Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Pitz zur Begründung des Antrags Drucksache 2672.
Frau Pitz , Antragstellerin: Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion erlaubt sich, Ihnen mit der Drucksache 2672 einen Reformvorschlag für das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit vorzulegen. Wir sind uns darüber klar, daß der beste Jugendschutz die gesunde Familie und das saubere Klima in der Öffentlichkeit sind. Als 1951 das jetzt geltende Jugendschutzgesetz verabschiedet wurde, bedeutete das einen ersten Schritt in ein bis dahin ungesichertes Gebiet hinein. Der Gesetzgeber von 1951 hat das unbestreitbare Verdienst, den Jugendschutz im allgemeinen im Rahmen der allgemeinen Neuordnung überhaupt gesetzlich gesichert zu haben. Bis dahin beruhte der Jugendschutz auf einer Polizeiverordnung von 1943, die der vollkommene Ausdruck eines längst überholten polizeistaatlichen Denkens war. Das Jugendschutzgesetz trägt demgegenüber ausdrücklich Erziehungscharakter. Das war das Große und das Neue daran.
Die Novelle, die wir Ihnen jetzt vorlegen, verläßt diese Linie nicht. Der Jugendliche bleibt Objekt des Schutzes; aber der Schutz ist gegenüber dem Gesetz von 1951 erweitert, weil sich im Laufe der Zeit und nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, herausgestellt hat, daß Lücken und Unzulänglichkeiten in diesem Gesetz bestehen, die
ausgeglichen werden müssen. Die kritischen Stimmen sind seit der Verabschiedung des Gesetzes auch nicht verstummt. Schon der Kommentator Potrykus rügte kurz nach der Verabschiedung das Gesetz. Trotzdem handelte der Gesetzgeber damals nach bestem Wissen. Er hegte die Hoffnung, daß die Kräfte der Abwehr gegen die schädigenden Einflüsse von selbst wachsen würden. Man hoffte auch auf eine gute Entwicklung des deutschen Films, der sich damals erst in den ersten Ansätzen zeigte, und vor allen Dingen vertraute man darauf, daß Vernunft und Verantwortungsbewußtsein die Vergnügungsindustrie, die heute schon einmal zitiert worden Ist, in vertretbaren Grenzen halten würden.
Diese Hoffnungen haben sich aber nicht erfüllt. Das Klima in der Öffentlichkeit ist zum Teil rücksichtslos, und es bietet im Hinblick auf die jungen Menschen vielerlei Gefährdungen, gegen die wir sie schützen müssen. Die Erziehungskraft der Familie ist oft geschwächt. Das liegt an einer soziologischen Wandlung. Die Jugendlichen entwachsen schneller dem bergenden Raum. Das liegt teilweise an einem veränderten Rhythmus der biologischen Entwicklung der Jugend, die hier auch schon angesprochen worden ist; aber sie entwächst diesem bergenden Raum keineswegs als fertiger Mensch; sie entwächst ihm in einem absolut schutzbedürftigen Zustand. Den Bereich, den die Familie zu schützen nicht mehr in der Lage ist, muß der Gesetzgeber schützen.
Nach dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz hat jedes Kind das Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit. Dieses Recht muß gewährleistet sein, und dazu gehört der Schutz gegen die schädigenden Einflüsse aus dem öffentlichen Raum. Diese Schädigungen brauchen nicht erst wissenschaftlich belegt zu sein; das Kind braucht nicht erst in den Brunnen gefallen zu sein; schon die Wahrscheinlichkeit der Schäden zwingt den Gesetzgeber, Maßnahmen zu ergreifen, zumindest in diesem Fall die Maßnahmen, die bereits getroffen sind, zu verbessern. Vor allen Dingen konzentriert sich das nun auf einen bestimmten Bereich der Schädigungen, das sind Film, Glücksspiel, Automaten, und es konzentriert sich nach der andern Seite dieser Reform auf die Begriffsdefinition Jugendlicher und Erziehungsberechtigter.
