Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte große Hoffnung geschöpft, als der Herr Staatssekretär Hartmann erklärte, er sei im Grundsatz — „zweifelsfrei", sagte er — für einen Straßenbau. Aber das, was ich jetzt alles hören mußte, bedeutet doch, daß reichlich viel Wasser in den Wein geschüttet worden ist. Das gesamte Problem spitzt sich immer wieder auf die Grundfragen zu. Ich will deshalb heute angesichts der vorgerückten Stunde nicht mehr auf Einzelheiten eingehen, sondern namens der Fraktion der Freien Volkspartei nur einige grundsätzliche Erklärungen abgeben.
Es müßte ja nach dem, was eingangs erklärt worden ist und was auch der Herr Bundesverkehrsminister angedeutet hat, alles in Ordnung sein. Aber ich glaube, daß wir doch noch einer Reihe von lebhaften" Auseinandersetzungen entgegensehen. Die Anträge werden sowieso in die Ausschüsse gehen müssen. Aber auch die Probleme selbst sind, wie heute abend schon betont wurde, so vielschichtig, daß man sie jetzt nicht mehr gänzlich zu erörtern vermag.
Wenn nun der Herr Staatssekretär die Meinung vertritt, daß man mit neuen Steuern, Gebühren und Abgaben das Problem selbst lösen kann, so muß ich von mir aus erklären, daß ich diesen Weg für abwegig halte. Ich würde es nicht für richtig halten, eine Politik einzuschlagen, die nach meiner Überzeugung konträr jener Generallinie steht, die der Bundeswirtschaftsminister vertritt. Wir müssen befürchten, daß aus dem Preiskomplex heraus dann immer weitere Gefährdungen auch für den gesamten Etat eintreten könnten.
Der Herr Staatssekretär des Finanzministeriums beklagt sich in gewissem Sinne darüber, daß in der Offentlichkeit über die Zweckbindung so viel debattiert worden ist. Dazu muß ich doch folgendes sagen. Die gesamte Begründung des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 ging ja darauf aus, daß der Kraftwagen und die Kraftverkehrswirtschaft nicht genügend mit der Erhaltung und dem Bau der für sie passenden Wege belastet seien. Nun hat man die Belastungen durchgeführt und hat das Verkehrsfinanzgesetz hier über die Bühne gehen lassen. Da ist es doch kein Wunder, wenn jetzt eine breite Erörterung eintritt, was mit den aufgebrachten 1,2 oder 1,8 oder 2,2 Milliarden geschieht. Das ist eine moralische und in gewissem Sinne technische und finanzielle Zwangsjacke gewesen, die man damals — Güterkraftverkehrswirtschaft, Güterfernverkehr, -nahverkehr oder was Sie wollen — immer wieder in die Debatte geworfen hat.
Nun, wir haben bei der Beratung des Verkehrsfinanzgesetzes gerade die Überlegung in den Vordergrund geschoben, daß wir eine steigende Motorisierung auf der einen und einen nicht genügenden Straßenzustand auf der anderen Seite haben. Ich bringe das erneut in Erinnerung, weil ja der Antrag der SPD, den hier der Kollege Schmidt begründet hat, mit dem Untertitel „Verkehrsfinanzgesetz 1956" benannt ist. Der Schwerpunkt aller Maßnahmen lag aber damals nicht zuerst in einem langfristig angelegten Straßenbau, sondern in Maßnahmen im Straßenverkehrsrecht, in der Zulassungsordnung, und in finanzieller Hinsicht in Maßnahmen zu Lasten des Kraftverkehrs vor. Mit anderen Worten: es waren Dämpfungsmaßnahmen — darüber waren wir uns wohl klar — in gewissem Sinne gegen den Kraftwagen, der stärker zu den Kosten des Straßenbaus herangezogen werden sollte. Dem Kraftwagen wurde, wie bereits betont, der schwere Vorwurf gemacht, er stehe z. B. im Gegensatz zur Bundesbahn nicht oder nicht in genügender Weise für seinen Anteil an den Wegekosten ein. In diesem Zusammenhang scheint mir folgendes wesentlich zu sein. — Herr Staatssekretär Hartmann hat uns heute einen Blütenstrauß von Steuern und Abgaben offeriert, bei dem uns doch reichlich ungemütlich geworden ist. Ich erinnere an die damaligen Einzelmaßnahmen, wie Mineralölsteuererhöhung, Kraftfahrzeugsteuer, Anhängerbesteuerung, Gewichtsverhältnis Lastwagen zum Anhänger 1 : 1. Wir haben noch die Anforderung von meinem Kollegen Rademacher in dieser Beziehung vorliegen: Beschränkung der Maße und Gewichte, Sonntagsfahrverbot, Besteuerung des Werkverkehrs usw. Ich bringe das in Erinnerung, damit wir uns wieder darüber klarwerden, was wir schon alles getan haben mit dem Ziel, den Kraftwagen eben mit diesen Kosten zu belasten, sogar einschließlich der Kosten für die Verkehrspolizei. Das Verkehrsfinanzgesetz, Herr Staatssekretär, sah im übrigen auch eine automatische Abführung von rund 150 Millionen DM pro Jahr, und zwar auf die Dauer von zehn Jahren, an die Bundesbahn vor. Dagegen hatten wir gar nichts. Damit war das Prinzip der Haushaltsgestaltung durchbrochen worden; aber man hat nicht gehört, daß der Bundesfinanzminister gegen diese Zweckbindung gewesen wäre. Ich gebe zu, Herr Staatssekretär: Es ist natürlich ein Unterschied, ob man einige hundert Millionen zweckbindet, um der Bundesbahn etwas auf die Beine zu helfen, oder ob es sich um Zweckbindungen in Höhe von vielleicht eines Tages zwei oder drei Milliarden DM handeln wird.
