Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen meiner politischen Freunde unseren Antrag zu Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, Kap. 05 02 Tit. 302, 303 und 304, Umdruck 1051, zu begründen. Es sind sehr bescheidene Anträge in Anbetracht der Tatsache, daß es sich bei den kulturellen Beziehungen zum Ausland um den geistigen Kern der deutschen Außenpolitik selber handelt. Auch unsere politischen Beziehungen werden nur dann gesund sein, wenn unsere kulturellen gesund und fruchtbar sind. Dazu zwei allgemeine Bemerkungen.
Niemand wird die Notwendigkeit einer Verwaltung bestreiten. Aber damit allein, und bei noch so gewissenhafter bürokratischer Arbeit, ist es nicht getan. Im Reiche des Geistes ist es schon notwendig, ein wenig die Phantasie walten zu lassen und die menschlich regsten Kräfte heranzuziehen. Für die Kulturattachés sollten nur die allerbesten, allerbegabtesten, allergebildetsten Männer und Frauen in Frage kommen.
Gegen die Führung des Auswärtigen Amts als solches haben wir keine Bedenken. Wir werden dem Einzelplan 05 daher zustimmen. Aber ich kann dem Auswärtigen Amt einen Vorwurf doch nicht ganz ersparen. Seine auswärtigen Beziehungen lassen zu wünschen übrig, wenigstens was den Bundestag anbelangt. Wenn man sich an die Herren vom Auswärtigen Amt wendet, so bekommt man allerdings jede erbetene Hilfe und in wirklich zuvorkommendster Weise alle nur möglichen Auskünfte. Aber ich hätte gern gesehen, daß sich das Auswärtige Amt etwas früher an uns gewandt hätte. Warum ist z. B. dieses wesentliche Gebiet der kulturellen Beziehungen niemals im Auswärtigen Ausschuß besprochen worden? Ich meine, daß im Deutschen Bundestag doch eine ganze Reihe von Abgeordneten sind, die vielleicht einige gute Gedanken hätten beitragen können. Es handelt sich, wenn man sich so die wissenschaftlichen und literarischen Leistungen des Bundestages ansieht, sogar um ein recht gebildetes Haus. Vielleicht, daß aus der Mitte dieses Hauses wirklich gute Beiträge zu den Kulturbeziehungen geleistet werden können. Zum mindesten hätte man versuchen können, das zu tun. Auch was die Bewilligung der Mittel anlangt, hätte da schon einiges Gute erreicht werden können.
Das Umfassende dieses Gebiets der kulturellen Beziehungen macht es nötig, daß ich mich jetzt auf einige Schwerpunkte beschränke, einige besonders wesentliche Probleme herausgreife.
Tit. 302, für den wir eine Erhöhung von 3 Millionen DM beantragen, bezieht sich auf die kulturellen Beziehungen zum Ausland, und zwar sowohl i m Ausland wie in der Bundesrepublik. Es fallen darunter z. B. die Zuschüsse für ausländische Lektoren an deutschen Universitäten, die Betreuung ausländischer Studenten und die Förderung ausländischer Gastspiele. Einige Mittel sind allerdings beim Innenministerium etatisert.
Tit. 303, für den wir eine Erhöhung von 1 Million DM beantragen, ist im wesentlichen der Fonds für die deutschen Schulen und das gesamte deutsche Erziehungswesen im Ausland. Es gibt ungefähr 300 Auslandsschulen. Diese deutschen Auslandsschulen haben eine alte, ehrenvolle Tradition. Sie gehen zum Teil auf die Zeit der Hanse zurück. Seit 1900 sind sie unter der Betreuung des Deutschen Reichs. Weitere Verwendungsgebiete, meine Damen und Herren, bitte ich den Fußnoten zu diesen Titeln zu entnehmen. Von großer Bedeutung ist die Sprachförderung im Ausland und in diesem Zusammenhang das wichtige Goethe-Institut in München, auf das ich noch zurückkomme.
Tit. 304, den wir von 559 000 auf 700 000 DM erhöhen möchten, dient dem Austauschprogramm der Bundesregierung, nämlich den Einladungen an ausländische Gäste zu Informationsreisen bei uns. Hierzu kann ich die Begründung mit einigen wenigen Sätzen abschließen. Wir haben viele Jahre hindurch Gastfreundschaft empfangen, und wirempfangen sie immer noch. Wir sind als Staat nicht mehr zu jung, daß wir uns immer nur einladen lassen können, ohne uns zu revanchieren. Es ist heute morgen schon zum Ausdruck gebracht worden, daß es nötig ist, im größeren Umfang die Gastfreundschaft zu erwidern. Das ist die beste Werbung und gleichzeitig ein konstruktiver Ausdruck unserer Dankbarkeit.
