Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, zu den vom Kollegen A r n d t gestern vorgetragenen rechtlichen Gesichtspunkten hier irgendwie Stellung zu nehmen. Federführend für dieses Gesetz ist der Herr Bundesminister der Justiz. Aber, Kollege Arndt, Sie haben gestern im Zusammenhang mit Ihren rechtlichen Ausführungen auch einige politische Hintergründe erwähnt. Sie haben in Zusammenhang damit auch das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Opposition berührt, insbesondere zwischen Bundeswehr und SPD. Sie haben im Anschluß daran einige Stellen aus dem Heft 4 der „Informationen für die Truppe" erwähnt und sie als Musterbeispiele für „bundesstaatliche Ethik" oder „bundeswehreigene Metaphysik" bezeichnet oder ähnliche dekorierende epitheta ornantia gebraucht. Ich darf deshalb im Zusammenhang damit einige politische Bemerkungen machen.
Vielleicht erlauben Sie mir zunächst noch eine persönliche Bemerkung. Es war einer der Kollegen — ich weiß nicht mehr, aus welcher Fraktion —, der mich vor Beginn Ihrer Ausführungen in irgendeiner speziellen Angelegenheit sprechen wollte. Ich stand vor der Tür, und nach Ihrer Ankündigung als Redner habe ich den Saal wieder
betreten. Sie waren deshalb vielleicht in etwas schlechter Disposition, als Sie sagten, ich hätte es nicht für nötig gehalten, bei der Lesung dieser Gesetze im Bundestag anwesend zu sein.
Ich warte ja nicht sechs Stunden auf diese Debatte, um dann, wenn Sie Ihre lang erwartete Rede beginnen, wegzugehen. Dann wäre es um die vorhergehenden sechs Stunden schade gewesen!
Darf ich jetzt zu dem, was Sie gestern über das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Opposition und über 'das Heft 4 der „Informationen für die Truppe" gesagt haben, einige Bemerkungen machen. Ich darf mit den „Informationen für die Truppe" beginnen und dann abschließend das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Opposition mit einigen Bemerkungen von mir aus beleuchten.
Sie sagten gestern, Sie unterstellen, daß dieses Heft „Informationen für die Truppe" in der besten Absicht verfaßt wurde. Sie sagten allerdings weiter, es sei unerheblich, ob der eine oder andere namhafte und verdiente Offizier daran mitwirke, denn die politische Verantwortung vor dem Bundestag und vor der Öffentlichkeit trage ausschließlich der Minister selbst.
Diese Bemerkung ist unbestreitbar richtig. Ebenso unbestreitbar richtig ist aber, daß gerade von Ihren Freunden der von Oberst Graf von Baudissin geleiteten Unterabteilung des Bundesverteidigungsministeriums im Sicherheitsausschuß und bei anderer Gelegenheit ein weitgehendes Maß an Selbständigkeit und Unabhängigkeit erkämpft worden ist und für dieses Maß immer eingetreten worden ist.
Ich ziehe aber aus Ihren Bemerkungen eine Konsequenz. Ich bin nicht in der Lage, jede Zeile, die täglich das Bundesverteidigungsministerium in Form von Briefen oder ähnlichen geschriebenen Erzeugnissen verläßt, persönlich zu sehen. Damit ich das alles lesen könnte, müßte der Tag 48 Stunden haben. Aber parlamentarisch trägt der Minister, wenn auch nach dem Grundgesetz etwas eingeschränkt, dafür die Verantwortung. Wohl aber bin ich, gerade nach dieser Ihrer gestern angebrachten Kritik, die ich nicht mit verhärtetem Herzen oder mit verschlossener Gesinnung gehört habe, dann der Meinung, daß das, was an Druckerzeugnissen das Ministerium verläßt, um den Weg zur Truppe zu gehen, vom Minister persönlich gelesen, kontrolliert und durch Mitarbeiter seines besonderen Vertrauens daraufhin geprüft werden muß, ob es in jeder Hinsicht stichhaltig ist. Aber ich fürchte, daß, wenn die von mir gewährte und von Ihnen gewünschte Selbständigkeit einer bisherigen Unterabteilung im Sinne einer strengeren Unterstellung unter den Minister geändert wird, von Ihrer Seite wieder die erste Kritik kommt, daß hier eine Einschränkung stattfinde, die nicht im Sinne Ihrer Kritik liege,
— um mich noch sehr maßvoll und sehr zurückhaltend auszudrücken.
Nun darf ich zu einigen konkreten Bemerkungen von Ihnen Stellung nehmen. Sie haben die Frage des Bruderkrieges erwähnt. Sie sagten, in dieser „Information" heiße es, letzten Endes sei jeder Krieg ein Bruderkrieg. Das sei aber nicht gemeint im Sinne der Organisation Ihres guten Freundes
Wenzel, jeder Krieg sei deshalb überhaupt ein unzulässiger Krieg. Das sei nicht gemeint, sondern gemeint sei, man könne auf jeden Bruder schießen. So lauten Ihre Ausführungen von gestern wörtlich. Sie haben dann fortgefahren, sofort zeige sich das Grundproblem, ob es angehe, von Staats wegen den Soldaten der Bundeswehr Unterricht in Ethik zu erteilen, und ob sich nach dem geplanten § 91 Abs. 1 nicht schon der strafbar mache, der diese Ethik für irrig halte und einen Soldaten vor ihr warne. — Das in indirekter Rede, was Sie gestern in direkter Rede gesagt haben.
