Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Schellenberg war so liebenswürdig, auf eine Rede oder eine Erklärung von mir aus dem Jahre 1952 Bezug zu nehmen. Das, was er hier vorgetragen hat, ist in Wirklichkeit so gewesen: Wir haben damals mit den Vertretern des Berliner Senats, soweit sie bei mir im Ministerium waren, vereinbart, daß wir zuerst die Unfallversicherung und dann die Rentenversicherung aus dem einheitlichen Versicherungsträger herausnehmen, und haben es den Berlinern überlassen, auf dem Gebiete der Krankenversicherung von sich 'aus zu versuchen, eine Angleichung an das Recht, das wir in der Bundesrepublik haben, allmählich herbeizuführen. Seit der Zeit sind über drei Jahre vergangen, Herr Professor Schellenberg, und wir haben in Berlin keine Versuche gesehen, das Recht anzugleichen.
Wir waren jederzeit bereit, die Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers zu erhalten; denn das ist bei der ganzen Angelegenheit letzten Endes das Entscheidende.
Nun sagen Sie, es habe sich in der Zeitnichts geändert. Das Drängen der 'Berliner oder wenigstens weiter Kreise der Berliner Einwohnerschaft nach der Freiheit, sich einen Versicherungsträger aufzubauen oder sich einem anderen Versicherungsträger anzuschließen, kommt in einer derartigen Wucht ,auf uns zu, wie wir es kaum für möglich gehalten haben. Das darf ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: wir machen immer noch einen gewissen Unterschied 'zwischen einem politischen Gremium und ,der gesamten Bevölkerung.
— Herr Professor, ich glaube, daß das so ist. Es ist ja vorhin von Herrn Dr. Schellenberg gesagt worden, wir hätten vielleicht Angst, daß die Freiheit in einem kommenden Bundestag nicht mehr gegeben sei. Warten wir doch diese Wahlen ab,
und Sie werden ganz bestimmt erleben, daß viele Ihrer Hoffnungen auf eine Neuordnung nicht erfüllt werden.
— Wenn man sagen wollte, daß man alles, was einem späteren Parlament übertragen werden könnte, zurückstellen sollte, dann wäre doch überhaupt keine gesetzgeberische Tätigkeit mehr möglich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedauere es sehr, daß die Diskussion völlig von dem abgegangen ist, was im Gesetzentwurf enthalten ist.
Das Gesetz bringt eine organisatorische Neuordnung. Man kann sich darüber unterhalten, ob sie notwendig oder zweckmäßig ist. Daß man daran aber auf einmal das .Leistungsrecht der gesamten sozialen Krankenvensicherung aufhängt, ist für mich einfach unverständlich.
Sie alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, wissen, daß wir, wenn wir das Unfallversicherungsrecht neu geordnet haben, ob wir wollen oder nicht und ganz gleichgültig, wie die Wahlen ausfallen, zu der Neuordnung des Krankenversicherungsrechts und hier vor allem des Leistungsrechts kommen müssen. Warum konzentrieren wir uns denn nicht auf die Dinge, die heute zur Debatte stehen, sondern machen in dieser Debatte schon die Ausführungen, die vielleicht bei einer Neuordnung der Krankenversicherung notwendig sind?