Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion legt Ihnen mit Drucksache 29 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes vor. Bei dieser Novelle handelt es sich um eine Erarbeitung des Ausschusses für Gesundheitswesen und des Unterausschusses für Lebensmittelrecht im 2. Deutschen Bundestag. Diese ist damals leider nicht mehr verabschiedet worden.
Gestatten Sie mir zunächst ein paar allgemeine Bemerkungen zur Notwendigkeit der Reform des Lebensmittelrechts. Um diese Reform bemühen sich seit Jahren namhafte Kreise der Wissenschaft, insbesondere die Deutsche Forschungsgemeinschaft, es bemühen sich darum die Verbraucher, die Lebensmittelüberwachung, auch die Ernährungswirtschaft — also alles Kreise, die das Lebensmittelrecht in seiner heutigen Form kennen und wissen, daß es den gegenwärtigen Notwendigkeiten nicht mehr gerecht wird.
Das Parlament hat, zum Teil auf sozialdemokratische Anträge hin, zum anderen Teil auf einen gemeinsamen Antrag aller weiblichen Bundestagsabgeordneten, wiederholt Anstrengungen unternommen, um zu dieser Reform zu kommen. Leider haben sie bis jetzt nicht zum Ziele geführt.
Was ist das erste und wichtigste Anliegen dieser Reform? Der Auffassung Geltung zu verschaffen, daß die Nahrung ausschließlich der Gesunderhaltung dienen soll und nicht die Gesundheit gefährden darf. Es ist etwas umstritten, ob man dabei so weit gehen muß, wie es der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung, aus dem dann diese Ausschußvorlage hervorgegangen ist, beinhaltet.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang selbstverständlich die Frage: Warum hat eigentlich der 2. Deutsche Bundestag diese Ausschußvorlage nicht mehr verabschiedet? Ich möchte ganz deutlich sagen, daß nach unserer Auffassung der angegebene Zeitmangel dafür nur eine Ausrede war, daß in Wirklichkeit ein Teil des Hauses unter dem Eindruck der vielen falschen Auslegungen dieses Gesetzes die Courage zu dieser notwendigen Pioniertat im letzten Augenblick verloren hat und daß leider deswegen der Deutsche Bundestag dieses Gesetz nicht mehr verabschiedet hat.
— Herr Dr. Stammberger, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß meine Fraktion den Antrag gestellt hat, das Gesetz noch zu behandeln, daß es darüber einen Hammelsprung gegeben hat, daß alle Sozialdemokraten und auch die FDP für die Behandlung des Gesetzes gestimmt haben und daß die Behandlung des Gesetzes an der CDU/CSU gescheitert ist. Das ist die Tatsache. Wenn man gewollt hätte, hätte man Zeit gehabt.
Man hat sich zu anderen Gesetzen durchaus Zeit genommen. Ich möchte also den Standpunkt vertreten: das einzige Mittel, Zeit zu haben, ist, sich Zeit zu nehmen; und wenn einem die Sache wichtig genug ist, dann hätte man die Meinungsverschiedenheiten — die es zum Teil natürlich auch in der sozialdemokratischen Fraktion gegeben hat — hier ausdiskutieren können, wie man das ja auch bei anderen Gesetzen getan hat.
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Frau Strobel
Im übrigen darf ich auf etwas aufmerksam machen — etwas, was dem Hause nicht bekannt ist —, daß sich damals schon vorher die Herren und Damen der verschiedenen Fraktionen, die an dem Gesetz gearbeitet hatten, geeinigt hatten, einen Änderungsantrag einzubringen, der den umstrittensten Teil dieses Gesetzes aus der Debatte herausgenommen hätte. Wir waren damals ja schon bereit, in das Gesetz aufzunehmen, daß der private Haushalt ausgenommen ist. Alles andere waren, meine ich, mehr oder weniger Wünsche von Interessenten, über die wir uns in den Ausschüssen auseinandergesetzt haben und die wir auch hier hätten entsprechend behandeln können.