Wenn es der Herr Präsident mir erlaubt, dann darf ich im Zusammenhang bringen, was dort steht; und damit darf ich auf eine von Ihnen und auch von manchen Ihrer Freunde manchmal angewandte Methode zurückkommen, bestimmte, an sich durchaus bestreitbare oder jedenfalls der Diskussion würdige Formulierungen aus dem Zusammenhang herauszugreifen und ihnen damit für den, der den Gesamtzusammenhang nicht kennt, einen anderen Sinn zu geben, als gemeint ist. Es heißt dort wörtlich:
Die ethische Antwort: Letzten Endes ist jeder Krieg ein Bruderkrieg, denn vor dem Schöpfer sind alle Menschen Brüder. Darum ist im Grunde jeder Krieg als Bruderkrieg abzulehnen. Es ist klar, daß es auf dieser Ebene keinen Unterschied mehr gibt zwischen Deutschen und anderen Menschen, so, als ob man zwar auf andere Menschen schießen dürfe, auf Deutsche aber nicht.
Ich glaube, Mer ist keine Zeile enthalten, der Sie nicht — soweit ich Ihre Grundeinstellung zu kennen glaube — zustimmen würden.
Aber auch auf dem Boden dieser Überzeugung sind noch zwei Haltungen möglich, die beide respektiert werden müssen. Man kann sich entweder auf den Standpunkt stellen, daß man im Falle eines Angriffs das Recht habe, sich zur Wehr zu setzen, oder man kann die Überzeugung vertreten, nicht einmal gegen einen Angreifer dürfe Gewalt angewendet werden. Wer diese zweite Auffassung, den Standpunkt der absoluten Gewaltlosigkeit, vertritt, der ist bei uns durch das verfassungsmäßige Recht zur Kriegsdienstverweigerung vom Waffendienst ausgenommen. Es ist bezeichnend für das System der Zone,
— so heißt es hier —
daß deren „Verfassung" kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung kennt. Damit ist das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen verweigert. Aber auch wer bei uns einen Verteidigungskrieg gegen einen Angreifer für vertretbar hält — und das sind alle, die den Aufbau der Bundeswehr bejahen —, der weiß, daß nur gegen einen kämpfenden Gegner gekämpft wird.
Ich glaube, daß es in diesen Formulierungen keinen einzigen Satz gibt, der vom politischen Standpunkt aus, auch vom Standpunkt der Opposition aus, zu beanstanden wäre; denn diese — nicht von mir, sondern von dem Leiter dieser Unterabteilung, Graf von Baudissin, wie ich die Dinge kenne, verfaßte — Darstellung wird doch dem Standpunkt dessen, der die Verteidigung gegen einen angreifenden und kämpfenden Gegner für notwendig hält, aber auch dem Standpunkt dessen, 'der prinzipiell die Gewaltlosigkeit vertritt, mit einem Höchstmaß an Objektivität gerecht.
Ich darf Sie daran erinnern, daß Ihr Freund Erler, wenn ich auch sicherlich in der Gesamtkonzeption der Verteidigung eine ganz andere Auffassung vertrete als er, mehrfach — sonst hätten ja Ihre ganzen Erklärungen über das Berufsheer als Gegengewicht zur Volkspolizei überhaupt keinen Sinn — davon gesprochen hat, daß es nicht unsere Aufgabe sei, im Verteidigungspotential der Großen irgendwie eine Lücke zu füllen, aber daß es wohl unsere Aufgabe sei, ein Gegengewicht zur Volkspolizei zu schaffen. Es ist von seiner Seite wörtlich — so habe ich es in einigen Artikeln gelesen — der Ausdruck „schwere Polizei" gebraucht worden. Ja, wofür denken denn Ihre Militärexperten in der Fraktion an eine solche schwere, verstärkte Polizei statt eines Militärs? Doch für den Fall, daß an unseren Grenzen ein Übergriff von bewaffneten Volkspolizeiverbänden kommt, um diesen Übergriff abzuwehren, und aus keinem anderen Grunde! Die von Ihnen gewünschte schwere Polizei würde doch nicht deshalb aufgestellt werden, um nach Feststellung, daß der Angreifer die Volkspolizeiuniform trägt, mit der Überzeugung, daß man auf Brüder nicht schießen darf, davonzulaufen, sondern die Aufgabe der Polizeiverbände wäre doch in diesem Fall, Übergriffe von drüben schon zur Verhinderung von größeren Aktionen abzuwehren, und deshalb verstehe ich nicht, warum Sie diese Feststellung, die ja in einem weitestgehenden Sinne jeder Gewissensmöglichkeit Rechnung trägt, gestern in dieser Weise attackiert haben.
