Rede von
Helmut
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr von Manteuffel, jetzt muß ich also Ihrem Gedächtnis aufhelfen. Von der Mehrheit der Ausschüsse war auf Antrag des Herrn Kollegen Berendsen eine Empfehlung angenommen, statt des M 47 den M 48 zu kaufen. Was Herr Strauß gestern ausgeführt hat, bezog sich aber z. B. auch auf die beiden englischen Panzertypen, die noch im Spiele sind, und auf andere Variationsmöglichkeiten. Aber ich glaube nicht, daß wir dem Herrn Minister einen Dienst tun, wenn wir den Versuch, bei den Panzern zu einer vernünftigen Planung zu kommen, im Parlament völlig zerreden;
aber vielleicht war das ja Ihre Absicht!
Ich habe große Zweifel, ob es dem jetzigen Verteidigungsminister gelingen wird, die von ihm offenbar gefaßten guten Vorsätze auf die Dauer durchzuhalten gegenüber dem treibenden, antreibenden Willen gewisser Kreise der Regierungsfraktion.
Ich möchte mich aber nun, meine Damen und Herren, zunächst einmal auf die Vorlage selbst beschränken. Wenn Sie die leitenden Offiziere des Verteidigungsministeriums fragen, so merken Sie, daß bei denen kein Zweifel darüber vorhanden ist, daß die Bundeswehr in Wirklichkeit nicht in der Lage ist, im kommenden Frühjahr in nennenswertem Umfange wehrpflichtige Soldaten aufzunehmen; im Gegenteil, wenn der Bundeswehr die Aufnahme von Wehrpflichtigen aus politischen Gründen aufgezwungen werden sollte, so werden diese Soldaten — das haben sie heute schon zum Ausdruck gebracht — das für ein Unglück halten, weil sie den Reifegrad der bisher aufgestellten Truppe kennen.
Der beste Beweis übrigens für die Undurchführbarkeit der alten Pläne — die heutige Vorlage ist ja noch auf dem Boden der alten Pläne gewachsen; das können Sie doch nicht abstreiten — wurde vor vier Wochen erbracht durch den inzwischen auch einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgewordenen Vortrag des Generalleutnants Kammhuber im Verteidigungsausschuß des Bundestags. Kammhuber hat dort gesagt, daß die bisherige Luftwaffenplanung im wesentlichen umgebaut und daß insbesondere die gesetzten Ziele in die Zukunft verschoben werden mußten. Er hat angekündigt, daß
eine einsatzbereite Heimatluftverteidigung nicht vor 1960 erstellt werden kann.
Gleiches gilt — das wissen die militärischen Experten der Koalition genauso gut wie ich — mit Abstufungen für die Marine und für das Heer.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Ausbildungskader, wie sie heute zur Verfügung stehen, in keiner Weise bereits hinreichend auf ihre Ausbildungsaufgabe vorbereitet sind. Eine Reihe von Kollegen haben in der letzten Zeit die Truppen besucht, Schulen und Lehrbataillone. Ich selbst habe z. B. vor 14 Tagen bei einem Besuch der Fla-Schule des Heeres festgestellt, daß sie bisher noch über keine einzige schwere Kanone, sondern nur über leichte Maschinenwaffen bis zu einem Kaliber von 4 cm verfügt, daß die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften selbst dieser Lehrbataillone und dieser Schulen noch nicht einmal mit den vorhandenen leichten Waffen einen einzigen scharfen Schuß abgegeben haben,
daß die vollständige Ausrüstung der Schule auch keineswegs etwa schon in der nächsten Woche bevorsteht. So sieht es doch praktisch bei verschiedensten Schulen und Lehrtruppen aus. Die Beispiele dafür sind Legion. Ich könnte eine ganze Menge darüber zitieren.