Außerdem sieht das Verkehrsfinanzgesetz im Abschnitt IV eine Gesellschaft für Autobahnfinanzierung vor. Da hat der Bund auch jährlich auf die Dauer von sogar 14 Jahren einen Zuschuß von 120 Millionen DM garantiert, also auch eine glatte Zweckbindung für eine sehr sehr lange Zeit. Niemand hatte seinerzeit grundsätzliche Bedenken vorgebracht, nicht einmal der Finanzminister!
Die Bundesbahn hat das dankbar begrüßt, aber die Belastungen waren da, und weitgehend bestand im Hintergrund die Hoffnung, die Transporte könnten nicht zuletzt infolge der Belastung des Werkverkehrs auf die Schiene zurückgeführt werden. Nebenbei bemerkt: Für die Schiene ist das nicht in diesem Umfang akut geworden; die Transporte gingen vom Werkverkehr mehr in den gewerblichen Nah- und Fernverkehr über.
Der Kern der Überlegungen ist doch aber folgender. Der immer wieder geforderte und bisher vernachlässigte Straßenbau — das muß man dem Herrn Staatssekretär heute wirklich noch einmal sagen — kann doch in dieser Form nicht forciert
werden, wenn man das Gefühl hat: in den einzelnen Sektoren wird wiederum die Bremse stark angezogen. Die Motorisierung ist doch ein Kennzeichen moderner Industriestaaten. Man wird sie meiner Ansicht nach auf die Dauer nicht restlos oder auch nur in nennenswertem Umfang verhindern können. Der Bundesverkehrsminister tut nichts anderes als seine Pflicht, wenn er heute immer dringender für den Straßenbau einen Zehnjahresplan fordert. Man sollte ihm dafür doch dankbar sein. Ein solcher Zehnjahresplan erweist sich als notwendig. Man muß in Organisation, Planung, Verwaltung und Finanzierung einen beherzten Schritt tun.
Dabei erachte ich es, wie gesagt, keinesfalls für richtig, neue Belastungen, wie Autobahngebühren, Reifensteuer oder Dieselpreiserhöhung, wie sie hier angeführt wurden, ins Auge zu fassen. Wenn Sie das Kunststück fertigbringen, im Wege juristischer und wirtschaftlicher Überprüfungen die sogenannte Marge im Tankstellenpreis abzufangen und damit den Preis für den Verbraucher auf der bisherigen Höhe zu halten, dann in Gottes Namen, möchte ich sagen. Dann soll uns das gleichgültig sein. Aber ich halte es doch für sehr bedenklich, hier frischfröhlich einfach wieder die Treibstoffpreise erhöhen zu wollen. Das ist das Problem, das der Kollege Schmidt schon vor Monaten in aller Eindeutigkeit zur Debatte gestellt hat. Ich muß auch sagen: Es ist reichlich spät, wenn man im Finanzministerium diesem Problem erst jetzt zu Leibe rückt.
Wenn all das — die Zahlen sind ja bekannt —, was die Kraftverkehrswirtschaft heutzutage aufbringt und was man ihr nach allen Gutachten auch mit Fug und Recht anlasten kann und darf, wirklich für den Straßenbau verwandt wird, dann ist damit natürlich schon sehr viel geholfen. Aber — Sie haben die Zahlen gehört — der Herr Finanzminister hält uns entgegen, daß er runde 900 Millionen DM nicht einsetzen könne, weil er sie für andere Zwecke benötige. Das ist wiederum das große Spiel des internen Ausgleichs, und das greift in die letzten politischen Überlegungen hinein. Hier geht es eben um die Frage, ob man bestimmte Aufgaben und wenn ja, welche, schwerpunktmäßig vorziehen soll. Aber irgendwo ist, glaube ich, die Grenze. Irgendwo müssen wir hier springen. Irgendwie müssen wir den Straßenbau jetzt generell und global anpacken, wenn wir nicht eines Tages an der Motorisierung in den Städten einfach ersticken wollen. Das ist meine Überzeugung. Das ganze Hin und Her hilft uns dabei nicht einen Zentimeter weiter.
