben, die den Beitragssatz von 7 v. H. übersteigen, erstrecken. Nach einem Jahr sollte ebenso wie in der jetzt vom Ausschuß beschlossenen Fassung der durchschnittliche Beitragssatz aller Ortskrankenkassen im Bundesgebiet die Grundlage für die Garantie des Landes Berlin sein. Der Ausschuß stimmte in seiner Mehrheit diesem Antrag nicht zu. Der Ausschuß entschied sich schließlich gegen die Ausdehnung des Aufsichtsrechts auf Fragen der Zweckmäßigkeit für den Garantiezeitraum, da ihm dies mit den Grundsätzen des Selbstverwaltungsrechts nicht vereinbar schien. Die Aufsichtsbehörde soll lediglich die Möglichkeit haben, Erhöhungen der Leistungen durch Satzungsänderungen während des Garantiezeitraumes von ihrer Zustimmung abhängig zu machen. 220 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957 Geiger (Aalen) Zu § 17 Im Interesse einer elastischen Handhabung soll die Ermächtigung für die Regelung des vertrauensärztlichen Dienstes im Land Berlin nicht der Bundesregierung, sondern dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit Zustimmung des Bundesrates erteilt werden. Zu § 19 Nr. 3 Die Antragsfrist wurde bis zum 30. Juni 1958 verlängert, da der im Entwurf eingesetzte Termin zu kurz erschien. Zu § 20 Der Ausschuß beschloß, die Berlin-Klausel in der in der Zusammenstellung angegebenen Form zu ergänzen, um die Geltung bisher erlassener und zukünftig zu erlassender Rechtsverordnungen im Land Berlin sicherzustellen. Zu § 21 Der Ausschuß beschloß als Tag des Inkrafttretens des Gesetzes den 1. Januar 1958. Bonn, den 7. Dezember 1957 Geiger (Aalen) Berichterstatter Anlage 4 Umdruck 1 Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Absatz 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: Umdruck 2 Änderungsantrag der Fraktion der DP zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin (Drucksachen 14, 64). Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 4 wird gestrichen. Für den Fall der Ablehnung des Antrags unter Nr. 1: 2. In § 4 Satz 1 werden die Worte „§ 9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Nr. 5, § 11 Abs. 1 und 3, § 12, § 13 Abs. 1 und 2, § 14, § 18 Abs. 1," gestrichen. Bonn, den 10. Dezember 1957 Frau Kalinke Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Umdruck 3 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin (Drucksachen 14, 64). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die §§ 3 bis 19 werden gestrichen. Für den Fall der Ablehnung des Antrages unter Nummer 1: 2. In § 15 werden a) im Absatz 2 Satz 2 die Worte „nach Ablauf des sechsten Monats" durch die Worte „nach Ablauf des zwölften Monats" ersetzt; b) in Absatz 3 hinter den Worten „Absätze 1 und 2" die Worte „Satz 1" eingefügt. 3. § 16 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: „Soweit bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin sieben vom Hundert des Grundlohnes als Beiträge, jedoch ab 1. Januar 1959 der durchschnittliche Beitragsatz der Allgemeinen Ortskrankenkassen im sonstigen Bundesgebiet und das das gesetzliche Rücklagesoll übersteigende Vermögen nicht ausreichen, um die Aufrechterhaltung der nach den gesetzlichen Vorschriften und der Kassensatzung zulässigen Leistungen zu gewährleisten, hat das Land Berlin bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes zur Neuregelung des Zweiten Buchs der Reichsversicherungsordnung die erforderlichen Zuschußbeträge aus Mitteln seines Landeshaushalts aufzubringen." Bonn, den 11. Dezember 1957 Ollenhauer und Fraktion 1. Antrag der Fraktion an den Ausschuß für der FDP Verkehr, Post- und Fernmeldewesen betr. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulas-sungs-Ordnung und der StraßenverkehrsOrdnung (Abmessungen und Gewichte) — Drucksache 23 — 2. Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft betr. Ernteschäden und Forsten (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern) — Drucksache 24 — Bonn, den 5. Dezember 1957 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957 221 Umdruck 4 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin (Drucksachen 14, 64). Der Bundestag wolle beschließen: In § 16 Abs. 1 Satz 2 werden die Worte „Kalendervierteljahres" bzw. „Kalendervierteljahr" durch die Worte „Kalenderhalbjahres" bzw. „Kalenderhalbjahr" ersetzt. Bonn, den 12. Dezember 1957 Dr. Krone und Fraktion Umdruck 5 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs eines Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin (Drucksachen 14, 64). Der Bundestag wolle beschließen: In § 15 werden a) im Absatz 2 Satz 2 die Worte „nach Ablauf des sechsten Monats" durch die Worte „nach Ablauf des zwölften Monats" ersetzt, b) in Absatz 3 hinter den Worten „Absätze 1 und 2" die Worte „Satz 1" eingefügt. Bonn, den 12. Dezember 1957 Ollenhauer und Fraktion
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    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freien Demokraten sind ebenfalls der Meinung, daß eine Neuregelung des Jugendarbeitsschutzes nötig und dringlich ist. Darüber ist man sich wohl allgemein in diesem Hohen Hause und auch draußen in der Öffentlichkeit klar, vielleicht mit Ausnahme des „Rheinischen Merkur", der noch im Oktober des vergangenen Jahres schrieb, bei Licht besehen sei der Entwurf eines neuen Jugendarbeitsschutzgesetzes aber alles eher als dringlich.
    Das Gesetz über Kinderarbeit und die Arbeitszeit von Jugendlichen, das aus dem Jahre 1938 stammt, ist nicht umfassend genug und den heutigen Verhältnissen nicht genügend angepaßt. Seit dem Jahre 1945 hat durch verschiedene Länderregelungen auch eine gewisse Rechtszersplitterung begonnen. Wir müssen uns aber über eins klar sein: Die scharfen Bestimmungen, die in dem uns vorliegenden Entwurf, aber auch in anderen bekanntgewordenen Entwürfen enthalten sind, kommen zum großen Teil daher, daß die Bestimmungen über den Jugendarbeitsschutz, die in dem Gesetz aus dem Jahre 1938 enthalten sind, nicht richtig eingehalten werden, und zwar werden sie nicht nur in Einzelfällen übertreten. Ich glaube auch, daß die zum Teil geradezu alarmierenden ärztlichen Statistiken nicht so schlecht ausgefallen wären, wenn man allerwärts das Gesetz von 1938 besser eingehalten hätte.
    Die Materie des Jugendarbeitsschutzes betrifft einen wesentlichen Ausschnitt aus dem Arbeitsleben, und zwar nicht nur aus dem industriellen Arbeitsleben. Eine Regelung dieser Materie sollte nach unserer Ansicht möglichst kurz und klar sein und gleichzeitig der Vielfalt des Arbeitslebens dadurch ausreichend Rechnung tragen, daß sie wirklichkeitsnah ist. Wir müssen die träge Gewohnheit
    206 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957
    Dürr
    bekämpfen, zu sagen, daß man es früher auch nicht besser gehabt habe. Wir müssen ein Gesetz schaffen, dem man es ansieht, daß es nicht vom grünen Tisch herstammt. Wir müssen ein Gesetz schaffen, das für die Betroffenen ohne Kommentar verständlich ist. Es muß klar sein, einfach sein, und es muß vor allem unbürokratisch sein, und dies nicht nur in den Hauptbestimmungen, sondern auch in den Nebenpunkten. Denn sonst kann es bei der Neigung des Menschen zur Verallgemeinerung geschehen, daß man sich einen Nebenpunkt heraussucht, und etwa, was nach dem uns vorliegenden Entwurf gar nicht weit liegt, erklärt, daß eine Hausfrau, wenn sie eine 15jährige Hausgehilfin beschäftigt, in die Situation komme, in der Wohnung suchend herumlaufen und sehen zu müssen, an welcher weithin sichtbaren Stelle ihres Hauses sie den vorgeschriebenen Aushang über die Arbeitszeit ihrer Hausgehilfin anbringen könne. Oder es könnte genauso geschehen, daß ein Bauer am Montag einen Brief an das Gewerbeaufsichtsamt schreiben muß, in dem steht, daß er und seine Frau am Sonntag grippekrank gewesen seien und daß wegen dieses Notfalles die 15jährige Tochter gezwungen gewesen sei, die Kühe zu melken, was er der Aufsichtsbehörde hiermit pflichtgemäß anzeige.

