Frau Kollegin Kalinke, Sie haben natürlich recht. Aber 'ich weiß nicht, ob Sie genug technisches Verständnis haben, um dann die Bremsen in ihrer Wirksamkeit auch exakt und sachverständig genug zu überprüfen.
Es geht hier nicht ,darum, daß wir uns mit einigen Bemerkungen auseinandersetzen, die hier oder dort gefallen sind. Es geht darum, was in diesem Gesetz drinsteckt. Wir haben alle miteinander — und das haben die Vorredner gesagt — die Überzeugung, daß wir an dieser Stelle, bei diesem § 1260, die entscheidende Bestimmung des neuen Gesetzes, der neuen Bestimmungen über die Renten in Zukunft, treffen. Die Grundlage für diese neue Bemessung der Renten soll — und das hat die CDU/CSU versprochen — der aktuelle Lohn sein. Das ist die umwälzende Bestimmung dieses Gesetzes. Wir gehen von den nominellen BeitragsD-Mark-Berechnungen oder Reichsmark- oder Goldmark-Berechnungen ab. Die Rente, die in Zukunft gezahlt werden soll, soll davon abhängen, welches beitragspflichtige Lohn-, Gehaltsoder sonstige Arbeitseinkommen des Versicherungspflichtigen den Beitragsleistungen zugrunde gelegen hat. Diese Umstellung auf die Löhne, auf die Gehälter in dem Arbeitsleben ist das Entscheidende. Wir wollen, daß der Versicherte, der ein Leben lang in einer bestimmten Lohn- oder Gehaltsgruppe oder in wechselnden Lohn- und Gehaltsgruppen war, wenn er aus dem Arbeitsleben ausscheidet, unter Bezugnahme auf diese Lohnoder Gehaltsgruppen eine Rente oder ein Altersruhegeld für sich in Anspruch nehmen kann.
Diese Rente oder das Altersruhegeld soll aber nicht vom Durchschnitt des in den vergangenen Lebensjahren erzielten Arbeitseinkommens in den Lohn- oder Gehaltsgruppen abhängen, sondern die Rente soll sich danach bemessen, wie sich das Lohn- und Gehaltseinkommen seit dem Beginn des Versicherungslebens entwickelt hat; also sie soll aktualisiert werden.
Auch die SPD — und es ist richtig, was einige Male hierzu festgestellt worden ist — ist diesem Gedanken gefolgt. Sie hat einen Entwurf eingebracht, der nach den Beratungen im Beirat beim Bundesarbeitsministerium auch diesen Gedanken vertritt. Nur hat die SPD — und das schlägt sie Ihnen heute in ihrem Änderungsantrag wieder vor — das letzte Jahr, in dem der Versicherte in
Lohn und Gehalt stand, als Bezugsgröße genommen. Gewiß kann man sich darüber unterhalten, ob dieses letzte Jahr das Richtige ist. Gewiß kann man natürlich damit sehr viel Freunde finden, wenn man draußen sagt, dieses letzte Jahr ist das maßgebende Jahr. Aber wir tragen ja nicht nur die Verantwortung dafür, ,daß dies demjenigen, der in dem Augenblick Rentner wird, gefällt, sondern wir tragen auch die Verantwortung dafür, daß wir dem Rentner die Rente, die wir ihm versprechen, für sein weiteres Leben gewähren können, daß dem Rentner diese Rente gegeben werden kann, solange er noch Anspruch auf das Altersruhegeld und solange er Anspruch auf die Rente hat. Wir haben auch bei einer Rentenreform ein Maß einzuhalten, so sehr es natürlich nach außen hin in Flugblättern usw. schön ist, kundzutun, man wolle viel geben. Man muß aber zuvor haben, was man geben will und was man verspricht.
Niemand in diesem Hause kann bestreiten, daß man zuerst im volkswirtschaftlichen Prozeß das erarbeiten muß, was man denen, die früher im Arbeitsprozeß gestanden haben, als Rente zur Verfügung stellen will. Niemand kann bestreiten, daß die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung diese Sozialreform überhaupt erst möglich macht!