Bei pessimistischer Beurteilung der Weiterentwicklung der Motorisierung müßte man als vom Bund zu leistende Beträge für die Dauer von zehn Jahren vielleicht 7 Milliarden DM ansetzen, bei optimistischer Beurteilung des Eingangs an Steuern und Abgaben vielleicht nur 2 Milliarden DM. Das sind aber Schätzungen, Herr Staatssekretär, die man natürlich nicht bis ins letzte beweisen kann.
Vor uns liegen die Anträge der Fraktionen. Ich darf betonen, daß es uns im Endeffekt nicht so sehr berührt, ob eine Zweckbindung kommt oder nicht, ob wir eine zentrale Kasse, genannt Straßenbaufonds, errichten oder nicht. Wesentlich ist nur, daß endlich ein Straßenbauprogramm auf weite Sicht geplant und seine Finanzierung projektiert wird.
Leider liegt dem Plenum — das muß ich auch unterstreichen — in puncto Zehnjahresplan keine Regierungsvorlage vor. Die finanzielle Deckung ist offen.
Es ist also wohl eines Tages bei uns zu entscheiden — wenn das noch lange auf sich warten läßt —, ob überhaupt ein Zehnjahresplan aufgestellt und angenommen werden soll. Ich habe mir sagen lassen — einige Stimmen in dieser Richtung waren ja zu vernehmen —, man könne einen Zehnjahresplan überhaupt nicht brauchen. Ein solcher Plan sei viel zu optimistisch, sei ein Wolkenkuckucksheim; die Kosten könne man heute gar nicht berechnen. Ich bin aber der Überzeugung, daß man einen Zehnjahresplan dringend nötig hat, damit man draußen bei den Ländern, bei der letzten Straßenbauplanung und -verwaltung ein Gerippe, eine Plattform besitzt, von der aus überhaupt erst gearbeitet werden kann.
Ob es möglich ist, mit den auf Grund des Antrags veranschlagten Summen — in diesem Zusammenhang möchte ich ein Wort zum Kollegen Müller-Hermann sagen — von 1,1 bis 1,6 Milliarden für die nächsten drei Jahre im umfassenden Sinne voranzukommen, möchte ich bezweifeln. Es ist sehr gut gedacht. Ursprünglich hätte ich dazu beinahe die Formulierung gewählt, daß es sich hier um eine Verlegenheitslösung handelt; aber es ist ja nicht Ihre persönliche Verlegenheit, sondern es ist der Versuch, überhaupt vorwärtszukommen, überhaupt etwas zu erreichen.
Mit diesem Versuch würde man aber den Gemeinden nicht gerecht werden; insoweit deckt sich meine Meinung mit der des Kollegen Schmidt . Die Gemeinden sind ja heute in gewissem Sinne, Herr Staatssekretär, völlig die Kostgänger der Länder, sie leben oft aus der Hand in den Mund. Ich hätte gerne von den Antragstellern — der SPD — eine Aufklärung gehabt, ob bei der geplanten quotalen Verteilung der Straßenbaukosten in bezug auf die Landstraßen zweiter Ordnung auch die Landkreise genügend berücksichtigt werden. Ich habe das Gefühl, daß gerade die Landkreise bei dieser Planung vielleicht zu kurz kommen. Die Gelehrten werden sich noch sehr darüber streiten, wie diese quotale Aufteilung im einzelnen vonstatten gehen soll.
Ich glaube, wir müssen zu einer planerischen, organisatorischen und finanziellen Verbundwirtschaft kommen. Auf die Dauer ist es nicht damit getan, einzelne Betonplatten auszubessern oder da und dort eine Ortsdurchfahrt anzulegen. Mit solchen Hilfsmitteln packen wir die rasant fortschreitende Motorisierung nicht mehr. Der Herr Bundesverkehrsminister rechnet ja mit einer Verdoppelung, ja, auf einzelnen Gebieten mit einer Verdreifachung der Motorisierung in einem Zeitraum von 20 Jahren. Wie wird der Stand der Motorisierung in 10 Jahren sein?
Das Netz der Autobahnen — das muß ich auch von mir aus betonen — ist ja nur ein Torso. Die Bundesfernstraßen sind dringend überholungsbedürftig. Brücken, Rad- und Mopedwege sollen gebaut werden. Von allen diesen Plänen haben wir heute immer wieder gehört, und ich will mich gar nicht mehr darauf festbeißen. Fehlt aber — und darauf kommt es an — die einheitliche und weiträumige Planung auf weiteste Sicht, dann kommen wir, glaube ich, mit irgendwelchen kleinen Mittelchen niemals zu einer umfassenden Lösung.