Tit. 302 und Tit. 303 möchte ich gemeinsam behandeln. Von den europäischen Ländern sind einige Beispiele zu nennen. Italien, über das heute morgen schon gesprochen wurde, steht uns aus geschichtlichen, geistesgeschichtlichen und politischen Gründen ganz besonders nahe. Die deutsche Kulturarbeit in Italien ist leider etwas fragmentarischer Natur. Die deutschen wissenschaftlichen Institute in Rom und das Kunsthistorische Institut in Florenz leisten ausgezeichnete Arbeit. Es scheint mir wesentlich, das hier ganz besonders anzuerkennen. Drei dieser Institute sind beim Innenministerium etatisiert. Sie kommen ihrer Natur nach nur an bestimmte Kreise des wissenschaftlichen und geistigen Lebens heran.
Für die aktuellen Beziehungen besteht seit anderthalb Jahren die Deutsche Bibliothek mit der Aufgabe eines Kulturinstituts im weitesten Sinne des Wortes. Sie ist in dem bezaubernden Palais Laetitia Bonaparte untergebracht, aber ihre Arbeit scheint mir, sehr guten Informationen zufolge, die ich ,durch persönliche Beobachtungen ergänzt habe, noch durchaus verbesserungsfähig zu sein. Wenn man eine Schillerfeier abhält und dabei eine Schallplatte mit einer Schillerrezitation abspielt, glaube ich nicht, daß damit dem Geiste dieser Feier wirklich Rechnung getragen wird. Gleichzeitig hat das österreichische Kulturinstitut in Rom die besten Kräfte des Wiener Burgtheaters nach Rom eingeladen, wobei ich allerdings hinzufügen muß, daß es mich als geborenen Österreicher durchaus beglückt, daß Wien wieder so sehr in den Mittelpunkt des geistigen Lebens rückt. Die Vorträge der Deutschen Bibliothek sind in den letzten Monaten verbessert worden, aber im großen und ganzen haben sie immer noch den Volkshochschulcharakter. Der Leiter des Instituts, Herr Raffalt, ein I junger musikfreudiger Mann, der vom Bayerischen Rundfunk stammt, sieht seine Hauptaufgabe in der Musik. Es sei fern von mir, etwas gegen die Musik zu sagen, aber nach den Berichten aus Rom und nach meinen 'eigenen Beobachtungen kann auch des Guten zuviel getan werden. Eis scheint mir so zu sein, als ob es sich bei der Kulturarbeit in Italien ein wenig um eine Flucht in die Musik handelt. Als zu Beginn des Jahrhunderts Henriette Hertz Bach in Hauskonzerten hervorragenden Musikern vorstellte, war das etwas Großes; man kannte Bach noch nicht. Heute kennt ihn jeder. Am Rundfunk kann man deutsche Musik und Musik aller Länder hören. Es gibt keinen führenden deutschen Musiker, der nicht in den Konzertsälen Italiens und im italienischen Rundfunkaufgetreten wäre. Diese .Flucht in die Musik scheint in dem Mißtrauen in die tragende Kraft der deutschen Sprache begründet zu sein. Man kann da nur sagen: Diese Kleingläubigen! Die deutsche Sprache findet in Italien sicherlich seit Winkelmann, Goethe und Platen eine Heimat. Die Gefahr sowjetischer Einflußnahme, pseudo-deutscher Einflußnahme steht vielleicht mit diesen nicht ganz adäquaten Arbeiten des deutschen Instituts im Zusammenhang. Es wurde heute morgen darüber gesprochen, daß das „Centro Thomas Mann" von linksradikalen Kräften sozusagen als Filiale des sowjetzonalen „Kulturbundes" errichtet worden ist. Ich warne aber auch vor einer Überschätzung dieses Einflusses. Ich meine, daß der große Besuch, den die ersten Veranstaltungen dieses sowjetdeutschen Unternehmens gehabt haben, irgendwie mit der Neugierde des Publikums im Zusammenhang steht. Man soll das also nicht allzu tragisch nehmen. Aber man soll es als Warnung nehmen und
vielleicht auch als eine Aufforderung, unsererseits besser zu arbeiten.
