Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen haben im Laufe der parlamentarischen Geschichte allmählich einen Bedeutungswandel erfahren. Als das Parlament praktisch nur über sein Etatsrecht auf die Politik der Regierung Einfluß nehmen konnte, war die Etatdebatte zugleich die Debatte, bei der auch über die großen Probleme der nationalen Politik gesprochen werden mußte. Heute haben wir für die großen politischen Fragen — ob es sich um die Fragen der Außenpolitik, der Wirtschaftspolitik oder der Atompolitik handelt — besondere Debatten und Auseinandersetzungen. So bleibt zumindest für die zweite Lesung des Haushalts außer der Begründung der Änderungsanträge eigentlich nur noch übrig, sich mit den Abfallprodukten der Kanzlerpolitik — so möchte ich in unserem speziellen Falle sagen — zu beschäftigen, wenn es sich um seinen Haushalt handelt. Mehr noch als um den Inhalt dieser Politik, der Gegenstand der großen Spezialdebatten ist, geht es um die Methoden der Politik des Herrn Bundeskanzlers. Es geht auch — ich möchte das gleich an den Anfang stellen — um einige Stilfragen, um ein oft gebrauchtes Wort hier wieder aufzugreifen.
*) Siehe Anlage 2
Da möchte ich zunächst ein paar Bemerkungen mehr am Rande machen, die man als Kleinigkeiten abtun könnte, wenn sie nicht symptomatischen Charakter hätten. Der Herr Bundesinnenminister hat gestern gesagt, daß oft an kleinen Dingen sehr viel deutlicher sichtbar werde, was sich im Großen abspiele, und daß die kleinen Dinge als erwähnenswerte Symptome sehr wohl debattiert werden sollten.
Ich habe Sie, Herr Bundeskanzler, gelegentlich in aufrichtiger Überzeugung gegen den Vorwurf des Militarismus verteidigt. Ich habe in Köln einmal in einer Versammlung gesagt, die einzigen Soldaten, die Ihrem Herzen besonders naheständen, seien die Kölner Roten Funken; bei denen würde Sie noch nicht einmal die Farbe stören.
Ich habe das nicht getan in der Erinnerung an Worte, die Sie in früheren Jahren gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik ausgesprochen haben. Man könnte deren viele zitieren, wenn man nicht skeptisch gegenüber Kanzlerworten wäre, die ja sehr oft etwas an den propagandistischen Bedürfnissen des Tages orientiert sind. Ich habe es vielmehr getan, weil ich glaube, daß Sie Ihrem ganzen Wesen nach, als Persönlichkeit, eine unmilitaristische Erscheinung sind. Aber es ist oft so — man pflegt das auf einem anderen Gebiet zu sagen —, daß auch die Klerikalen in ihren Forderungen weitergehen als die Kleriker. So ist es oft so, daß manchmal unmilitaristische Menschen militaristischere Neigungen haben als die Berufsmilitärs, und darum geht es nun hier.
Wenn ich beispielsweise Ihre stahlhelmbewehrte Palaiswache vor Ihrem Hause sehe,
dann denke ich, Herr Bundeskanzler, mit Wehmut an Downingstreet 10 in London, wo meist ein einsamer Bobby vor dem Hause steht und auch der Premier sich in seiner Sicherheit keineswegs geniert fühlt. Wenn ich an ein etwas repräsentativeres Beispiel, an den Amtssitz des französischen Premiers denke, muß ich zwar sagen, daß es da etwas dekorativer zugeht, aber vergleichsweise doch sehr friedlich gegenüber der feld- und kriegsmäßigen Hauptquartierwache,
die Sie vor Ihrem Amtssitz haben. Halten Sie das aus Gründen der Repräsentation Ihres Amtes oder der Sicherheit Ihrer Person wirklich für erforderlich?
In dieses Kapitel gehört auch etwas, was gestern am Rande anklang, was aber sehr viel mehr in den Etat des Herrn Bundeskanzlers gehört: die Autokavalkade, mit der Sie durch das deutsche Gelände fahren. Da wird vorne mit Blaulicht und Sirene die Ankunft angekündigt, und hinten leuchtet ein rotes Stopplicht auf mit der Erklärung: ,,Überholen verboten!"
— Wo auch immer es geschieht, meine Damen und Herren — sprechen wir uns doch einmal über diese Stilfragen ganz offen aus! —, ist es, glaube ich, unzulässig und untunlich, und mir scheint, daß der
Regierungschef der Zentralregierung, der Bundesregierung, hier in diesen Stilfragen mit Vorbildlichkeit vorausgehen sollte.
In Amerika sind unlängst einige Leute verurteilt worden, weil sie die Straßenverkehrsordnung durchbrochen hatten — sie hatten die Geschwindigkeitsgrenze überschritten —, und diese Leute gehörten zum Gefolge des Präsidenten der Vereinigten Staaten.
In der Urteilsbegründung des amerikanischen Gerichts ist gesagt worden, daß die Straßenverkehrsgesetze auch für den Präsidenten der Vereinigten Staaten verbindlich sind.
Meine Damen und Herren, wir wollen diese Dinge nicht überbewerten, und wenn Sie auf andere Stellen in der Bundesrepublik hinweisen, wo dies auch geschieht, nehme ich es gerne zur Kenntnis; dann sollten wir uns in dem Bestreben verbünden, solche Dinge, die keine großen politischen Probleme sind, bei denen es aber um entscheidende Stilfragen geht, abzustellen. Ich glaube, es wäre hier bei dem Amt des Herrn Bundeskanzlers der geeignete Ort, ein Vorbild zu geben.
