Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Atzenroth hat bekannt, daß er sich bereits seit Jahren mit dem Problem der Privatisierung des Bundesvermögens befaßt. Er hat aber insofern etwas Pech, als er in diesen Jahren nicht festgestellt hat, daß wir rechtlich überhaupt noch kein Bundesvermögen haben. Wenn er sich der Debatten erinnerte, die wir um das sogenannte Vorschaltgesetz im Jahre 1951 hier geführt haben, dann hätte er sich auch erinnert, daß die Art. 134 und 135 des Grundgesetzes zwar vorschreiben, daß das frühere Reichs- und Preußenvermägen grundsätzlich Bundesvermögen wird, daß aber eine weitere Bestimmung sagt: Das Nähere bestimmt ein Ausführungsgesetz.
Wir wissen, daß ein heftiger verfassungsrechtlicher Streit darüber entstanden ist, ob diese Bestimmungen unmittelbare rechtliche Wirkung haben oder ob es sich nur um Grundsatzregelungen handelt, die erst mit dem Ausführungsgesetz wirksam werden. Weil darüber keine Verständigung erzielt werden konnte, ist im Jahre 1951 das sogenannte Vorschaltgesetz erlassen worden, das die Verwaltung dieses Vermögens regelt, das aber ausdrücklich die Rechtsfrage, wem denn nun eigentlich das Bundeseigentum gehöre, offenläßt. Darum „Vorschaltgesetz", darum die Notwendigkeit, bevor man Gesetze über die Behandlung des Bundesvermögens erläßt, zunächst einmal entsprechend dem Grundgesetz festzustellen, was rechtlich eigentlich Bundesvermögen ist. Meine Damen und Herren, wer einen „Entwurf eines Gesetzes über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand" — sicherlich ein sehr anspruchvoller Titel für einen Gesetzentwurf — vorlegt, müßte erst einmal die wesentlichen Voraussetzungen schaffen und klarlegen, wem eigentlich das Vermögen gehört, das hier verteilt werden soll. Das fehlt leider in diesem Gesetzentwurf.
Dann eine zweite Frage. Es wäre sicherlich eine wichtige Aufgabe, einmal die grundsätzlichen Regeln für die Wirtschaft der öffentlichen Hand, ja für die ganze Vermögens- und Schuldenwirtschaft
des Bundes und der öffentlichen Hand in einem geschlossenen Gesetzeswerk festzulegen. Wir haben ein solches Gesetzgebungswerk bekanntlich für die eigentliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft, d. h. für die Haushalts- und Geldwirtschaft, in der Reichshaushaltsordnung. Etwas Entsprechendes gibt es — ungeachtet der Tatsache, daß die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand eine große Bedeutung hat — heute leider noch nicht. Im Grundgesetz ist in dem Artikel 114 der Gedanke wenigstens einmal angedeutet worden. Hier ist nämlich erstmalig verfassungsrechtlich festgelegt worden, daß über Vermögen und Schulden eine Anlage zum Haushaltsplan gegeben werden müsse und daß diese Anlage der Rechnungslegung und der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliege. Das war ein verheißungsvoller Ansatz einer verfassungsrechtlichen Regelung der Vermögens- und Schuldenwirtschaft der öffentlichen Hand, der z. B. gegenüber der Weimarer Verfassung, die entsprechende Bestimmungen noch nicht enthielt, einen Fortschritt darstellte.
Es wäre also erforderlich, in einem Gesetzentwurf über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand auch eine solche Kodifikation der gesetzlichen und der Verwaltungsbestimmungen über die Behandlung des Vermögens und der Schulden der öffentlichen Hand zu schaffen. Bisher sind diese Bestimmungen stark verstreut. Sie befinden sich in der Reichshaushaltsordnung, sie befinden sich in den sogenannten Reichswirtschaftsbestimmungen; auch an einigen anderen Stellen sind schon recht gute Ansatzpunkte vorhanden. Da steht z. B. — das ist gar nicht so neu —, daß öffentliches Vermögen in der gewerblichen Wirtschaft nur dann erworben und gehalten werden soll, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt. Da steht z. B. auch, daß die Ressortminister für die Wirtschaftsführung in den einzelnen Betrieben verantwortlich sind.
Dazu gestatten Sie mir eine kleine Zwischenbemerkung. Ich habe eben einen Blick auf die Regierungsbank geworfen. Die Verantwortung für die wirtschaftliche Führung der Bundesunternehmungen der gewerblichen Wirtschaft liegt nach der Reichshaushaltsordnung eindeutig bei dem Herrn Bundeswirtschaftsminister. Wir bedauern sehr, sosehr wir die Anwesenheit des Herrn Staatssekretärs Hartmann schätzen, daß die Bundesregierung bei dieser Frage nicht durch den zuständigen Ressortminister vertreten ist. Wir haben das bereits mehrfach feststellen müssen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister scheint in bezug auf das öffentliche Vermögen eine Meinung zu vertreten, die nicht immer ganz mit der des Bundeskabinetts oder seiner Kollegen in der Bundesregierung übereinstimmt. Wir haben auch feststellen müssen, daß bei der Beratung der Preistreibereibestimmungen des Wirtschaftsstrafgesetzes der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht anwesend war. Wir haben feststellen müssen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister bei der Verabschiedung des Wirtschaftssicherungsgesetzes, als es um die Grundlage für neue Bewirtschaftungsbestimmungen ging, nicht anwesend war. Wir müssen heute wieder feststellen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister bei der Beratung eines solchen auch für die Bundesregierung heißen Eisens wie der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand wieder nicht anwesend ist. Im Hinblick auf die mit den Tatsachen nicht ganz in Einklang zu bringende Methode, die der Herr Bundeswirtschaftsminister in der öffent-
lichen Auseinandersetzung in den letzten Wochen angeschlagen hat, müssen wir sagen: ein höchst bemerkenswertes Zeichen.
Wir werden es dem Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht durchgehen lassen, daß er in der Öffentlichkeit so tut, als wenn er mit Dingen, die unter die Verantwortung der Bundesregierung fallen, zu der er gehört, nichts zu tun habe. Er soll hier seine Meinung vertreten und soll sich nicht, wenn es um wichtige wirtschaftspolitische Entschlüsse der Bundesregierung geht, dadurch distanzieren, daß er hier abwesend ist. Wir hätten gewünscht, daß er bei dieser Besprechung über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, über die er sich in der Öffentlichkeit häufig weidlich aus läßt, selbst anwesend wäre. Das nur als Zwischenbemerkung. Mir scheint das für den politischen Stil unserer Demokratie immerhin nicht ganz unwichtig zu sein.