Es handelt sich aber nicht nur darum, daß die Ausbildungseinrichtungen nicht rechtzeitig mit Waffen, Ausrüstungsgerät und Fahrzeugen versorgt sind, an denen ausgebildet und geübt werden muß, sondern es handelt sich darum, daß die ausbildenden Unteroffiziere und Offiziere selbst in ihrem Auftreten als Ausbilder noch keineswegs die nötige Sicherheit haben, daß sie sich noch gar nicht zusammengefunden haben. Auch gerade für die alten Soldaten hat das Eingewöhnen noch keineswegs zu einem ausreichenden Erfolg geführt.
Hier komme ich zu einem sehr wichtigen Punkt, meine Damen und Herren. Wir haben sehr begründete Zweifel — und ich glaube, sie werden geteilt auch von Herrn Berendsen und Herrn Dr. Jaeger, die sich gerade unterhalten —, daß das Unteroffizierskorps in seiner heutigen Prägung bereits für die Aufnahme von Wehrpflichtsoldaten geeignet ist. Das Unteroffizierskorps der Bundeswehr ist in seiner heutigen Gestalt geradezu die Achillesferse dieser Bundeswehr, -- wenn ich mich so ausdrükken darf. Es gibt hier eine Reihe von Gründen. Zunächst einmal die schon von Minister Strauß erwähnte Tatsache, daß die Besoldung der Unteroffiziere absolut unzureichend ist, wenn man sie vergleicht mit den Löhnen und Gehältern, die heute in der Industrie bezahlt werden müssen. Das hat dazu geführt, daß leider gerade beim Unteroffizierkorps ein großer Teil der eingestellten Freiwilligen tatsächlich nur zur Bundeswehr gekommen ist, um seine Versorgung sicherzustellen, weil man eben im Zivilleben nicht entsprechend reüssiert war. Die Soldaten selbst haben für diesen Typus bereits sehr abfällige Schlagwortbezeichnungen erfunden.
Ich darf einmal ein paar Sätze aus einer Denkschrift der Vereinigung der Unteroffiziere im Verteidigungsministerium vorlesen, wenn Sie gestatten, Herr Präsident. Diese Herren schreiben, eine nicht unerhebliche Anzahl unter den Bewerbern sei menschlich und auch charakterlich ungeeignet. Wörtlich heißt es dann weiter:
Es muß angenommen werden, daß den Annahmestellen nicht genügend solche geeigneten Bewerber zur Überprüfung zur Verfügung stehen, . . . Beobachtungen verschiedenster Art lassen erkennen, daß das erwünschte Niveau unter den zur Zeit gegebenen Voraussetzungen nicht erreicht wird.
Oder ich darf zitieren aus einem Bericht, ,den der Abgeordnete Stingl gemeinsam mit dem Abgeordneten Frenzel unterschrieben hat. Dort steht folgendes:
Es wird als außerordentlich mangelhaft empfunden, daß die Annahmestellen zuwenig Auskünfte über die zukünftige Besoldung geben können. Im übrigen wurde mit Nachdruck und mehrfach darauf hingewiesen, daß der Staat kaum verlangen könne, daß jemand sich verpflichtet, in der Bundeswehr zu bleiben, wenn nicht alsbald eine klare Besoldungsordnung geschaffen werde.
Und dann folgen eine Reihe von Einzelheiten.
Oder ich zitiere aus einer Denkschrift des Bundeswehrverbandes, der mit Recht sagt:
Nicht zuletzt wird es von den Fähigkeiten, dem Charakter und dem pädagogischen Geschick der Unteroffiziere abhängen, welchen Geist und welches Gesicht die Truppe einmal haben wird, . . .
In dieser Denkschrift wird im übrigen wiederum Klage geführt über die unzureichenden sozialen, besoldungsmäßigen Voraussetzungen für das Unteroffizierskorps.