Auch die Regierungschefs anderer großer Staaten leiden nicht an einem Übermaß an Zeit, und doch ist diese Art des Auftretens bisher nur in Systemen üblich, mit denen sich bei uns doch niemand gern vergleichen möchte.
Es lag mir am Herzen, dies einmal auszusprechen. Ich möchte das alles gewiß nicht als große Probleme hinstellen, aber auch nicht als nebensächlich; denn es sind min einmal Fragen des Staatsstils von mehr als nur arabeskenhafter Bedeutung. Die Fragen dieses Stils sollten wir doch in unserer Bundesrepublik nicht alleine den zeremonienfetischistischen Ambitionen „pappritziöser" Amtsdamen überlassen.
Nun zu unseren Änderungsanträgen! Ein Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1048*), und zwar zu Ziffer 4 dieses Umdrucks. Wir beantragen dort, Tit. 309 — Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen — zu streichen. Ich kann auf die umfänglichere Begründung verweisen, die wir im vorigen Jahr dafür gegeben haben. Sie wissen, daß wir diesem Titel unsere Zustimmung nicht geben können, weil er der Wehrpflichtpropaganda und der Atomwaffenpropaganda in unserem Volke dient. Er hat die Aufgabe, zur Verbreitung der, sagen wir, artilleristischen Entwicklungsphilosophie dies Herrn Bundeskanzlers zu dienen, jener unserer Überzeugung nach nicht zu verantwortenden Bagatellisierung der Gefahren einer nuklearen Auseinandersetzung rund auch der Verschleierung der Tatsache — das ist ja gestern abend bereits diskutiert worden —, daß ein wirkungsvoller Schutz der Zivilbevölkerung nahezu unmöglich geworden ist. Wenn man die zurechtweisende Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers an die Adresse der 18 Göttinger Professoren mit dem vergleicht, was in sehr ernster Form im Weißbuch der britischen Regierung gesagt warden ist, diese zurechtweisende und wegwerfende Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers zu den Motiven der 18 Professoren im Göttinger Manifest, dann versteht man sehr
*) Siehe Anlage 3
wohl, daß Sie, Herr Bundeskanzler, das Geld, das Sie in Tit. 309 beantragen, bitter nötig haben, um diese Ihre Argumentation vor dem Volk zu vertreten. Wir haben bereits im vorigen Jahr erklärt, daß wir auf keinen Fall bereit sind, Ihnen die Mittel zu bewilligen, die der Propagierung einer Politik dienen, die wir für falsch und verhängnisvoll halten.
In Ziffer 3 und Ziffer 2 — die ich zugleich damit behandeln möchte — beantragen wir die Streichung der 1 080 000 DM für das Bulletin des Presse- und Informationsamtes und der 180 000 DM, die für den Tätigkeitsbericht der Bundesregierung vorgesehen sind. Wir halben in der vorjährigen Haushaltsdebatte sehr klargemacht, daß dies keine Grundsatzentscheidung gegen die Existenz eines regierungsoffiziellen Informationsorgans ist. Aber zum Wesen eines korrekten Informationsorgans gehört, daß man nicht nur einer einseitigen Argumentation die Spalten öffnet, daß man die Standpunkte, gegen die man den Regierungsstandpunkt setzt, auch fair darstellt oder fair darstellen läßt.
Warum z. B. hat man nicht im Bulletin des Presse- und Informationsamtes auch das Manifest der 18 Professoren und dazu in aller Umfänglichkeit die Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesverteidigungsministers veröffentlicht?
Nur durch eine Darstellung der Standpunkte bei de r Seiten — wobei wir durchaus quantitativ-räumlich der Darstellung des Regierungsstandpunktes, dem Charakter dieses Organs entsprechend, einen größeren Umfang zubilligen —, nur dadurch, daß auch die andere Seite in dem notwendigen Umfang in sachlicher Darstellung zu Worte kommt, gewinnt doch ein solches Organ erst den Charakter eines Informationsorgans. Sonst ist es ein einseitiges Propagandaorgan.
In diesem Bulletin wäre auch der Ort gewesen, den Kanzlerbrief vom 23. Februar an den Kollegen dieses Hauses, den Bundestagsabgeordneten Kramel, offiziell abzudrucken.
Sie wissen, worum es sich handelt. Der Herr Bundeskanzler hatte zur Neuregelung der Beamtengehälter Stellung genommen. In seinen Unterhaltungen mit den Vertretern des Beamtenbundes hatte er eine Stellung vertreten, die in der Öffentlichkeit so wiedergegeben wurde, daß der Herr Bundeskanzler für eine lineare Erhöhung der Beamtengehälter auf 170°A eingetreten sei. Das hat der Herr Bundeskanzler auch in jener Unterhaltung gesagt, und so kam es korrekterweise in die Öffentlichkeit. Der Herr Bundeskanzler hat dann dem Herrn Kollegen Kramel einen Brief geschrieben, in dem er sagte: „Bei unserer Besprechung war mir nicht bekannt" — und dann folgt, warum er die dort geäußerte Stellung nicht aufrechterhalten kann. Wenn man zuläßt, daß in die Öffentlichkeit ein Standpunkt kommt, den man als Regierungschef nicht mehr aufrechterhalten kann. dann ist das Bulletin der Bundesregierung der Ort, wo vor aller Öffentlichkeit auch die Berichtigung zu erfolgen hat. Verheißungen vor der Öffentlichkeit laut werden zu lassen und Rückzieher unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu machen, ist vielleicht propagandistisch wirkungsvoll, aber doch nicht ganz aufrichtig. Es geht hier nicht um den Sachgehalt — ihn wollen wir an dieser Stelle nicht dis-
kutieren —, sondern um die Methode, wie solche Angelegenheiten behandelt werden.