Ich kann weder in die Zukunft sehen, noch kann ich für die Vergangenheit sagen, was eingetreten wäre, wenn eine andere Partei die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik gehabt hätte. Aber ich kann meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß auf Grund der anderen Wirtschaftspolitik, die von Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdmokratischen Fraktion, getrieben worden wäre, eine solche Anhebung der Renten, eine solche Anpassung an den Lebensstandard, den wir unserem Volk draußen bisher bieten konnten, nicht möglich gewesen wäre.
Wir müssen — ich sagte es schon — das Maß und die Mitte in allen unseren Entscheidungen berücksichtigen. Und das Maß und die Mitte glauben wir in ,den Ihnen in der Ausschußfassung vorliegenden Beschlüssen wirklich eingehalten zu haben.
Ich stehe nicht an zu bekennen — damit nicht draußen gegen uns polemisiert wird —, daß nach dem Ergebnis unserer Beratungen das Maß und die Mitte auch noch unter dem liegen, was uns die Regierung vorgeschlagen hat. Wir sind uns bewußt, daß wir durch die Änderung des § 1260 auch den künftigen und den jetzigen Rentnern zugemutet haben, von der Rentenhöhe, die in der Regierungsvorlage stand, etwas abzugehen. Aber ungefähr der gleiche Betrag, der dadurch diesen Rentnern der Höhe nach weniger zugute kommt, ist auf andere Schichten des Rentnerdaseins umgelegt worden, bei denen es noch dringender und noch notwendiger war; nicht in einem meßbaren, zahlenmäßig jedenfalls vergleichbaren Verfahren, aber gespart in der gesamten Rentenausgabe ist bei dieser Rückstufung nicht worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Fraktion der SPD, Sie haben das letzte Jahr als Bezugsgröße genommen. Sind Sie sich eigentlich bewußt, daß Sie damit jede Schwankung im Augenblick und ad hoc — zumal Sie auch noch die Anpassung nach § 1276 ff. diesem System angleichen wollen — unmittelbar auf die Rente wirksam werden lassen wollen? Ich nehme an, daß Sie das bewußt tun. Verantwortungsvoll kann man aber unter den Auspizien des ganzen Lebens des Rentners, des Versicherten doch nur dann handeln, wenn man ihn nicht in die Zufälligkeit der Entwicklung eines Jahres hineinwirft; sondern wenn er ein ganzes Leben lang einen kontinuierlichen Ablauf hatte, dann soll man ihm auch in seinem Rentnerdasein einigermaßen stabile Verhältnisse geben.
Wenn man die Schwankungen des Daseinskampfes ausgleichen will — ich bitte zu bedenken, welche Wirkungen die Streiklagen nach Ihrer Konzeption nicht haben müssen, aber haben können —, dann muß man — das werden Sie, wenn Sie das bedenken, auch sagen müssen — als Bemessungsgrundlage einen Zeitraum nehmen, von dem man wenigstens einigermaßen sagen kann, daß die Entwicklungen ausgeglichen sind, in dem man etwas einigermaßen übersehen kann. Verkennen Sie nicht: keiner von uns kann die Garantie übernehmen, daß wir immer in einer Hochblüte der Wirtschaft bleiben. Jede Schwankung, auch jede Schwankung nach unten, müssen Sie, wenn Sie konsequent sein wollen, bei Ihrer Konzeption sofort in die Renten umsetzen, während das System, das wir haben, doch immerhin die Ausgleichsmöglichkeit läßt.
Nach unserer festen Überzeugung gehört es zu unserer Verantwortung als Fraktion, einen Parteitagsbeschluß auf seine wirkliche Durchführbarkeit hin auszulegen. Deshalb wird die Fraktion der CDU/CSU einen Zeitraum nehmen, der es erlaubt, die Renten angemessen und maßvoll festzusetzen.