Im übrigen werden Sie sicherlich mit mir darin übereinstimmen, daß die Feststellung: Mensch ist gleich Mensch, und jeder Mensch ist ein Bruder, doch sehr wohl etwas für sich hat. Man kann sehr wohl der Meinung sein, daß der erste und der zweite Weltkrieg Bruder- oder Bürgerkriege gewesen sind. Im historischen Ergebnis stimmt ,das auf alle Fälle. Sollte aber jemand aus fanatischer Einstellung für die bolschewistische Weltanschauung sich als kämpfender Gegner, als Angreifer, auch wenn er deutscher Herkunft ist, zur Verfügung stellen, — glauben Sie, daß der Genickschuß aus einer deutschen Pistole etwas Angenehmeres wäre als aus einer sowjetrussischen Pistole?
Ich glaube, in diesem Fall gibt es keinen Unterschied. Die entscheidende Haltung liegt eben darin, daß es sich um eine rein defensive Haltung handelt, und mehr sollte hier nicht zum Ausdruck gebracht werden.
Sie haben dann weiterhin erwähnt:
Gewiß wird die Bundeswehr auf ein sittliches Verhalten ihrer Soldaten bedacht sein müssen, also auf die Pflege der bürgerlichen und militärischen Tugenden der Kameradschaftlichkeit, der Wahrheitsliebe, der Pflichttreue, der Opferbereitschaft und alles das mehr, was Sie wissen. Aber das Sittengesetz zu entwickeln und zu lehren, dazu ist die Bundeswehr und ist das Bundesministerium für Verteidigung nicht berufen. Die Bundeswehr ist keine seelsorgerische Instanz und darf es in einem konfessionsgespaltenen und freiheitlich toleranten Staatswesen nicht sein. Denn so einfach, wie man es sich hier macht, ist die Frage nach dem Bruderkrieg leider nicht.
Es gibt, sehr verehrter Herr Kollege Arndt, gerade für den Soldaten der Bundeswehr, von dem
Sie gestern sagten, er sei für Sie kein Übel, er sei
auch kein notwendiges Übel in Ihren Augen, ja nicht den Beruf des Soldatseins in einem ethisch luftleeren Raum. Er muß wissen, warum er Soldat geworden ist, und er muß wissen, warum er seinen Dienst versieht.
Wenn er das nicht wüßte, wäre er nichts anderes als ein treudeutscher, auf Pensionsberechtigung wartender Landsknecht,
um es einmal sehr deutlich zu sagen, einer, der seinen Beruf genau so ausübt, wie irgendein anderer durch seine Tätigkeit eine Lücke in der Wirtschaftsordnung ausfüllt.
Ich bin allerdings auch der Meinung: wenn wir heute keine Soldaten bräuchten, dann sollten wir uns auch keine Soldaten halten. Aus den Zeiten, in denen man Soldaten um der Ehre, um des Prestiges, um der nationalen Ambitionen willen hielt oder deshalb, weil es nun einmal zu der geheiligten Tradition gehörte, das Bild der Uniform zu sehen, vom Manöverball bis zur Parade, aus diesen Kinderkrankheiten des embryonalen Nationalismus sind wir doch hoffentlich längst herausgekommen.
Wenn wir aber den Soldaten sagen müssen: Du hast eine ganz bestimmte Aufgabe, du dienst einem ganz bestimmten Ziele — einem Ziele, über das sich auch, wie ich glaube, trotz der verschiedenen außenpolitischen Grundsätze angesichts des gespaltenen Deutschlands Regierungsparteien und Opposition sehr wohl einigen könnten —, dann konnen wir nicht als Bundesregierung eine andere Haltung einnehmen, und auch Sie würden um kein Jota von Ihrer Haltung abweichen. Sie müßten sonst Ihrer 300 000- oder 200 000-Mann-Berufsarmee sagen: Eigentlich ist dein Dasein überflüssig, aber weil wir dich nun einmal haben, füttern wir dich weiter; weil die Institution steht, muß sie auch stehen bleiben. Das wäre doch eine Haltung, die wir nicht einnehmen könnten. Wir haben --ich sage: Gott sei Dank — viele Sozialdemokraten bei der Bundeswehr. Der Ausgangspunkt der Bundeswehr ist Gott sei Dank auch in ihrer — entschuldigen Sie, daß ich das Wort gebrauche — gesellschaftlichen Struktur anders als seinerzeit der Ausgangspunkt der Reichswehr. Die zahlreichen, neulich vom Kollegen Schmidt verlesenen Mitteilungen, die diesem aus ihm unmittelbar zugegangenen Briefen ihm politisch nahestehender Offiziere oder Unteroffiziere zuteil geworden sind, gegen die ich auch kein Wort sagen möchte, zeugen doch davon, daß sich auch eine Menge junger Leute, gedienter und ungedienter, aus Ihren Reihen zur Verfügung gestellt haben.
