Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von dem vorliegenden Antrag, dessen Begründung wir soeben gehört haben, können wir den ersten Teil, also soweit er sich, wie aus der Überschrift erkenntlich, auf die „Förderung der Klein- und Mittelbetriebe der gewerblichen Wirtschaft" bezieht, voll und ganz unterschreiben. Seit Jahren liegen Anträge aller Fraktionen vor, auch von meiner Fraktion, mit denen wir von der Regierung etwas Grundsätzliches zur Förderung der Klein- und Mittelbetriebe der gewerblichen Wirtschaft fordern.
Wir sind aber der Meinung, daß der zweite Teil des Antrags, in dem das Ersuchen sich auf die Vergabe von Verteidigungsaufträgen beschränkt, eigentlich sehr bescheiden ist. Denken Sie daran, meine Damen und Herren, wieviel Anträge dieser Art bereits in den Ausschüssen liegen, die dort noch nicht behandelt worden sind. Es geht dabei zum Teil um Aufträge an die Bundesregierung, denen sie bisher nicht nachgekommen ist, obgleich die einzelnen Minister draußen immer wieder betonen, daß sie nun endlich etwas für diesen Teil der Wirtschaft tun wollen. Es wäre wirklich an der Zeit, etwas Grundsätzliches zu tun. Man sollte nicht wieder zu diesem einzelnen Problem, zu dem ich gleich noch Stellung nehmen werde, zu diesem ganz kleinen Sektor allein wieder eine Gesetzesvorlage fordern oder ein Gesetz durchzubringen versuchen. Wir werden draußen so häufig beschuldigt, wir machten zuviel Gesetze, und hier gehen wir wieder nach der gleichen Richtung.
Wenn überhaupt zum Vergabewesen etwas gesagt werden soll, dann müßte, wie schon Herr Kollege Wieninger andeutete, grundsätzlich zum Vergabewesen im Hinblick auf alle öffentlichen Aufträge gesprochen werden. Da kann man nicht nur sagen: jetzt müssen 40 % der Rüstungsaufträge an die Klein- und Mittelbetriebe gegeben werden. Die Schwierigkeiten, die bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen auftreten, basieren doch auf den bestehenden, sagen wir ruhig, mangelhaften Gesetzen, auch der VOL, die zwar kein Gesetz ist, aber doch als maßgebliche Richtlinie gilt. Diese Schwierigkeiten treten bei allen Vergaben auf, und zwar bis hinunter in die Beschaffungstellen der Gemeinden. Es wäre, glaube ich, viel sinnvoller gewesen — vielleicht läßt sich das in den Ausschüssen noch erreichen —, grundsätzlich an die Dinge heranzugehen.
Auch uns ist natürlich bekannt, welche Mißstände gerade jetzt bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen aufgetreten sind. Man kann fast sagen, die Vergabestelle tut alles, um Maßnahmen zur Abschreckung der Klein- und Mittelbetriebe zu ersinnen, damit diese sich nicht weiter um Aufträge bewerben. Wenn man von den Maßnahmen hört, die immer wieder den Arger draußen verursachen, dann muß man zugeben, es ist wirklich haarsträubend. Die Aufträge werden im wesentlichen nach der VOL vergeben. Immer wieder werden so kurze Lieferfristen gestellt, daß sich gerade die Klein- und Mittelbetriebe einfach nicht in der Lage sehen, die Fristen einzuhalten. Hinterher hört man dann aber, daß derjenige, der den Auftrag bekommen hat, erklärt, er könne es in dieser Frist nicht machen, und dann bekommt er ohne weiteres eine Verlängerung um ein halbes Jahr.
Das ist natürlich nicht sauber, und dieses Verfahren wird draußen als ein Mittel angesehen, das die Klein- und Mittelbetriebe von vornherein abschrecken soll. Aber derjenige, der mit Bravour herangeht und vielleicht schon weiß — vielleicht hat man es ihm irgendwie gesteckt —, daß es gar nicht so genau genommen wird mit diesen Lieferfristen, sagt zunächst ja und läßt sich dann hinterher die Nachbewilligung geben.
Ein anderes Beispiel: es kommt vor, daß fünf Bewerber gerade aus dem Kleingewerbe nach Koblenz bestellt werden. Eine Anfrage meines Kollegen Mommer in der letzten Fragestunde
wurde dahin beantwortet, es kämen zu viele Bewerber nach Koblenz, und das sei gar nicht erwünscht. Gut, aber die Anfrage bezog sich auf Bewerber, die ein preisgünstiges Angebot abgegeben hatten und nun nach Koblenz bestellt wurden. Man ließ sie eine sehr weite Reise machen und bestellte sie ausgerechnet an einem Sonnabend, so daß sie auch noch gezwungen waren, den Sonntag über in Koblenz zubleiben, um am Montag weiterzuverhandeln, in der Hoffnung, einen Auftrag zu bekommen. Zwei Tage, nachdem sie wieder zurückgekehrt waren, bekamen sie den schriftlichen Bescheid, leider habe der Auftrag anderweitig vergeben werden müssen. Meine Damen und Herren! Einem solchen Mann, der Inhaber eines kleinen Betriebes ist, hat man rund 150 DM Unkosten für die Reise verursacht; und dann noch der negative Bescheid!