Ein Wort zur parlamentarischen Berichterstattung des Bulletins. Wir haben immer wieder Veranlassung gehabt 'festzustellen und gelegentlich darauf auch hingewiesen, daß 'die parlamentarische Berichterstattung im Bulletin besonders einseitig ist. Man kann den Eindruck verfälschen, indem man die Motive der anderen Seite verschweigt. So hatte mein Kollege Dr. Menzel vor einiger Zeit — um nur ein Beispiel aus einer ganzen Fülle herauszugreifen — Gelegenheit, Beschwerde an das Bundespresse- und Informationsamt zu richten wegen der Berichterstattung über die Wehrgesetzdebatte hier, bei der. wie Sie sich erinnern, die sozialdemokratische Fraktion sich gezwungen sah, das Haus zu verlassen, weil sie nicht bereit war, sich dazu herzugeben, den Vereinbarungen der Koalition gegenüber nur eine Kulisse abzugeben. Die Beratung in der zweiten Lesung war nach unserer Überzeugung eine Farce, nachdem die Koalition untereinander abgekommen war, auf keine sachlichen Argumente einzugehen, sondern alle Anträge der Opposition niederzustimmen. Das war für uns das Argument, das uns veranlaßte. an der Fortsetzung der zweiten Beratung nicht teilzunehmen, weil wir uns dazu nicht herabwürdigen lassen. Nun, wenn man den Tatbestand schildert und die Argumente der Koalition in breitester Form wiedergibt, dann gehört es zur Objektivität, auch den Standpunkt, die Argumentation der Opposition im Bulletin zum Ausdruck zu bringen.
Und vorgestern haben wir dasselbe wieder erlebt. Ich darf an das Bulletin vom 7. Mai erinnern. Dort geht es um die Wiedergabe in der Berichterstattung über die Gleichberechtigungsdebatte. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht
— das mag ein bißchen pedantisch klingen —, zeilenweise nachzurechnen, wie hier verfahren worden ist. Da ist allein die Regierungsdarstellung mit 142 Zeilen bedacht; die Opposition kommt mit 9 Zeilen davon;
und unter diesen 9 Zeilen befindet sich auch noch, nahezu die Hälfte in Anspruch nehmend, der Genesungswunsch für den Herrn Justizminister, der von der Opposition hier ausgesprochen worden ist.
— Nun, meine Damen und Herren, ich sagte ja: ich habe etwas pedantisch nachgerechnet. Ich will natürlich nichts gegen den freundlichen Genesungswunsch an die Adresse des Herrn Bundesjustizministers sagen. Wir haben ja gelegentlich auch bei anderen Gelegenheiten sogar dem Herrn Bundeskanzler alles Gute für einen langen Lebensabend fern allen politischen Aufregungen gewünscht.
Aber ich meine nur, es ist eine Einseitigkeit, den einen Standpunkt so umfassend und den anderen mit ein paar lausigen Zeilen abzufinden.
Man räumt in der gleichen Nummer vom 7. Mai
— und ich glaube, das ist etwas sehr Ernstes — dem sowjetischen Botschafter die Spalten dieses Bulletins ein; und ich finde, das ist korrekt und notwendig für eine Information. Aber hat dann
nicht die deutsche Opposition auch ein Recht, in
diesem Informationsbulletin zu Wort zu kommen?
In Ziffer 1 unseres Änderungsantrags*) nehmen wir Stellung zu dem Verfügungsfonds des Herrn Bundeskanzlers, der in diesem Jahr mit 111/2 Millionen ,beantragt ist. Er ist die am meisten umstrittene Position dieses Etats. Wir haben ihn den Reptilienfonds genannt und werden gezwungen sein, bei dieser Bezeichnung zu bleiben, solange nicht die Ziffer 2 unseres Antrags, die eine Änderung des Haushaltsvermerks beantragt, die die parlamentarische Kontrolle dieses Fonds vorsieht, angenommen ist. Solange Sie nicht eine Kontrolle nach der Maßgabe der Geschäftsordnung unseres Hauses, bestehend aus drei Mitgliedern dieses Hauses, sichern, werden wir uns gezwungen fühlen, diesen Posten so zu benennen, wie wir es in den vergangenen Jahren getan haben; denn eine unkontrolliert einer Regierung in einem derartigen Umfange zur Verfügung stehende Geldsumme ist ein Reptilienfonds, und wer es ablehnt, dem Parlament Einblick darin zu geben, muß sich diese Charakterisierung gefallen lassen.