Bisher ist also im Unteroffizierskorps eine befriedigende Auslese leider nicht möglich gewesen. Hier muß zu allererst etwas getan werden, wenn man mit diesem gegenwärtigen Unteroffizierskorps im Ernst Wehrpflichtsoldaten ausbilden will. Sie können doch nun einmal nicht vor unwillige Wehrpflichtige auch noch mißmutige Unteroffiziere stellen, zumal die Unteroffiziere der heutigen Diskussionsfreudigkeit und dem Freimut der Jugend gar nicht recht gewachsen sind und häufig nur versuchen können — das ist die Zwangslage, in der sie sich befinden —, ,dieses Handikap wettzumachen durch besonders forciertes militärisches Auftreten. Ich möchte niemandem nahetreten. Aber ich glaube, die Beobachtung wird allgemein geteilt, daß diese Gefahr besonders naheliegt und besonders in denjenigen Einheiten schon in Erscheinung tritt, die aus früheren Bundesgrenzschutzverbänden aufgestellt worden sind.
Eine der wichtigsten gesetzgeberischen Voraussetzungen für die Einziehung von Soldaten ist also zunächst einmal die Schaffung einer Besoldungsregelung und die Sorge dafür, daß in dieser endgültigen Besoldungsregelung günstigere Möglichkeiten für die Unterführer geschaffen werden als bisher. Ein Teil der Mitglieder des Verteidigungsausschusses hat gestern die hochspezialisierten Nachrichtengeräte besichtigt, die in Zukunft von Unteroffizieren, zum Teil sogar nur von Mannschaften gewartet, ersetzt, repariert, verwaltet werden sollen. Wenn man sich vorstellt, daß diese Unteroffiziere und Stabsunteroffiziere das zu den gegenwärtigen Gehältern machen sollen, wenn man sich vorstellt, daß jemand, der diese hochspezialisierte Technik gelernt hat, auf die Dauer bei der Bundeswehr bleiben soll, wenn er dafür so schlecht besoldet wird, dann, muß ich sagen, halte ich es für sehr wahrscheinlich, daß er bei wesent-
lich günstigeren Angeboten der Industrie die Bundeswehr wieder verläßt. Oder umgekehrt gesagt: Von einem Facharbeiter, einem Könner auf seinem Gebiet, einem Handwerker, der etwas leistet, kann man heute wirklich kaum erwarten, daß er sich ,als Unteroffizier zur Bundeswehr meldet.
Das wird auch vom Ministerium zugegeben. Ich habe eine Stellungnahme vom 2. November dieses Jahres hier, in der das Ministerium schreibt, es sei durchaus verständlich, daß die Truppe immer mehr ,darauf dränge, endlich eine endgültige Besoldung zu erhalten. Ehe jedoch nicht das Besoldungsgesetz vorliege, könne den Soldaten leider keine verbindliche Angabe über ihre künftige Besoldung gemacht werden. So also heute vor fünf Tagen das Verteidigungsministerium. Die Vorsorge und die Fürsorge gerade für das Unteroffizierskorps müssen nicht nur aus sozialen Gründen — auch aus diesen —, sondern auch aus rein militärischen Gründen, aus Gründen des inneren Gefüges der zukünftigen Truppe wesentlich verstärkt werden. Hier müssen institutionell Änderungen eintreten, wenn das Unteroffizierskorps geeignet sein soll, mit wehrpflichtigen Soldaten umzugehen. Wir sind uns doch völlig darüber klar, und auch die Unteroffiziere sind sich darüber klar -- sie fühlen sich deshalb auch nicht ganz wohl in ihrer Haut bei der Vorstellung, es nun sehr bald womöglich mit Wehrpflichtigen zu tun zu haben —, daß es sich dann um durchaus andere Menschen handeln wird als bei den Mannschaften, die als Freiwillige sich mit einem gewissen Schuß Optimismus zur Bundeswehr gemeldet haben.