Ich möchte jetzt zur Sache zurückkommen. Es wäre wirklich ein gutes Anliegen, neben der Reichshaushaltsordnung ein geschlossenes Ordnungsrecht für die öffentliche Vermögenswirtschaft, insbesondere für die Betätigung auf dem Gebiet der Wirtschaft, zu schaffen. Wir sind nämlich der Auffassung, daß gerade in einer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung, die Wert darauf legt, daß der Staat so wenig wie möglich unmittelbar eingreift, die öffentliche Betätigung auf wirtschaftlichen Gebieten durch staatliche Unternehmungen eine wichtige Aufgabe ist.
Wenn wir unter diesen Gesichtspunkten den Entwurf betrachten, den der Kollege Atzenroth vorgelegt hat, so ist zu sagen, er scheint uns bei diesen großen Aufgaben nicht ganz zulänglich zu sein. In seinem § 1 werden die Voraussetzungen für die Betätigung der öffentlichen Hand genannt. Zunächst einmal muß ein dringender öffentlicher Zweck vorliegen. Diese Bestimmung ist, wie bereits betont wurde, nicht ganz neu. Sie steht in der Reichshaushaltsordnung und in den Reichswirtschaftsbestimmungen; diese müssen angewandt werden. Aber durch eine neue Gesetzesbestimmung werden Sie eine bestehende Praxis nicht wesentlich verändern, Herr Kollege Atzenroth.
Zu diesem ersten Erfordernis kommt noch ein zweites hinzu: soweit diese Zwecke durch private Unternehmen oder ohne Beteiligung der öffentlichen Hand nicht ebensogut und wirtschaftlich verfolgt werden können. Auch das ist ein ausgezeichneter Grundsatz; nur ist auch er nicht sehr neu, denn er steht schon in den bestehenden Bestimmungen.
Dann kommt etwas, was schon schwieriger ist. Da steht nämlich: soweit private Unternehmen nicht unbillig im Wettbewerb benachteiligt werden. Ich weiß nicht, ob Ihnen ganz entgangen ist, daß es große Wirtschaftsbereiche gibt, in denen der Wettbewerb sehr unbillig durch große private Unternehmen beeinträchtigt wird,
so daß hier die öffentliche Hand — ich komme darauf noch zurück — unter Umständen eine sehr entscheidende Aufgabe zu lösen hat.
Ein vierter Punkt, der außerordentlich interessant ist. Sie sagen nämlich, daß die Unternehmen oder Beteiligungen nach Art und Umfang in einem
angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Eigentümer — also des Bundes — stehen sollen. Ich habe mir überlegt: Was soll das in diesem Zusammenhang? Daß der Bund nicht leistungsfähig wäre, ein großes wirtschaftliches Unternehmen zu übernehmen, wäre etwas merkwürdig. Da habe ich festgestellt, Herr Kollege Atzenroth, daß diese vier Punkte — man höre und staune — wortwörtlich den Gemeindeordnungen der Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern entnommen worden sind.
Das sind nämlich die Grundlagen der Betätigung der öffentlichen Hand in den Gemeinden. So etwas pflegt bei Schlagermelodien vorzukommen; da darf man ja bestimmte Takte von anderen übernehmen.
Die Verfasser haben übersehen, daß da ausgesprochen auf Gemeindebetriebe abgestellt wird. Da hat es natürlich seinen guten Sinn, während es beim Bund, wie mir scheinen will, etwas reichlich deplaziert ist.
— Sicher, Schützenhilfe; Kollege Atzenroth wird Ihnen dankbar sein.
Nun zu den Punkten a und b! Wir sind selbstverständlich — und das ist unsere grundsätzliche Einstellung zur wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand — der Auffassung, daß eine Betätigung nur dort erfolgen soll, wo sie im öffentlichen Interesse dringend geboten ist und die gleiche Aufgabe nicht gleich gut von privater Hand geregelt werden kann.
Ich möchte es in diesem Augenblick nicht bei dieser Feststellung bewenden lassen, möchte vielmehr einiges darüber sagen, was wir darunter verstehen, weil ich fürchte, unter dieser netten Generalklausel verbergen sich so einige Dinge, die vielleicht nicht darunter gehören.
Wir haben zahlreiche Märkte, auf denen Kartelle, Monopole und marktbeherrschende Unternehmungen eine ganz große Rolle spielen. Und jetzt darf ich die Herren, die in der Geschichte etwas bewandert sind, an folgendes erinnern: In den Jahren 1902 und 1906 hat eine königlich-preußische konservative Regierung die ersten Schächte im Ruhrgebiet und die ersten Aktien, die als Grundlage zur Gründung der Hibernia dienten, erworben. Mit welcher Begründung, Herr Kollege Atzenroth? Weil im Jahre 1893 das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat gebildet wurde, weil infolge der Bildung des Kohlensyndikats eine starke Konzentration an der Ruhr drohte, weil die sich entwikkelnden großen Unternehmen darangingen, sich auch die Reservefelder im Norden des Reviers zu sichern. Die Begründung für das Gesetz war, daß hier die Gefahr einer monopolistischen Kontrolle eines wichtigen Marktes drohe, der unter allen Umständen entgegengewirkt werden müsse.
Meine Damen und Herren, eine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand auf den Märkten,
auf denen eine derartige monopolistische Kontrolle
droht, halten wir auch heute nicht nur für legitim, sondern für dringend erforderlich.
Ein Zweites, und ich muß Sie auch da wieder an einiges erinnern. Die deutsche Stickstoffindustrie ist einmal entstanden, weil die Privatwirtschaft das Risiko der Errichtung von Stickstoffwerken damals nicht übernehmen wollte. Die deutsche Aluminiumindustrie ist entstanden, weil das Risiko, Aluminiumwerke in Deutschland zu errichten, für die Privatwirtschaft zu groß erschien. Der mitteldeutsche Eisenerzbergbau mußte vom Staate erschlossen werden, weil die Privatindustrie an der Ruhr sich nicht in der Lage sah, ein solches Risiko zu übernehmen. In England ist vor einiger Zeit das erste Atomkraftwerk in Calder Hall errichtet worden, ein staatliches Unternehmen, an dem sich staatliche Initiative und öffentlicher Unternehmungsgeist dokumentiert haben. Ich bin der Auffassung, daß dort, wo solche Aufgaben gestellt werden, wo öffentliche Initiative nötig ist, wo Pionieraufgaben zu erfüllen sind, der Staat diese Aufgaben nicht von sich weisen kann.
