Ich bin über diese Klarstellung dessen, was Herr Dr. Vogel wirklich sagen wollte, gar nicht böse; denn das kann ich Ihnen absolut nachfühlen, daß Ihnen das Provisorium Bonn in seinem Dauerzustand von heute nicht gefällt. Sie hätten gern von der ersten Stunde an Bonn als Bundeshauptstadt, vielleicht als Reichshauptstadt gehabt!
— Ein Verbrechen wäre es nicht, aber eine erstklassige Dummheit, und die ist manchmal schlimmer als ein Verbrechen, Herr Kollege.
Nun ist es wünschenswert und notwendig, bei der Erörterung des Antrags, den wir gestellt haben und der vom Haushaltsausschuß, d. h. von seiner Mehrheit, sozusagen mit weißer Salbe erledigt worden ist, sich ein bißchen mit den Kosten der Bonner Bundesbauten zu befassen. Ich habe es mir angelegen sein lassen, einige Tatsachen nachzulesen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.
Man hat seinerzeit, 1949, einen Bedarf an reiner Büronutzfläche für die Bundesregierung von 52 000 qm festgestellt. Nach einer Auskunft des Herrn Staatssekretärs Dr. Wandersleb, die vor kurzem durch die Presse gegangen ist, stehen heute in Bonn statt der seinerzeit benötigten 52 000 qm Büronutzfläche rund 150 000 qm zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, der Parlamentarische Rat hatte seinerzeit eine besondere Kommission eingesetzt, um die Angaben der Städte Bonn, Frankfurt, Kassel und Stuttgart, die sich alle um den Sitz der provisorischen Bundeshauptstadt bewarben, zu prüfen. Ich habe den Bericht des Hauptstadtausschusses mit dem Bericht des Parlamentarischen Rates, des Sonderausschusses „Bundestag", und des Technischen Ausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz hier vor mir. Nur zur allgemeinen Erheiterung darf ich aus der Anlage 1 „Aufstellung über die Kosten für das Projekt Bundessitz" zwei Bemerkungen verlesen, die damals bei der Entscheidung für Bonn — ich komme darauf noch zurück — bestimmend waren. Da heißt es in bezug auf die Villa Hammerschmidt: „Wird schlüsselfertig" — ich unterstreiche: schlüsselfertig! — „von Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt". Und da heißt es beim Palais Schaumburg — dem Bundeskanzlerpalais —: „Wird schlüsselfertig von Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt". Ansatz an Ausgaben in diesem Technischen Bericht: 0,0.
Man hat weiter eruiert, wie hoch die Kosten sein würden. Die Kommission des Parlamentarischen Rates berichtete auf Grund amtlicher Unterlagen am 28. April 1949: Rund 3,8 Millionen DM.
Davon würden nur 1,9 Millionen DM auf den Bund
entfallen. Diese Zahl wurde nun in Konkurrenz
gesetzt zu der von Frankfurt berichteten Zahl, die
natürlich sehr viel höher, dafür aber auch sehr viel
ehrlicher war. Sie betrug 11 Millionen DM, und
zwar alle 11 Millionen DM zu Lasten des Bundes.
Meine Damen und Herren, in der Antwort der Regierung, die Ihnen heute vorliegt und über die Herr Kollege Hilbert als Berichterstatter bereits gesprochen hat, ist nachgewiesen, daß die Summe, die bisher für Dienstgebäude ausgegeben worden ist, nicht 1,9, nicht 3,8, nicht 11, sondern 124 Millionen DM beträgt.
Dabei sind in dieser Auskunft der Bundesregierung Angaben enthalten, die nicht unumstritten sind. Um die Verhandlungen nicht zu verzögern, nenne ich nur ein Beispiel. Da wird gesagt, daß 1949 für das Bundeskanzleramt ein Betrag von 985 000 DM veranschlagt worden sei. Aber es existiert ein alter Voranschlag amtlicher Herkunft, in dem es heißt, daß für das Palais Schaumburg 180 000 DM — und nicht 985 000 DM — benötigt würden. Jedoch selbst diese 985 000 DM sind ja noch weit überholt. Die Kosten des Bundeskanzleramts betragen laut amtlicher Übersicht in Wirklichkeit 13 139 100 DM.