Was nun die Verschlechterung gegenüber der Regierungsvorlage angeht, so handelt es sich um einen Zeitraum, der neun Monate beträgt, nämlich vom 1. Januar bis zum 30. September jedes Jahres. Ich will Sie nicht damit überzeugen, daß ich ein technisches Argument anführe — es ist nun einmal so, daß im Januar des Jahres 1957 die statistischen Unterlagen für die Zeit bis zum 30. September 1956 nicht zur Verfügung stehen —, da würden Sie mir mit Recht entgegenhalten können: Dann muß man eben darauf dringen, daß man das jeweils in Ordnung bringt. Ich will Ihnen vielmehr etwas ganz anderes, wie ich glaube, Durchschlagenderes, entgegenhalten. Das eine Jahr, das hier als ein statistisches Jahr genommen wird, als ein Jahr, dessen wirtschaftliche Entwicklung noch nicht auf die Rente unmittelbar einwirkt, hat in dem Sinne, den ich vorhin für die drei Jahre erläutert habe, eine noch viel größere Bedeutung. Es soll bei den Lohnkämpfen einfach nicht damit operiert werden können, daß die Lohnkämpfe dieses Jahres und die Erfolge der einen Seite dieses Jahres sich unmittelbar in den Renten niederschlagen. Bei den Verhandlungen, die man um die Bewegung im Lohnsystem führen muß, soll man nicht auch noch die Rentner als Einsatz verwenden. Die Bewegungen im Lohnsystem sollen von diesem Faktor freigehalten werden; das ist unsere Überzeugung.
Wir haben, obwohl wir Vertrauen zu den uns von der Regierung vorgelegten Zahlen haben, diese Rückschraubung und insbesondere den § 1261 a mit sehr sorgsamem Bedacht und nach sehr mühevollen Verhandlungen in unserer eigenen Fraktion und innerhalb der Koalition außerdem deshalb vorgesehen, weil wir —genau wie das vorhin durch einen Zwischenruf des Kollegen Schütz deutlich geworden ist — auch von dem Regierungsentwurf, der Begründung und den Rechnungsgrundlagen wissen, daß alle Berechnungen auf Hypothesen aufgebaut sind. Keiner hier im Saal — auch wenn er es sich wie Herr Professor Preller zutraut, die Dinge auf Grund seiner Kenntnis der mathematischen Wissenschaft zu beurteilen — kann sagen, daß diese Hypothesen unbedingt und unter allen Umständen richtig sind und sich auch in der Zukunft bestätigen werden. Das ist das, was ich vorhin mit den Bremsen meinte.
— Selbstverständlich, ganz genau! Sie werden nicht vermuten, Herr Professor Preller, daß ich jetzt gegen Ihre Ausführungen zugunsten der Versicherungsmathematiker plädiere. Ich habe gestern bei Ihrem Diskussionsbeitrag durch mehrere „Sehr richtig" Ihre Meinung bestätigt; ich bekenne das ganz freimütig.
Weil wir die Verantwortung nicht nur dafür tragen, wie die Rentenreform sich jetzt auswirkt, sondern weil wir auch für die zukünftige Rentenbewegung Verantwortung tragen, weil wir innerhalb unserer Fraktion all dies sorgsam erwogen und in unsere Erwägungen auch die Dinge einbezogen haben, die nur den Schein der Wahrscheinlichkeit für sich haben: deshalb sind wir zu der Überzeugung gekommen, daß es nicht nur im Interesse irgendwelcher Kreise, sondern im Interesse sowohl der Rentner als auch der heute noch im Arbeitsleben Stehenden notwendig ist, die Revisionsklausel des § 1261 a einzubauen, und haben sie deshalb eingebaut.
Was wäre denn uns allen, was wäre den Rentnern gedient, wenn wir eine Rentenformel beschließen, die es nach einigen Jahren notwendig macht, das Vermögen der Rentenversicherungsträger übermäßig zu strapazieren oder den Beitragssatz so weit zu erhöhen, daß die im Arbeitsprozeß Stehenden ihre Bereitschaft verlieren, solidarisch die Ausgaben für die zu tragen, die vor ihnen gearbeitet haben. Wäre damit den Rentnern gedient? Ich bin der Überzeugung: Nein! Eine vernünftige Relation zwischen den Versicherten und den Rentnern können wir nur dann herstellen, die Verantwortung für eine ausreichende Rentengewährung an die heute Schaffenden können wir nur dann übernehmen, wenn wir ihnen nicht zumuten, ihren Verdienst durch Beitragsabzug so kürzen zu lassen, daß er unter Umständen niedriger ist als die Renten.
Natürlich habe ich jetzt die Dinge etwas überspitzt dargestellt. Aber an Überspitzungen läßt sich ja etwas immer deutlicher erkennen. Das Maß der Rentenreform ist uns auch in dem gesetzt, was wir dem auferlegen können, der heute in einer großen Solidargemeinschaft die Beiträge aufbringt, die
notwendig sind, um die Renten denen zu gewähren, die vorher die Grundlage dafür erarbeitet haben, daß in unserer Volkswirtschaft in so hohem Maße geschafft werden kann.