Aber ich muß bei dieser Gelegenheit auch etwas sagen über den gegenwärtig erreichten Befähigungsstand der Kommandeure und Kompaniechefs. Ich glaube, daß auch auf diesem Gebiet keineswegs ein Reifegrad erreicht ist, der es verantworten ließe, sie nunmehr zu Kompanie- und Bataillonsführern von Wehrpflichtigen zu machen. Selbst bei Spitzenoffizieren ist im Gespräch häufig zu beobachten — ohne daß ich ,dabei irgendeine bestimmte Richtung andeuten will —, daß ihnen noch ein Mindestmaß an sozialen, wirtschaftlichen und politischen Vorstellungen fehlt.
In diesem Zusammenhang müssen wir beklagen, daß aus Zeitnot, weil man glaubt, die Pläne nicht schnell genug erfüllen zu können, beispielsweise die Sonthofener Lehrgänge inzwischen ausgefallen sind und nicht mehr stattfinden. Dabei muß einmal gesagt werden, daß man entgegen früherer Absicht vermieden hat, Angehörige der Opposition zu Vorträgen einzuladen und diese dort in Sonthofen zu den Kommandeuren sprechen zu lassen. Man hat das damit begründet, dafür sei nicht Zeit genug, und hat statt dessen zu Loyalität gegenüber ihrer Regierung verpflichtete hohe Beamte aus den Bundesministerien für diese Vorträge gewonnen, z. B. Herrn Professor Grewe und ähnliche Herren. Das ist aber nun weiß Gott nicht das, was Sie — —
— Ich wußte das nicht, ich bin für diese Ergänzung dankbar.
— Das ist offenbar die Schwalbe, die den Sommer aber noch nicht macht.
— Ich weiß es, und ich beanstande -das, Herr Bausch. Insbesondere deshalb haben wir, glaube ich, ein Recht dazu, das zu beanstanden, weil das vor einiger Zeit versprochen und verabredet gewesen war.
In denselben Sektor wie die Besoldung fällt die Tatsache, daß wir bisher immer noch kein Soldatenversorgungsgesetz haben. Auch hier handelt es sich ,an erster Stelle um ein Problem der zukünftigen Unteroffiziere. Die Unteroffiziere und Stabsunteroffiziere, die nur Soldaten auf Zeit sind, müssen wissen, was ihr Status ist für den Zeitpunkt ihrer Entlassung. Dasselbe Problem liegt vor bei den Wohnungen für die verheirateten Berufssoldaten, und das gleiche Problem besteht in bezug auf die bisher nicht getroffene Regelung für die Fortbildungsmöglichkeiten, die Ergänzung der Allgemeinbildung, der Berufssoldaten usw. Auch der Dienstpflichtige kann verlangen, ,daß die Versorgung vorher geregelt wird, daß vorher geregelt wird, welche Rechte ihm beispielsweise für den Fall einer Wehrdienstbeschädigung zustehen. Ebenso hat der Wehrpflichtige ein Recht darauf, daß vorher die gesetzliche Sicherung seines Arbeitsplatzes erfolgt. So gibt es eine Reihe von gesetzgeberischen Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen.
Dabei liegt uns ganz besonders am Herzen, daß zunächst einmal das Gesetz über den Ersatzdienst für die Wehrpflichtigen hier beraten und verabschiedet wird. Vor welche Situation wollen Sie denn eigentlich den Wehrdienstverweigerer stellen, den Sie hier einziehen wollen, obwohl das Rechtsverfahren für ihn und alle diese Dinge noch ungeregelt sind. Das Gesetz fehlt doch noch.
Die harten Auseinandersetzungen, Herr Berendsen, über die Frage, wie das Recht der Wehrdienstverweigerer geregelt werden soll — Auseinandersetzungen nicht nur hier in jener denkwürdigen Nacht vom 6. zum 7. Juli, sondern auch in der Öffentlichkeit —, müssen ,doch auch Ihnen ein Gefühl dafür gegeben haben, daß die Einziehung von Wehrpflichtigen wirklich erst dann in Frage kommen kann, wenn alle rechtlichen und verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für eine dem Grundgesetz und dem Wehrpflichtgesetz entsprechende Behandlung des Wehrdienstverweigerers gewährleistet ist. Ich brauche bei dieser Gelegenheit nicht noch einmal darauf hinzuweisen, daß wir, gemeinsam mit einigen Abgeordneten auch aus Regierungsfraktionen, nach wie vor der Auffassung sind, daß die im § 25 Ides Wehrpflichtgesetzes getroffene Regelung nicht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz steht.