Darunter ist der sehr aufwendige Neubau des Propagandaministeriums,
offiziell Bundespresseamt genannt.
— 5 Millionen! — Aber wir haben dankenswerterweise einen um die Finanzen des Bundes sehr besorgten Bundesfinanzminister. Ich habe nicht ohne Interesse gelesen, daß man im Jahre 1949 im Bereich des Bundesfinanzministeriums mit einer Ausgabe für die Rheindorfer Straße von 2 Millionen DM rechnete, und aus dem gedruckten Bericht ersehen, daß die Ausgaben für den Neubau des Bundesfinanzministeriums 11,8 Millionen DM betragen.
Nun haben wir — das ist dankenswerterweise von Herrn Kollegen Dr. Vogel und auch von Herrn Kollegen Hilbert hervorgehoben worden — im Haushaltsausschuß keine Differenz in bezug auf Wohnungsbedarf gehabt. Aber es gibt auch da einige recht interessante Zahlen, mit denen man Bonn kreiert hat. 1949 sagte man, man brauche für die Unterbringung der Beamten der Bundesregierung 3386 Wohnungen und 1129 möblierte Zimmer. Damals wurde der für Wohnungsbauzwecke in Bonn im Bereich des Parlamentarischen Rates bereits aufgewandte Betrag mit 8 Millionen DM angegeben, und später sagte man, noch 48,2 Millionen DM seien außerdem für Wohnungsbauzwecke erforderlich; im ganzen also 56,2 Millionen DM. Das war auch billiger als der Anschlag für Frankfurt. In Frankfurt hatte man schon — in der Hauptsache infolge der dort vorhanden gewesenen Wirtschaftsbehörden — 73,7 Millionen DM für Wohnungen aufgewendet und wollte noch aufwenden 13 375 000 DM,
zusammen also 87 075 000 DM. Diese Zahl, Herr Kollege Conring, stand 1949, als der Bundestag hier entschied, in Konkurrenz zu der Zahl, die für Bonn genannt wurde. Rund 87 Millionen für Frankfurt, rund 56 Millionen für Bonn. Also ist Bonn ja viel billiger! Mit den genannten Summen wären
erzielt worden 3386 Wohnungen in Bonn und 4651 Wohnungen in Frankfurt.
Ihnen allen, meine Damen und Herren, liegt der Schriftliche Bericht der Bundesregierung vor. Danach sind 143 Millionen, also nicht 56 und nicht 87, sondern 143 Millionen DM für Bonn aus Bundesmitteln aufgewandt worden, und es wurden nicht 3386 oder 4600 Wohnungen erstellt, sondern mit den 700, die demnächst begonnen werden sollen, 7700! Das Provisorium Bonn kostet also bis heute an Dienstgebäuden rund 124 Millionen und an Wohnbauten rund 143 Millionen DM, macht nach Adam Riese 267 Millionen DM.
Aber, meine Damen und Herren, dem Glücke sind keine Grenzen gesetzt! Unser hochverehrter Herr Bundesverteidigungsminister hat sicherlich schon einmal die Pläne des Verteidigungsministeriums in Washington, des Pentagon, gesehen. Nur aus dieser Plankenntnis ist es erklärlich, daß das Bundesverteidigungsministerium auf einer Anhöhe bei Bonn auch ein eigenes Pentagon haben will, das die bisherigen Ausgaben um die Kleinigkeit von 55 Millionen DM vermehren soll.
Herr Kollege Dr. Vogel, ich beglückwünsche Sie zu der ausgezeichneten Idee, bei der Projektierung des Pentagon jetzt schon darauf zu achten, daß daraus einmal Studentenwohnungen gemacht werden können.
Außerdem stehen, wie der Herr Bundesverteidigungsminister gern zu sagen pflegt, im Raume Forderungen auf Errichtung von weiteren 2000 Wohnungen für Beamte, Angestellte und Militärs des Bundesverteidigungsministeriums in Bonn. Wenn Sie die Wohnung mit 20 000 DM berechnen — und das dürfte heute nicht übersetzt sein —, dann wären das weitere 40 Millionen DM. Rechnen Sie die 55 Millionen und die 40 Millionen zu den bisherigen Ausgaben hinzu, dann kommen Sie auf einen Aufwand für die „provisorische Bundeshauptstadt" — meistens fix festgelegt in Beton und Eisenbeton — von 362 Millionen DM.