Darum also sind wir der Meinung, daß Maß und Mitte — ich wiederhole es — es uns einfach zwingend vorschreiben, nicht nur einen Zeitraum von einem Jahr als Grundlage zu nehmen, sondern einen längeren Zeitraum, den wir mit drei Jahren richtig bemessen zu haben glauben. Diese Überlegungen sind es auch, die uns — schweren Herzens — dazu gebracht haben, hier eine Zurückschraubung um ein Dreivierteljahr vorzunehmen. Aber wir glauben auch das wieder vor allen anderen verantworten zu können.
Ich muß auch ein Wort zu dem sagen, was der Herr Kollege Jentzsch ausgeführt hat. Er hat erklärt, es werde nicht bestritten, daß nach den Vorschlägen seiner Fraktion das bisherige anzurechnende Einkommen der Versicherten und der jetzigen Rentner auf den Stand von 1956 gehoben werden soll. Ich unterstelle sogar, daß insoweit, auf den Stand von 1956 bezogen, die FDP weiter geht, als wir in der Ausschußfassung gegangen sind. Aber der Antrag der FDP sieht vor, daß dann Schluß damit ist, daß in der zukünftigen Entwicklung, der der Versicherte unterworfen ist, weil er von seinem Einkommen Beiträge bezahlt, der Versicherte und später der Rentner an der Entwicklung der Löhne mit seinen zurückliegenden
— vor 1956 geleisteten — Beiträgen nicht mehr teilnehmen kann. Wir halten das einfach für ungerechtfertigt. Wenn durch einen weiteren Aufschwung unserer Volkswirtschaft, wie wir 'hoffen, auch die Besserstellung der Versicherten, der Lohn-und Gehaltsempfänger, gewährleistet werden kann, dann sollen nach unserer Auffassung auch diejenigen an diesem Aufschwung teilnehmen, die in der vorangegangenen Zeit von niedrigerem Einkommen haben leben müssen.
— Ja, Herr Kollege Jentzsch, das ist § 1276, soweit es sich auf die festgestellten Renten bezieht. Es ist aber Ihr § 1260 in bezug auf diejenigen, die heute noch Beiträge leisten; oder ich müßte Ihren Antrag völlig falsch verstanden haben. Herr Kollege Jentzsch, ich habe mich vorhin sehr zusammengenommen, nicht falsch zu formulieren. Ich habe gesagt, daß für die vor dem Jahre 1956 geleisteten Beiträge in Ihrem Antrag zu § 1260 bei der zukünftigen Feststellung der Renten keine Aufwertung mehr enthalten ist. Das können Sie nicht bestreiten, oder ich müßte den Antrag völlig mißverstanden haben.
— Sehr richtig, so habe ich es auch verstanden, Herr Kollege Jentzsch,
ein Unterschied zwischen Erstfestsetzung und laufender Anpassung. Sie wollen eine einmal festgesetzte Rente anpassen. Über die Kautelen dieser Anpassung müßten wir uns bei § 1276 oder sonstwo unterhalten.
Aber bei denen, die heute im Arbeitsleben stehen, wollen Sie nur eine Anpassung auf 1956, und wenn Sie später die Rente festsetzen, wollen Sie von den nominellen Beiträgen ausgehen; ich glaube, so ist es richtig. Wir sind der Meinung, daß das eben falsch ist. Denn auch die Beiträge, die 1925 oder 1935 oder 1942 geleistet worden sind, sollen nach unserer Überzeugung auch bei dem, der noch nicht Rentner ist, in der Zukunft auf das dann herrschende Lohn- und Gehaltsgefüge bezogen werden. — Es tut mir sehr leid, meine Damen und Herren; ich glaube, das ist wieder eine Sprache, die nur die verstehen, die im Ausschuß mitgewirkt haben, weil es dort einige Nuancierungen gibt, die man nicht ohne weiteres erkennen kann.