Man verweise uns nicht auf die vorgesehene Überprüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Zunächst einmal — ich darf wiederholen — ist die Überprüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs lediglich eine formale Überprüfung, eine, ich möchte sagen, kassentechnische Überprüfung, die also Einnahme- und Ausgabebelege in Übereinstimmung bringt, aber nicht eine politische Verwendungskontrolle. Und eben auf diese kommt es an, wenn es einem um die Klarheit und Sauberkeit des Staatswesens geht. Denn hier handelt es sich um Steuergelder der Allgemeinheit, die nicht zu Parteigeldern einer Koalition gemacht werden dürfen. Zweitens aber überzeugt uns der Hinweis auf die Überprüfung durch den Präsidenten dies Bundesrechnungshofs doppelt wenig, nachdem im vergangenen Jahre für die Kandidatur für den Posten des Präsidenten des Bundesrechnungshofs eine Persönlichkeit zur Diskussion stand, die als Verwaltungsrat des Volkswagenwerks die monatliche Subventionierung des CDU-„Wirtschaftsbildes", jener Zeitschrift — wir haben es hier besprochen —, die von dem Bundesschatzmeister der CDU herausgegeben wird, in Höhe von monatlich 5000 DM zumindest durch unausreichende Aufsicht möglich gemacht hat.
Der Fonds in Höhe von 111/2 Millionen DM verharmlost sich auch nicht dadurch, daß man dieses Jahr — ich gestehe dies offen — entgegen unseren Erwartungen 1 Million DM weniger gefordert hat. Das wird ja Ihr triumphales Argument sein: Seht, im Wahljahr fordern wir, fordert die Regierung eine Million DM weniger! Nun, meine Damen und Herren, wenn Ihnen die in der Öffentlichkeit diskutierten Millionensummen an Wahlhilfsgeldern zur Verfügung stehen, werden Sie getrost auf diese eine Million verzichten können. Durch den Haushaltsvermerk, daß die Überschüsse aus den hinter uns liegenden Jahren übertragbar sind, hat ja Wahlvater Adenauer ein hübsches Sparsümmchen zusammengetragen, und zudem wird die Spendenfreudigkeit der Industrie schon dafür sorgen, daß Sie auf diese Haushaltsmillion verzichten können.
*) Siehe Anlage 3
Es bleiben aber noch 111/2 Millionen, die Sie jeder parlamentarischen Kontrolle entziehen wollen. Wir haben nie geleugnet, daß jede Regierung einen solchen Fonds braucht, noch dazu da ja mit diesem Fonds auch die sogenannte Public-relation-
Arbeit, die Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere auch nach dem Ausland, bezahlt werden soll. Aber warum kann man nicht der parlamentarischen Kontrolle unterwerfen, was mit diesem Gelde — zu einem Teil 'berechtigterweise — geschehen soll? Wenn ein Ministerialrat des Bundespresse- und Informationsamtes neulich in einer Fernsehsendung diesen Etatposten zu rechtfertigen versuchte, indem er darauf hinwies, daß die „DDR" für diese Zwecke mehr zur Verfügung habe, so ist dazu doch wohl zu sagen, daß ein totalitärer Staat kein geeigneter Vergleichsmaßstab für das ist, was wir in diesem Staate tun. Nun, in der Tat sind wir aber zu einem Vergleich genötigt, da sich dort wie hier — ich glaube, das ist nicht gut; diesen Tatbestand dürfen wir nicht aufrechterhalten — solche Positionen der parlamentarischen Kontrolle, der Kontrolle durch die gewählte Volksvertretung, der Kontrolle der Offentlichkeit entziehen. Dias darf es nicht geben! Was hindert Sie, Herr Bundeskanzler, die für die Verteidigung und 'Verbreitung der Geltung und des Ansehens unseres Staates notwendigerweise ,auszugebenden Summen einer parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen? Ich habe nie ein sachliches Argument dafür gehört, weswegen eine solche parlamentarische Kontrolledurch einen besonders vertraulichen Ausschuß, der aus drei Persönlichkeiten dieses Hauses besteht, unmöglich sein sollte. Es gibt kein sachliches Argument dagegen.
Wir sind bereit, meine Damen und Herren, wenn eine objektive Verwendung dieses Geldes sichergestellt ist, auch mehr zu bewilligen, als hier beantragt worden ist. Wir sind dazu bereit, wenn man uns die Notwendigkeit für diese Verwendung darlegen und begründen kann und wenn man die parlamentarische Kontrolle sicherstellt. Gerade die Mitglieder dieses Hauses, die unlängst die Reise nach Asien haben machen können, haben eine ganze Menge von Mängeln im Informationswesen der Bundesrepublik nach außen feststellen können. Ich denkebeispielsweise nur an die geradezu jämmerliche Qualität des Informationsfunks, über dessen miserable Qualität sogar CDU-Mitglieder dieses Hauses — ich nehme an, daß auch in Ihrer Fraktion darüber gesprochen worden ist — ihr Entsetzen zum Ausdruck gebracht haben. Es gibt eine Reihe von Ausgaben, die zum Teil wahrscheinlich zweckmäßigerweise ganz offen auch an anderer Stelle, beispielsweise im Auswärtigen Amt, etatisiert wenden können. Soweit sie aber hier beim Kanzler zur Erledigung notwendiger Öffentlichkeitsarbeiten etatisiert zu sein haben, müssen sie genau wie alle anderen Haushaltspositionen der parlamentarischen Kontrolle offenstehen. Aber es handelt sich ja bei diesem Fonds im wesentlichen nicht um einen Titel, der der Erfüllung notwendiger Aufgaben dient, sondern um einen Reptilienfonds zur Fütterung innenpolitischer propagandistischer Kampfverbände, wie beispielsweise der sogenannten Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise
oder, wie man besser sagen müßte, der Arbeitsgemeinschaft sogenannter demokratischer Kreise. Was geschieht nicht alles unter dem Tarnmantel
der Überparteilichkeit, diesem besonders glaubwürdig wirkenden Tarnmantel! Das hat mit Überparteilichkeit gar nichts zu tun. Damit wird versucht. für die Koalition und insbesondere für die CDU zu einem Teil den Zugang zu Institutionen zu eröffnen, an die sie als Partei sonst nicht herankommen würde. So hat man beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise in einer Reihe von Ländern in die Schulen hineingeschleust, und unter dem Mante überparteilicher demokratischer Information wird hier eine ganz klare Regierungs- und CDU-Propaganda betrieben.