Nun taucht doch immer wieder für jeden die Frage auf: Hätte man das nicht billiger machen können? Das Leben ist schön, aber teuer; man kann es auch billiger haben, dann ist es nicht so schön. Auch wir von der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hohen Hauses wünschen nicht, daß menschenunwürdige Arbeitsräume geschaffen werden. Aber wir kritisieren seit Jahr und Tag mit vollem Recht, daß man hier gebaut hat ohne eigentliche Planung, ohne eigentliche Kenntnis dessen, was man damit ausrichtet, was man damit tut. Und, Herr Kollege Dr. Vogel, die Einsicht, die Sie in Ihrem Antrag jetzt gebracht haben, kommt reichlich spät. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie nicht in bezug auf das Pentagon schon zu spät kommt. Denn wir haben ja im Haushalt schon einige Hunderttausend DM für die Planung bewilligt, die sicherlich „unter dem Druck der dringenden Notwendigkeit der Schaffung eines RiesenKriegsministeriums über und unter der Erde" schon recht weit vorgeschritten sein wird.
Die Regierung hat sich — ich bitte die Regierung, zu antworten, wenn sie anderer Meinung sein sollte — nicht gefragt, was man als Dauerbauten verantworten kann und wie man sie später verwenden kann. Erst jetzt kommt die führende
Regierungspartei auf die Idee, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man das später einmal verwenden kann. Die Regierung hat auch nicht gefragt, was man etwa tun könne, um den Raumbedarf in einem anständigen Provisorium zu befriedigen.
Aber die Krönung dessen, was wir bis jetzt hier vor uns sehen, ist die wahnwitzige Idee — die auf Beschlußfassung wartet —, 55 Millionen für ein bei Bonn zu errichtendes Bundesverteidigungsministerium zu bewilligen. In der ausgezeichneten Zeitung „Die Welt" — man muß als Sozialdemokrat auch einmal ein anderes Blatt loben, auch wenn es nicht von der eigenen Couleur ist —
stand am 6. Februar 1956 ein ganz interessanter Artikel. Da sprach man über die Bonner Bundesbauten und erinnerte an ein Wort eines lang dahingegangenen Herrn namens Goebbels, der bei der Übernahme eines Schlosses in Berlin in die Verwaltung des „Dritten Reichs" erklärte: „Hier sind wir und hier bleiben wir!" Ich weiß nicht, ob „Die Welt" mit ihrer stillen Frage, ob man auch in Bonn bleiben will, recht hatte. Herr Kollege Dr. Vogel, das würde sich ausgezeichnet in Ihre Projektion von vorhin einpassen, daß man bedauert, daß Bonn provisorische Bundeshauptstadt geworden ist.
Das Beharrungsvermögen des Bonner Bundesprovisoriums wird ja praktisch eigentlich durch politische Maßnahmen besonderen Ranges sogar unterstützt und gefördert. Ich brauche nur an den Verlauf aller Bemühungen der Bundesregierung auf dem Gebiete der Wiedervereinigung zu erinnern, an die bedingungslose Westblockpolitik und an die Wehrpolitik, wie sie heute „im Raume steht" und wie sie auf weitere Mittelzuweisung — siehe die heute hier erstmals behandelte Ergänzungsvorlage zum Wehrhaushalt — wartet.