In der Öffentlichkeit ist immer wieder behauptet worden, die Reformer übertrieben die Gefahren, welche der Gesundheit vom gegenwärtigen Zustand drohen. Nun, meine Damen und Herren, es ist möglich, daß da oder dort einmal, um die Dinge zu verdeutlichen, etwas drastisch ausgesprochen wird. Aber noch viel gefährlicher ist es, wenn man versucht, die Gefahren, die der menschlichen Gesundheit von den vielen Chemikalien in den Lebensmitteln drohen, zu bagatellisieren. Ich glaube, davor müssen wir uns genauso hüten wie vor den Übertreibungen.
Dann ist der Vorwurf erhoben worden, daß dieses Gesetz zu perfektionistisch sei. Vor allen Dingen hat man das wegen der Einbeziehung des privaten Haushalts getan. Nun, Sie finden in diesem Entwurf den Vorschlag, daß das Gesetz für den privaten Haushalt nicht gelten soll. Wir sind der Auffassung, daß man sich darüber in den Ausschüssen sehr gründlich mit den Sachverständigen sowohl der Ernährungswissenschaft als auch der Rechtswissenschaft wird besprechen müssen, und man wird bestimmt eine angemessene Formulierung finden. Wenn man den privaten Haushalt hier ausnimmt, dann muß man in dem Gesetz zugleich eine Bestimmung schaffen, die verhindert, daß der Hausfrau die vielen kleinen Mittelchen, deren Verwendung der Ernährungswirtschaft in dem Gesetz verboten wird, weiter angeboten werden und daß man damit unlautere Geschäfte macht. Aber ich glaube, dieser Weg läßt sich in dem Gesetz finden.
Es hat sich weiter herausgestellt, daß ein großer Teil der seriösen Industrie absolut damit einverstanden ist, daß man. die Positivlisten, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft für die Fremdstoffe aufgestellt hat, diesem Gesetz zugrunde legt, daß aber ein anderer Teil der Industrie sich gerade diese freiwillige Beschränkung der seriösen Industrie zunutze macht und daraus Vorteile zieht. Ich glaube, es liegt im Interesse der gesamten Ernährungswirtschaft, daß man dem entsprechend entgegentritt.
Meine Damen und Herren! Aber auch wenn dieses Gesetz einmal verabschiedet sein wird, werden immer noch Mängel in der Gesetzgebung vorhanden sein, die nicht ausschließlich durch eine solche Novelle beseitigt werden können. Ich möchte das ganz deutlich aussprechen, damit hier nicht Hoffnungen entstehen, die der Bundestag nicht erfüllen kann.
Da ist z. B. der Wunsch, daß die Lebensmittelüberwachung wesentlich weiter ausgedehnt wird, als sie heute möglich ist. Dieser Wunsch muß sich an die Länder richten. Die Länder müssen in ihren Haushalten sehr viel mehr Mittel für die Lebensmittelüberwachung zur Verfügung stellen, wenn sie sinnvoll und effektiv sein soll. Jedoch auch an uns richtet sich dieser Wunsch insofern, als das Lebensmittelrecht aus einer Unzahl einzelner Spezialgesetze besteht, zu denen noch massenhaft Verordnungen, Erlasse usw. kommen, die zum großen Teil entweder aus dem vorigen Jahrhundert stammen und deswegen total veraltet sind oder in der Kriegs- und Nachkriegszeit ergangen sind und schon deswegen auf Grund ganz anderer Voraussetzungen geschaffen worden sind. Die Flurbereinigung des Lebensmittelrechts, die damals schon in dem Antrag der weiblichen Bundestagsabgeordneten gefordert worden ist, kann durch dieses Gesetz noch nicht erreicht werden. Es kann nur ein Anfang sein. Aber wir sind der Auffassung, daß dem Lebensmittelrecht jeweils die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Nutzen der Menschen zugrunde gelegt werden sollen, wobei der Vorteil der Menschen nicht darin bestehen kann, daß eine kleine Gruppe an der Herstellung und dem Vertrieb von Lebensmitteln sehr viel verdient. Der Vorteil für die Menschen liegt vielmehr darin, daß ihre Gesundheit geschützt wird.