Wir können also Ihrem Antrag, Herr Kollege Dr. Jentzsch, nicht folgen, weil er unserer Grundkonzeption einer wirklich revolutionierenden Reform entgegensteht. Nach Ihrem Antrag kämen wir eben nicht zu einer Reform, sondern nur zu einer Anhebung auf den Stand von 1956 und würden die festgestellten Renten dann jeweils mit kleinen Anhebungen anpassen. Wir wollen die Reform der sozialen Leistungen. Wir wollen eine so weitgehende Reform, daß man uns außerhalb des Hauses vorwirft, wir würden neben der Sparmark eine Rentenmark schaffen. Ich muß diesem Vorwurf entgegenhalten: Wir wollen nicht neben der Sparmark eine Rentenmark schaffen, sondern wir wollen die Solidarität unter den jetzt im Arbeitsleben Stehenden und denen, die aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, in einem, wie ich zugebe, sehr hohen Maße strapazieren. Wir wollen für die Zukunft das Lohn- und Gehaltseinkommen des Versicherten in seinem Arbeitsleben zugrunde legen. Der Beitrag soll uns nur helfen, dieses Lohn-und Gehaltseinkommen zu ermitteln. Der Beitrag hat in der Vergangenheit — und da hat Herr Professor Schellenberg die Tabellen sehr stark angegriffen — eine andere Funktion gehabt, als er sie in Zukunft erfüllen wird. Der Beitrag hat in der Vergangenheit eine statische Funktion gehabt. Er hat einen Geldbetrag bedeutet, der nach dem Kapitaldeckungsverfahren dem Versicherten als Rente wieder zugute kommen sollte. Heute wollen wir am Beitrag erkennen, welches Einkommen und welchen Lebensstandard der Betreffende gehabt hat, und nach seinem Lebensstandard wollen wir ihm die Rente geben. Mit den Beiträgen soll der Versicherte nachweisen, daß er selber in der Solidarhaftung gewesen ist und seinerseits geleistet hat; bis zu welcher Höhe und bis zu welchen Jahren, das wollen wir daraus erkennen.
Der Antrag der Fraktion der DP — Frau Kalinke hat ihn sehr eingehend begründet — geht wie der der FDP davon aus, daß eine Anhebung der Renten und der früher geleisteten Versicherungsbeiträge auf den Stand von 1956 notwendig sei. Aber sie sagt dann: Ab 1956 sind nicht mehr die Beitragshöhe und die Entwicklung des Gehaltes und Lohnes maßgebend, sondern dann messe ich das, was ich hier zugeben will, jeweils in einem Abstand von drei Jahren an dem Zuwachs des Nettosozialprodukts zu Faktorkosten. Das bedeutet, daß ich dem, der in Arbeit steht, zwar zumute, dann, wenn er eine Lohnerhöhung bekommt oder wenn er in eine höhere Gehaltsklasse kommt, die höheren Beiträge zu zahlen, daß ich ihn aber im Augenblick der Rentenberechnung zurückstufe auf das Jahr 1956, mit einigen Zwischenschaltungen von jeweils drei Jahren Abstand.
Auch dies, meine Damen und Herren, müssen wir mit Nachdruck als nicht mit unseren Intentionen in Übereinstimmung ablehnen.
Wir wissen sehr wohl, daß es einen Unterschied zwischen der Bewertung der Beiträge, die laufend gezahlt werden, und der Anpassung der Renten gibt, die schon festgestellt sind. Wir sind aber der Meinung — und das läßt sich ohne weiteres beweisen und vertreten —, daß dieses Auseinanderklaffen, wie es uns vorgeworfen wird, seine echte Begründung hat. Denn solange ich im Arbeitsleben stehe, leiste ich Beiträge, hinter diesen Beiträgen steht ein Lohn- und Gehaltsaufkommen, und nach diesem Lohn- und Gehaltsaufkommen — ich sage es zu wiederholten Malen — wird die Rente berechnet. Wo aber eine Rente festgestellt ist, ist der Betreffende aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Dann soll er aber, weil er ja nicht unmittelbar mehr an der Lohn- und Gehaltsentwicklung teilnimmt, den Anspruch haben, einen angemessenen Anteil an der Ausweitung des Sozialprodukts zu erhalten. Das ist das Bestreben, das wir in dieser Reform verwirklichen wollen.