Diese jungen Menschen sind doch nicht in die Bundeswehr eingetreten, weil sie Landsknechte sind oder weil sie glaubten, der Bundeswehr durch ihre Anwesenheit eine demokratische Balance geben zu müssen, sondern sie sind hineingegangen, weil sie im Soldatsein in der Bundeswehr nicht nur einen Beruf, sondern auch eine ethische Aufgabe gesehen haben.
Diese ethische Aufgabe kann man nun einmal nicht
im luftleeren Raum lösen. Dafür muß man ihnen
auch ein ganz bestimmtes Ziel geben, auch wenn es ein negatives ist: die Erhaltung der Freiheit — das wäre positiv — und die Verhinderung eines Krieges — das wäre negativ ausgedrückt. — Das müssen wir ihnen doch sagen dürfen. Wenn leider schon unser Volk infolge dieser unheilvollen Gegensätze manchmal außenpolitisch in eine Art schizophrenen Zustandes gekommen ist, dann kann man doch nicht verlangen, daß dieser schizophrene Zustand, nämlich; ich bin überflüssig oder ich bin nicht überflüssig, auch in die Truppe hineingetragen wird.
Dann können wir uns ihren Aufbau von vornherein ersparen. Mit dieser Art eines dualistischen, kasuistischen Denkens werden wir nur Versorgungsanwärter, aber auf keinen Fall Soldaten haben, die das tun sollen, was sie tun müssen.
Sie haben im Zusammenhang mit der Kriegsdienstverweigerung gestern noch einmal den auf Seite 105 der „Information für die Truppe" erwähnten Passus bezüglich des § 25 des Wehrpflichtgesetzes erwähnt und neulich schärfstens kritisiert. Dabei haben Sie das bei Ihnen etwas häufig vorkommende Wort „Quatsch" verwendet. Sie wissen, Kollege Arndt, was ich meine. Sie haben 'damals den Kollegen Jaeger abgekanzelt und erklärt: Noch nie in der Literatur seit 1945 sei die Rede davon gewesen, daß etwas geltendes Recht sei, wogegen ein verfassungsrechtlicher Streit schwebe, wenn es sich um ein Grundrecht handle wie in diesem Fall. Ich darf Ihnen aus dem Kommentar des Bundesverfassungsrichters Geiger zum Gesetz über das Bundesverfassungsgericht folgendes nur als Literatur verlesen — Seite 249 Abs. 4 —:
Die Wirkung der Feststellung, daß eine Norm nichtig ist, ist ähnlich wie die Feststellung der Verwirkung eines Grundrechts: Die Vorschrift wird nicht erst durch die Entscheidung vernichtet. sie ist schon vorher nichtig; aber ihre Nichtigkeit kann erst auf Grund der Entscheidung des BVG „geltend gemacht" werden. Sie wird erst von diesem Zeitpunkt an rechtlich erheblich.
Das heißt. wenn in der Interpretation eines Verfassungsartikels mit der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Mehrheit auf dem durch Verfassung, Gesetz und Geschäftsordnung vorgeschriebenen Weg ein Gesetz zustande gekommen ist, so ist dieses Gesetz für den Staatsbürger so lange verbindlich. bis durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts — dann allerdings rückwirkend bis zum Erlaß dieses Gesetzes – dieses Gesetz oder ein Teil dieses Gesetzes aufgehoben ist. So heißt es auch auf Seite 251:
Bei der Suche nach der Abgrenzung der Folgen einer abstrakten Normenkontrolle, die mit der Feststellung der Nichtigkeit einer Rechtsvorschrift endet, geraten notwendig zwei Maximen miteinander in Widerstreit: Die Rücksicht auf die Rechtssicherheit und die Rücksicht auf die Gerechtigkeit.
Wenn man davon ausginge, daß jedes Gesetz, das in Interpretation oder in Auslegung eines Verfassungsartikels in diesem Hause ergangen ist, so lange nicht verbindliches Recht ist, als dagegen eine Verfassungsbeschwerde oder ein Verfassungsstreit läuft, dann hätten wir überhaupt nichts in
Kraft setzen können, dann wäre der Lastenausgleich hängengeblieben, dann wären das Gesetz zu Art. 131, die Kaminkehrerordnung und unzähliges andere, was wir hier erlassen haben, nicht durchgegangen. Ich erlaube mir nur, das festzustellen. Ich hätte es gar nicht gebracht, wenn Sie nicht neulich, Herr Kollege Arndt — Sie haben sich über den Ton bei uns empört —, Ausführungen eines meiner Freunde mit Ausdrücken wie: „Das ist ja Quatsch, das ist ja offenkundiger Unsinn" zensiert hätten, wie das selbst nach der Prügelstrafenverordnung kaum einem Schulmeister gegenüber seinen Schülern mehr möglich wäre.