Ich möchte darauf verzichten, Beispiele für die gegenwärtige Situation zu nennen. Erstens sind sie unzählig, und zweitens möchte ich das Urteil darüber den Sachverständigen überlassen. Aber gestatten Sie mir, einen der maßgebendsten deutschen Wissenschaftler, Herrn Professor Druckrey, zu zitieren. Professor Druckrey, der Präsident der Internationalen Kommission für Krebsforschung, ist Mitglied des Beratenden Ausschusses für Lebensmittelzusätze der Weltgesundheitsorganisation und Vorsitzender der Farbenkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Nach dem Stenographischen Bericht über die Sitzung des Gesundheitsausschusses am 6. Februar 1957 in Bonn hat Herr Professor Druckrey gesagt:
Es hat sich nämlich ergeben, daß es Giftwirkungen gibt, die auch dann auftreten, wenn kleinste Mengen über lange Zeit, womöglich ein ganzes Leben lang, aufgenommen werden. Das liegt im Wesen eines Lebensmittelzusatzes, und es ist schicksalhaft, daß ein solcher Zusatz von Jugend auf von Millionen von Menschen in dieser Weise aufgenommen wird. Darin liegt die Gefahr.
Es hat sich weiter ergeben, daß die fortgesetzte Aufnahme kleinster Dosen sogar wesentlich gefährlicher ist als die seltene Aufnahme großer Dosen.
Gerade diese Erkenntnis hat zu einer völligen Änderung der Einstellung zu den Lebensmittelzusätzen geführt.
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Professor Druckrey hat weiter gesagt:
Ich darf darauf hinweisen, daß im speziellen Teil der Farbstoffliste bereits 30 Farbstoffe als gesundheitsschädlich erscheinen, von denen 20 krebserzeugende Eigenschaften gezeigt haben. Auch bei anderen Farbstoffen finden Sie eine ganze Reihe, die diese verhängnisvolle Eigenschaft haben. Die Situation
— so sagte Professor Druckrey, der als sehr maßvoller Wissenschaftler gilt —
ist sehr viel ernster, als sie ursprünglich erschien, auch ernster, als ich sie ursprünglich angesehen habe.
Meine Damen und Herren, muß uns das nicht unbedingt veranlassen, dafür zu sorgen, daß die Chemikalien, die in der Lebensmittelwirtschaft Verwendung finden, unter Kontrolle gebracht werden? Etwas anderes will dieser Gesetzentwurf gar nicht. Er will nicht, wie fälschlich behauptet wird, den Fortschritt hemmen. Es soll nur dafür gesorgt werden, daß die Zusätze, die sich als gesundheitsschädlich erwiesen haben, nicht mehr verwendet werden dürfen; es sollen nur noch die zugelassen werden, die gesundheitlich unbedenklich sind und die für die Versorgung der Verbraucher mit Lebensmitteln heute noch gebraucht werden.
Wir wollen hier und auch im Ausschuß nicht darüber streiten, welche Zusätze das sind. Ich meine, das müssen wir der Wissenschaft überlassen, die sachverständig und dafür zuständig ist. Deshalb legen wir ja auch so großen Wert darauf, in diesem Gesetzentwurf zu verankern, daß bei den zu erlassenden Verordnungen in erster Linie die Wissenschaft gehört wird, aber auch die Sachverständigen aus der Lebensmittelüberwachung, die Ernährungswirtschaft, aber auch die Verbraucher.