Mein Freund Helmut Schmidt hat hier vor einiger Zeit auf den Tenor und auf die Formulierung der Reden hingewiesen, die von Vertretern der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise vor der Bundeswehr gehalten worden sind. Gegen Jahresende hat in Bückeburg — um ein Beispiel unter vielen herauszugreifen — eine sogenannte „Tagung unabhängiger vaterländischer Jugendverbände" stattgefunden, finanziert von dieser Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise. Da war es sogar so, daß ein vom Bundesinnenministerium entsandter Kriminalrat einschreiten mußte, weil unerlaubte Uniformen getragen wurden,
und androhen mußte, daß, wenn diese Uniformen weiter durch Bückeburg getragen würden, die Polizei gezwungen sei, einzugreifen. Da wurde in Schaftstiefeln und feldgrauen oder schwarzen Breeches aufmarschiert: Jungsturm, Stahlhelmjugend und wie sie alle hießen. Nun, wir wollen diese Dinge nicht dramatisieren. Es waren hundert Teilnehmer da, und der Bericht weist aus, daß sie sich meist in einem Alter befanden, das dem des Herrn Bundeskanzlers an Jahren näher steht als der Jugend, die sie zu repräsentieren behaupten.
Man mag uns auch sachlich vielleicht dadurch zu entwaffnen versuchen, daß man sagt, man habe hier einen Missionsversuch unternommen. Nichts gegen Missionsversuche, aber in dem speziellen Fall der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise erhebt sich für mich Frage: wer missioniert hier wen?
Denn ich kann nicht unterlassen, hier einige Fragen, zu denen wir uns verpflichtet fühlen, an den Herrn Bundeskanzler zu stellen, und ich glaube, er ist auch verpflichtet, darauf zu antworten, da ja dieser Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise finanzielle und Amtshilfe geleistet wird. Sie wird in die Bundeswehr eingeführt, sie wird an die Schulen heranprotegiert, sie wird in Ministerien hereingelassen und zu Vorträgen verwendet. Als mein Freund Walter Menzel vor einiger Zeit beim Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen anfragte, ob man ihm nicht die Satzungen dieser Arbeitsgemeinschaft überlassen könne und mitteilen könne, wer im Vorstand sitze, da stellte sich heraus, daß das Bundesministerium, das zwar diese Arbeitsgemeinschaft favorisierte, nichts davon wußte, obschon der Herr Bundesminister hier vor einiger Zeit — nicht der gegenwärtig amtierende, um Mißverständnissen vorzubeugen — in einer Fragestunde erklärt hatte, daß es sich um eine überparteiliche Organisation handle, gegen deren Betätigung keine Bedenken bestünden.
— „Sehr richtig!" nagen Sie. Um so wichtiger wird die Antwort sein, die Sie auf die Fragen zu erteilen haben. Nun sind die Kuratoriumsmitglieder solcher Tarnorganisationen, wie das sehr oft der Fall ist — das Bundesamt für Verfassungsschutz wird dafür Beispiele zu geben wissen —, aus Tarnungsgründen oft sehr reputierliche Persönlichkeiten. Es geht nicht um die Kuratoriumsmitglieder, sondern wir fragen den Herrn Bundeskanzler in bezug auf den Leiter dieser Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise: Stimmt es, daß Herr Hans Edgar Jahn seit 1931 Pg, hauptberuflicher Geschäftsführer der NSDAP, NS-Führungsoffizier gewesen ist und schon damals in der gleichen Branche der hauptberuflichen Regierungspropaganda tätig war? Uns würde diese Frage nach der Vergangenheit nicht interessieren, wenn sie nicht ihr Gewicht erst durch die gegenwärtigen Reden erhielte, die von diesem Mann stammen.
Wir sind der Meinung, man soll nicht in der politischen Vergangenheit eines Menschen, noch dazu wenn sie in die Jugend fällt, herumkramen.
— Meine Herren, ich sage das nicht etwa jetzt zum erstenmal.
Es war in diesem Hause Dr. Schumacher, der sich als erster für die Jugendamnestie und für den Grundsatz eingesetzt hat, daß man jungen Menschen ihre politischen Irrtümer nicht nachtragen soll. Wir denken nicht daran, das zu einem Hauptgegenstand zu machen, wenn nicht die gegenwärtige politische Aktivität dieser Leute ihre Vergangenheit wieder wachruft.
