Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist, glaube ich, nicht zu unser aller Freude doch eine längere Debatte daraus geworden, als wir — Freunde oder Gegner des Antrags — ursprünglich gewünscht hatten. Ich darf aber dem Kollegen Schmidt, dem ich in der Hauptsache antworten will, einige Auskünfte auf die von ihm gestellten Fragen geben, weil ich glaube, darauf heute schon eingehen zu müssen und zu diesen Antworten jetzt schon verpflichtet zu sein.
Er hat unter anderem ausgeführt, es fehle in meinen Darlegungen jede Begründung, warum dieses Gesetz über die Länge des Grundwehrdienstes usw. jetzt behandelt werden solle. Ich glaube, daß er nur einen Teil meiner Ausführungen verfolgt hat. Darf ich die Gründe dartun, Kollege Schmidt, ohne sie erschöpfend anführen zu können; aber darf ich drei Gründe nennen.
Ich habe heute mit tiefem Ernste gesagt, daß wir jetzt allen Anlaß haben, durch die Erfüllung der Pflichten auf Grund der von uns abgeschlossenen Verträge unsere Vertragspartner de iure et de facto anzuhalten, daß sie auch ihren uns gegenüber eingegangenen Verpflichtungen nachkommen.
Ich glaube, daß der Ernst der gegenwärtigen Lage, die noch in keiner Weise die Aussicht auf eine endgültige gute Lösung bietet, es ohne Rücksicht darauf, wie man zu der Frage der Wehrpflicht steht, wie man zu dem Gesamtkomplex der Verteidigung steht, einfach aus einer zwingenden Lebensnotwendigkeit heraus für uns erforderlich macht, daß die Großmächte des Westens, insbesondere die USA, das Risiko der Verteidigungsbereitschaft für die Bundesrepublik bis zur letzten Konsequenz jetzt gegenüber jedem potentiellen Angreifer ernsthaft glaubwürdig machen.
Ich darf einen zweiten Grund nennen, Herr Kollege Schmidt. Ich möchte es völlig unpathetisch sagen. Sie verlangen von Ihrem Standpunkt aus und vom Standpunkt des Parlaments aus durchaus mit Recht, daß Ihnen jetzt die Grundlagen der neuen militärischen Planung, oder sagen wir — es ist keine neue Planung —: einer auf Grund der bisherigen Erfahrungen modifizierten militärischen Planung bekanntgemacht werden. Eine Planung ist nicht zu machen, wenn wir nicht über die Länge des voraussichtlichen Grundwehrdienstes auch in der Zukunft, ohne Rücksicht auf den Einberufungstermin, Bescheid wissen, weil die Zahl der Frei-
willigen, der längerdienenden Freiwilligen, die Zahl der Berufssoldaten, auch die Schaffung von Planstellen, wesentlich davon abhängen, damit wir glaubhafte Entwürfe für das Parlament machen können, daß die Zahl der Längerdienenden inklusive der Berufssoldaten und die Zahl der zur Verfügung stehenden Wehrpflichtigen in einem nach militärischen Notwendigkeiten angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Darum müssen auch wir wissen, welche Dauer des Grundwehrdienstes vom Parlament festgelegt wird, sonst ist eine Planung nur provisorisch zu machen.
Ich darf den dritten Grund nennen; es ist der wirtschaftliche und soziale Grund. Behörden, Wirtschaft und betroffene Bürger sollen wissen, für welche Zeit sie in ihren persönlichen, beruflichen und familiären Dispositionen bei der Durchführung der Wehrpflicht rechnen müssen. Dazu gehören auch --- ich bitte diese Andeutung nicht als eine Ankündigung zu verstehen —, daß wir denjenigen Wehrpflichtigen, die auf Grund der bei ihnen gegebenen familiären, beruflichen oder ausbildungsmäßigen Lage es vorziehen, ihre Wehrpflicht vor ihrer zwangsweisen Einberufung zu erfüllen, jetzt Klarheit darüber geben wollen; und auf diese Kräfte können wir ja in erster Linie zurückgreifen, was ohne Zweifel viele Probleme erleichtert.
