Herr Kollege Brück, ich habe Sie so weit richtig verstanden, als Sie mir nicht widersprochen haben, sondern das unterstrichen haben, was ich gerade ausgeführt habe.
Meine Damen und Herren, die Unfallziffern in Deutschland sind, bezogen auf die Zahl der Kraftfahrzeuge, viermal so hoch wie in den Vereinigten Staaten. Sie finden in allen Industrieländern der Welt nicht ihresgleichen. Wir stehen an der Spitze, wir halten einen Rekord, einen sehr traurigen Rekord. Nach unserer Überzeugung besteht nur dann Aussicht, diesem beängstigenden Problem wenigstens in der Größenordnung beizukommen, wenn die öffentliche Hand mit Energie und unter radikaler Abkehr von überkommenen Vorstellungen Straßen baut und nochmals Straßen baut. Hier liegt die auf die Dauer einzig Erfolg versprechende Therapie und Prophylaxe. Das Mißverhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit unserer Straßen und dem Anstieg der Motorisierung ist evident. Die Straßen weisen ungefähr, mit gewissen Ausnahmen vor allen Dingen in Großstädten, eine Leistungsfähigkeit des Jahres 1938 auf, und der Verkehr auf diesen Straßen hat sich im allgemeinen verdreifacht, an besonderen Schwerpunkten noch darüber hinaus vervielfacht.
Nun hat der Bundestag bei der Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 an die Bundesregierung einstimmig ein Ersuchen gerichtet, wonach dieser Misere eben dadurch abgeholfen werden soll, daß ein Zehn-Jahres-Straßenbau-Plan in Angriff genommen wird. Der Bundesverkehrsminister hat sogar ein entsprechendes Dokument mit der Überschrift „Zehnjahresplan" im Regierungsbulletin veröffentlicht. Das ist schon viele Monate her. Neuerdings hat er im Regierungsbulletin erneut eine Stellungnahme veröffentlicht unter der Überschrift „Verwirklichung des Zehnjahresplans".
Ich will zu diesem Zehnjahresplan gleich noch einige kritische Anmerkungen machen, aber doch vorausschicken, daß er in unseren Augen wenigstens eine Diskussionsgrundlage darstellt. Doch gerade weil er das ist, möchten wir ihn endlich auf dem Tisch des Hauses haben. Wir haben uns deshalb veranlaßt gesehen, Ihnen den Antrag Drucksache 2706 vorzulegen, den ich hiermit begründe. Wir bitten also darum, daß dieser Zehnjahresplan dem Bundestag wirklich zugeleitet und vorgelegt wird, auf daß er eben als Diskussionsgrundlage und als Unterlage in den Ausschußberatungen diene, wenn sich die Ausschußberatungen dann mit den anderen Anträgen beschäftigen, die hier heute noch auf der Tagesordnung stehen.
Ich darf gleich beantragen, Herr Präsident, daß dieser Antrag auf Drucksache 2706 heute verabschiedet und nicht erst an den Ausschuß überwiesen wird. Nachdem durch das Regierungs-Bulletin notorisch geworden ist, daß es einen solchen Zehnjahresplan längst gibt, brauchen wir ja nicht erst im Ausschuß darüber zu beraten, ob wir ihn uns erbitten wollen. Ich glaube, das können wir also heute beschließen. Ich nehme an, daß jedenfalls der Herr Bundesverkehrsminister mit dieser Prozedur durchaus einverstanden sein würde.
— Weswegen sind Sie nicht einverstanden, Herr Müller-Hermann?