Ein dritter Fall, meine Damen und Herren! Bitte, jeder schlage an seine eigene Brust: Wie oft haben wir in den Jahren seit 1945 hier Anträge .gehabt, der Staat solle gewisse Unternehmungen erhalten, die aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen erhalten werden mußten, die aber nach normalen privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zu erhalten waren? Wie oft ist hier beschlossen worden, daß der Staat dafür einzutreten habe!
Mein lieber Kollege Atzenroth, Sie haben den Fall Sontra erwähnt. Hier hat Ihre eigene Fraktion immer dafür gestimmt, daß Subventionen gegeben werden. Wir waren alle der Auffassung, daß man Wege und Mittel finden müsse, daß man dort eine andere Methode der Bereinigung der sozialen Schwierigkeiten suchen müsse. Ich bin gern bereit, zuzugestehen: vielleicht überlegen wir uns in solchen Fällen nicht immer genügend, ob wir uns mit der einfachen Methode der Weiterschleppung solcher Betriebe begnügen sollen oder ob es nicht andere Mittel gibt, die sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Aber daß hier der Staat eine Aufgabe hat, das wird von den Mitgliedern dieses Hauses im praktischen Einzelfall immer wieder betont. Es scheint mir nicht gut zu sein, wenn wir jetzt so tun, als wenn solche Fälle nicht vorhanden wären.
Im übrigen, Herr Kollege Atzenroth, wenn Sie in der Lage wären, uns für die Privatisierung von Sontra einen potenten Käufer anzubieten — durchaus einverstanden!
In § 3 des Gesetzentwurfs macht man den Versuch, einige Grundsätze der öffentlichen Wirtschaftsführung aufzuführen. Man hätte denken können, daß z. B. bezüglich der Bilanzierung etwas Modernes in dem Entwurf stünde. Aber es steht darin nur, daß Unternehmen Bilanzen und Geschäftsberichte nach dem Aktienrecht veröffentlichen sollen; das tun die Unternehmungen sowieso. Wir sind sehr damit einverstanden bei einer Aktiengesellschaft, aber nicht bei einer GmbH oder anderen Formen! Da brauchen Sie diese kümmerlichen Bilanzierungsvorschriften nicht.
In dem Entwurf steht auch nichts darüber, wie es mit der Reservenbildung werden soll. Das einzige, was Sie darin haben, Herr Kollege Atzenroth, ist, daß die sozialen Leistungen ausgewiesen werden sollen. Die aber stehen nun peinlicherweise unmittelbar neben den politischen Lasten, von denen wir alle der Meinung sind, daß sie eigentlich nicht vom Werk zu tragen sind. Ich hoffe nicht, daß sich da etwas eingeschlichen hat. Einige Leser könnten daraus entnehmen, Sie seien der Meinung, daß auch die sozialen Leistungen eine unzulässige Belastung seien, die genauso behandelt werden müsse wie politische Lasten. Wir sind durchaus der Auffassung, daß die sozialen Leistungen herausgestellt werden müssen. Wir hoffen, in Deutschland allmählich dahin zu kommen, daß Werke, die ihre sozialen Aufgaben vorbildlich erfüllen, als fortschrittlich betrachtet werden, daß also ein solcher Ausweis ein gutes Zeichen für ein Unternehmen ist.
Aber wenn etwas ausgewiesen werden soll, Herr Kollege Atzenroth, dann bitte neben den sozialen Leistungen der echte Ertrag des Unternehmens! Aus dem, was jetzt in den Bilanzen ausgewiesen wird, kann kein Mensch ersehen, wie eigentlich die Ertragslage eines Unternehmens ist. Nachdem selbst die Standesorganisation der Wirtschaftsprüfer sich für eine größere Publizität bei den Bilanzen und bei der Gewinn- und Verlustrechnung ausgesprochen hat, hätte man erwarten können, daß wenigstens das in dem Entwurf stünde. Aber nicht einmal das steht darin.
Meine Damen und Herren, mir will scheinen, hier fehlt sehr viel zu einer vernünftigen Regelung. Es steht z. B. nichts darüber darin, daß die Minister dafür verantwortlich sind, daß die Unternehmungen als Instrumente ihrer Wirtschaftspolitik dienen; denn sonst haben sie keinen Sinn. Es steht nichts darüber darin, welche Verpflichtungen die Mitglieder des Aufsichtsrats haben, die von der öffentlichen Hand gestellt werden. Es steht nichts darin über eine Pflicht der Ressortminister zur Berichterstattung darüber, wie sie das Wirtschaftsvermögen nutzen. Es steht nicht einmal darin, daß öffentliche und private Unternehmungen gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen sollen; es steht im Gegenteil eine Diffamierung der öffentlichen Unternehmungen darin: Konzernbildungen — man mag sie leiden oder nicht, sie sind in der Wirtschaft nun einmal vorhanden — sollen unzulässig sein, wenn sie in einem nicht nur örtlich begrenzten Gebiet eine marktbeherrschende Stellung zur Folge haben würden. Ich frage: auch dann, wenn die Konkurrenzunternehmungen auf diesem Gebiet eine marktbeherrschende Stellung einnehmen? Soll dann das öffentliche Unternehmen gehandicapt werden? Ich glaube, derartige Bestimmungen kann man in einen solchen Gesetzentwurf nicht hineinnehmen!
Dann eine dritte Frage! Das sogenannte Bundesvermögen, von dem heute also noch kein Mensch weiß, wem es eigentlich gehört, setzt sich aus den verschiedensten Bestandteilen zusammen. Da ist zunächst das alte Reichsvermögen, zusammengefaßt in der Viag, das große Teile in der Ostzone verloren hat. Dazu gehört der frühere preußische Konzern Veba, der ebenfalls erhebliche Teile in der Ostzone verloren hat. Dazu gehört das neue Reichsvermögen, das in den 30er Jahren um die Reichswerke herum geschaffen worden ist, und dann gehören dazu zahllose in der Kriegs- und Nachkriegszeit entstandene Komplexe, bei denen
zu überlegen ist, ob sie organisch unter heutigen Gesichtspunkten hineingehören.
Was man zunächst tun müßte, wäre, zu überlegen: Wie bringen wir aus diesen verschiedenen Torsen — und mehr ist das im einzelnen nicht — eine konstruktive Gesamtlösung und eine gesunde Ordnung des Bundesvermögens zustande? Auch darüber nicht das mindeste!
