Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, unsere verehrte Alterspräsidentin, die schon in mancher kritischen Situation eindrucksvolle Worte zu uns gesprochen hat, hat dies auch am heutigen Abend getan. Sie hat uns allen das Wort zugerufen: Si vis pacem, para pacem; wenn du den Frieden willst, dann rüste zum Frieden. Ich glaube, über alle parteipolitischen Meinungsverschiedenheiten, die uns ansonsten trennen mögen, darf ich für mich und meine Fraktionsfreunde sagen, daß wir darin mit der Frau Alterspräsidentin einig sind, daß die beste Rüstung zum Frieden die internationale und kontrollierte Abrüstung ist.
Deshalb ist diese internationale allgemeine und kontrollierte Abrüstung der erste und wichtigste Punkt in der Resolution, die die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union im Verein mit der Deutschen Partei Ihnen vorlegt. Diese Abrüstung ist der Herzenswunsch aller Völker. Wir Deutsche können nicht viel mehr als unsere moralische Kraft hineinlegen; aber zu
*) Siehe Anlage 2
dieser moralischen Kraft gehört auch die Entschlossenheit, bis die Abrüstung kommt, den auf uns entfallenden Teil zum Zusammenschluß der freien Welt weiterhin beizutragen.
Die Ernsthaftigkeit unserer Gesinnung zur Abrüstung stellen wir auch dadurch unter Beweis und bekräftigen sie dadurch — das wird Herrn Kollegen Erler besonders interessieren, nachdem er Herrn Kollegen Gerstenmaier bei seiner Rede deswegen eigens interpelliert hat —, daß auch wir den Antrag stellen, die Großmächte sollen die Atombombenversuche zunächst für eine begrenzte Zeit einstellen, bis die Verhandlungen über die internationale Abrüstung zu einem Erfolg gekommen sind. Dies ist der zweite Punkt unseres Antrages, zu dem wir stehen.
Wir sind uns darüber klar, daß die internationale Abrüstung vom Willen aller Partner, nicht nur der kleineren Länder, sondern vor allem der Großmächte, und nicht nur der Vereinigten Staaten, die zwanzig solcher Anträge eingebracht haben, sondern auch der Sowjetunion, abhängt, deren Stellung nicht in unserer Macht ist und die, da wir es hier mit einer diktatorialen Regierung zu tun haben, auch nicht unter den Druck der öffentlichen Meinung gestellt werden kann wie die Regierungen anderer Mächte. Sollange es der Fall ist, daß die internationale Abrüstung am Willen der Sowjets scheitert, ist die Freiheit der Welt, ist die Freiheit der Bundesrepublik, ist die Existenz unseres Volkes und edes einzelnen nur durch unsere Freundschaft mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika und den übrigen dreizehn NATO-Mächten geschützt. Dies ist die Grundlage unserer Politik. Gerade in diesem Augenblick, da der Aufbau 'unserer Bundeswehr noch im ersten Stadium steckt, sind wir völlig auf den Schutz unserer Verbündeten angewiesen. Es wäre nicht zu verantworten, wenn wir unseren Verbündeten vorschrieben, welche Form des Schutzes sie wählen. Wennschon die Amerikaner heute, nachdem die Franzosen durch den Abzug nach Algerien, die Briten durch andere Ereignisse ihre Truppen vermindert haben, die Hauptlast der Verteidigung hier tragen, können wir ihnen nicht verwehren, wenn sie jene Waffen, auch taktische Atomwaffen, bereit halten,ohne die sie diese Verteidigung nicht sicherstellen können.
Wir haben deshalb in einem weiteren Punkt festgestellt, daß wir keinen Anlaß haben, von den Verbündeten Einschränkungen der Ausrüstung der Truppen zu verlangen, die ja zu unserer Verteidigung da sind, — zumal da es in einem modernen Kriege so schnell geht, daß jene Atomkanonen, die eventuell eingesetzt werden müssen, ihre Munition bei sich haben müssen. Die ganze Verteidigung wäre sinnlos, wenn man erst Tage und Wochen brauchte, um sie von woanders her hierherzubringen.
Wir tun dies um so mehr im Hinblick auf die strengen Sicherheitsvorschriften der Vereinigten Staaten, eines Landes, von dem man weiß, daß es Vorschriften peinlich einhält und daß es die Parole „Safety first", „Sicherheit zuerst", größer schreibt, als es in jedem anderen Land, auch bei uns, geschieht.