— Ich kann mir denken, weshalb Sie das nicht wünschen: weil Sie sich nämlich darüber klar sind, daß das Bundeskabinett diesen Zehnjahresplan nicht billigt, und weil Sie nicht gerne das Bundeskabinett in die Lage bringen möchten, gegenüber einem einstimmigen Ersuchen des Bundestages irgendwelche Ausflüchte erfinden zu müssen. Das ist genau der Punkt. Der Verkehrsminister — das hat ja Herr Elbrächter eben sehr deutlich vorgetragen — hat Pläne gemacht. Die mögen im einzelnen vielleicht noch verbesserungsbedürftig sein, sie mögen im einzelnen in der Größenordnung nicht ganz ausreichen, — jedenfalls hat das Kabinett es bisher abgelehnt, zu diesen Dingen irgendwie entscheidend Stellung zu nehmen.
Das ist doch der Tatbestand.
Nun möchte ich aber zu dem Zehnjahresplan noch ein paar Diskussionsbemerkungen machen, die auf das Bezug nehmen, was wir Ihnen in unserem Gesetzentwurf vorschlagen. Das Wichtigste in dem Zehnjahresplan des Herrn Verkehrsministers fehlt einstweilen, das Rückgrat, nämlich die Finanzierung. Dafür kann er persönlich nicht unbedingt. Das ist eine Sache des Kabinetts. Deswegen möchte ja auch Herr Müller-Hermann nicht, daß wir jenes Ersuchen an das Kabinett richten.
Immerhin hat der Herr Bundesverkehrsminister ermittelt, daß für die Bundesstraßen im nächsten Zehnjahresplan 22 1/2 Milliarden DM benötigt würden und daß davon zwei Drittel ungedeckt seien. Dieser Zehnjahresplan ist also, wenn ich so sagen darf, einstweilen nur eine Zusammenstellung der Investitionsnotwendigkeiten, eine Inventur der finanziell ungelösten Probleme.
Übrigens stecken noch ein paar andere ungelöste Probleme zwischen den Zeilen dieses Zehnjahresplans. Er beschäftigt sich nämlich nach unserer
Auffassung nicht ausreichend mit dem Problem der Landstraßen erster Ordnung — das sind die Landesstraßen in den Ländern — und nicht ausreichend mit dem Problem der Straßen unserer Landkreise, der Straßen zweiter Ordnung. Die deutschen Landkreise haben allein als Nachholbedarf einen Betrag von 5,5 Milliarden DM und weiteren 3,3 Milliarden DM zur Anpassung an den inzwischen steigenden Verkehrsumfang ermittelt. Das sind also allein für die Kreisstraßen rund 9 Milliarden. Das ist wesentlich mehr, als in dem Zehnjahresplan des Verkehrsministers einstweilen vorgesehen war.
Um aber wirklich eine ausreichende Vorstellung von der Größenordnung dieses Problems zu haben, muß man die Tatsache hinzunehmen, daß in dem Zehnjahresplan des Herrn Bundesverkehrsministers — und das ist an und für sich durchaus legitim; es ist nicht seine Sache — ja vollständig fehlen die ungeheuren Straßenbaunotwendigkeiten in den Gemeinden, in den Städten und in den Großstädten.
— Ja, wir sind ja alle dabei, in den Gemeinden in den Wahlkämpfen große Politik zu machen. Aber hier handelt es sich darum, im Bundestag qua Gesetzgeber einmal große Politik f ü r die Gemeinden zu machen.
Das, was ich jetzt sage, sage ich nicht mit einem Ton des Vorwurfs gegenüber dem Herrn Bundesverkehrsminister. Er ist kraft der bundesgesetzlichen Zuständigkeit einstweilen daran gehindert, hier einzugreifen. Er hat ja neulich auf der Tagung der Straßenbauforscher in München gesagt, in bezug auf dieses Problem — ich glaube, so war es, Herr Dr. Seebohm -- sei er ein Feldherr ohne Truppen. Nun, wir sind bereit, dem Herrn Bundesverkehrsminister hier in unserem Gesetzentwurf Handhaben zu geben.