— Herr Kollege Atzenroth, die Überschrift lautet: „Entwurf eines Gesetzes über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand", er lautet nicht: „Entwurf eines Gesetzes über die Verhinderung wirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand". Für das letztere hätte ausgereicht, was hier steht. Aber wenn man ein Gesetz über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand vorlegt, dann darf man so wichtige Fragen nicht auslassen. Ich bitte mir zu gestatten, daß ich das sage: es scheint mir sehr anspruchsvoll, einen solchen Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand" zu nennen, wenn die Bestimmungen praktisch nur Regeln für den Ausverkauf des Bundesvermögens darstellen. Wir sind durchaus bereit, insbesondere zu prüfen, ob nicht bei der autoritären Wirtschaftsführung in den zwölf Jahren von 1933 bis 1945 und nachher Bestandteile in das Bundesvermögen hineingekommen sind, die auch nach unserer Auffassung nicht hineingehören. Aber eine Untersuchung des Bundesvermögens unter dem Gesichtspunkt, ob nicht da oder dort vielleicht doch noch ein Betrieb ist, der eine gute Ertragslage hat, die das Interesse privater Gruppen hervorruft, würden wir unter allen Umständen ablehnen.
Damit komme ich zu dem § 7. § 7 spricht davon, daß die Anteile und Beteiligungen zum Börsenkurs verkauft werden sollen. Ich habe mich gefragt, als ich den § 7 las: cul bono, wem soll das eigentlich dienen? In unserem Unterausschuß „Bundesbeteiligungen", der nun seit 11/4Jahren selig entschlafen ist und nicht mehr tagt, hatten wir es mit einigen wichtigen Fällen zu tun, in denen einige massive Interessengruppen, die eine starke Stellung an ihrem Markt hatten, versuchen wollten, ertragreiche Einzelunternehmungen möglichst unter Preis zu erwerben. Ich erinnere an die Auseinandersetzung, die wir über die „Nordchemie" gehabt haben. Es war gewiß kein Meisterstück politischer Sauberkeit, was sich da abspielte.
Nach allem, was wir auf diesem Gebiete erlebt haben, scheint es mir wichtig zu sein, daß klargelegt wird: wem dienen solche Bestimmungen? Wir jedenfalls werden an Hand der Berichte des Bundesrechnungshofs — und wir haben schon einiges darin gefunden — im einzelnen sehr genau nachprüfen, ob die Bundesregierung ihrer Verpflichtung, das Vermögen des Bundes zu erhalten, sorgsam zu verwalten und zu nutzen, in jeder Hinsicht gerecht geworden ist.
Eines hat mich dann gewundert: Sie verzichten darauf, in diesem Gesetzentwurf eine Streuung der Aktien bei den neuen Erwerbern vorzuschreiben. Bei dem Antrag betreffend das Volkswagenwerk, auf den ich noch komme, ist dieses Mäntelchen jedenfalls vorhanden. Hier kein Wort darüber. Also es ist offenbar doch zugelassen, daß größere Aktienpakete an größere Interessenten gehen. Und nun sehen Sie mal an: zum Börsenkurs!
Bei den Bundesunternehmungen, deren Aktien überhaupt einen Börsenkurs haben, ist der Anteil der Aktien, die auf dem Markt sind, verhältnismäßig klein. Außerdem wissen wir, daß Angebot und Nachfrage auf unserem nicht funktionierenden Kapitalmarkt ganz allgemein gering sind, so daß es den Interessenten durchaus möglich ist, den Aktienkurs zu manipulieren, indem nur ganz wenige Aktien aus privater Hand angekauft oder abgegeben werden. Wir haben doch an der Ruhr erleben müssen, welche Manipulationsmöglichkeiten bei der Lage unseres heutigen Kapitalmarktes vorhanden sind.
Ein Zweites. Bei normaler Börsenlage würde bei einer hohen Bundesbeteiligung oder einer beherrschenden Stellung des Bundes der Kurs der privaten Aktien natürlich gedrückt sein. Wenn nun die Veräußerung zum Kurswert dieser an der Börse gehandelten Aktien vorgeschrieben wird, dann bedeutet das, daß die Beteiligungen unter Kurs abgegeben werden müssen.
Meine Damen und Herren, ich komme zu folgendem Ergebnis. Wenn der Börsenkurs im Zeitpunkt der Veräußerung der gültige Kurs sein soll, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder handelt es sich um sehr lukrative Unternehmen, an denen gewisse Spekulanten ein Interesse haben — dann wird in demselben Moment eine riesige Hausse in diesen Aktien einsetzen —, oder es sind die Unternehmungen, die kein besonderes Interesse genießen; deren Aktien werden einen gedrückten Preis haben. Das ist der Sinn und der Erfolg dieser Bestimmung: ein Befehl an die Bundesregierung, in diesen Fällen öffentliche Beteiligungen unter Preis zu verkaufen. Meine Damen und Herren, eine solche Regelung würden wir nicht mitmachen können.
Gestatten Sie mir dann, zum Überprüfungsausschuß einiges zu sagen. In dem Zwiegespräch vorhin wurde die Meinung vertreten, das seien gar nicht so wichtige Bestimmungen. Vielleicht darf ich darauf hinweisen, daß in § 12 Abs. 2 gesagt wird:
Der Überprüfungsausschuß erläßt Richtlinien für Zeit, Art und Ausmaß der Veräußerung von Unternehmen und Beteiligungen.
Dann: er entscheidet darüber, ob die Veräußerung zu einem angemessenen Preis möglich ist; d. h. er entscheidet, ob der Preis angemessen ist. Er hat eine dritte Entscheidung zu treffen — nicht nur etwas vorzuschlagen —: ob die Fortführung im öffentlichen Interesse nötig ist. Dieser Ausschuß unterliegt nach dem Gesetzentwurf keiner parlamentarischen Kontrolle, sondern er soll nur alljährlich einen Bericht an das Parlament senden. Meine Damen und Herren, das bedeutet, daß wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen in Gremien verlagert werden, die politisch dem Parlament nicht verantwortlich sind.
Das scheint mir bei Objekten, die das Interesse von
wirtschaftlichen Gruppen so stark anziehen, eine
außerordentlich gefährliche Angelegenheit zu sein.
Völlig unmöglich ist eine Bestimmung, die ausdrücklich sagt, daß die Gesetzesbestimmungen der Länder usw., die eine Anhörung und Beteiligung der Volksvertretungen bei Veräußerungen vorschreiben, keine Anwendung finden sollen. Hier soll also sogar Landesrecht außer Kraft gesetzt werden, damit einem solchen nicht der öffentlichen
Kontrolle unterliegenden Ausschuß wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen überantwortet werden können!
