Rede von
Dr.
Hans
Furler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage der Fraktion der CDU/CSU darf ich zu dem Antrag der Sozialdemokratischen Partei Stellung nehmen, heute eine außenpolitische Debatte durchzuführen.
Es ist zunächst die Frage, welchen Sinn diese Debatte haben soll. Wenn sie den Zweck haben soll, das Parlament über die Haltung der Bundesregierung auf der Pariser NATO-Konferenz zu informie-
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957 165
Dr. Furler
ren, so scheint sie mir nicht nötig zu sein; denn diese Informierung erfolgte in der gemeinsamen Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses.
— Lassen Sie mich bitte 'zu Ende begründen.
Die Opposition hat die Gelegenheit ausgenützt, eingehende Fragen zu stellen.
— Ich glaube, die Fragen sind von der Regierung auch alle beantwortet worden.
Also kann sich die Kritik nicht beziehen auf den Umfang der Antworten, sondern, Herr Erler, der tiefere Grund ist der, daß Sie mit dem Inhalt der Antworten nicht zufrieden waren.
— Es wurden die gestellten Fragen beantwortet, und Sie haben weitere Fragen nicht gestellt. Aber ich bringe das gar nicht in den Vordergrund meiner Argumentation. Was Ihnen nicht gefällt, was Sie als unbefriedigend empfinden, ist der sachliche Gehalt dieser Antworten.
Sie waren nicht damit einverstanden, daß gesagt wurde: Dieser oder jener Punkt liegt nicht in der Linie unserer Politik, oder: Dieser oder jener Punkt ist im Augenblick gar nicht Gegenstand der Konferenz der NATO-Staaten. Also stellen Sie sich vor, daß die Debatte geführt wird, um die Bundesregierung im Sinne Ihrer Auffassung zu einer bestimmten politischen Haltung zu bewegen. Aber, meine Herren von der Opposition, ich glaube, unter diesem Gesichtspunkte würde eine außenpolitische Debatte keine andere Situation schaffen; denn die neun Punkte, die Sie in Ihrem Antrag als die Grundlagen Ihrer außenpolitischen Auffassung formuliert haben, zeigen, wie weit wir leider noch davon entfernt sind, eine gemeinsame außenpolitische Konzeption zu haben. Denn das darf ich sagen: meine Freunde würden auf der Basis dieser von Ihnen formulierten Punkte niemals der Regierung empfehlen, eine entsprechende Haltung auf der NATO-Konferenz einzunehmen. Das ist doch der Hauptpunkt, weshalb wir uns streiten.
Eine außenpolitische Debatte am heutigen Tage, vier Tage vor Eröffnung der NATO-Konferenz scheint uns aber auch aus einem anderen Grunde unzweckmäßig zu sein. Wir halten es einfach nicht für richtig, die Bundesregierung unmittelbar vor einer solchen Konferenz in ihrer Verhandlungsposition festzulegen.
Aber ich will diese Argumente gar nicht einmal in die erste Linie stellen. Wichtiger scheint mir, daß nach den Informationen der Bundesregierung und den sehr deutlichen Erklärungen, die der amerikanische Außenminister — ich glaube, noch vorgestern
abgegeben hat, zu den Zentralpunkten, den beiden großen, entscheidenden Fragen, die Sie erwähnt haben, in Paris überhaupt keine Entscheidungen fallen. Infolgedessen werden Entschlüsse erst nach der NATO-Konferenz getroffen werden müssen; erst dann brauchen wir unsere Haltung festzulegen.
Ich meine, die gegenwärtige weltpolitische Situation macht es besonders deutlich, wie notwendig es ist, daß wir innerhalb dieser NATO und im vollen Schutz dieser großen Verteidigungsgemeinschaft stehen. Vor drei Tagen hat der amerikanische Verteidigungsminister in Berlin die Sicherheitsgarantie für die ehemalige deutsche Reichshauptstadt wiederholt.
— Ehemalige Reichs hauptstadt, sagte ich!
Ich glaube, daß der Regierende Bürgermeister von Berlin in eine sehr schwierige Situation gekommen wäre, wenn er in seiner Dankrede das außenpolitische Programm hätte entwickeln müssen, das seine eigene Partei uns hier im Bundestag zur Diskussion stellt.
Soweit ich sehe, hat keines der Parlamente der NATO-Staaten verlangt, daß wenige Tage vor der Konferenz eine öffentliche Diskussion durchgeführt wird. Ich glaube, der von Bulganin geschriebene, vorgestern bei uns eingetroffene Brief zeigt auch, wie unzweckmäßig es ist, heute über diese Fragen hier in aller Öffentlichkeit zu diskutieren.
Auch wir sind für die Einschaltung des Parlaments. Ich muß entschieden zurückweisen, Herr Erler, wenn Sie sagen, wir wollten das Volk nicht hören,
oder wenn Sie hier darlegen, man wolle die Öffentlichkeit irreführen.
Das ist eine Unterstellung, die Sie weder der Regierung noch der sie tragenden Partei machen dürfen.
— Herr Mommer, ich habe Ihnen gesagt: Wir sind gegen die heutige Diskussion, weil wir sie taktisch für unzweckmäßig halten, und zum anderen, weil die Entscheidungen in Paris noch gar nicht getroffen werden.
Wir wollen hier diskutieren, weil wir nicht den Vorwurf aufkommen lassen möchten, als sollte das Volk getäuscht werden und das Parlament nicht zum Zuge kommen.
166 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1957
Dr. Furler
Wir werden von uns aus die Einschaltung des Bundestags verlangen, aber im richtigen Zeitpunkt.
— Ich sagte schon, daß die hier zentral interessierenden Entscheidungen gar nicht in Paris, sondern danach fallen. Wir werden schon bald im neuen Jahr die Initiative zu einer großen außenpolitischen und verteidigungspolitischen Debatte ergreifen, weil auch wir Wert darauf legen, einmal, daß das Parlament ganz öffentlich seine Haltung zeigt, und zum anderen, daß dies in einem Zeitpunkt geschieht, wo es noch möglich ist, die Politik der Regierung zu bestimmen. Das wird zweifellos noch im Januar der Fall sein.
Daher ist die ganze Behauptung, wir wollten unsere
Politik hier nicht verteidigen, völlig irreführend.
Wir werden uns stellen; ja, wir legen großen Wert darauf, daß das Parlament in seiner Verantwortung und in seiner Zuständigkeit zu diesen Fragen Stellung nimmt.
Deshalb werden wir im neuen Jahr sehr bald zu der außenpolitischen Grundsatzdebatte gelangen. Aber im Augenblick halten wir diese für nicht nötig, für unzweckmäßig, für niemanden nützlich, vor allem für uns nicht.
Ich beantrage daher, den Antrag der SPD, heute eine Debatte zu führen, abzulehnen.