Sie haben dann aus der „Information für die Truppe" einige Sätze zitiert, die auf Seite 113 stehen, und haben gesagt — ich muß das Wort leider noch einmal erwähnen —: „Was soll sich ein zwanzigjähriger Offizier unter dem ersten Reichspräsidenten vorstellen, wenn er solchen Quatsch liest, der hier bundeswehramtlich verzapft wird?" Auch hier, Kollege Arndt, die Methode, gegen die wir uns mit 'allem Nachdruck wenden müssen,
aus einem Zusammenhang heraus einen Satz zu reißen und damit wieder das ganze Bild — ich muß es so sagen — zu verfälschen. Ich darf, wenn es mir der Herr Präsident noch genehmigt, auch hier den Zusammenhang herstellen, damit in diesem Hause, worum wir uns alle bemühen und auch ich mich — ich hoffe nicht ganz ohne Erfolg — Laufe der letzten Jahre bemüht habe, ein großes Maß an Objektivität hergestellt wird. Ich bitte, sich einmal anzuhören, wie es in diesem Artikel heißt, den Sie gestern dem Sinne nach als eine für die Sozialdemokratie und ihre Geschichte negative Information an die Truppe bezeichnet haben:
Die deutsche Mehrheitssozialdemokratie — Situation November 1918 –
stand vor gewaltigen Aufgaben: Die Revolution „aufzufangen" und den zu erwartenden Zusammenstoß der bürgerlichen mit der proletarischen Welt abzuschwächen, den Bolschewismus zu bekämpfen und zugleich der monarchistischen „Reaktion" zu wehren, vor allem aber, trotz des Zusammenbruchs, die Einheit des Reiches zu bewahren.
Diesen Aufgaben ist sie unter schwierigsten Verhältnissen gerecht geworden. Die Kraft reichte jedoch nicht aus, außerdem noch ihre sozialistischen Ziele zu verwirklichen. Denn die erste Regierung, der Rat der Volksbeauftragten, bestand aus zwei Gruppen, die sich untereinander aufs schärfste bekämpften: Während bei Ebert, Scheidemann und Landsberg die demokratische Zielsetzung überwog, d. h. der Wunsch, die von der Revolution übertragene Gewalt bald in die Hände einer verfassunggebenden Nationalversammlung zu legen, forderten Haase, Dittmann und Barth das Rätesystem, d. h. die Diktatur des Proletariats.
Dann heißt es, und das sind die von Ihnen angeklagten Sätze:
Keiner dieser Männer war eine so überragende Persönlichkeit, daß er durch Überzeugungskraft und revolutionäre Dynamik die Massen mit sich fortgerissen hätte. Eine klare außenpolitische Zielsetzung wie ein durchführbarer innenpolitischer Aufbauplan fehlten.
Das große Vertrauen vieler Sozialdemokraten auf die internationale Kraft der demokratischen pazifistischen Ideale war durch die harte Wirklichkeit tief enttäuscht worden. Nur gegen starken Widerstand konnte Ebert am 12. November 1918 einen Aufruf mit der Ankündigung einer verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung und kurz danach eine Verordnung über die Wahlen zu dieser Nationalversammlung durchsetzen. Gleichwohl gingen die Diskussionen, ob Deutschland eine Räte-Republik oder eine demokratische Republik werden sollte, in unverminderter Schärfe weiter. Sie führten zu blutigen Aufständen und Revolten, die nur durch den Einsatz von Truppen niedergeschlagen werden konnten. Zeitweise wurde Ebert festgesetzt — über einen direkten Telefondraht vermochte er von der OHL in Kassel Hilfe anzufordern. Welcher Gegensatz!: Als ,der Kaiser 1914 zur Verteidigung des Vaterlandes aufrief, folgten auch die Arbeiter seinem Rufe. Als im Winter 1918/19 Ebert zum Schutze ,der jungen Republik aufforderte, versagten sich die Arbeiter dieser Aufgabe. Dagegen stellten sich Freikorps unter monarchistisch eingestellten Führern zur Verfügung.
Ich identifiziere mich persönlich nicht mit jedem Satz dieser Geschichtsbetrachtung.
— Zum Teil falsch! Richtig ist, daß der Versuch des Aufbaus eines republikanischen Schutzkorps, mit dessen Aufbau man auf Freikorps hätte verzichten und ihren Aufbau verhindern können, damals — und das ist ohne jeden Vorwurf gesagt, weil es einfach nicht möglich war — nicht gelungen ist. Es ist offensichtlich richtig, ,daß Ebert in seinem Bündnis mit der Obersten Heeresleitung, in dem berühmten Telefongespräch Ebert—Groener das unbestreitbare Verdienst hat, das damalige Deutsche Reich in seinem Bestand erhalten und die bolschewistischen Angriffe in Deutschland zunichte gemacht zu haben.
Es ist unbestreitbar richtig, daß damals durch die Haltung der deutschen Mehrheitssozialdemokratie und gerade durch Maß und Können Eberts — ich sage das nicht, weil ich hier irgend jemandem nach Wunsch reden will — damals die Hoffnung Lenins, daß der im Krieg zusammengebrochene größte Industriestaat Kontinentaleuropas der Bannerträger der proletarischen Revolution sein werde, durch das Bündnis der Mehrheitssozialdemokraten mit dem Militär zunichte gemacht worden ist. Das ist ihr Verdienst.