Die Gesamtnotwendigkeiten für den Straßenbau erstens auf den Bundesautobahnen und -fernstraßen, zweitens auf dem Netz unserer Landesstraßen, drittens auf den Netzen unserer Kreisstraßen und viertens auf dem Netz der Straßen der Gemeinden und Großstädte belaufen sich nach unserer Schätzung auf rund 50 Milliarden DM. Das ist keine Übertreibung; denn ich lese zu meiner Befriedigung vor einigen Tagen, daß auch das Bundesfinanzministerium eine ähnliche Zahl ermittelt hat. Sie sind sogar, Herr Hartmann, noch 5 Milliarden höher gekommen und haben 55 Milliarden geschätzt. Um so weniger kann ich verstehen, daß Sie einstweilen keine durchgreifenden Anstrengungen gemacht haben, um der Finanzierung dieses Problems etwas näherzutreten. Denn ich bin mit dem Kollegen Elbrächter der Meinung, daß wir ja wohl nicht im Ernst mit einer Reifensteuer und solchen Späßen anfangen können, dieses Problem anzugehen. Das Problem, dieses Finanzierungsvolumen zu bewältigen, ist nur dann lösbar, wenn wir auf die Gigantomanie unserer Panzerkäufe und unseres militärischen Ehrgeizes überhaupt verzichten.
Sie haben ja schon bei den bisherigen Plänen, bei den bisherigen Haushaltsansätzen ohne jede Ausweitung Schwierigkeiten, die gesetzten Ziele zu
erreichen. Wir lesen in der Zeitung, daß die ÖFFA, die mit der kreditweisen Finanzierung des Autobahnbaues durch das Verkehrsfinanzgesetz 1955 beauftragt ist, von den geplanten 150 Millionen, die sie dieses Jahr für den Autobahnbau beschaffen sollte, bisher nur 30 Millionen hat beschaffen können. Wir lesen in den Zeitungen, daß die Schwierigkeiten in der mangelnden Flüssigkeit des Kapitalmarkts lägen. Vor allem die Haltung des Bundesfinanzministers in der Zinsfrage habe sich als Hemmnis erwiesen. Ich stelle also fest, daß von den zunächst einmal in Aussicht genommenen 800 Millionen für Bundesstraßen in diesem Jahr offensichtlich nur 700 verbaut werden, wenn das stimmt, was die Zeitungen anläßlich unserer Berliner Bundestagssitzung zu diesem Thema geschrieben haben. Das heißt. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, die alten, unzureichenden Programme wirklich auszuführen.
Nun muß ich noch ein paar Ausführungen zu den vier verschiedenen Straßennetzen machen, mit denen wir es zu tun haben. Der Bund ist zunächst einmal nur für seine Bundesautobahnen und für die Bundesfernstraßen — die früheren Reichsstraßen — zuständig. Daneben gibt es das große Problem — wie ich schon sagte — der Landstraßen, der Kreisstraßen und der Straßen der Städte und Gemeinden. 80 % unserer Unfälle passieren in Ortschaften, meine Damen und Herren, und nicht etwa auf den Autobahnen oder auf den Bundesstraßen! Der Schwerpunkt des Bauproblems liegt in den Ortschaften, in den kleinen Gemeinden genauso wie in den Großstädten.
Die Lage bei diesen vier verschiedenen Straßennetzen ist durchaus unterschiedlich. Das Bundesfernstraßennetz, das der Herr Dr. Seebohm betreut, ist noch in einer relativ günstigen Lage, wenn man es mit der Lage auf den Kreisstraßen und der Lage in den Gemeinden und in den Städten vergleicht. Zwar hat auch auf den Autobahnen und den Fernstraßen der Verkehr in den letzten Jahren enorm zugenommen; aber auf der andern Seite sind eben auch die Mittel, die im Straßenbauhaushalt des Bundes dafür vorgesehen sind, wesentlich erhöht worden, nicht zuletzt durch das Verkehrsfinanzgesetz 1955. Die sozialdemokratische Fraktion ist heute noch stolz darauf, daß es ihr seinerzeit bei den Beratungen gelungen ist, in Verbindung mit den sehr wechselnden Gruppen der damaligen Regierungskoalition dieses Verkehrsfinanzgesetz in sehr viel wirkungsvollerer Weise zu einem Instrument der Straßenbaupolitik zu machen, als es zunächst beabsichtigt war.