Zu den Organisationen und Gruppen, die im öffentlichen Raum die Diskussion über dieses Thema aufgegriffen haben, gehörten in erster Linie die Arbeitsgemeinschaft Jugendpflege und Jugendfürsorge, die sich in vielen Tagungen damit befaßt hat, aber auch die Tagung des Bundeskriminalamts in Wiesbaden. Professor Villinger sagte da aus, daß das werdende Weltbild unserer Kinder mehr vom Film als von Elternhaus und Schule her bestimmt werde.
Die Tagung der Jugendpsychologen der Länder 1954 forderte die Reform der Altersstufen für den Film im Sinne einer phasengerechten Begrenzung, die Heraufsetzung der allgemeinen Altersgrenze und den Ausschluß von Kindern unter sechs Jahren. Die Referate und Beschlüsse dieser Tagung sind in der Schriftenreihe des Wissenschaftlichen Instituts für Jugendfilmfragen in München, Verlag Ehrenwirt, erschienen.
Der Deutsche Jugendgerichtstag in Marburg 1956 stellte fest, daß vor allen Dingen im Zustand der
Verwahrlosung ein stark vermehrter Filmkonsum Jugendlicher zu beobachten sei. Aus der Sicht der Jugendrichter wurde bei dieser Tagung und auch bei der Tagung der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte des Landes Baden-Württemberg folgende Forderung aufgestellt: erstens Heraufsetzung des Schutzalters von 16 auf 18 Jahre, zweitens sachkundigere und gewissenhaftere Handhabung der Filmselbstkontrolle.
Schließlich nenne ich Ihnen noch die Arbeitstagung Jugendschutz in Karlsruhe 1956, die Frankfurter Gespräche über Kinder- und Jugendfilme, die Bundesdelegiertentagung der Jugendfilmklubs im Verband der Deutschen Filmklubs e. V., die vor allem die Bezeichnung „jugendfördernd und jugendgeeignet" von Filmen für Kinder und Jugendliche kritisierte.
Ganz allgemein darf man sagen, daß in Erzieherkreisen, in Kreisen von Elternvertretungen immer wieder Maßnahmen vom Gesetzgeber gefordert werden, die eine gewisse notwendige Schonzeit zwischen Geschlechtsreife und Lebensreife, ein ruhiges Klima, in dem sich die geistig-sittliche Entwicklung vollziehen kann, für die Jugend garantieren.
Die Erforschung der Filmwirkungen auf Kinder und Jugendliche hat auch zu einer beachtlichen Reihe von Veröffentlichungen geführt. Die erste These zur Filmerziehung, mit der Professor Stückrath seine „Psychologie des Filmerlebens in Kindheit und Jugend" beschließt, lautet:
Die Tatsache, daß der filmische Einfluß die Totalität der Person erfaßt und vom frühen Kindesalter bis in die Reifezeit hinein eine deutliche Steigerung erfährt, macht die Filmfrage zu einem ernsten und dringlichen Anliegen der Instanzen, denen der Schutz und die Förderung der Jugend anvertraut sind.
Dieses Wort wiegt besonders, weil es aus dem Munde eines Mannes gesprochen ist, der auf dem Gebiete der Filmforschung große Bedeutung erlangt hat.
Ärzte warnen vor dem Treibhausklima der Verfrühung und der Überforderung, Kriminalpsychologen zeigen einen inneren Zusammenhang zwischen Filmklima und Gefährdung, und die Soziologen warnen im Interesse späterer Lebenstüchtigkeit vor falschen Lebensperspektiven. Aber auch aus dem Gebiete der Praxis darf ich Ihnen sagen, daß die obersten Landesjugendbehörden grundsätzlich den Jugendschutz für nicht ausreichend halten und eine Reform des Jugendschutzgesetzes verlangen.
