Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben sich sehr eingehend mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt auseinandergesetzt. Ich glaube, Sie haben dabei eine sehr wichtige Tatsache übersehen. Der Herr Kollege Schmidt hat Ihnen sehr ausdrücklich ein Kompliment gemacht. Und da wir beide Komplimente von seiten des Herrn Kollegen Schmidt nicht gewohnt sind,
so sollten wir diese Tatsache hier mit besonderer Genugtuung bemerken.
Herr Kollege Schmidt: wenn Sie allerdings bemängeln, daß der Antrag, der in erster Linie Ihren Namen trägt, nicht auch die Unterschrift 'der — es ist gut, daß Sie daran denken — größten Fraktion dieses Hauses trägt, so muß ich Ihnen in diesem Falle sagen: wir haben den Antrag deshalb nicht unterschrieben, weil der Wunsch, den Sie darin äußern, längst erfüllt ist und wir der Sozialdemokratie wie so häufig schon um viele, viele Monate voraus sind!
In der Sache selbst — das habe ich schon gesagt — stimmen wir jedem Worte zu, das der Herr Kollege Schmidt gesagt hat. Das hier angeschnittene Thema enthält ein ganz großes Ärgernis. Wir können von dem westlichen Teil der Bundesrepublik mit amerikanischen, mit englischen und französischen Flugzeugen nach Berlin fliegen, nicht mit deutschen. Wir haben uns in jahrelangen Kämpfen, unterstützt durch die westlichen Alliierten, schließlich die Freiheit der Straße und die Freiheit der Schiene erkämpft. In der Luft stoßen wir immer noch auf Überreste der russischen Blockade. Nicht als ob wir Einwendungen gegen die Beteiligung amerikanischer, englischer oder französischer Flugzeuge am Luftverkehr nach Berlin hätten. Im Gegenteil! Im Flughafen Tempelhof steht ein Denkmal, das die Berliner Bevölkerung den Westmächten gesetzt hat, ein Denkmal der Erinnerung an die Zeit der Blockade, in der Berlin durch die Flugzeuge unserer westlichen Alliierten gerettet worden ist.
Daß der harmlos-gutmütige Spott der Berliner dieses Denkmal mit dem Wort „Hungerharke" bezeichnet, gibt in Wirklichkeit dem besonderen Respekt Ausdruck, den Berlin vor dieser gewaltigen Leistung der westlichen Alliierten zugunsten ihrer Stadt und zugunsten unser aller, der Bundesrepublik hat.
An dieser unvergessenen Kameradschaft wollen wir festhalten. Ja, wir möchten darüber hinaus, daß andere uns befreundete westliche Nationen ihre Flaggen in Tempelhof zeigen. Wir möchten gern, daß Berlin in der Tat wieder das wird, was es gewesen ist und in absehbarer Zeit sein wird: das echte Luftkreuz des Westens. Wir möchten englische, amerikanische, schwedische, holländische und norwegische Flugzeuge in Berlin sehen.
Vor allem aber möchten wir deutsche Flugzeuge in Berlin sehen. Wir möchten, daß die deutsche Flagge in Tempelhof wieder gezeigt werden kann.
Meine Damen und Herren, die Lufthansa fliegt heute wieder in vielen Teilen der Welt. Sie berührt London, Lissabon, Madrid. Sie fliegt nach Südamerika. Ist es ein erträglicher Zustand, daß wir von Hamburg nach Buenos Aires, aber nicht nach Berlin fliegen können? Dieser Zustand ist nicht mehr erträglich. Uns wird ein natürliches Recht des ungehinderten Zugangs nach Berlin streitig gemacht. Wir müssen uns darüber klar sein: die Russen wollen uns trotz aller Zeichen der Aufweichung und des Völkerfrühlings, der nach Meinung vieler auszubrechen scheint, trotz aller Anzeichen des Nachgebens deutlich machen, daß sie noch hier sind und ein entscheidendes Wort bei der Gestaltung unseres Landes mitzusprechen haben. Wir sollten das nicht vergessen, daß zwar vielleicht der Kalte Krieg aufgehört hat, aber allenfalls ein Kalter Friede an seine Stelle getreten ist.
Die Verhandlungen, die unsererseits in dieser Frage geführt worden sind, haben geradezu den Charakter einer Farce angenommen. Bonn hat das getan, was sich in diesem Falle sozusagen gehört. Es hat sich an ,die kürzlich eingerichtete russische Botschaft in Bonn gewandt. Ein sehr höfliches Entgegenkommen war die Antwort, indes die Mitteilung nach einiger Prüfung, daß für diese Frage nicht die Bonner Botschaft, sondern die bei der sogenannten DDR akkreditierte Botschaft Unter den Linden, also der Herr Puschkin, zuständig sei. Und warum? Ja, Vorgänge hinter dem Eisernen Vorhang könnten nicht in Bonn, sondern nur von Ost-Berlin aus erledigt werden.