Fragmentarisch ist die Arbeit auch ein wenig deswegen, weil man in Italien auf die anderen Städte nicht genügend Rücksicht nimmt. Es gibt z. B. kaum Orte, wo es deutsche Zeitschriften gibt. Ich denke daran, daß man in Florenz etwa bei Vieusseux wohl englische, französische und spanische, aber kaum deutsche Zeitschriften findet.
Wir haben eine Schule in Rom, die bis jetzt noch kein eigenes Gebäude hat. Wir würden gern sehen, daß diese Schule in Rom Heimat findet. Im Augenblick läuft noch ein Prozeß um das alte Schulgebäude tin der Via Savoia. Wenn dieser Prozeß gewonnen. werden sollte, wäre das natürlich eine ausgezeichnete Lösung. Zu erstreben wäre auch ein Internat für die Schule in Rom und die Möglichkeit des Abiturs, damit die Eltern auch aus anderen Städten ihre Kinder ,dorthin schicken können. In Mailand ist ein eigenes Schulgebäude 'errichtet worden. Zu :erstreben wäre außerdem für all diese Schulen die Gleichstellung mit den :französischen Schulen. Die deutschen Schulen haben heute nur für deutsche und österreichische Schüler Abiturberechtigung.
Da ich Frankreich erwähnt habe, lassen Sie mich hier einschalten, daß Frankreich ein Vielfaches an Mitteln aufbringt von dem, was wir auf dem Gebiet der kulturellen Beziehungen tun. Es ist schwer, die genauen Zahlen zu erhalten. Nach zuverlässigen Schätzungen dürfte esaber das Vier-bis Fünffache von dem sein, was wir in unseren Haushalt eingestellt haben.
In Frankreich ist nun in der Cité Universitaire das Deutsche Haus für Studenten eröffnet worden. Es ist nicht ganz 'geklärt, ob sie Stipendien aus deutschen Mitteln bekommen werden oder ob das nur im Austausch möglich ist. Die Hoffnung auf Reziprozität hat sich bis jetzt noch nicht erfüllt.
Wir haben in Berlin-Friedenau das Collège Français eröffnet, eine Art Nachfolge des Französischen Gymnasiums, der Gründung des Großen Kurfürsten. Das Collège Français in Berlin-Friedenau wird zu 90 % aus deutschen Mitteln erhalten. Wir hatten die Hoffnung, daß dafür das Deutsche Haus in Paris .ein 'entsprechendes Entgegenkommen seitens Frankreichs finden möge. Nur ist bis jetzt noch nichts geschehen, aber ich möchte diese Hoffnung hier noch einmal aussprechen.
Die Bühnenwoche war nach allen Berichten, die man erhielt, kein sehr großer Erfolg. Und da, meine Damen und Herren, müßte eigentlich eine sehr ernste Frage aufgeworfen werden, die zwar nicht unmittelbar mit den Ausslandsbeziehungen zu tun hat, aber doch mit dem, was wir durch die Auslandsbeziehungen erreichen wollen. Wieweit haben wir eigentlich seit diesem Kriege auf große eigene geistige Leistungen hinzuweisen? Ist es nicht so, daß französische Kunst, französische Theater, französische Literatur in vielen Dingen uns über sind und daß wir noch ein wenig von unserem früheren Ruhm, unserem früheren Glanz, von den Leistungen zur Zeit der Weimarer Republik leben, aber daß wir an wirklich Neuem wahrscheinlich nicht so viel zu bieten haben wie etwa Frankreich?
Ich höre übrigens 'aus Paris, daß es zur Förderung der kulturellen Beziehungen außerordentlich wichtig wäre, die Wiedergutmachung ein wenig zu beschleunigen. Dasselbe gilt auch für die Vereinigten Staaten.
Was England anbelangt, so ist dort der Boden weniger geeignet für deutsche Schulen. Das ergibt sich aus der ganzen Struktur der britischen Erziehung. In England muß man mehr durch Zeitungen, Zeitschriften und Bücher wirken, die den verschiedenen Universitäten und Instituten zur Verfügung gestellt werden. Es besteht noch ein großer Mangel an deutscher Literatur. Am 1. Oktober wird das deutsche Kulturinstitut eröffnet werden mit ziemlich erheblichem, aber nötigem Kostenaufwand. Der Leiter, der dafür ausersehen worden ist, ist sicherlich ein ausgezeichneter Mann. Aber man kann dennoch idle Frage aufwerfen, ob es wirklich richtig ist, zum Leiter des deutschen Kulturinstituts in London einen britischen Staatsangehörigen zu berufen.