Vielleicht wäre heute über eine europäische Einigung oder eine europäische Verteidigung überhaupt nicht mehr zu reden, wenn damals der Bolschewismus nicht nur über das Riesenreich des sowjetrussischen Imperiums, sondern auch über die hochentwickelte Industrie des Deutschen Reiches hätte verfügen können.
Ich glaube, daß diese Zitate im Zusammenhang dargestellt beweisen, daß eine einseitige Beeinflussung der Truppe mit „bundeswehreigener Metaphysik" oder nach parteipolitischen Wunschvorstellungen der Regierungspartei eine durch nichts zu beweisende Unterstellung ist, Kollege Arndt.
Nun darf ich noch zum Schluß zu der Frage Bundeswehr und Opposition Stellung nehmen. Ich habe ja einige Bemerkungen in diesem Zusammenhang gemacht. Sie sagten, der Soldat als Person — wenn ich das noch einmal zitieren darf — dürfe nicht als Übel, auch nicht als ein notwendiges Übel im Staate angesehen werden. Sie verlangten aber auch — und Sie hätten einen Grund zu dieser Bemerkung —, daß man in Kreisen der Bundesregierung auch nicht die Opposition, insbesondere die SPD, als ein Übel, auch nicht als ein notwendiges Übel im Staate ansehen dürfe.
Ich gebe Ihnen völlig recht. Wenn Sie sagen „die Opposition, insbesondere die SPD", dann wissen Sie, warum die Gefahr einer solchen Oppositionsstellung auf Ihrer Seite größer 'ist als beispielsweise bei der FDP oder dem BHE als Oppositionspartei. Sie haben das mit Ihrem sehr gut entwikkelten Fingerspitzengefühl ohne Zweifel richtig herausgestellt, und Sie sagen: wenn aber überhaupt heute ,ein solches Problem entstehe, dann sei das nichtsanderes als die Schuld der Bundesregierung, insbesondere des Bundesverteidigungsministeriums, und der Mehrheit des Bundestages, die sittlich-politisch dieser Aufgabe — offensichtlich nach der Rede Jaeger zu urteilen, sagten Sie — kaum gewachsen seien.
Hier darf ich allerdings sagen, Kollege Arndt, daß, wenn es ein Problem Bundeswehr—SPD überhaupt gäbe, der Ausgangspunkt dafür, daß ein solches Problem entsteht, ohne Zweifel die Auseinandersetzung mit der militärischen Vergangenheit in Deutschland ist,
daß aber, wenn für die Bundeswehr dieses Problem neu entsteht, auch die Haltung wenn nicht der ganzen SPD oder in ihrer Mehrheit, dann zumindest einzelner gewichtiger Exponenten
bei der Schaffung dieses Problems einen bedeutenden Beitrag geliefert hat.
Sie sprechen von Soldaten der Bundeswehr. Ich wäre froh, wenn wir von Ihnen ein Bekenntnis bekämen, daß Sie die Bundeswehr nicht als ein Übel ansehen, und ich wäre Ihnen dankbar dafür, wenn Sie bekennen würden, daß Sie die Bundeswehr wenigstens als notwendiges Übel ansehen. Schon damit wären wir zufrieden.
Aber Ihre ganze Ausgangsstellung ist doch die, daß Sie sagen: Die Bundeswehr ist erstens überflüssig, und zweitens stellt sie sogar eine Gefahr dar; sie erschwert unsere politische Situation, sie bedeutet immanent sogar eine Erhöhung der Kriegsgefahr, sie ist eine Provokation für den Partner, mit dem wir eines Tages im Osten zu verhandeln haben. Das liegt doch all dieser Argumentation der letzten Monate zugrunde: daß eine Institution und die dieser Institution mit innerer Hingabe dienenden Menschen — auch Ihrer politischen Überzeugung
— Vorbehalte haben, wenn man ihnen sagt: a) Ihr seid überflüssig, b) ihr seid gefährlich und c) ihr seid sogar schädlich. Wenn einmal diese Antithese aus Ihrer Argumentation verschwände, dann gäbe es bestimmt kein Problem Bundeswehr/Opposition und auch kein Problem Bundeswehr/SPD mehr.
— Ich sage Ihnen damit ja nichts Neues. Es hat ja keinen Sinn, daß man hier in Klischees oder einfach in vorgefaßten Meinungen miteinander spricht.
Aber daß die Bundesregierung in der Bundeswehr nicht eine Animosität oder einen Geist der Ablehnung gegen die SPD und ihre politische Konzeption erzeugt hat, das darf ich nur als eine schlichte, selbstverständliche Wahrheit darstellen.