Wir müssen auch in Zukunft für die Autobahnen und Bundesstraßen durchaus etwas tun. Wir müssen das Vorkriegsschema dieser Straßenanlagen grundsätzlich verbessern. Ich denke an die Bergstrecken, an die Notwendigkeit einer Beschleunigungsspur, an die Notwendigkeit, zu den vorhandenen beiden Spuren in allen Schwerpunktabschnitten eine dritte Spur hinzuzufügen, wo man mit zwei Spuren eigentlich schon gar nicht mehr auskommt. Ich denke an alle diese Probleme, wobei ich jetzt nicht zu sehr in die technischen Einzelheiten des Straßenbaus einsteigen will. Immerhin, beim Neubau von Bundesstraßen und Autobahnen — wir bauen ja zur Zeit Autobahnen neu — müssen die notwendigen räumlichen Reserven für solche Erweiterungen heute schon geschaffen werden, damit man wenigstens später diese Ergänzungen noch vornehmen kann. Bei den bestehenden Autobahnen ist es ja heute vielfach nicht möglich, sie zu ergänzen, weil eben bei der räumlichen Planung seinerzeit darauf nicht Bedacht genommen worden ist.
Heute allerdings — und nicht erst später, glaube ich — muß bei allen Bundesfernstraßen nun endlich dafür gesorgt werden, daß ein ausreichender Radfahrweg zur Verfügung gestellt wird. Das Fehlen ausreichender Rad- und Mopedwege ist gleicherweise eine schreckliche Gefährdung sowohl für den Radfahrer als auch für den Autofahrer und die Dritten, die durch diesen Autofahrer gefährdet werden, wenn er mit einem Fahrrad karamboliert.
Meine Damen und Herren, die Landstraßen erster und zweiter Ordnung, die nicht vom Bundeshaushalt leben, leben von dem Kraftfahrzeugsteueraufkommen der Länder. Aus diesem Kraftfahrzeugsteueraufkommen müssen zugleich aber auch die vielen Zuschüsse für die Ortsdurchfahrten in den Gemeinden und die Zuschüsse für die Gemeindewege schlechthin gegeben werden. Das Verkehrsfinanzgesetz 1955 bietet hier kaum eine wesentliche Hilfe, denn das Kraftfahrzeugsteueraufkommen haben wir seinerzeit kaum vermehrt. Im Gegenteil, wir gingen ja von der Absicht aus — ich nehme an, sie besteht auch heute noch —, sie im Laufe der Jahre ganz wegfallen zu lassen. Das war ja seinerzeit die erklärte Absicht. Das Verkehrsfinanzgesetz 1955 hat also keine Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer und infolgedessen auch keine Verbesserung der Finanzsituation für die Länder hinsichtlich ihres Straßennetzes gebracht. Diese Bauverwaltungen — das gilt insbesondere auch für die Kreise — leben heute von der Hand in den Mund. Die Finanzierungsmöglichkeiten sind absolut unzureichend. Beispielsweise sind unsere 418 Landkreise zwar für zwei Fünftel aller klassifizierten Straßen in der Bundesrepublik verantwortlich, sie sind an einem Fünftel der Kosten, die aufgewandt werden müssen, beteiligt, aber von den spezifischen Kraftverkehrsabgaben erhalten sie zur Bestreitung dieser Kosten nur ein Fünfundzwanzigstel. Das ist die Lage bei den Kreisen. Wir sind ja manchmal in der Gefahr, die Finanznot gerade auf dem kommunalen Sektor etwas zu übersehen, was infolge der grundgesetzlichen Zuständigkeitsregelungen naheliegt.
— Lieber Herr Dresbach, gucken Sie sich doch einmal in Ihrem eigenen Heimatkreis an, wie die Kreisstraßen aussehen! Ich bin vor Wochen mal da durchgefahren; das ist doch unter aller Kanone.