Auch auf politischer Ebene sind diese Bestrebungen schon sichtbar geworden. Ich darf Sie daran erinnern, daß Anfang dieses Jahres der BHE im Bayerischen Landtag die Anfrage an die Regierung richtete, was sie gegen jugendverderbliche Filme zu tun gedenke, und daß die Regierung durch den Innenminister Geislhöringer geantwortet hat, daß sie selbst dafür Sorge tragen wolle, daß das Jugendalter heraufgesetzt werde. In diesem Zusammenhang wurde auch gesagt, daß der Ministerpräsident Hoegner schon 1954 für eine entsprechende Reform des Jugendschutzgesetzes eingetreten sei.
Für den Bundesgesetzgeber bieten sich aus der jetzigen Situation des Jugendschutzes folgende Gesichtspunkte:
Erstens. Als zusammenfassendes Ergebnis gewissenhafter Forschungen muß festgestellt werden, daß der Film eine Erziehungsmacht von unübersehbarer Bedeutung geworden ist, deren prägende Kraft um so tiefer wirkt, je geringer die geistige Selbständigkeit des Filmbesuchers ist, und das trifft auf die Jugendlichen zu. Das ehrliche Bemühen um einen guten Film soll nicht verkannt werden.
Es ist aber zweitens nicht zu bestreiten, daß der Durchschnittsfilm absolut lebensfremd ist. Er zeichnet ein unechtes und manchmal verlogenes Lebensbild, eine völlig falsche soziale Situation, Wohlstand, Lebenskomfort als Selbstverständlichkeit ohne Mühe und ohne echte Anstrengung. Die klare Linie zwischen Recht und Unrecht wird in diesen jungen, noch völlig ungesicherten Menschen verwischt.
Drittens. Demgegenüber steht nun der Jugendliche von 16 Jahren, und das Gesetz erklärt ihn in bezug auf den Film als erwachsen. Er steht noch mitten in der Reifung. Es fehlt ihm das innere sichere Ordnungsbild. Er sucht gute und große Leitbilder, an denen er sich orientieren möchte. Aber der Film stellt ihm falsche vor. Er sucht Antwort auf seine Probleme und findet fortgesetzt eine Scheinwelt auf der Leinwand.
Viertens. Das Klima der Traumwelt bringt ihm die rauhe Wirklichkeit seiner eigenen Existenz als harten Gegensatz zum Bewußtsein. Er wird unzufrieden und letztlich lebensuntüchtig, denn er stellt sich seinen Schwierigkeiten nicht mehr, um sie zu überwinden, er weicht ihnen mit immer häufigerem Filmbesuch aus.
Fünftens. Der Filmkonsum ist um so intensiver, je weniger gesichert die Lebenssituation des Jugendlichen ist. Statistiken weisen eine erschreckende Häufigkeit des Filmbesuches auf. 1954 betrug die Zahl der Filmbesucher — das ist eine beachtliche Zahl — 733 Millionen; das sind 60 Millionen mehr als im Jahre 1953. Es kommt also zur Nachhaltigkeit des Filmeindrucks auch noch die Wirkung der ständigen Wiederholung irrealer Bilder, die nicht nur das Zustandekommen eines echten Lebensbildes verhindern, sondern darüber hinaus auch in der Lage sind, das, was die Erziehung bis dahin erreicht hat, wieder aufzuweichen und aufzulösen.
Sechstens. Das Phänomen der Akzeleration überdeckt für den flüchtigen Betrachter die wahre Situation, und hier liegt vielleicht auch ein Irrtum des Gesetzgebers von 1951. Die geistig-sittliche Entwicklung unserer Jugend hält mit der beschleunigten körperlichen Reifung nicht Schritt. Sie haben das eben auch von unserem Kollegen Lange gehört, der es im Zusammenhang mit dem Jugendarbeitsschutz betonte. Diesem Umstand der geistigsittlichen Spätreife hat der Gesetzgeber wohl Rechnung getragen bei der Reform des Jugendstrafrechtes. Unter ausdrücklicher Berufung auf diese geistig-sittliche Spätreife findet das Jugendstrafrecht auch Anwendung auf die Heranwachsenden im Alter von 18 bis 21 Jahren. Der eben beendete Jugendgerichtstag in Marburg bestätigte diese Tendenz. Aber die Tendenz auf dem Gebiet des Jugendschutzes lief bisher in absolut entgegengesetzter Richtung. Es muß auch hier dieselbe Begründung gelten. Also deshalb darf keine Einschränkung des Gebiets des Jugendschutzes vorgenommen werden, sondern eher eine Ausdehnung. Mindestens aber muß der alte Zustand, nämlich die Festlegung der
Altersgrenze bei 18 Jahren, wiederhergestellt wer- den. Gerade die Disharmonie zwischen der inneren und äußeren Entwicklung bedeutet eine erhöhte Labilität. Die an sich schon gefährlichen Spannungen in der Reifezeit werden in unverantwortlicher Weise erhöht, wenn man zuläßt, daß diese starken Erregungen krimineller und sexueller Art, wie sie auch sein mögen, auf den Jugendlichen eindringen, mit denen er dann fertig werden muß.