Ich darf einen Irrtum berichtigen. Herr Kollege Schmidt, Sie sind ein sehr geschickter Parlamentarier und ein außerordentlich erfolgreicher politischer Redner; sonst wäre es Ihnen bei der grundsätzlichen politischen Einstellung der SPD gegenüber der Existenz der Bundeswehr nicht gelungen, mit Ihrer Wahlrede in Munsterlager die Zahl der SPD-Gemeinderäte durch die Wahlstimmen der Soldaten um zwei zu erhöhen.
Das eröffnete ungeahnte Perspektiven für unsere Zusammenarbeit, Herr Kollege Schmidt.
Aber ich bitte Sie ernsthaft, nicht zu versuchen, zwischen meine Fraktion und mir einen Keil zu treiben, um etwa zu erreichen, daß ein von seiner Fraktion vergewaltigter. Minister gegen sein Gewissen eine von ihm nicht für richtig gehaltene Planung vorzulegen hat.
Ich möchte Ihnen dazu zwei Gedanken vortragen. Daß heute manche Dinge in der Bundeswehr noch nicht so sind, wie Sie sie haben wollen und wie sie sicherlich auch mein Vorgänger und die ganze Regierungskoalition hat haben wollen, geht nicht auf mangelnden guten Willen zurück, sondern zum Teil auch auf die Tatsache, daß es Ihrer Fraktion gelungen ist, mit Erfolg Widerstand in den Vorbereitungsarbeiten zu leisten.
Ich darf hier Bezug nehmen auf die Äußerungen Ihrer SPD-Kollegen aus Hessen, die seinerzeit zur Rechtfertigung, warum man der Grundgesetzänderung in Ihrer Fraktion zugestimmt habe, sehr beachtliche Ausführungen gemacht, aber in Verbindung damit wegen der Schwierigkeiten, die in Ihrer eigenen Partei entstanden sind, dann angefügt haben: Wir haben zwar die Ergänzung des Grundgesetzes vorgenommen — dafür muß Ihnen jeder vernünftige Mensch in Deutschland dankbar sein —, aber wir haben es verstanden, die Aufstellung
der Bundeswehr zwar nicht zu verhindern, aber erheblich zu verzögern.
Und jetzt sagen Sie natürlich, daß die Mißstände, die aus der Verzögerung herrühren, Schuld der Regierungskoalition sind.
Denn daß bei einer auf mehrere Jahre schon vorausgehenden, sorgfältigen, auf Rechtsgrundlagen möglich gewesenen Vorarbeit manche Mißstände überhaupt nicht aufgetreten wären, glaube ich, steht außer Zweifel. Aber der Kollege Blank hat seinerzeit mit gutem Recht gesagt: Bevor einwandfreie Grundlagen erarbeitet sind, werde ich mich hüten, etwa im Zwielicht eines nicht geschaffenen Rechts ernsthafte Vorbereitungsarbeiten zu treffen. Das muß zu seiner Rechtfertigung heute auch hier gerade von mir gesagt werden, der ich das Ausmaß seiner Arbeit und die unübersehbare Zahl der ihm entgegengestandenen Schwierigkeiten heute sehr gut beurteilen kann.
Wenn aber ohne Zweifel — und darin haben Sie recht, Kollege Schmidt — Änderungen notwendig geworden sind und auch Änderungen kommen werden, dann habe ich jetzt den Vorteil, daß ein Jahr Erfahrung in der Arbeit des Ministeriums und etwa zehnmonatige Erfahrungen im Aufbau der Truppe vorliegen. Man wäre töricht, wenn man Erfahrungen nicht zur Kenntnis nähme und wenn man an früher einmal bezogenen technischen Standpunkten einfach festhielte, ohne die sich in der Zwischenzeit bietenden Erfahrungen auszunutzen. Das würden Sie an meiner Stelle genauso tun, und ich muß es ebenfalls tun.