Wenn Sie aber beanstanden, daß in der „Information für die Truppe" die außenpolitische Konzeption der Regierung mit dem etwas merkwürdigen Soupçon — wie es sich in der letzten Versammlungsrede oder in der letzten Bundestagsdebatte darstellte; das sind so die kleinen Nebenabfälle ihrer Hiebe, Herr Kollege Erler! — vertreten wird, dann sagen Sie mir einmal: was sollen wir unseren Soldaten, deren Existenz wir für notwendig halten, denn sagen? Sollen wir sagen: Ihr seid überflüssig, weil wir keine Konzeption haben? Auch hier haben Sie die Dinge wieder aus dem Zusammenhang herausgerissen. Ich muß noch einmal um die Erlaubnis bitten, den Zusammenhang wiederherzustellen. Es heißt hier:
Die Ereignisse der letzten Wochen im Nahen Osten wie auch in Ungarn haben in der Bundesrepublik mancherlei Illusionen zerstört. Viele Briefe, Anfragen und Entschließungen, insbesondere aus Kreisen der Zonenrandbevölkerung erreichten das Bundesministerium für Verteidigung. Bei großer Verschiedenheit in Stil und Diktion gaben sie alle der bangen Sorge Ausdruck, in der die deutsche Bevölkerung während des kritischen Zeitraumes schwebte.
Das ist doch wahrlich keine Übertreibung!
Was geschieht, so lautet ihre Frage, wenn die Sowjets, die günstige Gelegenheit nutzend, zu einer Agression antreten? Hält es die Bundesregierung
— so wurde fragend gefordert —
nicht für notwendig, durch Aufstellung von Milizverbänden, durch Ausrüstung der Polizei mit panzerbrechenden Waffen oder durch sonstige Sofortmaßnahmen für einen ausreichenden Schutz der Grenze zu sorgen?
Ich darf in Klammern bemerken: eine Sorge, die in der Schweiz — weiter vom Schuß als bei uns —ganz erhebliche Wellen geschlagen und dort auch zu Forderungen der Bevölkerung nach Sofortmaßnahmen geführt hat. Ich habe dem entgegengesetzt:
Solche Gedanken sind menschlich verständlich, doch dürfen sie für die Bundesregierung nicht Anlaß sein, den Aufbau der Bundeswehr hysterisch zu überstürzen oder sonstige Notstandsmaßnahmen nach Art der Aufstellung eines Volkssturms zu treffen. Das hätte keinesfalls die gewünschte Wirkung. Der Aufbau der Streitkräfte muß ruhig und organisch fortgesetzt werden nach dem Grundsatz: Qualität geht vor Quantität.
Ich glaube, daß man auch von Ihrem Standpunkt aus gegen diesen Grundsatz kaum etwas einwenden kann, wenn man sich gegen überstürzte Sofortmaßnahmen wendet. Ich habe dazu die Antwort gegeben:
Was aber sichert die Bundesrepublik in dieser Zeit, in der sie selbst noch kein ausreichendes Instrument besitzt, um zu ihrer Verteidigung beizutragen?
Ich habe gesagt:
Hier erweist sich der Wert der deutschen Mitgliedschaft in der NATO. Die Bundesrepublik steht nämlich nicht allein. Ein Angriff auf sie bedeutet eine Agression gegen alle in der NATO verbündeten Staaten. Ein Bruch des Friedens durch die Sowjetunion würde den großen Krieg auslösen, der für die Sowjetunion das Risiko ihrer völligen Vernichtung in sich schlösse.
Inhaltlich genau dasselbe, was Kollege Erler neulich in einem Artikel zu Papier gebracht hat!
Durch die Geschehnisse der jüngsten Zeit bestätigt sich die Erkenntnis, daß im Hinblick auf die latente Bedrohung der Freiheit durch das bolschewistische Gewaltsystem eine unbewaffnete Neutralität ausgeschlossen ist,
— für die Bundesrepublik gemeint —
eine bewaffnete Neutralität die Kräfte der Bundesrepublik weit übersteigen würde, daß also nur die Mitarbeit an einem Sicherheitsbündnis mit gleichen Rechten und Pflichten dem Schutzbedürfnis unseres Landes gerecht wird. Das Ziel dieses Bündnisses ist nicht, einen Krieg zu gewinnen, sondern, den Ausbruch eines Krieges zu verhindern.
Wenn das eine unzulässige Beeinflussung der Truppe ist, Kollege Arndt, dann weiß ich nicht mehr, was man überhaupt außer dem Abschreiben von Gesangbüchern oder mittelalterlichen Gedichtbüchern der Truppe noch bieten kann.
Sie sprachen gestern mit Recht — und ich teile Ihre freiheitliche Auffassung, wenn wir auch in den Methoden verschiedener Meinung sind — vom notwendigen Kampf gegen den totalitären Gedanken. Die Gefahr des totalitären Gedankens, d. h. die innere Neigung zum Mißbrauch der Macht ist überall gegeben, ist in jeder, auch in den demokratischen Parteien gegeben. Dafür braucht es eben die notwendigen Gegengewichte. Ich wäre aber froh, wenn in jedem von Ihren Gesinnungsfreunden — sicherlich mit gutem Willen und uns auch sichtbaren Leistungen — regierten Land das Maß an Objektivität im Gebrauch der staatlichen Propaganda gewahrt würde, wie es hier in diesen Artikeln gewahrt wird.