Der Herr Bundeskanzler selbst — auch wenn ihnen das peinlich ist — muß hier eine klare Auskunft geben können; denn hier handelt es sich um eine Organisation, der nach 'unseren Informationen siebenstellige Zahlen wahrscheinlich aus diesem Tit. 300 zur Verfügung stehen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat am 10. Juni 1953 in einer Kleinen Anfrage gefragt, ob die Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise Geld aus Bundesmitteln erhalte. Der Herr Bundeskanzler hat darauf festgestellt — ich zitiere wörtlich —, daß, soweit es sich um den Tit. 300 handle, seine Antwort folgendermaßen laute:
Aus 'grundsätzlichen Erwägungen ist die Bundesregierung nicht in der Lage, nähere Auskunft über die Verwendung der Mittel zu erteilen.
Meine Damen und Herren, das ist keine Antwort. Deshalb wiederholen wir hier unsere Frage vom 10. Juni 1953: Erhält diese sogenannte Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise Geld aus Bundesmitteln, und für den Fall, ja, wieviel erhält sie aus dem Tit. 300? Wir wären dem Herrn Bundeskanzler für eine eindeutige. Antwort, auf die, glaube ich, das Haus einen Anspruch hat, dankbar. Wir würden auch gerne erfahren, wie viele aus diesen Mitteln subventionierte — oder wie immer man diese Zuwendungen nennen mag — Zeitschriften es gibt. Wie viele Bücher und welche verdanken ihr Erscheinen ähnlichen Mitteln aus diesem Titel?
Die Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise ist ein Teil eines Propagandakonzerns, der die Bundesrepublik mit einem ganzen Netz von Organisationen und Vertrauensleuten Überspannt. Die Aufgabe ist, Regierungspropaganda, Koalitionspropaganda, Parteipropaganda zumachen. Uns würden die finanziellen Hintergründe im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung hier nicht interessieren, wenn sie aus privaten Subsidien finanziert würden. Dann wäre dies allein eine Frage der CDU und eventuell noch ihrer Koalitionsanhängsel, es interessierte uns nicht im Zusammenhang mit diesem Titel. Wenn jedoch ausschließlich oder auch nur teilweise Staatsgelder, d. h. Steuergelder, dafür zur Verfügung gestellt werden, dann ist dies unvertretbar, und es genügt keine ausweichende Antwort. Hier kann nur eines genügen: die Sicherung einer parlamentarischen Kontrolle dieser Fonds.
Ich habe im Rahmen der Debatte über die Praktiken der Parteifinanzierung aus Subsidien hier vor ein paar Monaten zu einem Thema Stellung nehmen müssen, dessen Gegenstand die monatliche Zuwendung von 5000 DM an den Herrn Bundesverteidigungsminister, nicht für seine Person, wohlweislich! — das hat nicht zur Diskussion gestanden —, aber zur parteipolitischen Verwendung, war. Die monatliche Zuwendung von 5000 DM, die aus den Quellen der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft Bayern e. V. stammen, ist eine Angelegenheit, zu der wir am 27. Februar in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung Auskunft gewünscht haben, ob ihr der Vorgang bekannt sei. Ich habe damals in der Debatte hier gesagt: Was ist die Tatsache? Ein Minister als Manager einer politischen Finanzierungsvereinigung,
Atomminister Balke, gibt als Manager der politischen Finanzierungsvereinigung Volkswirtschaftliche Gesellschaft Bayern, einem anderen Minister, dem Verteidigungsminister,
monatlich 5000 DM aus Mitteln dieser industriellen Vereinigung, die sehr wohl — und das ist ihr gutes Interesse — an Rüstungsaufträgen interessiert ist. Das ist eine Frage, die in der Öffentlichkeit einen mehr als schiefen Eindruck, den Eindruck einer Ungehörigkeit erwecken muß,
und hierüber kann nicht mit einer lapidaren Erklärung weggegangen werden, wie es in der Antwort des Herrn Bundeskanzlers geschehen ist. Die Antwort des Herrn Bundeskanzlers war bedauerlich, sie war unakzeptabel für uns, wenn er nämlich sagt, die Bundesregierung sei nicht verpflichtet, über parteiinterne Angelegenheiten der Kabinettsmitglieder Auskunft zu erteilen.
Herr Bundeskanzler, nach unserer Meinung ist es nicht eine parteiinterne Angelegenheit, wenn ein Minister im Nebenberuf eine innenpolitische Finanzierungsgesellschaft managt, einem anderen Minister zu politischen Zwecken Geld von Leuten gibt, die als Fabrikanten an Aufträgen interessiert sind,
die der empfangende Minister eben zu vergeben hat,
sondern das, was in der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit unseres Staates gefährdet. Bitte, meine Herren, an dieser Tatsache können Sie doch gar nichts ändern. Darum hat der Herr Bundeskanzler die ausweichende Antwort gegeben.
— Wenn Sie etwas dazu zu sagen wünschen, tun Sie es nachher, oder tun sie es jetzt in Gestaltartikulierter Zwischenfragen, aber nicht in so einem Zwischengemurmel. Wir Legen Wert darauf, festzustellen, daß nach unserer Überzeugung sowohl die Tatsache, die unsere Anfrage verursacht hat, als auch die Antwort, die diese Anfrage seitens der Bundesregierung gefunden hat, Handlungen und Äußerungen sind, die wir in hohem Maße für bedenklich halten.