Nun, das Problem ließ sich relativ leicht lösen. Wir haben ja eine Botschaft in Moskau. Dort ist nur eine russische Regierung. Dort ebenfalls eine kühle Antwort — nach längerer Überlegung —. Nein, nicht wir, sondern die sogenannte DDR ist zuständig. — Damit war zunächst einmal die Sache erledigt.
Daß unter der Hand Versuche weitergehen über den in dieser Sache eingeschalteten und um die Sache wohlverdienten Berliner Senat, mag am Rande ibemerkt werden. Wir hoffen, daß diese Bemühungen in absehbarer Zeit zu einem Erfolge führen werden.
Sicherlich sind wir bereit, im Wege des technischen Austausches auch mit der Zone und selbst-
verständlich mit der Sowjetunion zu gegenseitigen erträglichen Übereinkommen — ich will nicht sagen „Abkommen" — zu gelangen. Es liegt uns daran, die Freiheit wiederzugewinnen, ganz gleichgültig, auf welchem Wege. Jeder vernünftige Weg, der nicht zu einer Anerkennung der für uns nicht zuständigen Regierung von Pankow führt, soll uns dabei angemessen sein.
Aber ich möchte die Aufmerksamkeit des Hauses nun auf einen Vorgang lenken, der sich in den letzten Tagen zugetragen hat und von dem noch große Wirkungen ausgehen können. Der ostzonale Flughafen Berlins liegt in Schönefeld. Schönefeld war bisher nicht ein Bestandteil der Stadt Berlin, nicht ein Bestandteil des Ostsektors Berlins, sondern der Zone. Das hat dazu geführt, daß Schönefeld von Berlin praktisch abgeschnitten war. Der Zugang von West-Berlin zum Flughafen Schönefeld erforderte eine besondere Genehmigung des ostzonalen Innenministeriums. Praktisch war damit der ostzonale Flughafen Berlin-Schönefeld vom internationalen Verkehr ausgeschlossen. Eine kleine Korrektur der politischen Geographie hat in den letzten Tagen diesen Zustand radikal geändert. Berlin-Schönefeld ist in die Stadt BerlinOst eingemeindet worden. Nunmehr ist der Zugang zu Berlin-Schönefeld vom Westen ohne die bisherigen Erschwerungen möglich. Ich mache das Verkehrsministerium, das diese Vorgänge sicherlich mit Aufmerksamkeit beobachtet hat, darauf aufmerksam, daß wir hier am Beginn einer intensiven ostzonalen Offensive auf dem Gebiet des Flugverkehrs stehen. Von hier aus werden energische Versuche der sogenannten ostzonalen Lufthansa ausgehen, sich wesentliche Bestandteile des Flugverkehrs mit dem Westen zu erobern. Herr Kollege Schmidt hat bereits einige treffende Worte über die Methode gefunden, der ostzonalen Fluggesellschaft den Namen Lufthansa zu geben. Man würde das im bürgerlich-rechtlichen Verkehr mit dem Wort unlauterer Wettbewerb bezeichnen. Aber solche untergeordneten Zwischenfälle nehmen wir im internationalen Verkehr mit den Ostblockstaaten heute schon gar nicht mehr übel; wir sind Schlimmeres gewohnt.
Bemerkenswert ist aber, und das sollte hier noch einmal festgehalten werden, .daß der ostzonale Flugverkehr der sogenannten Lufthansa zwar unter deutscher Flagge ausgeführt wird, die Sache aber damit auch endet. Weder sind die Maschinen deutsch noch sind die Besatzungen deutsch. Es sind Maschinen russischer Herkunft, und die Besatzung wird ausschließlich von russischen Staatsangehörigen gestellt. Die Flagge ist alles, was die deutsche Lufthansa Ost zu zeigen hat, im übrigen ist alles rein russischer Herkunft. Bei dem, was sich in Zukunft ereignen wird, werden wir diese Tatsache besonders zu beachten haben.
Wir haben ,die Hoffnung, daß mit der wachsenden Stärkung der Hauptstadt Berlin auch diese Frage bald einer natürlichen, angemessenen und für die Bundesrepublik und Berlin erträglichen Lösung zugeführt wird. Wir hoffen, daß die Lufthansa bald ihre Flagge in Berlin wird zeigen können.