Ich darf bei dieser Gelegenheit nochmals hervorheben, meine Damen und Herren, daß die Sozialdemokratische Partei nicht aufhören wird, mit allem Ernst und allem Nachdruck für die Rechte der Wehrdienstverweigerer einzutreten.
Weil hier — ich entnehme das aus dem Zwischenruf — gelegentlich von dritter Seite geflissentlich Mißverständnisse in die Welt gesetzt werden, möchte ich hinzufügen, daß ebenso kein Zweifel darüber bestehen kann, daß ,die Sozialdemokratische Partei nicht eine Partei der Wehrdienstverweigerer ist.
Eine weitere Voraussetzung, die geklärt werden muß, ist eine Regelung der ärztlichen Versorgung. Auch hier könnte ich Berichte zitieren, die von Abgeordneten der Koalitionsparteien unterschrieben sind und die sich über diese Mißstände auslassen. Auch hier könnte ich zitieren, was wir aus dem Bundeswehrverband und ähnlichen Stellen an Schriftstücken bekommen haben. Ich erwähne idas nur, um zu zeigen, daß gerade alle diese Fragen des sozialen und des rechtlichen Status, im besonderen des Unteroffiziers, von erheblicher Bedeutung für das sind, was sich in Zukunft in der Bundeswehr, insbesondere wenn Wehrpflichtige eingezogen werden, entwickeln kann und entwickeln wird.
Ich komme sodann auf einen anderen Punkt der gesetzgeberischen Voraussetzungen, der weniger vom Soldaten oder vom Wehrpflichtsoldaten her als vielmehr vom Politiker, vom Parlament her unbedingt geklärt sein muß, ehe etwa die Einziehung der Freiwilligen beginnt: das ist die Regelung der militärischen Spitzenorganisation, das Organisationsgesetz. Sie wissen: ein entsprechender Entwurf liegt dem Parlament vor. Aber Herr Minister Strauß hat jetzt gebeten, die Beratung noch für vier Wochen auszusetzen, weil er gern einige neue Gedanken vortragen möchte. Ich meine, man sollte ihm nicht nur in diesem Funkt Zeit geben, sondern man sollte ihm auch in den übrigen Punkten des ganzen Wehrthemas, die zur Debatte stehen, Zeit geben, sein Konzept zu entwickeln.
— Es gibt gar keinen Zweifel, Herr Kliesing, daß es nach unserem Willen sehr langsam gehen soll, jedenfalls so langsam, daß Sie keinen Wehrpflichtigen vor dem Wahltag des nächsten Sommers einziehen.
— Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, daß Sie mir diese Bemerkung durch Ihren Zwischenruf entlockt haben, sie stand in meinem Konzept, Herr Kliesing.
Zu diesen staatspolitischen Voraussetzungen gehört ebenso das Gesetz über den Wehrbeauftragten. Auch hier nehme ich an, daß wir uns mit einem großen Teil der Regierungsfraktionen einig sind. Herr Minister Strauß hat gestern 16 Gesetze aufgezählt, die nach seiner Meinung für die Durchführung der Wehrpflicht Voraussetzung sind. Er hat erst an zwölfter Stelle bei dieser Aufzählung
— er fing an mit Besoldung und Versorgung, das hat er heute unterstrichen — das Gesetz gebracht, das wir durch den Geschäftsordnungsantrag des Herrn Kollegen Rasner heute behandeln müssen. Er hat es also offensichtlich nicht für so wichtig gehalten.