Ich darf Sie auf einen kleinen Irrtum hinsichtlich meiner gestrigen Ausführungen in der Pressekonferenz über die Panzer hinweisen. Ich habe nicht gesagt, daß der Kauf der Panzer nochmals den Bundestagsausschüssen zur Entscheidung überlassen werden solle. Denn diese Bundestagsausschüsse würden es mit Recht als lästig oder als verfehlt empfinden, wenn sie nach einer einmal getroffenen Entscheidung sich nochmals damit befassen müßten. Wohl aber habe ich gestern gesagt, daß die Bundesregierung bisher von der Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht habe, und ferner, daß sie, bevor sie von der Ermächtigung — da ja die Ermächtigung an keinen Typ gebunden ist -- Gebrauch machen werde, dem Beschaffungsausschuß des Verteidigungsausschusses und, wenn gewünscht, dem ganzen Verteidigungsausschuß noch einmal die Möglichkeit geben wolle, sich persönlich einen Eindruck zu verschaffen, welche der von uns in einer Vorführung vorzeigbaren Typen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten für die Verwendung in der Bundeswehr am besten eignen würden. Diese Vorführung wird von uns zur Zeit erst vorbereitet und wird nach dem Stand der Dinge in der letzten Dekade des Monats November auch tatsächlich durchgeführt werden. Dabei sollen die Nachteile und Vorteile, die sich bei jeder Entscheidung ergeben, noch einmal zumindest denen zur Kenntnis gebracht werden, die seinerzeit die Ermächtigung gegeben haben. Es wird sich herausstellen, daß es bei keiner Entscheidung nur Vorteile gibt. Man muß hier abwägen, bei welcher Entscheidung das
Ausmaß der Vorteile größer ist als das Ausmaß der Nachteile. Davon verstehen Sie mindestens genausoviel wie ich, Kollege Schmidt.
Ich darf dann noch eine andere vielleicht irreführende Meinung klarstellen. Es ist richtig, daß eine moderne Luftwaffe, wie der Leiter der Abteilung Luftwaffe gestern in dem zuständigen Ausschuß ausgeführt hat, nicht unterhalb einer Zeit von vier bis fünf Jahren geschaffen werden kann. Sie haben aber meine gestrige Pressekonferenz offensichtlich sehr genau gelesen. Darin habe ich betont, daß wir als Aufstellungsprinzip jetzt nur mehr die Methode verfolgen können, jeweils fertige Einheiten bis zu einem hohen Maße ihrer Soll-Stärke aufzustellen, die auch dann der NATO gegenüber als fertige deutsche Verbände gemeldet werden können. Das heißt, daß die Kampfbereitschaft oder Verwendungsbereitschaft oder Verteidigungsbereitschaft bis zum Jahre 1960 natürlich nur für gewisse Einheiten gilt. Unterhalb dieser Zeit werden gewisse Einheiten auch bei der Luftwaffe beschränkt verteidigungsfähig sein. Aber die Jahreszahl 1960 stimmt für den von Ihnen angegebenen Fall.
Um eines allerdings bitte ich Sie: nicht einen „Skandal" — ich sage das jetzt in Anführungszeichen — Nr. 4 von Ihrer Seite zu provozieren. Es war die Rede von einem Panzerskandal, dann kam prompt der Luftwaffenskandal — der in keinem Skandal bestand —, dann kam prompt der Marineskandal, der ebenfalls nur eine Illusion war. Jetzt würden Sie einen Flakskandal bringen, wenn Sie nämlich vorschlügen, die Fliegerabwehrschulen mit schweren Flakkanonen auszurüsten, und wenn die Bundesregierung dafür wäre, für die Produktion oder die Beschaffung solcher Kanonen aus dem Ausland große Summen zur Verfügung zu stellen. Ich höre Sie im Geiste schon reden, was Sie über diese „Flakplanung für den ersten Weltkrieg" in der Bundeswehr sagen würden.
Ich darf noch eine Bemerkung zu Ihrer Behauptung, Herr Kollege Schmidt, machen, daß Leute zur Bundeswehr eingezogen worden sind, die Uniform erhalten haben, dann mit allen Rechten und Pflichten Soldaten sind, aber sich gleichwohl nicht in militärischen Gemeinschaften befinden, sondern sozusagen auf Abruf in Urlaub geschickt worden seien.