Ein paar Bemerkungen noch zu einer bestimmten Seite des Informationswesens und der Öffentlichkeitsarbeit des Herrn Bundeskanzlers. Ich habe in der vorigen Woche in der „Zeit" gelesen, daß ein Büchlein „Kanzlerworte` erschienen ist; selbst ist mir das Exemplar noch nicht vor Augen gekommen. In dem Blatte wird in einer Zuschrift Kritik daran geübt, es werden Vergleiche mit der Vergangenheit gezogen, und es wird auch gefragt, aus welchen Mitteln dieses Büchlein finanziert worden ist. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, ein paar der Kanzlerworte in die Erinnerung des Hauses zu rufen, die wahrscheinlich nicht in diesem Büchlein stehen, das in Schulen usw. verteilt werden soll. Es handelt sich um Zitate, die die Sprunghaftigkeit und Widersprüchlichkeit zahlreicher Kanzlerworte aufzeigen. Ich verstehe noch die widersprüchlichen Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers in der Frage der Atomrüstung — das ist nicht Gegenstand der heutigen Diskussion, wir werden es ja morgen hier als Thema auf der Tagesordnung haben —, weil es drei Monate vor der Wahl dem Herrn Bundeskanzler gewiß unzweckmäßig erscheint, in ,die problematische Qualität eines Atomkanzlers hineinzuwachsen.
Aber eines in einem anderen Beispiel ist doch, mit Verlaub zu sagen, nicht zulässig, wenn man seine Worte als in staatsmännischer Verantwortung gesprochen gewertet wissen will. Ist es richtig, was der Herr Bundeskanzler am 2. Februar in Berlin gesagt hat, wo es heißt: „Nach meiner Überzeugung kann ich Ihnen, meine Freunde, sagen, daß die Entwicklung zum Guten begonnen hat", und am 5. April desselben Jahres — im Abstand weniger Wochen — sagt er wörtlich: „Ich kann leider nicht verhehlen, daß die außenpolitische Entwicklung in den letzten zwölf oder dreizehn Monaten ernster geworden ist, nicht leichter geworden ist." Was ist nun richtig, meine Damen und Herren?
Der aufmerksame Beobachter weiß schon lange, daß der Herr Bundeskanzler die Rolle der Kassandra — und das ist nicht ein einmaliges Vorkommnis — immer dann spielt und die Weltpolitik dramatisiert, wenn seine eigene innenpolitische Position prekär geworden ist.
Aber ich glaube — man muß diesen Appell an einen Regierungschef richten —, es ist nicht statthaft, aus taktischen Gründen mit auswechselbaren Argumenten zu operieren. Das ist für idas ganze Haus und das ist für die Regierung und für den Staat nicht gut, und der Regierungschef verliert die Glaubwürdigkeit. Wenn ihm das als nebensächlich erscheint: ich glaube, wollte man all diese entgegengesetzten Kanzlerworte zusammenstellen, gäbe das ein ganz nettes Büchlein. Auf die Dauer würde sich die CDU-Fraktion nur retten können, indem sie eine Änderung des Grundgesetzartikels 65 beantragt: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinienlosigkeit der Politik und übernimmt dafür die Verantwortung."
Lassen Sie mich noch ein Wort zu einem sehr ernsten Problem sagen, ein Wort, das gerade am Beginn einer großen innenpolitischen Auseinandersetzung hierhin gehört. Es ist ein Wort zu den Methoden der Unterstellung und der Verunglimpfung in der politischen Auseinandersetzung. Da ist die Methode des diffamierenden Analogieschlusses, alle in die Nähe der Kommunisten zu rücken, deren politische Position in Teilfragen die Kommunisten mit demagogischem Fleiß zu mißbrauchen versuchen. So war das in der Amnestie, so ist es in der Frage der Atomrüstung. Ich spreche nun zur CDU; aber wir haben ja den Herrn Bundeskanzler immer in seiner Doppeleigenschaft hier vor uns, und es ist nicht sehr leicht, immer die beiden Seiten seines Wesens auseinanderzuhalten, den Bundeskanzler und den Parteiführer. Er hat schon manchmal hier gestanden und mal das eine Kaninchen und mal das andere Kaninchen aus dem Doktorhut gezaubert.
Wir müssen ihn als eine Ganzheit nehmen.
Hier ein sehr ernstes Wort, meine Damen und Herren. Sie lassen sehr häufig in Ihrer Argumentation jeweils nur eine Alternative zu. Wenn die Position Ihrer Gegner von den Kommunisten demagogisch mißbraucht wird, dann ist mehr oder weniger klar ausgesprochen Ihr Argument entweder: Die sind mit Absicht hier die Helfershelfer der Kommunisten, oder Sie lassen als Gipfel ihrer humanen Alternative noch die Dummheit zu. Ich spreche das beim Kanzleretat an, weil der Herr Bundeskanzler zumindest dafür sorgen könnte, daß solche demagogischen Formulierungen der CDU-Presse nicht im Pressespiegel der Bundesregierung abgedruckt werden. Insoweit geht es ihn auch als Kanzler und nicht nur als Parteiführer an. Das war bei der Atombewaffnung so, ,als es hieß: Das ist dieselbe Argumentation wie bei Gromyko. Das war bei der Argumentation gegen das Göttinger Manifest der 18 Professoren so. Ich denke nur an das, was die CSU .an die Adresse der 18 Professoren sagen zu müssen glaubte.