Welche Unsicherheit sich aus der gegenwärtigen Situation mit der Altersgrenze bei 16 Jahren ergibt, wurde durch ein Freigabeverfahren deutlich. Ein Film, der im Arbeitsausschuß der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft freigegeben worden war, kam auf Antrag einer überstimmten Minderheit in die Berufungsinstanz, die die Freigabe widerrief mit der Begründung, daß der Film eine abträgliche Wirkung für Jugendliche habe. Gegen die Nichtfreigabe wurde wiederum ein Einspruch erhoben, der folgendermaßen begründet wurde, und diese Begründung ist typisch für die Situation:
Wenn sich der Gesetzgeber auf den Standpunkt stellt, daß ein besonderer Schutz nur für Personen unter 16 Jahren notwendig ist , so müssen alle Personen über dieser Altersstufe im Hinblick auf die Filmfreigabe gleichbehandelt werden. Damit scheiden alle Betrachtungen, welche der Hauptausschuß in diesem Zusammenhang über die Gefährdung jüngerer Menschen durch den Film angestellt hat, von vornherein aus. Wenn der Gesetzgeber einen Menschen über 16 Jahre als Erwachsenen behandelt wissen will, dann kann die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft nicht mehr bei den über Sechzehnjährigen besondere Altersstufen im Hinblick auf die Filmbeurteilung einführen.
Das ist ganz klar und deutlich, und ich wüßte nicht, wie man den Gesetzgeber klarer auf seine Verantwortung ansprechen und ihn anrufen könnte, diese Lücke zu schließen.
Es kommt noch etwas anderes hinzu. Alle geltenden Schutzgesetze auf anderen Gebieten begrenzen bei 18 Jahren: die Bestimmungen der Gewerbeordnung, das Gesetz gegen jugendgefährdendes Schrifttum, die Jugendarbeitsschutzbestimmungen des geltenden Rechtes, das Arbeits- und Betriebsvertretungsrecht und das schon erwähnte Jugendstrafrecht. In allen Fällen ist der Jugendliche der Vierzehn- bis Achtzehnjährige. Nur der § 6 des Jugendschutzgesetzes macht die Ausnahme und erklärt den Zehn- bis Sechzehnjährigen als Jugendlichen und den Sechzehnjährigen als Erwachsenen.
Ansehen und Durchführbarkeit eines Gesetzes hängen aber weitgehend von klaren Begriffen ab. Der systematischen Einordnung des Jugendschutzgesetzes in den Bereich der gesamten Schutzgesetzgebung auf diesem Gebiet dient die Änderung des § 1, die Sie in der Ihnen vorgelegten Drucksache finden. Das ist die Begriffsbestimmung des Jugendlichen: „Kind im Sinne dieses Gesetzes ist, wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Jugendlicher ist, wer das 14. überschritten, aber das 18. noch nicht vollendet hat."