Allerdings müssen dann auch — das möchte ich sehr deutlich sagen — die Vorschläge der Wissenschaft Beachtung finden. Ich habe Anlaß, das zu sagen, weil ich festgestellt habe, daß z. B. für die Mehlbleichverordnung die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Vorschlag gemacht hatte, daß von einem bestimmten Fremdstoff nur noch ein bestimmter winziger Zusatz für kurze Zeit Verwendung finden darf, in der Verordnung des Bundesernährungsministeriums dann aber das Doppelte des Quantums, das die Wissenschaft für möglich gehalten hat, zugelassen worden ist. Das muß man allerdings vermeiden, wenn die Beratung durch die Wissenschaft für den Gesundheitsschutz der Verbraucher einen Sinn haben soll.
Wir sind der Auffassung, daß auch die etwa 20 Spezialgesetze geändert und dem Lebensmittelgesetz angepaßt werden müssen. Aber das ist dann der weitere Weg.
Zu dem Gesetz im einzelnen darf ich folgendes sagen. Mit den Bestimungen in Art. 1 soll die Voraussetzung für eine bundeseinheitliche Hygieneverordnung geschaffen werden. Wir halten das für unbedingt notwendig angesichts der Tatsache, daß es in manchen Ländern eine solche Hygieneverordnung überhaupt noch nicht gibt. Außerdem gehen heute die Lebensmittel von einem Land ins andere, und man sollte deswegen einheitliche Bestimmungen haben.
In § 4 a ist der Passus aufgenommen: Das Verbot gilt nicht innerhalb des privaten Haushalts. Wir sind der Auffassung, daß man damit der Sorge, dieses Gesetz enthalte einen Schnüffelparagraphen, entsprechend entgegentreten kann.
Der Ausschuß ist damals entgegen der Regierungsvorlage zu der Auffassung gekommen, daß man nicht nur Stoffe und Behandlungsverfahren in dieses Verbot einbeziehen muß, sondern daß z. B. auch die Verwendung von Antibiotika in Futtermitteln oder auch die Verwendung oestrogener Mittel und vor allem die Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel in dieses Verbot und die spätere Zulassung einbezogen werden müssen, weil sich herausgestellt hat, daß z. B. insbesondere bei der Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln erhebliche gesundheitliche Schäden auftreten können.
In § 4c wird im Zusammenhang mit dem Verbot der Verwendung von Fremdstoffen auch die irreführende Werbung ausdrücklich verboten.
In § 5a wird eine Ermächtigung ausgesprochen, auf Grund deren Stoffe zugelassen werden können, auf die man heute aus Gründen der Sicherstellung der Ernährung noch nicht verzichten kann und die für die Gesundheit unbedenklich sind.
In § 5b ist gegenüber dem damaligen Vorschlag der Regierung, den Export in dieses Verbot einzubeziehen, eine Änderung erfolgt. Wir haben den Export von den Verboten dieses Gesetzes ausgenommen. Ich möchte darauf vor allen Dingen im Hinblick auf unsere Exportwirtschaft aufmerksam machen. Es ist nicht notwendig, daß die für den Export bestimmten Lebensmittel nach dem deutschen Recht hergestellt werden; ihre Herstellung muß vielmehr dem Recht des Landes entsprechend erfolgen, in das sie geliefert werden. Wir haben es für richtig gehalten, wenn für den Export eine einfache Meldepflicht eingeführt wird.
Damit in Katastrophen- oder Krisenfällen keine Gefahren für die Versorgung der Bevölkerung entstehen, ist eine besondere Katastrophenklausel aufgenommen worden.
Das Gesetz will auch der Lebensmittelüberwachung mehr Möglichkeiten zur Kontrolle geben, als sie heute hat. Dieser Passus ist von der Wirtschaft sehr angegriffen worden. In unserem Gesetzentwurf ist eine Änderung gegenüber der Regierungsvorlage auch bei der Einsichtnahme in die Geschäftsbücher vorgenommen worden; sie soll sehr viel maßvoller vorgenommen werden und sich auf Fälle beschränken, wo dies unbedingt notwendig ist.