— Ja, mit allen Rechten und Pflichten, das meinte ich: das Gehalt beziehen. Ich habe wenige Stunden nach der Übernahme des Ministeriums an die dafür zuständigen Beamten und Soldaten die Frage gerichtet, mir Auskunft darüber auf Dienstpflicht zu geben. Ich habe auf Dienstpflicht die Auskunft erhalten, und ich habe sie mir jetzt nochmals durch Rückfrage bei allen dafür zuständigen Beamten geben lassen. Ihre Angabe ist nicht richtig.
Ich behaupte nicht, daß Sie etwa bewußt die Unwahrheit gesagt hätten; in diesen Räumen vollzieht sich manches, was man nicht so von heute auf morgen nachprüfen kann, und bei einem Ministerium von diesen Ausmaßen ist für den Minister — das gilt für den Vorgänger und für mich — nicht gleich alles innerhalb von Minuten oder auch von Stunden übersehbar. Ich bitte Sie aber herzlich, geben Sie mir Ihre Anhaltspunkte, und ich gebe
Ihnen die Möglichkeit einer Aussprache mit den dafür zuständigen Beamten und Offizieren, damit festgestellt wird, ob Sie recht gehabt haben oder ob mir eine unrichtige Auskunft gegeben worden ist. Einen anderen Standpunkt kann ich im Augenblick nicht einnehmen.
Ich teile in folgendem völlig Ihre Auffassung. Helfen Sie, tragen Sie dazu bei, daß die von Ihnen genannten Gesetze, insbesondere die Gesetze, die den Soldaten in seiner sozialen und wirtschaftlichen Existenz betreffen, möglichst rasch verabschiedet werden, damit wir so der Bundeswehr auch ein, ich möchte sagen, menschlich, seelisch und sozial festes Fundament geben.
In bezug auf das Ersatzdienstgesetz, wie es leider heißt, können Sie völlig von folgendem überzeugt sein. — Ich würde das Gesetz ja anders nennen, nämlich Gesetz über die Ausübung des verfassungsmäßigen Rechtes der Kriegsdienstverweigerung, denn der Ersatzdienst ist nur eine Konsequenz, die daraus gezogen wird. Wir werden deshalb vielleicht bei diesem Gesetz die Terminologie noch etwas ändern müssen. — Ich gebe Ihnen die bindende Erklärung ab, daß kein Wehrpflichtiger gegen seinen Willen eingezogen werden wird, bevor dieses Gesetz klare Rechtsgrundlagen geschaffen hat. Ohne diese Rechtsgrundlagen ist die Durchführung der Wehrpflicht nicht möglich, wenn nicht unübersehbare neue Schwierigkeiten auftreten sollen.
Herr Kollege Schmidt, ich glaube, ich habe damit die meisten der von Ihnen erhobenen Einwände erwähnt. Ich darf vielleicht noch ein Wort über die Kriegsdienstverweigerer sagen. Über dieses Problem sind im Für und Wider ohne jeden Zweifel viele Worte oft mit falschem Zungenschlag gebraucht worden. Wir müssen vor den ethischen Motiven derer, die den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen verweigern, den Respekt haben, der ihnen nach der Verfassung und der ihnen auch auf Grund des Rechts zukommt, das jeder Mensch mit einer fundierten Überzeugung für sich beanspruchen kann.
Aber ebenso wie Sie verlangen, daß die Motive dieser Leute respektiert werden, verlangen wir, daß die Motive der anderen, die zum Verteidigungsdienst mit der Waffe in der Hand bereit sind, nicht in den Dreck gezogen werden.
Sie haben mit Recht gesagt, daß die SPD keine Partei der Kriegsdienstverweigerer sei.
— Nein, sicherlich nicht. Ich sagte: Sie haben mit Recht gesagt . . . Aber wenn ein Mitglied Ihrer Fraktion beispielsweise sagte, daß die Verweigerung der Wehrpflicht identisch sei mit der Weigerung zur Ausbildung von Massenmördern, — —
— Ich kann mich nur hierauf beziehen. Dann bitte ich dringend um eine Berichtigung; denn das hat
ein derartiges Maß an Ärger und an Erbitterung geschaffen, — —
— Herr Kollege Arndt, ich habe hier die Quelle dabei. Ich weiß selbst, wie leicht es einem unterläuft, falsch zitiert zu werden. Auch das unterstelle ich. Ich bitte um nichts anderes — und zwar nicht von meiner parteipolitischen Einstellung her, sondern von dem Amt und dessen Aufgaben her, die ich zu vertreten habe —, als daß möglichst bald in der Öffentlichkeit diese verhängnisvolle Äußerung dementiert und der wahre Wortlaut bekanntgegeben wird. Um nichts anderes bitte ich, und das, glaube ich, darf ich sagen.