    (Zuruf von der SPD: Haben Sie den Entwurf gelesen, Herr Dürr?)

    — Ja.

    (Zuruf von der SPD: Das geht aber daraus nicht hervor!)

    — Es ist jedenfalls ohne Kommentar nicht völlig verständlich, ob das gemeint ist oder nicht gemeint ist.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Wenn Sie erst mal bei der Gesetzgebung mitarbeiten, dann wird es sicher besser!)

    — Ich hoffe, daß Sie auch mitarbeiten.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Sie haben vorhin so Binsenwahrheiten über den Gesetzentwurf vorgetragen!)

    Es gilt, nicht nur für den Groß- und den Mittelbetrieb, sondern auch für die Belange und die Eigenheiten des Handwerks, der Landwirtschaft und der Hauswirtschaft eine ausreichende Regelung zu schaffen. Das hat für diese Zweige durchaus seine Vorteile. Denn wir müssen uns darüber klar sein, daß bei vielen jungen Menschen der Anreiz, zur Industrie und nicht zum Handwerk, zur Landwirtschaft oder zur Hauswirtschaft zu gehen, sehr oft darin liegt, daß sich diese Jugendlichen sagen: Dort bei der Industrie habe ich wenigstens meinen geregelten Feierabend. Gute Jugendarbeitsschutzbestimmungen, die auch eingehalten werden, sind dann ein nicht unwichtiges Mittel, um bei den genannten Berufszweigen den akuten Nachwuchsmangel wenigstens einigermaßen zu beheben.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ein weiterer Gesichtspunkt: Es ist nicht sicher, daß die Zeiten der Vollbeschäftigung anhalten, und wir müssen daran denken, ein Jugendarbeitsschutzgesetz zu schaffen, das auch in Zeiten, wo keine Vollbeschäftigung herrscht, anwendbar und durchführbar ist. Es wäre kein Dienst für den Jugendlichen, wenn eine gesetzliche Regelung in solchen Zeiten dazu führen würde, daß sich ein Arbeitgeber sagt, es falle ihm nicht mehr ein, einen jugendlichen Hilfsarbeiter einzustellen. Wir müssen hier mit den Gesichtspunkt beachten, daß es nicht sein darf, daß entsprechend dem Problem der älteren Angestellten ein Problem der jugendlichen Hilfsarbeiter auftauchen könnte.
    Die Lehrjahre, meine Damen und Herren, werden weiterhin keine Herrenjahre sein. Die Arbeitszeitkürzung wird zu einer Konzentration auf das Ausbildungsziel führen müssen, wenn nicht eine Verlängerung der Dauer der Lehrzeit unumgänglich werden soll. Aber ich bin in diesem Punkt optimistisch. Unsere Jugendlichen empfinden bei aller Liebe zum Moped oder zum Sport ihre berufliche Arbeit nicht als unnötige Unterbrechung der Freizeit. Wenn man sie fragt, wird man in den allermeisten Fällen feststellen können, daß sie mit Interesse und mit dem Herzen bei ihrer beruflichen Arbeit sind. Damit nicht Erzeugnisse vom grünen Tisch Gesetz werden, wird es bei der Einzelerörterung nötig sein, die Mithilfe der Tarifpartner, der Berufs- und Jugendverbände sowie der Öffentlichkeit in Anspruch zu nehmen.
    Die Freien Demokraten hoffen, daß eine Regelung gefunden wird, die die einhellige Zustimmung dieses Hauses findet und die unter Mitwirkung der Öffentlichkeit auch eingehalten wird. Denn ein Jugendarbeitsschutzgesetz ist erst dann von Wert, wenn es nicht nur eingehalten wird, weil die Verstöße gegen die Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes unter strenger Strafe stehen, es ist erst dann wertvoll, wenn die Jugendarbeitsschutzbestimmungen von allen eingehalten werden, weil es der Anstand so gebietet.