Meine Damen und Herren, die Persönlichkeit des jungen Menschen ist ein Ganzes. Wenn wir die jugendliche Arbeitskraft im Interesse einer späteren vollentwickelten Leistungsfähigkeit vor Überforderung schützen wollen, dann dürfen wir gegenüber den geistig-seelischen Kräften und ihrer Entwicklung nicht fahrlässig sein, dann dürfen wir diese Kräfte nicht geringer achten. Ihnen stehen dieselbe aufmerksame Pflege und derselbe wirksame Schutz vor Schädigungen und Entwicklungsstörungen zu. Der Arbeitsschutz auch nach geltendem Recht schützt den Jugendlichen bis zu einem Alter von 18 Jahren. Der sittliche Jugendschutz reicht auf den so umstrittenen Gebieten des Films, des Glücksspiels und des Automatenwesens nur bis 16 Jahre. Schäden, die die jugendliche Arbeitskraft durch mangelnden Schutz erleidet, werden schnell sichtbar, vor allen Dingen in der verminderten Leistung. Aber seelische Schäden und Verletzungen werden nicht so leicht offenkundig ünd deswegen vielleicht auch nie überwunden. Vielleicht entdeckt einmal der Richter die Spuren bei einem straffällig gewordenen Jugendlichen; aber sie werden nie entdeckt bei all den vielen Lebensversagern, die deshalb nicht zu voller Lebensleistung kommen konnten, weil das Treibhausklima der wahllos genutzten Vergnügungsangebote eine Frühreife und eine Notreife in ihnen entwickelt hat, die den Kern ihres Wesens unentwickelt ließ. Im Bereich ihres sittlichen Unterscheidungsvermögens, ihres Gewissens, werden diese Menschen immer nur halbentwickelt bleiben. Im Interesse einer harmonischen Entwicklung der körperlichen, geistigen und sittlichen Kräfte unserer Jugend, wie sie das RJWG als Recht für jedes Kind garantiert, ist die Heraufsetzung der Schutzaltersgrenze auf 18 Jahre notwendig.
Das ändert grundlegend den § 6 — um den wichtigsten Paragraphen gleich vorwegzunehmen Nach geltendem Recht sind Kinder bis zu 10 Jahren, Jugendliche von 10 bis 16 Jahren zum Filmbesuch zugelassen. Nach dem Änderungsvorschlag werden Kinder bis zu 6 Jahren nicht mehr zugelassen werden. Damit ist auch das alte Recht, das vor dem „Dritten Reich" gegolten hat, wiederhergestellt. Es ist auch so, daß Kinder unter 6 Jahren überhaupt nichts vom Film haben. Sie sind noch gar nicht in der Lage, eine zusammenhängende Filmhandlung zu erfassen. Aber die Gefahren, daß die optischen und akustischen Reize zu stark auf das kleine Kind wirken, führen vielfach dazu, daß später im Schulkindalter neurotische Störungen auftreten, die man dann sehr bedauert. Mangelhafte Schulleistungen werden von Professor de Rudder, Frankfurt, und Professor Kreutz, Münster, auf diese Störungen im frühkindlichen Entwicklungsalter zurückgeführt.
Kinder von 6 bis 14 Jahren sollen nach unserem Vorschlag zugelassen werden, wenn der Film für dieses Alter freigegeben ist. Damit entfallen die beiden Bezeichnungen „jugendfördernd" und „jugendgeeignet". Es ist ja auch wirklich fraglich, ob jeder Film, der unter dem Prädikat „jugendfördernd" und „jugendgeeignet" zugelassen worden ist, in Wirklichkeit jugendfördernd und jugendgeeignet war.
Schon die Altersunterschiede — da ist zu fragen: wofür interessiert sich der 10jährige, und womit interessiert man den 14-, 15-, 16jährigen? —machen es unmöglich, diese Gruppen in einer zusammenzufassen. Die Begriffe „jugendfördernd"
und „jugendgeeignet" setzen pädagogische Maßstäbe voraus. Diese sind aber nicht vom Bund zu vertreten, sondern von den Ländern. Der Bundesgesetzgeber muß die wertenden Bezeichnungen im Gesetz durch eine wertfreie Altersskala ersetzen. Der Bund hat sich nach Art. 5 Abs. 2 des Grundgesetzes darauf zu beschränken, den Raum abzuschirmen, in dem der junge Mensch seine Kräfte in Ruhe entfalten kann; und wenn Sie den Art. 2 des Grundgesetzes auslegen, kommen Sie auch zu dem Ergebnis, daß hier ein Raum geschaffen und garantiert werden muß, in dem sich die Entfaltung zur Persönlichkeit vollziehen kann. Der Gesetzgeber muß diese Freiheit, die dem Kinde zusteht, gegen Auswüchse auf dem Gebiet der freien Meinungsäußerung —die ja auch durch das Grundgesetz zugebilligt ist — und auch gegen die Freiheit zum skrupellosen Geschäft verteidigen.