— Das paßt dann völlig in die in meinen Ausführungen gewünschte und erbetene Grundhaltung hinein, daß wir — die wir Anhänger des aktiven Verteidigungsgedankens sind — uns verpflichten müssen, die ethischen Motive der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anzuerkennen, daß wir aber auch von ihnen verlangen müssen, daß sie unsere Motive genau so anerkennen.
Deshalb, meine Damen und Herren von der SPD, glaube ich, sollten wir uns hüten, uns über die Anwendung des Gewissens büromäßig zu orientieren, wie es heute geschieht.
Sie wissen, was ich damit meine. Sie wissen, daß z. B. die Jugendorganisation der SPD, die „Falken", einstimmig beschlossen hat, einen „Hilfsfonds von Mensch zu Mensch" zu schaffen, um den jungen Staatsbürger über sein Recht als Wehrpflichtiger und Wehrdienstverweigerer systematisch aufzuklären, zweitens Hilfsmaßnahmen für die Mitglieder dieses Verbands, die den Wehrdienst verweigern wollen, zu treffen. Es ist beschlossen worden, daß Büros geschaffen, daß vorbereitende Schulungslehrgänge usw. — im Zusammenhang damit wird der Name des Herrn Kummernuß genannt — eingerichtet werden sollen. — Wir sollten das individuelle Gewissen seiner eigenen Souveränität überlassen und es nicht büromäßig organisieren. Darin dürften wir, glaube ich, einig sein.
Ich darf vielleicht damit eine etwas humorvolle Bemerkung verbinden. Sie haben von der nächsten Bundesregierung gesprochen, und dabei sind, wenn auch unausgesprochen, heute hier schon sehr klare Vorstellungen angeklungen. Ich glaube, es wäre Ihnen sehr willkommen, Herr Kollege Schmidt, wenn diese kommende Bundesregierung — ich gebrauche jetzt Ihre Worte —, mag sie zusammengesetzt sein, wie sie will, von den Geistern wieder loskommen würde, die die Opposition von heute in der letzten Zeit manchmal wachgerufen hat.
Denn auch Sie würden in der Verantwortung vor ganz schweren Entscheidungen stehen, vor Entscheidungen, die auszustehen viel schwerer ist, als Argumente in Versammlungen zu finden oder auch als Argumente im Parlament vorzutragen sind. Ich möchte Sie eigentlich nicht daran erinnern, daß die Österreicher und Ihre österreichischen Gesinnungsfreunde in der Frage der Wehrpflicht eine ganz andere Haltung eingenommen haben, daß der österreichische Bundeskanzler auf die Frage, warum es in Österreich so reibungslos gehe, die Antwort gegeben hat: „Wir hahn halt a Tradition!"
Ich sagte, Sie würden vor denselben schwerwiegenden Entscheidungen stehen wie wir heute. Ich darf Ihnen doch ohne jede Übertreibung unterstellen, daß auch Sie ein ohne jede Sicherheitsgarantie ausgestattetes, zwischen den Militärmächten der Welt stehendes, auf sich allein angewiesenes Deutschland am Rande des Sowjetblocks nicht für sicher vor einer Aggression erklären würden, — um mich sehr maßvoll auszudrücken. Ich glaube nicht, daß die Haltung Ihrer Freunde so ausgelegt werden kann, man dürfe den Sowjets den Rückzug jetzt nicht so schwer machen, denn wenn man sie nur sich selbst überließe und wenn man sie möglichst nicht provozierte, würden sie eines Tages ganz freiwillig jenseits der Satellitenstaaten verschwinden. Wir glauben das nicht. Zumindest können wir das so lange nicht glauben, als Sie das nicht durch glaubhafte Tatsachen bewiesen haben. Ich möchte hier gar keine pathetischen oder übertriebenen Darstellungen geben.