Dann ein Wort zu den Regiebetrieben. Ich bin versucht, zu sagen: viel Wind und wenig Wolle! In Wirklichkeit haben die Regiebetriebe für die Wirtschaft, selbst für das betroffene Handwerk, überhaupt keine entscheidende Bedeutung mehr. Der Gesetzentwurf will zunächst einmal ausdrücklich festlegen, daß sie ausschließlich dem eigenen Bedarf — Reparaturen und Unterhaltung — dienen sollten. Nun, der Entwurf kommt etwas spät. Eis gibt z. B. im Lande Nordrhein-Westfalen Richtlinien über den Betrieb von Regiebetrieben, in denen dies ausdrücklich gesagt wird. Der Handwerkerbund von Nordrhein-Westfalen hat im Jahre 1950 eine Untersuchung veranstaltet, wie viele Regiebetriebe handwerklicher Art eigentlich vorhanden seien. Er hat festgestellt: Es gibt insgesamt in Nordrhein-Westfalen 200 000 private Handwerksbetriebe, und es gibt ganze 304 handwerkliche Regiebetriebe. In diesen 304 sind alle Theater-, alle Blindenwerkstätten und die Werkstätten in Strafanstalten enthalten. Meine Damen und Herren, man sollte das Problem der Regiebetriebe nicht in dieser Weise aufblähen. Es gehört in einen solchen Gesetzentwurf einfach nicht hinein; denn es ist längst in angemessener Weise geregelt, nämlich derart, daß Regiebetriebe allenfalls für den eigenen Betrieb und da in möglichster Beschränkung geführt werden sollen.
Schließlich erscheint es mir höchst fraglich, ob die Bestimmung des Gesetzentwurfs hinsichtlich der Gemeindebetriebe verfassungsrechtlich zulässig ) ist. Damit wird sich der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu befassen haben. Aber einige Bemerkungen dazu. Nach dem Grundgesetz gehört das Recht der Wirtschaft zur konkurrierenden Gesetzgebung, d. h. daß Bundesgesetze nur erlassen werden dürfen, wenn keine wirksamen Landesgesetze vorhanden sind und Bundesrecht zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich ist.
Nun hat der Gesetzentwurf selbst mit der Fassung seines § 1, der den Gemeindeordnungen der wichtigsten Länder entnommen ist, bestätigt, daß wir hier eine gültige, völlig ausreichende und sehr vernünftige Gesetzgebung haben, so daß insoweit, glaube ich, die verfassungsrechtliche Möglichkeit für Bundesbestimmungen überhaupt verneint werden muß. Mir scheint, daß auch im engeren Kreise der Verfasser des Entwurfs dieselbe Auffassung vorhanden ist. Mir hat nämlich vorgelegen „Das Rathaus, Kommunalpolitische Blätter der FDP", und da steht — natürlich gegenüber eigenen Parteifreunden etwas vorsichtig —, daß man mit der Aufnahme der Gemeinden und Gemeindeverbände in den Gesetzentwurf hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung des Guten doch wohl etwas zuviel getan habe. Unter Brüdern kann die Kritik an solch einer Bestimmung nicht schärfer und deutlicher gefaßt sein.
— Ich stelle ja auch nur einen Tatbestand fest, Herr Atzenroth. Viel mehr wollte ich damit nicht gesagt haben.
Ich bin also der Überzeugung, daß dieser Gesetzentwurf als Gesetzentwurf zur Ordnung der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand unzulänglich ist und daß zahlreiche Bestimmungen
in ihm bedenklich sind. Wir werden alle diese
Dinge im Ausschuß im einzelnen erörtern können.
Nun hat der Kollege Elbrächter gemeint, ein Modellfall für die Privatisierung sei das Volkswagenwerk.
Meine Damen und Herren, wenn man sich den Antrag so ansieht, dann mag das hingehen. Da steht nämlich sehr vernünftigerweise: Das Volkswagenwerk soll in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Da steht dann, daß nur Aktien in Stücken von 100 bis 1000 DM ausgegeben werden sollen, daß bis zu 25 °/o sogar in die modernen Investmentgesellschaften kommen sollen und daß ein angemessener Teil des Stammkapitals zu vinkulierten Namensaktien gemacht werden soll. Das klingt zunächst also sehr plausibel. Und dann die Fanfare: Alles, was da rauskommt, wird zur Unterstützung von Wissenschaft und Forschung verwandt.
Nun, meine Damen und Herren, man muß sich den Modellfall einmal ansehen und prüfen, wie das eigentlich auf die Situation auf dem Automobilmarkt paßt, ob solch ein Gesetzentwurf und solche schönen Sätze bei den großen Automobilfabriken nicht geradezu wie die Faust aufs Auge passen. Ich möchte Ihnen da einige Zahlen nicht vorenthalten.
Wir haben in Deutschland vier große Automobilunternehmen, Kraftfahrzeughersteller, die allein 80 % der gesamten Kraftfahrzeugerzeugung auf sich vereinigen. Das heißt: hier beherrschen vier große Unternehmungen den Markt. Wenn ich da an das denke, was uns interessiert, nämlich den leistungsfähigen Kleinwagen für den Normalverbraucher, dann stelle ich fest, daß wir überhaupt nur zwei Unternehmungen haben, die eine Rolle spielen, nämlich das Volkswagenwerk mit 40 °/o der Gesamterzeugung an Kraftwagen und Opel mit 20 % der Erzeugung an Kraftwagen. Also, meine Damen und Herren, es handelt sich um einen Markt, auf dem private wirtschaftliche Macht eine große Rolle spielt. einen Markt, der von einigen wenigen Unternehmungen beherrscht werden kann. Neben diesen vier Unternehmen spielen die Reste, nämlich Borgward-Gruppe, Auto-Union, Porsche und BMW, die alle unter 10 % der Erzeugung haben, gar keine entscheidende Rolle.
Aber das ist nicht nur bei uns so. Es könnte ja sein, daß das nur bei uns in Deutschland so wäre. In den USA hatten wir im Jahre 1956 eine Erzeugung von 6 Millionen Personenkraftwagen. Da entfallen auf General Motors, Ford und Chrysler, drei Unternehmungen, allein 97 % der gesamten Kraftwagenerzeugung. Der Rest entfällt auf drei Gesellschaften, die nach den Fusionen und Stilllegungen der letzten Jahre noch übriggeblieben sind. Also auch hier drei große Gesellschaften, die ein entscheidendes Gewicht auf dem Markt haben und den Marktablauf bestimmen.