Ich habe daraufhin nachgefragt. Es wurde mir gesagt, daß man gleichzeitig fünf solcher Bewerber hat nach Koblenz kommen lassen. Allen fünf hat man natürlich gewisse Hoffnungen gemacht. Wenn schon solche Nachfragen kamen, dann mußten die Bewerber unbedingt der Meinung sein, daß sie wirklich mit einem Auftrag rechnen können und daß es schließlich nur noch bei ihnen liegt, ob sie zu irgendwelchen abgeänderten Bedingungen den Auftrag annehmen können. Dem ist nicht so. Man ist sehr großzügig 'auf Kosten der Bewerber und macht sich überhaupt keine Gedanken darüber, wie die Kosten, die ja für den einzelnen sehr beträchtlich sind, getragen werden können. Selbstverständlich wäre eine solche Reise für den, der den Auftrag bekommt, überhaupt kein Problem. Aber wenn man den Klein- und Mittelbetrieben helfen will und 'an Ort und Stelle mit ihnen sprechen möchte, sollte man doch überlegen, wie man ihnen diese Kosten erstatten kann. So könnte man ihnen zum mindesten den Anreiz geben, bei ähnlichen Ausschreibungen auch wieder auf idem Plan zu sein.
Die ständige Übung, Preise „bis zum Gebrauchsort" zu fordern, bedingt, daß alle entfernt gelegenen Bewerber von vornherein ausgeschlossen sind. Zwar ist verschiedentlich versprochen worden, das in der Praxis nicht mehr durchzuführen, sondern nur die Preise „frei Werkstatt" anzufordern. Dias wäre logisch und richtig, und die Bewerber hätten zum mindesten die gleichen Startbedingungen. Aber wenn man in den Preisen gleichzeitig auch die Frachtkosten haben will, dann müssen sie unterschiedlich sein, und es sind insbesondere die entfernt gelegenen Gebiete, Zonenrandgebiete usw., von vornherein benachteiligt.
Weiter: wenn man eine Ausschreibung im Bundesanzeiger veröffentlicht, worin es heißt, die Angebotsunterlagen zum Preise von soundso viel sind in der Zeit von 10 bis 11 Uhr — oder zu irgendeiner kurz bemessenen Zeit aber an einem bestimmten Tage — in Koblenz abzuholen, dann darf man sich nicht wundern, daß so viele Bewerber dort aufkreuzen und damit den Betrieb stören. Auch ida werden den Bewerbern von vornherein Unkosten 'zugemutet, die zum mindesten den Inhabern von Klein- und Mittelbetrieben den Anreiz nehmen, sich zu beteiligen und die Reise aufs Geratewohl zu unternehmen.
Ein Wort noch zur Abgabe der Unterlagen zu den sogenannten Selbstkosten, wie es in der VOL heißt. Ja, was heißt dort „Selbstkosten"? Auf welcher Basis hat man die Selbstkosten errechnet? Für
die Entwicklungsarbeiten, die nun einmal in der Beschaffungsstelle anfallen? Und mit wieviel Bewerbern rechnet man? Man hat doch bestimmt nicht damit gerechnet, daß gelegentlich mal zehntausend solche Unterlagen abgefordert werden. Man überlege einmal, welche Summen herauskommen, wenn zehntausend Unterlagen für je 5 oder 10 DM ausgegeben werden, und ob da nicht mit dem Wort Selbstkosten erheblich Schindluder getrieben wird. Als Selbstkosten können meiner Meinung nach — so ist, glaube ich, auch die Auslegung in der VOL — nur die einfachen Vervielfältigungskosten, nicht aber auch die Entwicklungskosten angesetzt werden.
Wir sind also der Meinung, daß man grundsätzlich an die Dinge herangehen sollte. Die VOL ist über zwanzig Jahre alt, stammt also nicht aus unserer Zeit, dient aber immer noch als Grundlage für die Vergaben von öffentlichen Aufträgen. Sie hat erhebliche Mängel, z. B. den, daß die Vergabe ausschließlich in die Verantwortung der Beschaffungsstelle gelegt wird, 'die die Aufträge dann an fachkundige Bewerber geben soll. Das setzt aber doch voraus, daß die Beschaffungsstellen auch wirklich hundertprozentig mit fachkundigen Angestellten oder Beamten besetzt werden.