Die Abschirmung dieser schädigenden Einflüsse muß nach Maßstäben geschehen, die auch wieder der Bundesgesetzgeber setzen muß. Bisher waren diese Maßstäbe in den Prüfrichtlinien und Grundsätzen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft enthalten. Das ist aber eine freie Einrichtung der Filmwirtschaft, die die Prüfaufgabe auf Grund eines jeweils für drei Jahre geregelten Abkommens mit den Ländern übernimmt. Da aber der Bund den Jugendschutz zu vertreten hat, muß er als Gesetzgeber die Maßstäbe geben, nach denen dann die Prüfung durch die FSK und die Freigabe durch die Länder erfolgen. Die Maßstäbe können im Gesetz natürlich nur generell genannt werden, damit sie gegenüber der Entwicklung elastisch genug sind. Sie finden sie in § 6 Abs. 3. Das Recht der Freigabe liegt nach wie vor bei den Ländern. Auch der Herr Minister hat eben in seiner Erklärung diesen Zusammenhang aufzuklären versucht. Es ist nämlich mißverständlich — mindestens hat es in der Öffentlichkeit zu Mißverständnissen geführt —, wenn in gewissen Zeitungsveröffentlichungen erklärt wurde, die von uns vorgeschlagene neue Formulierung führe zu einem Bundesprüfverfahren. Es ist nicht so. Den Ländern steht das Recht der Freigabe zu; es wird nach wie vor auf dem Wege der Inanspruchnahme durch die FSK praktiziert.
Außer den Filmen unterliegen aber auch Werbung, Vorspann und Beiprogramm diesen Prüfrichtlinien. In einer für Kinder oder Jugendliche freigegebenen Filmvorführung dürfen nur solche Werbe-, Vorspann- und Beiprogramme gezeigt werden, die nach denselben Maßstäben wie der Film geprüft worden sind. Der Entwurf schreibt in § 9 vor, daß bei Ankündigung und Werbung der Freigabevermerk nur mit der jeweiligen Altersbezeichnung erfolgen darf. Es darf also nicht mehr, wie es jetzt oft der Fall ist, mit der Bezeichnung „Jugendverbot" eine zusätzliche Propaganda für den Film getrieben werden. Das ist Mißbrauch, und das ist genau der Absicht des Gesetzgebers entgegen.
Aber der beste Schutz gegen die Übertretung des Gesetzes ist der gute Film selbst. Durch die Neueinteilung der Altersgruppen ergibt sich eine bessere Chance für die Filmgestaitung. Ich gebe zu, daß man für das Alter von 10 bis 16 Jahren wenig Möglichkeiten einer guten Filmgestaltung hat. Aber das Alter von 14 bis 18 Jahren könnte sehr viel mehr Möglichkeiten bieten, aus der Fülle des Stoffes für diese Jugendlichen Filme zu gestalten; das ist eine neue Aufgabe, die der Filmwirtschaft zufällt.
Der Jugendliche ist sehr kritisch. Er stellt an Stoff und Gestaltung, auch an den Wahrheitsgehalt des Filmes sehr hohe Ansprüche. Von da her könnte auch eine Wende für den Film insgesamt eintreten, da man dann, ausgehend von diesen hohen Ansprüchen, die die Jugend an den Film stellt, auch den allgemeinen Film gestalten könnte.