Durch eine Änderung des bisherigen § 11 sollen die Strafbestimmungen auch bei Verstößen gegen die neuen Paragraphen dieses Gesetzes angewendet werden. Ich muß darauf aufmerksam machen, weil bei der Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit immer wieder der Eindruck entstanden ist, die ge-
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genwärtigen Strafbestimmungen reichten nicht aus, um gewissenlose Lebensmittelfälscher entsprechend zu bestrafen. Diese Frage ist von uns sehr gründlich geprüft worden. Wir haben festgestellt, daß die gegenwärtigen Gesetze dafür ausreichten, wenn die Rechtsprechung davon Gebrauch machte. Es war also nicht notwendig, in diesem Gesetz verschärfte neue Strafbestimmungen zu schaffen.
Noch eine andere wichtige Sache! Nach 1945 war zunächst keine gemeinsame Gesundheitsbehörde da. Deshalb haben die Länder auf Grund des bisher geltenden Rechtes eine Reihe Ausnahmen zugelassen. Die Ausnahmen führten dazu, daß z. B. bei der Wurstherstellung in manchen Ländern Phosphate verwendet werden dürfen, in anderen Ländern nicht. Nun wissen wir aber alle, daß z. B. die Wurst von Oldenburg auch nach Bayern geht. Dort ist die Phosphatverwendung verboten. Unsere bayerischen Verbraucher sind also vor der in Oldenburg unter Umständen mit Phosphaten behandelten Wurst nicht geschützt. Aus diesem Grunde wird in dem Gesetz angestrebt, daß in Zukunft Ausnahmen auf dem Gebiete des Lebensmittelrechts nur noch der Bund gestatten darf. Die entsprechende Bestimmung ist so gehalten, daß sich diese Ausnahmen auch nur auf ganz bestimmte Dinge beschränken, z. B. auf die Versuche.
Weiter ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, daß auch die aus dem Ausland kommenden Lebensmittel unter allen Umständen den Bestimmungen des Gesetzes entsprechen müssen. Heute ist es leider so, daß die importierten Lebensmittel erst in irgendeinem Laden kontrolliert werden können, z. B. bei Mutter Müller in München oder in Nürnberg. Wenn man dann feststellt, daß es sich um ein gesundheitsschädliches Lebensmittel handelt, ist dieses Lebensmittel längst im ganzen Bundesgebiet verkauft. Es ist also notwendig, dafür zu sorgen, daß solche gesundheitsschädlichen Lebensmittel erst gar nicht hereinkommen. Eigentlich wäre es selbstverständlich; aber die Lebensmittelüberwachung macht darauf aufmerksam, daß es, wenn die Kontrolle beim Import nicht gleich an der Grenze erfolgt, einfach unmöglich ist, diesen selbstverständlichen Grundsatz durchzusetzen.
Man ist verschiedener Meinung darüber, wie das gemacht, auch wie es finanziert werden soll. Das ist sicher eine schwierige Hürde für dieses Gesetz. Aber wenn eine solche Sache notwendig ist, kann man auch den Weg dafür finden. Hier darf nicht gelten, daß die Politik die Kunst des Möglichen ist, sondern hier muß gelten, daß man das Notwendige möglich macht. Ganz abgesehen davon kann man auch vom Standpunkt der Wettbewerbsgleichheit der deutschen Wirtschaft nicht etwas verbieten, es aber denjenigen erlauben, die Lebensmittel aus dem Ausland verkaufen, ganz zu schweigen von der Gesundheitsschädigung für den Verbraucher.
In Art. 5 des Gesetzentwurfs wird die „Flurbereinigung" vorgenommen; es werden eine Reihe von Verordnungen, Ausnahmen und Erlassen aufgehoben.
In Art. 7 wird die Voraussetzung für die Vorbereitung und Herausgabe eines Lebensmittelbuchs geschaffen. Auch das ist ein Anliegen, das wir Sozialdemokraten sehr stark vertreten haben. Wir haben uns gefreut, daß es damals in dem Ausschußentwurf berücksichtigt worden ist. Gerade wenn man findet, daß die Rechtsprechung auf diesem Gebiet in den letzten Jahren oft nicht sehr glücklich gewesen ist, muß man gleichzeitig sagen, daß es der Rechtsprechung leider an Maßstäben für die Beurteilung gefehlt hat. Diese Maßstäbe müssen endlich geschaffen werden; das geschieht durch dieses Lebensmittelbuch.