Den Eindruck, daß das der Fall ist, hat man allerdings nicht, wenn man die Ausschreibungsunterlagen studiert. Bei solchen Unterlagen kommt es dazu, daß Preisunterschiede von oft 200 und 300 %, vom billigsten Angebot gerechnet, zutage treten. Es heißt 'dann: „Ja, die Leute können nicht rechnen!" Dieses Verfahren trifft insbesondere die Klein- und Mittelbetriebe. Wenn man eine Ausschreibungsunterlage so und so beurteilen kann, dann ist leider, wie ich vorhin schon sagte, gerade der kleine Handwerksmeister bemüht, sie so korrekt wie möglich auszulegen; und der andere, der die Geschichte etwas großzügiger 'handhabt, vielleicht schon, weil er weiß, daß man es so genau ja doch nicht nimmt, liegt dann immer vornean im Rennen.
Man sollte also, wie gesagt, grundsätzlich an diese Dinge herangehen. Wir würden damit, wenn also die VOL und vielleicht auch die Reichshaushaltsordnung in einigen Punkten entsprechend geändert würden, eine Basis schaffen, die nicht nur für die Vergabe von Rüstungsaufträgen, sondern für alle öffentlichen Aufträge, auch die der Länder und Gemeinden, gelten würde.
Nun, dem eigentlichen Anliegen, dem Titel, den die Drucksache 2615 trägt — Förderung der Klein- und Mittelbetriebe —, gerecht zu werden, ist, ich wiederhole es, Sache der Bundesregierung. Nichts gegen die Gesetzesinitiative aus unseren Reihen. Aber ein Initiativgesetz muß immer Flickwerk bleiben, wenn uns nicht von der Verwaltung und von der Regierung die Unterlagen für eine 'grundsätzliche Arbeit gegeben werden.
Es ist soeben schon von Herrn Kollegen Wieninger angedeutet worden, daß diese Maßnahmen — ich will sie nicht „Hilfsmaßnahmen" nennen, sondern Maßnahmen, die dazu dienen, das Klein- und Mittelgewerbe beim Wirtschaftsablauf und insbesondere auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gebührend einzuschalten — in anderen Ländern selbstverständlich sind. Herr Kollege Wieninger hat die verschiedenen Länder genannt, von denen uns das bekannt ist. Es wird dort seit Jah-
ren, in Amerika z. B. seit 20 Jahren, praktiziert; aber auf Grund von umfassenden Kenntnissen wird das dort als selbstverständlich angesehen.
Hier in Deutschland entfallen auf die Klein- und Mittelbetriebe immerhin 36 % aller in der gewerblichen Wirtschaft Beschäftigten. Wir haben es also nicht nur mit ,der Großindustrie zu tun. Aber leider denkt man bei allen wirtschaftspolitischen Maßnahmen durchweg immer nur an die Großbetriebe. Wenn aber 36 % der Beschäftigten des gewerblichen Sektors in den Klein- und Mittelbetrieben ihre Beschäftigung finden, dann sollte das wirklich für das Parlament und noch viel mehr und in erster Linie für die Bundesregierung Anlaß sein, sich einmal Unterlagen darüber zu verschaffen, wie hier wirklich geholfen werden kann.
Dabei genügt es nicht, auf Grund der vielen vorliegenden Statistiken zu wissen — das wissen wir beinahe alle auswendig —, soundso viele Betriebe haben wir und soundso viele Beschäftigte; man muß auch etwas über die Ertragslage und über die Kapazität dieser Betriebe wissen. Dann kann man vielleicht dazu kommen, und nicht nur auf diesem Gebiet, sondern volkswirtschaftlich gesehen für diesen großen Teil der Wirtschaft etwas Grundsätzliches zu tun. Dann hätten wir Unterlagen nicht nur für die Vergabe öffentlicher Aufträge, sondern auch Unterlagen für die Steuer- und Kreditpolitik.
Die Regierung ist vom Parlament immer wieder aufgefordert worden — und sie hat sich selbst immer wieder dazu bereit erklärt —, nun endlich etwas für die Klein- und Mittelbetriebe zu tun. Auf die Verwirklichung warten wir leider seit Jahren, die Öffentlichkeit draußen aber auch.
Vielleicht werden wir — ich sage nur: vielleicht! — auf Grund dieses Antrages — ein ähnlicher Antrag liegt bereits seit einigen Monaten in den Ausschüssen vor — einen Schritt weiterkommen, indem wir die Bundesregierung verpflichten, nun endlich die nötigen Unterlagen zu unterbreiten. Wir sind zur Mitarbeit bereit; denn das Anliegen als solches, Klein- und Mittelbetriebe mehr als bisher entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistung zu berücksichtigen, ist auch unser Anliegen.