— Nein, das ging nicht nach idem Alphabet; es fing mit B an, und der nächste Punkt fing mit V an. Nein, nein, Herr Schneider, so einfach ist es nicht. Wir sind in diesem Punkte mit Herrn Minister Strauß durchaus einverstanden. Die Sozialdemokratie hat durch ihren Parteivorstand bereits am 18. Oktober dieselbe Aufzählung von sich aus vorgenommen und gesagt, das alles müsse noch passieren, ehe man im Ernst an die Einziehung von Wehrpflichtigen denken könne.
Neben diesen gesetzgeberischen Voraussetzungen, meine Damen und Herren, die ungeklärt sind, fehlt es auch an Voraussetzungen tatsächlicher Art. Sie sind doch einfach gar nicht in der Lage, in nennenswertem Umfang Wehrpflichtsoldaten in Ihren Kasernen unterzubringen. Sie haben heute schon eine Reihe von Berichten, aus denen die absolut unzureichende Unterbringung der bisherigen Freiwilligen hervorgeht. Ich zitiere wiederum einen Bericht, den ein Abgeordneter der CDU/CSU unterschrieben hat:
Die Unterbringung entspricht nicht unseren Vorstellungen. Es gibt kaum Unterbringung in Einzelzimmern, auch nicht für Offiziere. Viele Zimmer haben zuwenig Sitzgelegenheiten, keine Tische und zuwenig Spinde.
Und so geht es weiter. Dann heißt es:
Als Ausweichquartier bei noch größerer Belegung des Flugplatzes
— der da besichtigt worden ist —
sind die Dachgeschosse zur Unterbringung von Lehrgangsteilnehmern vorgesehen. Diese langgestreckten, nicht unterteilten Räume haben viel zuwenig Belüftungsmöglichkeit. Insbesondere in den Waschräumen und Toiletten ist ein völlig muffiger Geruch.
Darunter steht der Name eines CDU-Abgeordneten. Sie wissen, daß wir eine Unmasse solcher Berichte und Eindrücke haben. Meine Damen und Herren, alle Mitglieder im Verteidigungsausschuß wissen das.
Ich darf Ihnen, damit das Bild vollständig wird, noch vorlesen, was Ihr Fraktionskollege Gerns als Abschlußbericht über eine Bereisung sämtlicher Kasernerments des Landes Schleswig-Holstein unterschrieben hat. Da schreibt Herr Gerns:
Im Verlauf der Besprechungen ergab sich, daß die gesetzten Termine bei den Neubauten nicht eingehalten werden können. Mit einer Verzögerung bis zu zwölf Monaten muß gerechnet werden.
Das gilt z. B. für die Tatsache, daß Sie nicht in der Lage sind, die Familien, die in den Kasernen wohnen, einfach auf die Straße zu setzen, und daß der Ersatzwohnungsbau einfach viel zu langsam 'anläuft und frühestens 'im Herbst nächsten Jahres ein erstes Teilziel auf diesem Gebiet erreicht werden kann. — Da Sie mir einen Zwischenruf gemacht haben, Herr Seffrin, erinnere ich Sie an das, was wir gemeinsam in dieser zukünftigen -- wie ich bedaure — Panzerkaserne Fischbeck erlebt haben, wo sich an Ort und Stelle herausstellte, daß die Planungen des Verteidigungsministeriums um eineinhalb Jahre vor der Wirklichkeit herliefen.
Das Ministerium bemüht sich, diese Mißstände abzustellen, und das wird zweifellos in einiger Zeit nach und nach auch gelingen. Ich habe ein besonders nettes Beispiel dieses Bemühens selber erlebt, als ein leibhaftiger aktiver Generalmajor sich im Gespräch darüber beschwerte, daß er mehrfach selber habe eingreifen müssen, damit in einer be-
stimmte Kaserne endlich eine bestimmte Dachrinne repariert werden konnte.