    (Beifall bei ,der FDP und SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wart hat der Abgeordnete Jahn (Stuttgart).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Artur Jahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei dem Hohen Hause folgendes vorzutragen.
    Der 2. Deutsche Bundestag hat sich, wie bereits auch bei der Begründung des nun vorliegenden Entwurfs gesagt worden ist, mit dem Entwurf eines Jugendarbeitsschutzgesetzes — also eines Gesetzentwurfs, wie er heute in der Konzeption der SPD-Fraktion dem Hohen Hause vorgelegt worden ist — sowohl im Plenum als auch im Ausschuß für Arbeit beschäftigt. Dem Ausschuß lag damals neben dem Regierungsentwurf auch ein Entwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vor.

    (Zuruf von der SPD: Umgekehrt!)

    Die Fraktionen der Regierungsparteien vertreten seit langem in Übereinstimmung mit der Bundesregie-
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957 207
    Jahn
    rung die Überzeugung, daß es sich bei der zur Debatte stehenden Materie um eine sehr wichtige Angelegenheit handelt, die einer baldigen bundesgesetzlichen Neuregelung dringend bedarf. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die Regierungsvorlage, die bereits im 2. Deutschen Bundestag vorlag, erneut einzubringen. Bei der Einbringung dieses Entwurfs wird die Bundesregierung ohne Zweifel die ihm zugrunde liegenden Auffassungen und Grundsätze auch vor diesem Hawse vertreten.
    Wir bedauern, daß die SPD nicht bereit war, mit der ersten Beratung dieses Entwurfs bis zur Einbringung der Regierungsvorlage zu warten.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Das wird noch ein paar Jahre dauern! — Abg. Lange [Essen] : Das kann noch sehr lange dauern!)

    Eine Beratung beider Vorlagen wäre der Sache selbst nur dienlich gewesen.

    (Zuruf von der SPD: Wer sagt Ihnen das denn?)

    Zu dem vorliegenden Gegenstand haben wir von der Regierungskoalition sowohl Grundsätzliches als auch in vielfacher Hinsicht ins einzelne Gehendes zu sagen. Hierher gehören z. B. die Sorge um das Erreichen des Berufsziels, die Fragen der Berufserziehung, der Gesundheit und insgesamt der positiven Entwicklung der arbeitenden und lernenden jungen Generation. Die Koalitionsparteien sehen davon ab, ihren Standpunkt zu diesen Fragen heute darzulegen. Sie werden dagegen — trotz der Aufforderung, Herr Kollege Lange, die Sie ausgesprochen haben — bei der Vorlage des Regierungsentwurfs ihre Auffassung dem Hohen Hause eingehend vortragen.

    (Abg. Lange [Essen] : Ich denke, Regierung und Koalition sind zweierlei?)

    Da die Regierungsvorlage in Kürze zu erwarten ist, können beide Vorlagen dann im Ausschuß gemeinsam beraten werden. Damit dienen wir der Sache mehr als bei getrennter Beratung.
    Die Fraktionen der Koalition stimmen der Ausschußüberweisung, wie sie beantragt ist, zu und hoffen, daß bei der Ausschußberatung dann das Notwendige zu diesen beiden Entwürfen gesagt werden kann und wir zu einer Lösung dieser Fragen kommen, die alle daran Beteiligten befriedigt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Wäre es nicht besser gewesen, wenn Sie zur Sache etwas gesagt hätten?)