Wir stellen uns dann auf den Standpunkt, daß die Frage der Bewaffnung der Bundeswehr mit atomaren taktischen Waffen überhaupt nicht aktuell ist. Sie ist technisch für diejenigen, die sie
liefern können, und für unsere Armee, die im Aufbau ist, erst in etwa zwei Jahren aktuell. Wir hoffen zuversichtlich und lassen uns in dieser Hoffnung von niemand übertreffen, daß bis zu diesem noch reichlich fernen Zeitpunkt die Abrüstung endlich durchgeführt ist.
Wenn wir die Erwartung des Deutschen Bundestages, die wir in unserer Resolution formuliert haben, daß diese Verhandlungen erfolgreich sein werden, nicht alle miteinander einmütig bekräftigen, werden sie bestimmt keinen Erfolg haben. Einmütigkeit ist hier also notwendig. Ich darf zur Vermeidung eines Mißverständnisses betonen, daß auch Herr Kollege Dr. Gerstenmaier in seiner Rede ausdrücklich festgestellt hat, daß er oder die Bundesregierung solche Waffen nicht fordert — wir sind froh, wenn sie uns erspart bleiben —, sondern daß sie nur heute keinen einseitigen Verzicht aussprechen wollen, weil dieser bei den internationalen Verhandlungen in die Waagschale der Sowjetunion fallen würde. Das kann kein Deutscher, gleich wo er steht, verantworten.
Wir haben schließlich die Frage der Wiedervereinigung, die in unseren Reden durchaus nicht am Rande behandelt wurde, Herr Kollege Ollenhauer, sondern die ein zentrales und ausführliches Stück der Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Gerstenmaier dargestellt hat, in einem weiteren Punkt herausgestellt und den Satz, zu dem sich sicherlich auch Sie alle bekennen, formuliert, daß ein dauerhafter Friede ohne die Wiedervereinigung Deutschlands nicht gesichert ist.
Wir ersuchen die Bundesregierung, jene Maßnahmen bekanntzugeben, auf die die Bevölkerung wartet, um einen wirksamen Strahlenschutz vor Atommaterial für zivile Zwecke, die auch schon Gefahren in sich bergen, und erst recht für militärische Zwecke zu gewährleisten.
Wir fordern den Beirat für Atomwaffen aus Atomwissenschaftlern, Politikern und militärischen Sachverständigen, der die Aufgabe haben soll, unverzüglich das einschlägige Material, auch das der UNO-Abrüstungsverhandlungen, zu prüfen und die Ergebnisse seiner Untersuchungen der Öffentlichkeit vorzulegen.
Meine Damen und Herren, wir tun dies in dem vollen Ernst, den der erste Redner des heutigen Tages, Herr Kollege Erler, hier mit Recht beschworen hat und dem auch die übrigen Redner treu geblieben sind. Wir tun es aber, ohne in Panik zu verfallen; denn Angst, Schrecken und Panik wären wahrhaftig das, was sich die Sowjetunion am meisten wünschen könnte.
Was sie sich immer wünscht, ist, daß dieses westliche Europa und damit auch die Bundesrepublik sowie die ganze westliche Welt aus Angst, wie es in der griechischen Sage geschildert ist, vom Blick des Hauptes der Meduse gebannt und versteinert, die Hände in den Schoß legt und damit vom Gegner überwältigt werden kann. Das Haupt der Meduse ist in unseren Tagen das Bild der Atombombe, ein furchtbares Bild, das uns das Blut in den Adern wirklich erstarren machen könnte. Aber es darf nicht so sein. Wir haben uns in der größten Not unseres Volkes — 1948 im Wirtschaftsrat, 1949 in diesem Hause — nicht versteinern lassen,
wir haben Hand angelegt an den wirtschaftlichen und sozialen Aufbau unseres Volkes. Wir haben diesem Volk die Sicherheit für alle gegeben. Sie ist das Ergebnis der Politik der Regierungskoalition.
Wir wollen uns von niemand, am allerwenigsten von der Sowjetunion, in dieser Aufbauarbeit erschüttern lassen. Wir wollen die Sicherheit, die auf der Freundschaft mit den anderen NATO-Mächten, vor allem den Vereinigten Staaten, beruht, durch nichts gefährden. Deshalb gehen wir entschlossen den Weg weiter, den unsere Redner, zuletzt der Herr Bundeskanzler, gewiesen haben. Und deshalb legen wir dem Hohen Haus die Resolution*) vor, die ich begründet habe.