Und selbst in einem so liberalen und an kleinbetrieblichen Verhältnissen orientierten Land wie Frankreich hat z. B. Renault — im Staatsbesitz! — einen Anteil von 30 %, während Citroen, Simca und Peugeot je einen Anteil von 17 bis 24 % haben. Auch dort haben wir vier große Automobilunternehmungen, die 94 % der Kraftfahrzeugerzeugung bestreiten, also auch hier den Markt beherrschen. Von freiem Wettbewerb — das muß einmal festgestellt werden — ist auf diesem Markt wenig zu erkennen. Hier handelt es sich um handfeste Oligopolisten, die in großem Umfang den
Preis und das Marktgeschehen beeinflussen; solange die Marktlage es gestattet, indem sie den Preis verhältnismäßig hoch festsetzen, wie das zur Zeit bei den mittleren Gebrauchswagen geschieht, oder aber, indem sie einen ruinösen Wettbewerb auf diesem engen Markt betreiben, wie das z. B. in der letzten Zeit in den USA der Fall gewesen ist. Es ist also ein Markt, der sich sehr schlecht dazu eignet, die Aktien privaten Klein- und Mittelaktionären anzubieten.
— Die Folgerung haben die Automobilindustrie und die Aktionäre gezogen, und das werde ich Ihnen jetzt darlegen.
In den USA haben diese Verhältnisse nämlich dazu geführt, daß General Motors, das noch eine große Zahl von Aktionären hat, von Dupont beherrscht und kontrolliert wird, der als einziger Großaktionär dort tätig ist. Die Ford-Werke werden heute noch zu 80 % von der Familie Ford beherrscht. In Frankreich ist das größte Unternehmen, nämlich Renault, in staatlicher Hand und hat, wie allgemein zugegeben wird, sehr hervorragende Erfolge und eine sehr wirtschaftliche Unternehmensführung.
Bei uns in Deutschland haben wir, vom Volkswagenwerk abgesehen, das in öffentlicher Hand jedenfalls nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten recht gut gearbeitet haben muß, als Konkurrenten die Opel-Werke, die zu 100 % in amerikanischer Hand, nämlich in der von General Motors, sind und daher einen sehr starken Rückhalt in einem etwaigen scharfen Konkurrenzkampf haben. Es ist also ein ausländischer Besitzer. Auch Ford befindet sich zu 90 % in Händen der amerikanischen Muttergesellschaft. Zu den anderen Unternehmungen: bei Daimler-Benz hat Flick ein Paket von 35 %, und ein großes Paket hat die Deutsche Bank. Auch hier wird das Kapital von einigen großen, bestimmenden Aktionären beherrscht. Selbst bei Auto-Union hat Flick über die Max-Hütte ein Paket von mehr als 25 %, hat ein Schweizer Aktionär 40 % und ein anderes Bankhaus noch ein drittes Paket, so daß hier etwa 75 % von Großaktionären beherrscht werden.
Die Marktstruktur der Automobilindustrie führt also automatisch dazu, daß ihre Unternehmungen von großen Kapitalgruppen beherrscht werden. Das ist ein Tatbestand, der sich bisher jedenfalls aus der Entwicklung herausgeschält hat. Es ist ein Markt, der von einigen großen monopolistischen Gruppen beherrscht wird und bei dem die einzelnen Unternehmungen ebenfalls von mächtigen Kapitalgruppen entscheidend kontrolliert und beherrscht werden. Die Automobilindustrie ist daher kein geeigneter Platz für eine Streuung des Aktienkapitals auf zahlreiche kleinere und mittlere Aktionäre.
Das, meine Damen und Herren, scheinen die Verfasser des Gesetzentwurfs gewußt zu haben. Denn sie sehen merkwürdigerweise vor, daß über Investment-Gesellschaften nur bis zu 25 % gestreut werden soll.
— Wieso denn?
— Wir sind ja noch nicht am Ende der Entwicklung der Investment-Gesellschaften. Bis jetzt haben wir fünf oder sechs. Sie könnten ja mit der Zahl höher gehen. Wenn das an den Tatsachen scheiterte, wäre das ein anderer Fall. Sie sagen: Gesetzlich nicht mehr als 25 % — dabei haben Sie sich doch etwas gedacht —, auch wenn wir mehr Investment-Gesellschaften bekommen, als zur Zeit vorhanden sind. Sie wußten, daß hierfür der Markt zu eng ist und daß es fraglich ist, ob sich diese 25 % überhaupt über Investment-Gesellschaften ordnungsmäßig placieren lassen. Der Rest läuft nach Ihren Bestimmungen über die Börse oder vielleicht sogar unmittelbar an die großen Kapitalinteressenten.
Meine Damen und Herren, dann haben Sie eine angebliche Sicherung eingebaut. Das sind die sogenannten vinkulierten Namensaktien, d. h. also, Aktien, die nur mit Zustimmung des Vorstandes
— und vielleicht mit Zustimmung des Aufsichtsrats — verkauft werden dürfen. Wir haben in den letzten Jahren gerade mit vinkulierten Namensaktien einige Erfahrungen gesammelt, darüber, wie das ist, wenn der Vorstand darüber bestimmt, sich also aussucht, wer ihn kontrollieren darf. Darum scheint mir das eine höchst unzweckmäßige Regelung zu sein. Der Vorstand soll schließlich kontrolliert werden und soll daher nicht bestimmen, wer Aktionär wird und wer den Aufsichtsrat des Unternehmens bestellt. Und was geschähe, wenn Sie dabei den Aufsichtsrat einschalteten? Normalerweise geschieht das ja nicht. Aber vielleicht sind Sie so fortschrittlich, daß Sie sagen: „Vorstand wäre schon falsch; wir schalten den Aufsichtsrat ein." In dem Aufsichtsrat werden angesichts der Tendenz auf dem Automarkt Großaktionäre sitzen, und wenn keine Großaktionäre da sind, dann werden die kleineren und mittleren Aktionäre durch ihre Depotbanken vertreten. Das heißt, darüber, wer Aktien kaufen darf, entscheidet der Vorstand mit einigen wenigen Bankvertretern. Das scheint uns keine sehr sinnige Regelung für eine Auflockerung von Großbesitz zu sein. Die Vinkulierung der Aktien ist also eine höchst fragwürdige Methode.
In Ihrem Antrag steht weiter, das solle zur Verhinderung von Überfremdung dienen. Ich weiß nicht, ob jetzt Ihre Sorge vor ausländischen Kapitalinteressen größer ist, als es sonst im allgemeinen der Fall zu sein pflegt. Offenbar bezieht sich der Ausdruck Überfremdung auf ausländische Aktionäre; sonst würde man doch nicht von Überfremdung sprechen. Auf gut Deutsch heißt das: die Vinkulierung von Aktien ist überhaupt nicht dazu bestimmt, deutsche Großaktionäre fernzuhalten, sondern nur dazu, ausländische Aktionäre auszuschließen. Aber selbst wenn sich diese Bestimmung aufs Inland beziehen sollte, wäre sie nach der Darstellung, die ich von der soziologischen Struktur des Automobilmarktes gegeben habe, keine wirksame Bestimmung. Vinkulierte Aktien werden bei der herrschenden Verfassung des Automarkts niemals eine Beherrschung durch Großaktionäre verhindern können; aber sie sind eine durchaus beliebte Methode, um die Selbstherrlichkeit von Vorständen gegenüber den Aufsichtsorganen zu stärken und damit eine echte Kontrolle zu verhindern. Ich möchte sehr deutlich sagen: gerade beim Volkswagenwerk scheint uns das eine sehr unerwünschte Maßnahme zu sein.