— Das war keine Antwort, Herr Dresbach,
Sie haben nur gesagt, früher sei es noch schlimmer gewesen, jetzt sei — —
— Über die Ochsen im Bergischen Land will ich mich nicht verbreiten, Herr Dresbach!
In den Gemeinden selbst sieht es zum Teil katastrophal aus, selbst in solchen Gemeinden, die für
[Schmidt [Hamburg])
ihre Ortsdurchfahrten vom Land oder vom Bund Mittel bekommen, weil sie nämlich weniger als 6000 oder weniger als 9000 Einwohner haben; da muß ja der übergeordnete Baulastträger Zuschüsse zahlen. Die Dörfer lehnen es vielfach ab, solche Arbeiten durchführen zu lassen, weil sie nicht in der Lage sind, den kleinen Teil zu finanzieren, der dabei auf sie selbst entfällt, nämlich die Kantsteine am Bürgersteig und die Kanalisation und anderes. Es ist wirklich schrecklich.
In den Großstädten ist es nicht viel besser. Sie alle wissen, meine Damen und Herren, aus der Vielfalt der Tagungen der letzten Wochen und Monate, die sich mit der Verkehrsnot der Großstädte beschäftigt haben, was für Probleme da vorliegen. Ich erinnere an den Münchener Straßenbauerkongreß, ich erinnere an die Verkehrskonferenzen, die sowohl die FDP als auch die Sozialdemokratie in jüngster Zeit abgehalten haben. Ich erinnere die Mitglieder des Verkehrsausschusses an die Vorträge, die wir in Berlin über die dortigen Straßenbaunöte gehört haben.
— Das habe ich nicht gewußt, aber ich bin Ihnen sehr dankbar. Ich war im übrigen überzeugt, daß Herr Dresbach meinen Ausführungen innerlich zustimmt.
— War das ein Lob für Herrn Dresbach oder für mich?
— Schönen Dank!
Ich glaube, es ist nicht notwendig, im einzelnen Beispiele anzuführen. Es ist gleichgültig, ob man nach Berlin schaut oder nach München, nach Düsseldorf oder nach Hamburg, nach Frankfurt oder in das Ruhrgebiet mit seiner Vielzahl von Großstädten. Ich will mich stattdessen auf ein Zitat beschränken, auf eine Äußerung, die mein früherer Hamburger Amtskollege, Baudirektor Sill, auf der Münchener Straßenforschertagung gemacht hat. Dort hat Professor Sill gesagt: während der Ausbau unserer Fernstraßen etwa nur um zehn Jahre hinter der Entwicklung des Kraftverkehrs herhinke, sei der Ausbau unserer Stadtverkehrsstraßen um etwa 40 Jahre hinter der Entwicklung zurückgeblieben. Das mag ein wenig forciert klingen; aber im großen und ganzen ist es in vielen Städten tatsächlich so, daß sie nach wie vor nur über Straßennetze verfügen, die aus dem Jahrzehnt, sagen wir, um 1920 herum stammen, und keine wesentlichen Vermehrungen hinzugekommen sind.
Sill hat übrigens weiterhin darauf hingewiesen, daß in den Vereinigten Staaten die dortige Bundesregierung durch Gesetz verpflichtet ist, mindestens 25 % ihrer bundesseitigen Gesamtaufwendungen im Straßenbau an die Städte zu geben als Zuschüsse für wichtige Stadtstraßen und Stadtschnellstraßen, Stadtautobahnen. Daran ist die Bedingung geknüpft, daß der betreffende Staat, in dem eine Stadt liegt, seinerseits einen gleichhohen Zuschuß gibt. — Es ist allgemein zweckmäßig für unsere deutschen Städte, daß wir den Blick auf die mittlere Großstadt der Vereinigten Staaten lenken. Die Probleme, die man dort bereits in den zwanziger Jahren bewältigt hat, stehen heute vor uns, und was heute in den Vereinigten Staaten akut ist, wird bei uns in acht oder zehn Jahren akut werden. Wir brauchen also nicht erst alle Fehler am eigenen Leibe durchzumachen und brauchen es nicht so weit kommen zu lassen, wie es Ende der zwanziger Jahre in manchen amerikanischen Städten gekommen war.