Es müßte doch möglich sein — das möchte ich wiederholen —, die Planung als solche, die der Bundesverkehrsminister in mühsamer Kleinarbeit aufgestellt hat, zu akzeptieren und die Finanzierung gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister zu klären, um so wenigstens eine gewisse Abstimmung herbeizuführen.
Ob man Zweckverbände, ob man Baulastträger usw. schafft, steht dahin.
Hierbei möchte ich doch kurz — weil mir das besonders am Herzen liegt — die Lage der Gemeinden herausstellen. Die Landkreise und Gemeinden sind in einer besonders prekären Situation. Wir haben 2 000 km Autobahn, 24 000 km Bundesstraßen, 50 000 km Landstraßen erster Ordnung und 50 000 km Landstraßen zweiter Ordnung, demgegenüber aber 120 000 km Gemeindestraßen.
In der Hand des Bundes und der Länder liegen also 77 000 km, in der Hand der Gemeinden und Landkreise 170 000 km, das sind knapp 100 000 km mehr, und zwar für Baulastträger, die direkt keine Einnahmen auf diesem Gebiet und für diese Aufgabe haben. Da liegt die Schwierigkeit.
Der Bund hat 1954/55 für seine 26 000 km Einnahmen in Höhe von 1,2 Milliarden DM gehabt, die Länder für ihre 50 000 km Einnahmen in Höhe von 650 Millionen DM, und die Kreise und Gemeinden haben für ihre 170 000 km in diesem Sinne, wenn man von Abgaben und einzelnen Gebühren und Straßenbauabgaben absieht, offiziell nichts weiter bekommen bis auf die Zuschüsse, die ihnen von Fall zu Fall gegeben werden.
Ich sehe in den Vorschlägen, auch im Vorschlag der CDU, noch keine Möglichkeit, wie das Finanzierungsproblem für diese Landkreise und Gemeinden richtig und umfassend gelöst werden kann. Ich brauche nicht zu wiederholen, daß sich der Schwerpunkt der Verkehrsunfälle gerade in den Städten und Gemeinden befindet. Wir hoffen nun, daß es doch noch zu einer Kabinettsvorlage gegenüber dem Plenum kommt, und zwar zu einer Lösung, die einen — wenn möglich — echten Kompromiß zwischen dem Vorschlag der CDU, der ja eine haushaltsmäßige Bindung für die nächsten drei Jahre vorsieht, und den Vorschlägen auf eine quotale Verteilung und Zweckbindung darstellt. Der erste ist ungenügend, und der zweite Vorschlag setzt, wie wir gehört haben, derartige verfassungsmäßige Änderungen voraus, daß man an eine baldige Realisierung — trotz der Dringlichkeit des Ganzen — nicht glauben kann.
Der Herr Verkehrsminister ist mit Recht — und wir sollten ihm dankbar dafür sein — von der kleinen Lösung des Zehnjahresplans auf Grund des Verkehrsfinanzgesetzes abgegangen und hat daraus den großen Zehnjahresplan entwickelt. Er strebt eine großzügige Lösung an. Wir haben deshalb die Bitte, daß alles darangesetzt wird, um auf diesem Gebiet eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sicherzustellen. Die technische Straßenbauplanung — so möchte ich es einmal nennen — sollte für die weitere Durchgestaltung und für das Zusammenarbeiten aller einzelnen Verwaltungseinheiten verbindlich werden. Ich hoffe, daß sich die Herren Verkehrs- und Finanzminister in diesem Sinne einigen werden und daß wir nicht etwa, wenn dieser Versuch scheitert, den harten
Weg der Zweckbindung eines Tages doch gehen müssen, wenn wir nicht einfach vor der Aufgabe kapitulieren wollen. Denn wenn wir es nicht genügend durchziehen, wächst uns die Motorisierung über den Kopf. Die Motorisierung aber mit allen Mitteln anhalten, sie erschweren oder immer neue Belastungen hineintragen, das würde bedeuten, daß wir unserer Wirtschaft, unserem Produktionsapparat in keiner Weise einen Gefallen täten.
Zum Schluß erinnere ich nur noch daran, daß 68 % der deutschen Gemeinden keinen Bahnanschluß haben. Die hochtourige moderne Industriewirtschaft bedarf des Kraftwagens, bedarf der Straße. Wenn das versäumt, wenn das Problem nicht jetzt und nicht rechtzeitig angepackt würde, dann würden wir eines Tages wirklich in eine Krise hineinkommen, und zwar in eine echte Krise.