Wir wollen also die Heraufsetzung des Jugendschutzalters weniger als eine Einschränkung betrachten denn als eine Anregung zu besserer Filmgestaltung. Ich wüßte nicht, daß die Filmwirtschaft auf diese Weise Einbuße erleiden müßte, denn der Besucherkreis der 16- bis 18jährigen ist ein erheblicher Teil der Filmbesucher, und es lohnt sich schon, für diesen großen Teil des Filmpublikums neue Wege zu finden.
Die zeitliche Begrenzung des Filmbesuchs ist für die Gruppe von 14 bis 18 Jahren von 22 auf 23 Uhr heraufgesetzt; das ist zu vertreten.
§ 5 behandelt die Revue-, Varieté- und Kabarettveranstaltungen. Hier ist eine einfache Umkehrung eingetreten. Von der Erhöhung des allgemeinen Schutzalters auf 18 kommen wir nun zu einer Regellösung von 18 Jahren und zu Ausnahmelösungen von 16 Jahren. Das bedeutet eine Vereinfachung auch insofern, als es heute bei angelaufenen Programmen nötig ist, durch das Jugendamt eine Beschränkung vorzunehmen, wenn die Vorstellung nicht jugendgeeignet ist, während in Zukunft der Unternehmer von vornherein den Antrag stellen kann, dieses Programm auch für 16jährige zu genehmigen, und die Sache dann reibungsloser verläuft.
In Abs. 3 des § 5 finden Sie eine neue Kategorie von Veranstaltungen. Er behandelt das Verbot des Zutritts zu Veranstaltungen mit verrohendem Einfluß. Es sind hier sogenannte Catcher-Veranstaltungen gemeint — eine ganz neue Form —, auch Freistilringkämpfe und derartige Dinge. Es lohnt sich aber nicht, dafür den § 5 mit einem neuen Katalog zu versehen. Man kann diese Dinge durch eine Rechtsverordnung des Innenministeriums ordnen, in der jeweils die Arten von Veranstaltungen, die unter diese Kategorie fallen, bezeichnet werden können.
Nun zum § 7! Die Gewerbeordnung bzw. die Durchführungsverordnung zu § 33 d der Gewerbeordnung verbietet die Benutzung von Glücksspielgeräten für Jugendliche bis zu 18 Jahren. Das Jugendschutzgesetz geht mit dem Verbot nur bis 16 Jahre. Außerdem besteht im Gesetz selber ein Widerspruch zwischen den §§ 1 und 7. § 1 verbietet den Aufenthalt an jugendgefährdenden Orten. Spielhallen, solche Hallen, in denen Glücksspielautomaten aufgestellt sind und die sehr viel von Jugendlichen, zum Teil von ziemlich verwahrlosten Jugendlichen, aufgesucht werden, müßten als jugendgefährdenden Orte nach § 1 bezeichnet werden. Das ist aber nach § 7 nicht möglich, weil die Benutzung der dort aufgestellten Spielgeräte ausdrücklich schon vom 16. Lebensjahr an gestattet ist. Die Erhöhung der Altersgrenze für die Zulassung zu Spielautomaten ist gerechtfertigt durch den hohen Grad der Gefährdung, der vom Automatenwesen ausgeht. Je jünger der Mensch ist, um so weniger Widerstandskraft vermag er der Verlockung entgegenzusetzen. Die glänzenden Spielangebote wir-
ken auf den Jugendlichen demoralisierend. — Ausdrücklich sind Veranstaltungen ausgenommen, die für kurze Zeit und unter freiem Himmel stattfinden, Jahrmärkte usw., und ausgesprochene Geschicklichkeitsspiele.
Eine kleine Änderung bei dem Alkohol-Paragraphen, eine kleine, redaktionelle Änderung auch in § 1: es heißt heute „durch die dafür zuständigen Behörden". Diese Worte sind im Entwurf ersetzt durch den Passus „durch die durch Landesrecht bestimmten Behörden".