An die Adresse dies Herrn Bundeskanzlers sei nun die spezielle Bitte gerichtet, sich mit einem besonderen Stück Öffentlichkeitsarbeit zu beschäftigen. Da ist in Hessen in einer CDU-Publikation — ich weiß nicht. ob auch die Subventionen aus dem Tit. 300 erhält —
eine Karikatur erschienen, die ich dem Hause doch schildern möchte. Da steht ein sowjetischer Panzer mit aufgeklapptem Deckel. aus dem Herr Ulbricht seinen Kopf steckt, und eine Fahne, auf der „Deutsche Wiedervereinigung" steht und oben Hammer und Sichel. Der Panzer schießt auf die gegenüber in Linie aufgestellten Deutschen. Der Rauch kommt noch aus dem Kanonenrohr des Panzers heraus. Darunter steht — rund das ist das Entscheidende —: „Wie sich Sozialisten, Marxisten, Kommunisten und Bolschewisten die Wiedervereinigung Deutschlands denken."
Das geht weit über das hinaus. was wir in diesem Hause erlebt haben, als wir damals das perfide Plakat des 1953er Wahlkampfes diskutierten: „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau." Damals hat Herr Dr. Krone hier erklärt: „Ja, die Sozialdemokraten sind aber damit doch nicht angesprochen", obschon jeder von Ihnen weiß, gegen wen sich dieses Plakat richten sollte. Es war ein Plakat, das gegen uns gerichtet wurde. Jetzt aber fällt die Maske noch ein paar Zentimeter. Wir werden ganz offen in einem derartigen Ding angesprochen. Es gibt in diesem Pamphlet nur einen einzigen Druckfehler. Es wird hier im Impressum die CDU-Leitung angesprochen, und es heißt, ihr Sitz sei in der Schunkengasse dieser Stadt; „Schurkengasse" müßte es heißen.
Diesen Druckfehler sollten Sie bereinigen.
Warum wir diesen Fall, in dem sich die distanzierende Beziehung zur Aufrichtigkeit zu dem Freistil entwickelt, der nicht einmal im Catcher-ring gestattet ist, anführen, ist: Der Herr Bundeskanzler ist nicht nur Bundeskanzler und Regierungschef, sondern er ist auch Parteiführer, und ich glaube, er sollte in dieser Doppeleigenschaft, in der wir ihn hier nehmen, von sich aus einiges zur Entgiftung des Wahlkampfes tun.
Ich glaube, er hätte dazu auch eine besondere Veranlassung seit jener Affäre Schroth-Scharley, die wir in diesem Hause oft angesprochen haben und die für uns deshalb eine Wunde hinterlassen hat, weil nicht nur die Affäre als solche, sondern ihre Erledigung vor diesem Hause durch den Herrn Bundeskanzler uns unvergessen bleibt.
Die Antwort, die er damals unserem Kollegen Mellies hier gegeben hat, war nicht weniger schlimm als die Tatsache einer falschen Behauptung vor der Öffentlichkeit selbst.
Übrigens lassen Sie mich zum Fall Schroth-
Scharley noch eine Frage stellen, die ich auch gern in diesem Zusammenhang von dem Herrn Bundeskanzler beantwortet haben möchte — ich glaube, auch hier schuldet er uns eine Antwort —: Stimmt es, daß der Nachrichtenhändler, der ihm damals das falsche Material in die Hand gespielt hat, das er prompt in den Wahlkampf brachte, vom Bundeskanzleramt dafür 2000 DM bekommen hat
und daß es nach behördlichen Ermittlungen heißt, daß Vertreter des Bundeskanzleramtes in Zusammenkünften mit diesem Nachrichtenhändler 500 bis 600 DM Verpflegungsspesen abgerechnet haben?
Wir wünschten gern von dem Herrn Bundeskanzler auch auf diese Frage so ganz am Rande eine Antwort zu bekommen. Solange diese Affäre noch in der Welt steht, muß es sich der Herr Bundeskanzler gefallen lassen, als Protektor einer Wahlkampfführung zu gelten, die die Rechtfertigung der Mittel dem Erfolg überläßt.
Seit jener Zeit mögen diejenigen, die sich solcher Methoden bedienen, glauben, daß die Wahrhaftigkeit im Wahlkampf eine unerlaubte Kompetenzüberschreitung der Moral in das Gebiet der Politik sei. Ich glaube, wir alle in diesem Hause, wo auch immer wir stehen, sollten eine solche Haltung nicht hinnehmen und sollten dem entgegentreten. Denjenigen, die sich auf Sie, Herr Bundeskanzler, glauben dabei berufen zu können, sollten Sie aus Ihrem Munde und von dieser Stelle aus einen warnenden Hinweis geben. Es ist an Ihnen, als Regierungschef und Parteiführer zu bekunden, daß Sie nicht wollen, daß der Bundestagswahlkampf 1957 noch unter das Niveau des Bundestagswahlkampfes von 1953 absinkt.
Ich wiederhole: der Bundeskanzler hat dazu eine besondere moralische Verpflichtung!
Im übrigen, meine Damen und Herren und Herr Bundeskanzler, werden Sie nicht erwarten, daß wir Ihnen als einem Kanzler, dessen Politik wir für falsch und verhängnisvoll halten, den Haushalt bewilligen.