Meine Damen und Herren, ich habe unter diesen Gesichtspunkten den Eindruck, daß die Bestim-
mungen über die Investmentstrusts und über die Größe der Aktien von 500 und 1000 DM wirklich nur ein soziales Mäntelchen sind. Ich brauche auch nur an das zu erinnern, was in der Presse über die Interessenten am Volkswagenwerk laut geworden ist. Da habe ich sehr wohl gelesen, daß sich Krupp interessiert, daß sich Röchling interessiert, daß sich Flick interessiert. Es ist eine ganze Menge von Vertretern des Großkapitals vorhanden, die sich interessiert zeigen. Und ich möchte wirklich sehen, wer dieses Rennen an der Börse gewinnt, wenn die Aktien des Volkswagenwerks wirklich dort angeboten werden sollten.
Ich möchte hier ganz eindeutig sagen: wir werden uns auch in bezug auf das Volkswagenwerk gegen jede Regelung wenden, die die unternehmenspolitischen Entscheidungen privaten Händen überantwortet und der öffentlichen Hand nicht den erforderlichen Einfluß gewährt, weil das Volkswagenwerk sonst von privaten Großaktionären beherrscht wird und weil es auf dem Markt insbesondere für leistungsfähige Kleinautomobile eine entscheidende Stellung hat.
Der Kollege Atzenroth hat sich gegen die Allmacht des Staates gewandt. Wir möchten nicht, daß so wichtige wirtschaftliche Machtpositionen aus der Macht des Staates in die Allmacht großer wirtschaftlicher Machtgruppen übergehen.
Dann ist so neckisch die Ziffer 5. Da steht, der Verkaufserlös soll einer Stiftung öffentlichen Rechts zur Förderung der Forschung, des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses usw. gegeben werden. Nun, meine Damen und Herren, eine etwas späte Erkenntnis! Ich habe den Eindruck, die Aktivität der Sozialdemokratie gerade auf diesem Gebiet hat Ihnen zu Gemüte geführt, daß da in der Vergangenheit etwas versäumt worden ist und daher einiges nachgeholtwerden müßte.
— Ja, Sie sind über die Politik der Sozialdemokratie und ihre Aktionen schlecht unterrichtet. Sie kennen anscheinend nur unseren letzten Kongreß von Düsseldorf. Wir haben auf diesem Gebiete einige Zeit früher einiges getan, einiges gesagt und einiges verlangt. Das sollten Sie wenigstens in einer solchen Diskussion honorieren.
Aber dann hat mich aus der mündlichen Begründung doch einiges interessiert. Die Mittel, die da in Frage kämen, sind für den Straßenbau zu ,gering; das hat keinen Zweck. Für den Wohnungsbau ist es auch zu wenig. Für Wissenschaft und Forschung und Bildung und Ausbildung scheint das genug zu sein. Meine Damen und Herren, so sollte man die Dinge nicht begründen. Bestimmungen, die rein propagandistisch zu verstehen sind, sollte man in einem solchen Antrag nicht aufnehmen. Sie können doch die Tatsache, daß die Unterstützung von Forschung und Wissenschaft und technischer Weiterbildung in Deutschland, wie Ihnen die gesamte Wissenschaft heute einstimmig bezeugt, stark von der öffentlichen Hand vernachlässigt worden ist, nicht dadurch aus dem Wege zu räumen versuchen, daß Sie eine solche in Wirklichkeit lächerliche Bestimmung in einen solchen Antrag aufnehmen.
Ich frage mich, was Sie mit diesem Antrage beabsichtigt haben. Vorhin hat Kollege Elbrächter bereits des näheren ausgeführt, Sie rechneten damit, daß die Durchführung Ihres Anliegens langsam geschehen würde; man solle das also keinesfalls überstürzen, und es solle im Grunde genommen nur ein Druck auf die Regierung ,ausgeübt werden. Ich habe mir daraufhin einmal angesehen, wer unter dem Antrag stand, und gemeint, da ständen Vertreter der Opposition, die die Aufgabe hat, einen Druck auf die Regierung auszuüben. Da standen aber haargenau die Vertreter der Koalitionsparteien,
die dieses Mittel des Drucks auf die Regierung eigentlich nicht nötig haben sollten.
— Na, wenn das kein Argument ist, Herr Hellwig, dann möchte ich wissen — —
— Darüber können wir uns vielleicht demnächst in der Praxis unterhalten.
Wir haben uns in diesem Hause mit Ihrer Zustimmung häufig darüber unterhalten können, für wie unverbindlich die Bundesregierung solche Entschließungsanträge dieses Hauses hält; ich erinnere an die über die Zonenrandgebiete und ähnliche Entschließungen. Auf die Methode, solch nichtssagende Anträge zu stellen, sollte die Regierungskoalition verzichten.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß der Volkswagensparerprozeß noch in der Revisionsinstanz schwebt. Sie wissen, daß die Bundesregierung in Antworten auf Kleine Anfragen und an anderer Stelle darauf hingewiesen hat — ich glaube, mit Recht —, daß im Hinblick auf dieses Risiko heute keine Verteilung der Aktien an private Aktionäre erfolgen könne. Warum dann dieser Antrag?
Und eine weitere Frage. Der Bundesfinanzminister ist im August 1953 — ,das war allerdings unmittelbar vor den Wahlen des Jahres 1953 — persönlich nach Wolfsburg gereist und hat vor 20 000 Belegschaftsmitgliedern die Erklärung abgegeben, die Bundesregierung werde keinesfalls einen Gesetzentwurf zur Privatisierung des Volkswagenwerks einbringen. Ich bin gespannt, welche Auffassung der Herr Bundesfinanzminister heute hier vertritt. Ich will nicht hoffen, daß er diese Äußerung so auslegt, daß die Bundesregierung zwar einen Gesetzentwurf nicht einbringen werde, daß es aber den Koalitionsparteien, die ihr nicht ganz fremd sind, überlassen bleibe, solche Anträge zu stellen.
Ich glaube, das wäre keine recht angemessene demokratische Methode. — Herr Kollege Kunze, Sie
zucken die Achseln. Sie müssen sich mit Ihrem
Bundesfinanzminister und Ihrer Bundesregierung auseinandersetzen. Mir wird es wohl erlaubt sein, auf solche eindeutige Feststellungen des Bundesfinanzministers zurückzugreifen.