Die Arbeit in England muß unaufdringlich sein. Gleichzeitig sollte sie sich von jeder Art Liebedienerei fernhalten. Kulturelle Aufklärung und geschichtliche Aufklärung in England könnten zweifellos verbessert werden. Ich denke hier an den Fall Elizabeth Whiskeman. In England selber ist von der Botschaft leider nichts getan worden, um hier für ein klares 'historisches Bild zu sorgen.
— Wir hatten in London eine ausgezeichnete Ausstellung bayrischen Barocks, und es drängt sich eigentlich die Frage auf: warum nicht auch einmal eine Ausstellung schlesischen Barocks? Ich glaube, daß das sehr überzeugend wirken würde.
Weil ich gerade bei diesem Thema bin: Ich finde heute morgen in der Presse eine kleine Notiz, die der Aufmerksamkeit des Hohen Hauses nicht entgehen sollte. Es heißt da: Angesichts der Wahrscheinlichkeit, daß beim Besuch Kardinal Wyschinskis in Rom die Frage der deutschen Ostprovinzen angeschnitten wird, hat es in diplomatischen Kreisen Roms Verwunderung ausgelöst, daß der neu benannte Botschafter beim Heiligen Stuhl, Graf Strachwitz, in Rom erst eintreffen wird, wenn der polnische Kardinal wieder abgereist ist.
— Aber er ist nicht mehr amtierender Botschafter. Er hätte doch sonst keinen Abschiedsbesuch gemacht!
— Ich lasse mich gern korrigieren; aber meines Wissens ist doch ein Botschafter, wenn er seinen Abschiedsbesuch gemacht hat, nicht mehr berufen, Amtsgeschäfte wahrzunehmen.
— Ich freue mich über diese diese außerordentlich positive Auskunft. Ich bin überzeugt, Herr Minister, daß sich dies auf das Thema, das ich ansprach, in konstruktiver Weise auswirken wird.
Die kulturellen Beziehungen zu Griechenland sind ebenfalls von größter kulturgeschichtlicher Bedeutung. Wer dächte nicht an den Vers Stefan Georges: ,,Hellas ewig unsere Liebe"? Wer möchte nicht, daß die große Tradition von Männern wie Caro und Wilberg wieder aufgenommen und fortgesetzt werde? Das Goethe-Institut in Athen, das heute 2400 Hörer hat, aber 4000 bis 5000 haben könnte, leistet nach unseren Informationen eine ausgezeichnete Arbeit. Wir haben dort 17 Dozenten, von denen sechs aus Deutschland kommen. Wir könnten mindestens drei mehr gebrauchen. Die Dinge gehen über das Goethe-Institut in München. Von der Erhöhung der Mittel, die das Hohe Haus, wie ich zuversichtlich hoffe, bewilligen wird, soll dem Goethe-Institut in München ein entsprechender Betrag — mindestens 500 000 DM — zur Verfügung gestellt werden. Die Schule in Athen hat heute bereits 200 Schüler. Sie könnte 300 bis 400 haben, wenn die entsprechenden Gebäude und Lehrer da wären. Als Vergleichszahl dazu darf ich erwähnen, daß das Institut Français in Athen 150 Dozenten und 10 000 bis 11 000 Hörer hat. Es wird dort eine weit stärkere Arbeit geleistet, als es uns bis jetzt möglich war.
Ein Wort zu dem Goethe-Institut in München. Es ist ein privater Verein, der vom Auswärtigen Amt unterstützt wird, und der die Dozenten aussendet und Deutschlehrer aus der ganzen Welt empfängt und ihnen in Kursen in Reichenhall nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch in deutscher Geschichte und deutscher Literatur, die deutsche Kultur in weitestem Sinne zugänglich macht. Es war möglich, im letzten Jahr 40 Dozenten auszusenden. Aber die Erhöhung dieser Zahl wäre dringend notwendig. Allein in Ankara gibt es heute 1700 Teilnehmer an deutschen Sprachkursen. Die Errichtung von sechs neuen Dozenturen ist ein Gebot der Stunde. In Kalkutta, Djakarta, Bangkok, Rangun, Mexiko und Bogotá drängen sich Hunderte von potentiellen Hörern. Schweden bittet um 10 neue Dozenten. Im Augenblick arbeitet man auch an Lehrbüchern medizinischer und naturwissenschaftlicher Art für Ausländer. Ohne die Erhöhung, um die wir bitten, wäre es nur möglich, einen einzigen Dozenten auszusenden, und zwar nach Kalkutta. Die Weltkarte des Goethe-Instituts ist außerordentlich eindrucksvoll. Sie können darauf sehen, daß Lehrgänge abgehalten werden von Santiago bis nach Tokio, von Mexiko, Columbien, Brasilien, über die Goldküste zum Nahen Osten und bis nach Finnland.