Wenn Sie fragen: warum überhaupt ein Gegensatz?, darf ich Ihnen bloß einmal zwei Notizen zur Kenntnis geben; dann brauche ich Ihnen keine Antwort mehr zu geben, warum das Problem „Bundeswehr und SPD" ohne Zweifel da ist. Dann wird klar, daß wir die Aufgabe haben — gleichgültig, in welchem Lager wir stehen —, dieses Problem zu lösen.
Es ist ja nicht ein Problem Bundeswehr gegen jeweilige Opposition in Konformismus mit der jeweiligen Regierung. Wenn Ihre Wünsche in Erfüllung gehen und die CDU/CSU in Opposition gehen sollte: Sie können versichert sein, die Bundeswehr würde nicht in Opposition zu uns stehen, weil wir sie auch dann noch in ihrem Aufbau fördern und in ihren Aufgaben unterstützen würden.
Die folgende Notiz bezieht sich auf eine Meldung, die viele Monate zurückreicht, also nicht ad hoc konstruiert worden ist, wie man mir bei besonders negativer Einstellung unterstellen könnte. Es ist ja nicht das erste Mal, daß ich heute davon spreche, daß Sie, meine Damen und Herren in der Opposition, wenn Sie eines Tages in die Verantwortung kommen, sich sehr schwer tun werden, bei Ihrer eigenen, jahrelang in diesem gegen den Aufbau der Bundeswehr gerichteten negativen Geist erzogenen Jugend Verständnis für die Verteidigung unserer Heimat zu finden. Die Notiz heißt folgendermaßen:
Anläßlich der Beisetzungsfeierlichkeiten des
Frankfurter Oberbürgermeisters Kolb wurden
Offiziere des Wehrbereichskommandos IV, dabei der Chef des Stabes Oberst Dissel, auf dem
Wege zur Paulskirche von Roten Falken mit
Mißfallenskundgebungen, mit Pfui-Rufen bedacht.
Auf Grund dieser Vorkommnisse sahen die Offiziere davon ab, nach der Feierlichkeit im Trauerzuge zu folgen, um sich nicht noch einmal einer derartigen Situation auszusetzen.
Das Bundesverteidigungsministerium hatte damals selbstverständlich die Offiziere des Wehrbereichs-kommandos IV in Mainz angewiesen, bei der Beisetzung dieser von jedem Demokraten Deutschlands hochverehrten Persönlichkeit die letzte Ehre zu erweisen. Als die ersten Uniformen auf den Stufen der Paulskirche sichtbar werden, kommen die Pfui-Rufe. Da liegt das Problem: daß hier seit Jahren eine Arbeit der negativen Propaganda geleistet worden ist, ,die Ihnen mehr Sorge machen wird als uns.
Wenn dann im Bonner General-Anzeiger in einer AP- oder UP-Meldung vom 27. November 1956, also aus jüngster Vergangenheit, steht, daß der Arbeitsagemeinschaft der Kriegsdienstverweigerer die Deutsche Friedensgesellschaft sowie verschiedene Jugendorganisationen angehören, darunter die sozialistischen Falken und der Sozialistische Studentenbund, dann brauchen Sie doch nicht zu fragen, woher das Mißtrauen aus diesen Kreisen kommt. Wir stehen doch nicht im Gegensatz — auch hier in den Regierungsparteien — zu Ihnen, Herr Kollege Arndt, wir stehen doch nicht hie Reaktion, hie Fortschritt, wobei die Begriffe oft sehr leicht austauschbar sind.
Wir sind ja nicht der Meinung, daß wir nurmehr das Militär in den Sattel zu heben haben, um uns alsbald von ihm am Gängelband führen zu lassen. Ich bin genau wie Sie ein überzeugter Anhänger des Primats der Politik und des Primats der zivilen Seite. Aber gerade deshalb, weil wir die Bundeswehr, wie Sie gestern zum Ausdruck gebracht haben, als Bestandteil unseres Volkes, als eine genau-
so anerkannte Schicht wie jede andere betrachten — reden wir in diesem Zusammenhang nicht über Freiwilligenheer, Berufsheer oder Wehrpflichtheer —, ist dieser mögliche, in den Ansätzen erkennbare Gegensatz für Sie nicht angenehm und für uns — das darf ich hier ausdrücklich versichern — in keiner Weise erwünscht.
Wir haben nur eine einzige Bitte an Sie: daß Sie Ihre Autorität und Ihre Einfluß- und Wirkungsmöglichkeiten ausnutzen. Bei manchen Jugendlichen ist in der jahrelang betriebenen Agitation ein sicherlich verständliches, ihnen nicht persönlich anzurechnendes, aber nun einmal vorhandenes System von Vorbehalten entstanden, daß Soldat identisch mit Mörder sei, wie man landauf, landab immer wieder in einer gewissen Propaganda gehört hat. Rotten Sie das mit uns gemeinsam aus und schaffen Sie den Typ des demokratischen Soldaten, der eine konkrete Aufgabe und ein echtes Ethos hat und den zu überwachen und zu kontrollieren unser gemeinsames Ziel ist.