Dann folgt eine sehr grundsätzliche Änderung. Sie betrifft den Erziehungsberechtigten. Bisher war es so, daß bei Übertretung des Gesetzes durch Jugendliche eine Meldung an das Jugendamt erfolgte und erst dann auf dem Wege über das Jugendamt, nachdem ein Fall, eine Akte entstanden war, die Erziehungsberechtigten in Kenntnis gesetzt wurden. Das soll nun gleichzeitig geschehen. Wir wollen damit die Vorrangigkeit der elterlichen Verantwortung betonen. Dasselbe wollen wir betonen in § 14, wo es heißt, daß Personen, die Jugendliche gefährden, bestraft werden. Man kann aber nicht die Eltern mit allen anderen Personen gleichsetzen, die Kinder gefährden. Vielmehr müssen wir hier sagen „Erziehungsberechtigte und andere Personen", um auch hier darzutun, daß die Eltern in bezug auf die Verantwortung vorrangig behandelt werden müssen. Der Begriff des Erziehungsberechtigten ist neu gefaßt, und zwar ist jetzt das Schwergewicht auf die charakteristische Funktion des Erziehungsberechtigten abgestellt, auf das Inobhutnehmen. Es genügt also nicht die einfache Begleitung des Jugendlichen durch einen Erwachsenen, sondern der Erwachsene muß die Funktion des Inobhutnehmens haben. Das Inobhutnehmen trifft nicht allein Eltern, Vormünder, Pfleger und Personen, die ihnen gleichstehen, sondern auch den Lehrherrn.
Es wird auch wieder der Gedanke zum Ausdruck gebracht, daß die junge Persönlichkeit im ganzen gesehen werden muß. Es gibt keine Erziehung auf einem Teilgebiet, auch keine isolierte Erziehung zur Berufstauglichkeit. Diese Erziehung muß gleichzeitig mit einer Erfassung des ganzen Menschen, mit einer Sorge für den ganzen Menschen verbunden sein. Das Inobhutnehmen bedeutet also auch hier die Übernahme der Verantwortung auch für die sittliche Entwicklung des Jugendlichen, der dem Lehrherrn anvertraut ist. Heimleiter eines Wohnheimes gelten ebenfalls als Erziehungsberechtigte im Sinne dieses Gesetzes.
Das Gesetz soll drei Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten. Dadurch soll gewissen Entwicklungen Spielraum gelassen werden.
Meine Damen und Herren, wir bitten Sie um Zustimmung zu diesem Entwurf. Der Wunsch, ihn zu verabschieden, kommt aus allen Teilen des Volkes, quer durch alle Parteien hindurch. Wir sind uns klar, daß der Jugendschutz nur ein kleiner Teil des gesamten Bereiches der Jugendpflege und des gesamten Bereiches einer Jugendpolitik bleibt. Immer bedarf der Jugendschutz einer wirkungsvollen Ergänzung durch erzieherische und jugendpflegerische Maßnahmen, durch Schaffung wertvoller Freizeitmöglichkeiten. Aber auch diese positiven Maßnahmen lassen den Jugendschutz nicht entbehrlich erscheinen.
Fünf Jahre haben wir nun zugewartet, und es ist auf dem Gebiet der Filmerziehung viel getan worden. Trotzdem hat alle Filmerziehung nicht hindern können, daß Film über Film freigegeben worden ist, der Gift für unsere 16jährigen ist. Ich stelle am Ende noch einmal die Frage: Kann man es verantworten, den Jugendlichen mit 16 Jahren für diese Bereiche als erwachsen zu erklären?
Unsere Jugend muß dem Leben gewachsen sein. Dazu gehört Selbstdisziplin. Die Jugend muß lernen, sich einzuordnen, und muß sich höheren Notwendigkeiten fügen. So müssen wir auch erwarten, daß sie die Maßnahmen des Jugendschutzes nicht als gegen sich gerichtet betrachtet, sondern als Grenzen, die auch sie von sich aus freiwillig respektieren soll.
Wir bitten darum, diesen Antrag an den Ausschuß für Jugendfragen als federführenden Ausschuß und in bezug auf den § 6 an den Ausschuß für Presse, Funk und Film als mitberatenden Ausschuß zu überweisen.