Sie würden deshalb vor derselben Frage stehen. Sie müßten erstens annehmen, daß angesichts der Existenz von 6000 Panzern in der Sowjetzone eine echte potentielle Bedrohung der Bundesrepublik bei der gegebenen politischen Lage nicht geleugnet werden kann; ich glaube, Sie müßten zweitens anerkennen, daß die Bundesrepublik allein und unbewaffnet auf keinen Fall etwas dagegen tun könnte, und Sie müßten drittens sogar anerkennen, daß eine neutrale Bundesrepublik keine noch so große Wehrmacht auch nur aufstellen könnte, die dieser potentiellen Bedrohung mit einer glaubhaften Abschreckungskraft gewachsen wäre. Sie kämen dann viertens zu dem Schluß, daß wir von den großen Weltmächten geschützt werden müßten, daß wir aber das Risiko und die Lasten einer solchen Sicherheitsbereitschaft, einer solchen Sicherheitsgarantie den Weltmächten nur dann zumuten könnten — ihren Wählern und ihren demokratischen Systemen —, wenn wir ein gleiches Maß nicht nur an Vorteilen, sondern mindestens auch ein gleiches Maß an Pflichten auf uns zu nehmen bereit wären.
Ich darf schließen mit einem kleinen Zitat. Sie haben sich beschwert — ich kenne die Vorgänge nicht —, daß die Vertreter der Opposition in Sonthofen nicht die Möglichkeit hatten, genau so zu reden. Ich weiß nicht, ob es bei der Einweihung war oder während der Lehrgänge. Ich glaube, daß Sie, was den Rahmen Ihrer Partei betrifft, den bayerischen Ministerpräsidenten als Mitglied der
Opposition jedenfalls noch anerkennen würden — er war dort anwesend —;
er hat nach einer vom Bundesverteidigungsministerium veröffentlichten Broschüre folgendes gesagt:
Wehrhaftigkeit eines Volkes ist seit uralten Zeiten ein notwendiger Bestandteil seiner Freiheit. Es war deshalb zweifellos über das Ziel hinausgeschossen, als man dem deutschen Volke die Wehrhaftigkeit austreiben wollte. Das hätte für nicht voraussehbare Zeiten die Abhängigkeit Deutschlands von seinen Beschützern bedeutet,
— d. h. in ihr diskretionäres Ermessen gestellt, wenn ich Herrn Hoegner kommentieren darf, ob sie uns beschützen wollen oder nicht. —
Ich habe im Bayrischen Landtag
— fuhr Herr Hoegner fort —
bereits im Jahre 1947 in einem Ausschuß erklärt, der Tag wird kommen, an dem die Leistungen des deutschen Soldaten wieder mit anderen Augen, wieder gerecht betrachtet werden. Dieser Tag ist angebrochen.
Die Besatzungsmächte, heute unsere Verbündeten, wünschten die Wiederaufstellung einer deutschen Wehrmacht. Der deutsche Philosoph Kant hat zwar vor rund 170 Jahren eine Abhandlung über den ewigen Frieden geschrieben; aber wie der Verlauf der Geschichte zeigt, sind wir diesem Ideal bis heute noch nicht recht viel nähergekommen.
Das war eine richtige sozialdemokratische Prophezeiung.
Jedenfalls ist die Wehrhaftigkeit eines Volkes heute noch notwendig; schon deswegen, um etwaige Angreifer von vornherein abzuschrecken. Dies und nichts anderes ist vor allem Aufgabe einer bewaffneten Macht.
Parlamentarische Regierung und Bundeswehr dürften sich nicht als Fremde gegenüberstehen, sagte er weiter.
Vielmehr ist es notwendig, daß beide zueinander ... in einem Vertrauensverhältnis stehen und sich stets bewußt sind, daß beide, Regierung und Wehrmacht, das gleiche Ziel verfolgen: Über alle Tagesmeinungen und Parteien hinweg das Wohl des gesamten deutschen Volkes!
Dieser Bitte des Herrn Ministerpräsidenten Hoegner darf ich mich im Namen der Bundesregierung in vollem Umfang anschließen.