Unsere Städte müssen nun ihre Beträge für den Straßenbau fast ausschließlich aus dem eigenen Steueraufkommen nehmen. Die Städte bekommen keinen Pfennig aus den spezifischen Abgaben des Kraftverkehrs, weder aus der Mineralölsteuer noch aus der Kraftfahrzeugsteuer. Die Landeszuweisungen etwa aus Mitteln der Kraftfahrzeugsteuer fallen hier überhaupt nicht ins Gewicht. Die Großstädte sind nicht in der Lage — das gilt nicht nur für Berlin, das sich hier in einer besonders kritischen Situation befindet —, rechtzeitig und ausreichend den Straßenbau durchzuführen, den sie eigentlich durchführen müßten. Ich nenne ein paar Zahlen. Die Anpassungsplanungen für einen Zeitraum von 10 Jahren erfordern nach heutigen Preisen in Essen 783 Millionen DM, in Düsseldorf 705 Millionen DM, in München 670 Millionen DM, in Hamburg 645 Millionen DM, in Köln 536 Millionen DM. Auch Sie, die Sie aus diesen Städten stammen, wissen, daß diese Großstädte nicht in der Lage sind, Beträge in solchen Größenordnungen aufzubringen. Wenn ihnen niemand hilft, wird das dazu führen, daß der Straßenbau nicht wie bisher 10 Jahre hinterherhinkt, sondern in Zukunft 11, 12, 13, 14 Jahre hinter der Entwicklung zurückbleibt und wir eines Tages tatsächlich die Kerne unserer Großstädte völlig in einem Verkehr ersticken sehen, der nicht mehr vor und nicht mehr zurück kann.
Ich darf die Gesamtlage in wenigen Strichen folgendermaßen zusammenfassen. Weder für das Bundesfernstraßennetz noch für die Landstraßennetze erster und zweiter Ordnung noch insbesondere für die gemeindlichen und städtischen Straßennetze stehen ausreichende Finanzmittel zur Verfügung. Der Gesetzgeber, d. h. der Bundestag steht vor der Frage, welche der bisherigen Quellen stärker ausgeschöpft werden können, um hier zu helfen, oder aber — wie der Bundesfinanzminister will — welche zusätzlichen Quellen man erschließen kann. Was die zusätzlichen Quellen angeht: wir alle haben bei der Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 gemeint, auf dem Wege der Anleihe einiges tun zu können. Das ist auf lange Sicht gesehen sicherlich auch richtig; auf lange Sicht gesehen behält das Instrument der Anleihe zur Finanzierung von Straßenbau durchaus seine Berechtigung. Im Augenblick, im Jahre 1956 oder 1957 allerdings scheint das — ganz abgesehen von der gegenwärtigen Deroutierung des Kapitalmarkts — auch konjunkturpolitisch nur in beschränktem Umfang möglich.
Nun, ich sagte, der Bundesfinanzminister schmiede andere Pläne: Steuererhöhungen bei Mineralöl, eine neue Reifensteuer und eine neue Autobahngebühr sollen eingeführt werden. Ich glaube, es genügt, diese drei Pläne nur zu erwähnen, um jedem deutlich werden zu lassen, daß sie wohl kaum Chancen haben. Ich kann mir kaum vorstellen. daß das Parlament bereit ist, diese Dinge ernsthaft entgegenzunehmen in einem Zeitpunkt, wo von den vorhandenen Abgaben des Kraftverkehrs, nämlich Mineralölsteuer und Kraftfahrzeugsteuer, auch nicht annähernd das Aufkommen wirklich in den Straßenbau gesteckt wird. Ich