Eine weitere Frage. Wir wissen, daß auf dem Gebiete der Automobilfabrikation die Frage einer stärkeren Automatisierung von entscheidender Bedeutung ist. Das Gespräch über die Folgen der Automatisierung ist in Amerika zunächst in der Automobilindustrie geführt worden. Es hat da sehr ernsthafte Verhandlungen zwischen Industrie und Automobilarbeitergewerkschaft gegeben. Wir wissen auch, daß der erste Streik aus Anlaß der Automatisierung in Europa in einem Autowerk in Coventry entstanden ist. Wäre es nicht vielleicht doch der Mühe wert, zu überlegen, ob man nicht auch aus diesem Grunde das Volkswagenwerk in öffentlicher Hand behalten sollte, um hier einmal Erfahrungen zu sammeln und konstruktive Lösungen für die Automatisierung zu schaffen, die vorbildlich und sozial tragbar sind? Ich glaube, auch unter diesem Gesichtspunkt sollten Sie nicht so leichtherzig darangehen, das Vermögen des Volkswagenwerks in private Hand zu geben.
— Herr Kollege Hellwig, Sie dürfen nicht danebenfragen. Ich habe etwas ganz anderes behandelt, nämlich die Frage, ob nicht der Bund hier Erfahrungen sammeln und fortschrittlich und vorbildlich zeigen sollte, wie man moderne Unternehmungen automatisiert.
Im Volkswagenwerk ebenso wie in den Renault-Werken werden Sie von einer übermäßigen Bürokratisierung Gatt sei Dank nichts gemerkt haben. Wenn wir zusammen an einem Strang ziehen und dafür sorgen, daß auch in öffentlichen Unternehmungen nicht nach bürokratischen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gearbeitet wird, können wir sehr gut zusammenarbeiten.
Meine Damen und Herren, vielleicht darf ich auch folgendes sagen. In dem Volkswagenwerk sind seit der Währungsreform 700 Millionen Deutsche Mark investiert worden. Das ist nahezu eine Dreiviertelmilliarde
— darauf komme ich jetzt, Herr Kollege Atzenroth —, und zwar sind es 1955 125 Millionen DM gewesen und 1956 rund 200 Millionen DM bei einem Kapital von 60 Millionen DM, und das ohne entscheidenden Anteil von Fremdkrediten. In den Berichten heißt es so schön: „aus eigener Kraft".
Meine Damen und Herren, was heißt das? Das heißt doch, daß dieses Kapital über einen verhältnismäßig hohen Preis von den Verbrauchern dieser Wagen aufgebracht worden ist.
— Herr Kollege, ist Ihnen das so neu, daß wir das dauernd feststellen? Wer tritt denn eigentlich
gegen das Übermaß von Selbstfinanzierung auf, das in der gesamten Wirtschaft — privater und öffentlicher — heute üblich ist? Das sind w i r doch! Sie tun es immer nur, wenn es bei öffentlichen Unternehmen der Fall war; aber wenn derselbe Fall bei privaten Unternehmungen festzustellen ist, decken Sie darüber den Mantel der Nächstenliebe. Der Unterschied zwischen uns und Ihnen ist nur, daß wir die Dinge sehr deutlich und offen objektiv ansprechen.
Wenn auf diese Weise ein Unternehmen, das unter der Kontrolle des Bundes geführt worden ist, nicht durch die Aktionäre und nicht durch irgendwie festzustellende einzelne Kapitalgeber, sondern über den hohen Preis, der sich letzten Endes beim Letztverbraucher niedergeschlagen hat, solche hohen Werte angesammelt hat, dann scheint es mir nicht zweckmäßig zu sein, das Kapital dieser Gesellschaft an eine begrenzte Zahl von Aktionären, die an diesem Unternehmen ein Interesse haben, auszuschütten.
— Herr Kollege Hellwig, natürlich wollen Sie über die Börse verkaufen — —
— Meine Damen und Herren, ich will auf den Zuruf gern eingehen. Herr Hellwig hat soeben auf einen sehr bemerkenswerten Satz in dem Antrag hingewiesen, nämlich daß das Volkswagenwerk „ganz oder teilweise" in private Hand übergeführt werden sollte. Offenbar sind sich die Antragsteller nicht ganz darüber klar, was sie eigentlich beantragen wollen, ob ganz oder teilweise! Dann frage ich mich, warum Sie, wenn Sie sich zwar über den propagandistischen Zweck eines solchen Antrags, aber nicht über den materiellen Sinn dessen, was Sie wollen, einig sind, dann einen solchen Antrag stellen.
— Meine Damen und Herren, wenn Sie ein wichtiges Anliegen haben, das Sie dringendst zu erledigen wünschen, dann pflegen Sie normalerweise einen Initiativgesetzentwurf der Koalitionsparteien einzubringen. Da Ihnen die Ministerialbürokratie
— und dagegen erhebe ich keinen Einwand — dafür in größtem Umfange zur Verfügung steht, können Sie das auch leichter als unsere Fraktion. Wenn Sie ernsthafte, dringende Wünsche auf diesem Gebiet haben, dann steht Ihnen, den Koalitionsparteien, das Mittel des Initiativgesetzentwurfs durchaus zur Verfügung. Da Sie hiervon keinen Gebrauch machen, müssen wir zu dem Ergebnis kommen, daß Sie sich nicht ganz einig darüber sind, was Sie mit diesem Antrag wollen, und vielleicht der Auffassung sind, daß eine eindeutige Festlegung in dem Gesetzentwurf allzu klar zum Ausdruck bringen würde, wohin ein solcher Gesetzentwurf in der Praxis, in der Automobilindustrie, führen muß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Es scheint mir nicht die Aufgabe der Bundesregierung zu sein, eine mehr oder minder große Anzahl von Interessenten mit mehr oder minder großen Aktienpaketen von wichtigen Teilen des Bundesvermögens zu bedenken, sondern die Aufgabe der Bundesregierung auf dem Gebiete des Verkehrs ist, einmal dafür zu sorgen, daß der Straßenbau vorwärtskommt, und es dann zu ermöglichen, daß im Wege vorbildlicher Preisbildung auch jeder Angestellte und Arbeiter mit niedrigem Einkommen in der Lage ist, einen leistungsfähigen und billigen Kleinwagen zu kaufen. Nicht der Ausverkauf an private Interessenten, sondern die Lieferung eines billigen Volkswagens auch an Bezieher von kleinen Einkommen sollte die Aufgabe der öffentlichen Hand auf dem Gebiet der Automobilwirtschaft sein.