Ich muß noch einiges zu den Anträgen sagen, die die Deutsche Partei darüber hinaus stellt. Auch hier kann man über den politischen Stil streiten, aber ich will das nicht wieder aufrühren. Frau Kollegin Kalinke hat ausgeführt, daß es eine Ungerechtigkeit sei, wenn man als allgemeine Bemessungsgrundlage jeweils das Bruttoeinkommen der Angestellten und Arbeiter zusammengenommen zugrunde lege. Sie hat dazu ausgeführt, es sei ) doch richtig, die Gefahrengemeinschaften in diesem Punkte zu trennen.
Ich muß Frau Kollegin Kalinke zunächst entgegenhalten, daß viele Menschen nicht für alle Zukunft entweder Angestellte oder Arbeiter bleiben, daß die Grenzen fließend sind, nicht nur in der Person des einzelnen, sondern noch fließender hinsichtlich der Eingruppierung ganzer Berufsstände, ganzer Berufsgruppen. Schon allein das scheint mir ein durchschlagender Einwand zu sein.
Ein anderer Einwand ist der: Die Bezugnahme auf das gemeinsame gleiche Durchschnittseinkommen durch das ganze Arbeitsleben hindurch wirkt sich eben zu allen Zeiten aus. Wenn jemand einmal etwas vorangebracht wird, dann wird er im Laufe einer anderen Entwicklung wieder etwas zurückfallen.
Wenn Frau Kollegin Kalinke sagt, daß das Abschneiden bei der heutigen Beitragsbemessungsgrenze eine große Ungerechtigkeit gegenüber dem Angestellten sei, so ist ihr zu folgen, wenn man ihrer Konzeption folgt, nämlich der Konzeption, daß man eine Rente bezahlt, die sich allein aus Beitragsleistungen berechnet, ohne daß das zugrunde liegende Lohn- oder Gehaltsaufkommen bewertet wird. Es kann ihr aber unter keinen Umständen gefolgt werden, meine Damen und Herren, wenn man den Grundsätzen folgt, die ich mich vorhin bemühte, Ihnen zu erläutern. Sicherlich ist es insoweit eine Härte, als die Angestellten jetzt nicht die gleiche Aufwertung bekommen. Wenn die Beitragsleistungen der Angestellten schon in aller Vergangenheit 14 % betragen hätten, dann wäre der Einwand richtig.
Aber auch die Angestellten — ich will das mit allem Nachdruck sagen — bekommen die von ihrem Gehalts- oder Lohneinkommen gezahlten Beiträge, die nicht 14 % betrugen, so aufgewertet, als hätten sie ihr ganzes Leben hindurch 14 % ihres Arbeitseinkommens bezahlt. Das ist eine Sache, die sich schon sehen lassen kann.
Oder sind etwa die Angestellten insofern neidisch, als wir auch die Arbeiter, die prozentual noch weniger Beiträge gezahlt haben, auf 14 % bringen? Ist es in der Konsequenz des Gesetzes dann nicht gerecht, wenn wir überall das Lohn- oder Gehaltsaufkommen zugrunde legen, wenn wir uns im Grundsatz in der gewollten Reform davon entfernen, daß das Beitragsaufkommen, der nominelle Beitrag die Grundlage für die Berechnung ist, sondern daß dahinter der Lebensstandard stehen muß, also das, was sich der Betreffende sein ganzes Leben hindurch erworben hat!
Meine Damen und Herren, Sie sehen aus den Anträgen, die Ihnen vorliegen, daß das, was ich sagte, richtig ist. Wir haben Maß und Mitte gewahrt. Wir haben eine Reform gemacht, die davon abgeht, den Rentner, wenn sich das volkswirtschaftliche Einkommen weiterentwickelt, auf einem Stand sitzen zu lassen, der für ihn 1930 maßgebend war oder, sagen wir jetzt: 1956 maßgebend ist, während wir inzwischen vielleicht 1980 schreiben. So haben wir diese Reform gemacht. Wir sind nicht der Versuchung erlegen, das so weit zu treiben, daß wir dem Rentner etwas versprechen, was wir ihm nicht auch für die Zukunft, über eine absehbare Zukunft hinaus mit einiger Sicherheit versprechen können.
Ich bitte Sie deshalb, mit uns dem Maß und der Mitte zuzustimmen und das, was nach der einen Seite zu weit geht und nach der anderen Seite zu sehr bremst, abzulehnen.