Im Nahen wie im Fernen Osten ist ein besonders starkes Interesse für die deutsche Sprache festzustellen, aber auch im Mittleren Osten, z. B. in Persien und Afghanistan. Die Besucherzahl der Schule in Teheran, die mit einem Kindergarten anfängt, ist von 85 Schülern im Jahre 1955 auf über 200 gestiegen; die Schule erwartet 300 bis 400.
Die deutsche Sprache ist gefragt. Der deutsche geistige Kredit im Ausland ist so groß, daß man in dieser Sprache den Zugang zur westlichen Zivilisation und zum technischen Fortschritt, wie Deutschland ihn heute vertritt, erkennt. Nicht übersehen werden darf die Gefahr sowjetischer Einflußnahme, vor allem in Syrien. Es ist bis jetzt, soviel ich weiß, nicht möglich gewesen, dort Schulen demokratischen Geistes zu errichten, da der sowjetzonale Einfluß sehr stark ist. Wir bekommen diesen Einfluß auch in Ägypten zu spüren. Wir haben hier zwar zwei Schulen — eine in Kairo und eine in Alexandria — mit 12 deutschen Lehrern. Aber es ist ein gewisser Druck aus der Sowjetzone festzustellen.
Libanon hat zwei deutsche Schulen. In Jordanien, nämlich in Bethlehem und im jordanischen Teil von Jerusalem, sind mehrere Schulen. Besonders erwähnenswert ist vielleicht darunter die wichtige Handwerker- und Blindenschule der Kaiserin-Viktoria-Stiftung auf dem Ölberg.
Hier möchte ich einen weiteren Gedanken vortragen, der mir von großer Bedeutung zu sein scheint. Ich möchte nämlich die Hoffnung aussprechen, daß es nicht auf die Dauer einen ausgesparten Fleck auf der Landkarte des Nahen Ostens gibt, sondern daß es bald möglich ist, zumindest kulturelle Beziehungen zu Israel herbeizuführen. Wenn ich diese Forderung nach kulturellen Beziehungen zu Israel stelle, kommt mir die ganze Tragik der Weltlage zu Bewußtsein. Als ob es nicht seit den Tagen Theoderichs des Großen und Karls des Großen, ja, hier am Rhein wahrscheinlich seit römischen Tagen untrennbare Beziehungen zwischen dem jüdischen und dem deutschen Geiste gegeben hätte! Es ist eine so integrale Verbindung, daß man eine Abgrenzung überhaupt nicht machen kann. Ich meine, daß eine Periode des Grauens und der Schande nun endgültig überwunden werden könnte. Sie wird durch die Beseitigung dieses, wie ich es nannte, leeren Flecks auf der Karte überwunden werden, wobei die kulturellen Beziehungen die Vorstufe zu den politischen Beziehungen sind.
Im ganzen Nahen Osten ist die deutsche Sprache heute zu diesem Mittel — von dem ich geredet habe — des Anschlusses an die westliche Zivilisation geworden. Ich möchte aber nicht verschweigen, daß ich darin auch eine gewisse Gefahr für die deutsche Kultur sehe. Die deutsche Sprache ist heute — um das noch einmal auszuführen — Mittel der industriellen und der wirtschaftlichen Werbung geworden, die Ausländer nach Deutschland bringt und die außerdem den Zugang zu der technischen Zivilisation vermittelt. Darin liegt die Gefahr, daß Deutsch zu einer technischen Sprache wird, zu einer Formelsprache.
Daran sind wir ein wenig mitschuldig, wenn wir noch weiter zu der Sprachverwirrung —einer schauerlichen Sprachverwirrung —, einer geistigen Bolschewisierung des Deutschen beitragen. Es fehlt uns ein Karl Kraus, der uns zur Ordnung ruft. Begriffe wie „Krad" und „Atü" und „Akku" und „Lkw" und „Anliegen" und „Querschießen" und „Abschießen", „Belange", „Auffordern" und solche Dinge — —Vizepräsident Dr. Becker: Herr Kollege, ich glaube, es ist sehr interessant, was Sie vortragen. Aber mit dem Außenministerium hat es wohl nicht mehr viel zu tun.