Der Art. 9 bringt Fristen, die für die Ernährungswirtschaft notwendig sind, damit sie sich auf die Änderungen einstellen kann.
Bei der Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit um dieses Gesetz ist immer wieder die diffamierende Behauptung aufgestellt worden, diejenigen, die sich für das Gesetz so besonders einsetzten, wollten nur einen Naturschutzpark schaffen und den Fortschritt hemmen oder einzelne Industrien behindern, z. B. die Fischindustrie bei der Herstellung von Fischmarinaden. Wir sind der Auffassung, daß durchaus die Möglichkeit gegeben ist, die Frist für die Verwendung einzelner Fremdstoffe über diese hier gegebenen Fristen hinaus zu verlängern, solange man nicht auf diese Fremdstoffe verzichten kann.
Abschließend möchte ich aber noch darauf hinweisen, daß dieses Gesetz, wenn es im Bundestag einmal angenommen ist, noch nicht die ideale Lösung auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts darstellt, wenn es nicht gelingt, die Lebensmittelüberwachung in den Ländern erheblich zu verstärken, wenn nicht exemplarische Strafen gegen skrupellose Lebensmittelfälscher ausgesprochen werden und wenn es vor allen Dingen nicht gelingt, die deutsche Forschung auf diesem Gebiet so auszubauen, daß sie ihrer Aufgabe, die Lebensmittelzusätze zu prüfen und festzustellen, welche davon gesundheitlich unbedenklich sind, auch wirklich gerecht werden kann. Wenn man sich vor Augen hält, was die Herren der Deutschen Forschungsgemeinschaft seinerzeit im Gesundheitsausschuß über den Zustand ihrer Einrichtungen, über ihre finanziellen und experimentellen Möglichkeiten berichtet haben, erschrickt man einfach. Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders darauf hinweisen, daß es notwendig ist, für die Forschung — natürlich nicht nur auf diesem Gebiet, aber auch auf diesem Gebiet — wesentlich mehr Mittel bereitzustellen, als es bisher geschehen ist.
Etwas anderes ist noch nötig, was man auch nicht durch dieses Gesetz erreichen kann: daß die Verbraucher, insbesondere die Hausfrauen, darüber aufgeklärt werden, was der Gesundheit nützt und was ihr schadet.
In den letzten Tagen ist angekündigt worden, auch die Regierung komme mit einer Vorlage, mit einem neuen Entwurf zum Lebensmittelrecht. Wir Sozialdemokraten waren der Auffassung, daß man mit diesem Gesetzgebungswerk unbedingt rasch an-
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fangen müsse und keine Zeit mehr verlieren dürfe, weil die Gefahr, wie es die Wissenschaftler aufzeigen, wirklich sehr groß ist. Wir freuen uns, wenn durch unsere Initiative die Verwirklichung der Absichten der Regierung beschleunigt worden ist, und hoffen, daß das, was man in den letzten Tagen gehört hat, nun auch Wirklichkeit wird, damit der Ausschuß im nächsten Jahr möglichst bald mit der Beratung beginnen kann. Wir möchten aber darauf aufmerksam machen, daß wir uns gegen jedes Verschleppungsmanöver auf diesem Gebiet ganz kräftig zur Wehr setzen würden, weil es einfach nicht mehr vertreten werden kann, daß diese Reform weiter hinausgeschoben wird.
Es war ein sehr langer Weg vom ersten sozialdemokratischen Antrag im Bundestag auf Reform des Lebensmittelrechts bis zu diesem Entwurf. Wir hoffen, meine Damen und Herren, daß diesmal der Anlauf wirklich zum Ziele führt, nämlich zu dem Ziel, den Verbraucher vor Gesundheitsschädigungen durch Lebensmittel ausreichend zu schützen.