Aber alle diese Dinge wären an sich nicht möglich, wenn nicht von einer ganz anderen Seite her noch eine sehr starke Förderung eingesetzt hätte. Ich meine das, was man als die Hypertrophie der Verwaltung bezeichnen kann. Meine Damen und Herren, diese Aufblähung, diese fürchterliche Entwicklung der Zahlen der Bonner Bundesverwaltung ist ohne jeden Zweifel das Ergebnis — wir sehen das gerade jetzt bei unseren Sorgen um die Frage der Reduzierung der Gesetzesvorlagen, die noch in diesem Parlament auf Erledigung harren — eines — ich möchte beinahe sagen — unvergleichlichen Dranges und Hanges zu einem absoluten Perfektionismus: Wir wollen alles so perfekt gestalten, daß wir — ich hätte beinahe ein despektierliches Wort gebraucht — alles bis zum letzten Punkt ganz genau regeln. Nur da, wo zweckmäßigerweise — wie beispielsweise vorhin bei der Auskunft des Herrn Staatssekretärs Hartmann über die Fragen der Entschädigung der Gemeinden — eine perfektionistische Regelung auch in der Bundesgesetzgebung hätte stehen sollen, überläßt man das anderen, Dritten.
Wenn aber Herr Dr. Vogel und seine Fraktion nun den Antrag stellen, eine Ausländeruniversität
unter Umwandlung von Bonner Bürogebäuden in Studentenwohnheime etc. vorzusehen, dann offenbart sich darin eine neue Art von Perfektionismus, die aber eine große Frage berechtigt erscheinen läßt: Wer soll denn die Kosten für diese geplante Universität bezahlen? Der Bund etwa? Wollen Sie aus diesem Grunde das Grundgesetz ändern?
Meine Damen und Herren, die Hypertrophie der Verwaltung zeigt sich in einigen ganz interessanten Zahlen. Am 18. Oktober 1949 erklärte der Herr Bundesfinanzminister, daß der Personalbedarf aller Ministerien — ohne das damals noch in Offenbach residierende Verkehrsministerium — 4515 Beamte und 672 Arbeiter betrage, zusammen also 5187 Menschen. Damals wollte der Herr Bundesfinanzminister Schäffer selber mit 386 Beamten in seinem Bundesfinanzministerium auskommen. Lang, lang ist's her! Heute sind es rund 1400 in seinem Ministerium. Und der Haushalt? Nehmen Sie nur zwei Vergleichszahlen: der Haushalt von 1950 hatte eine Endsumme von 16,2 Milliarden DM, der von 1956 hat eine solche von etwas mehr als 30 Milliarden DM.
Ich glaube, an diesen nicht zu widerlegenden Zahlen zeigt sich die Notwendigkeit der Lösung der Aufgabe, für die dieses Haus vor kurzem aus drei Ausschüssen einen besonderen Unterausschuß eingesetzt hat, für die Fragen der Verwaltungsvereinfachung. Ich beglückwünsche bei dieser Gelegenheit die CDU-Fraktion ausdrücklich — und darf auf das verweisen, was in der Samstagausgabe der Zeitung „Der Mittag" geschrieben stand — zu der offensichtlich sehr wirkungsvollen, tiefgründigen und segensreichen Tätigkeit des Herrn Kollegen Dr. Bergmeyer, der offensichtlich auf Grund von Briefen, die ihm zugegangen sind, sich bemüht, nennenswerte Maßnahmen auf diesem Gebiet einzuleiten, — ich weiß nicht, in welcher Eigenschaft er auftritt, als Ritter oder als Begleiter aus einer spanischen Geschichte. Wenn wir die Schwierigkeiten überwinden wollen, die heute auf uns lasten, dann müssen wir die Aufgabe einer Verwaltungsreform, einer Vereinfachung der Verwaltung und einer Personaleinsparung, bitter ernst nehmen.
Der Zahl, die damals der Herr Bundesfinanzminister angegeben hat — ohne die Beamten des Verkehrsministeriums mit 4 1/2 Tausend Beamten in allen Ministerien auskommen zu können —, steht eine andere Zahl gegenüber, und das ist die von heute. Heute werden in Bonn beschäftigt: 4790 Beamte, 6052 Angestellte, 1657 Arbeiter und 2 Lehrlinge — nun, die machen den Kohl nicht fett —, insgesamt also 12 501 Personen. Davon entfallen auf das Bundesverkehrsministerium 796. Diese Zahl bitte ich in Vergleich zu setzen mit der seinerzeitigen Anforderung von Mitarbeitern 5187 gegen heute rund 11 500 ohne Verkehrsministerium.
— Ich komme gleich darauf zu sprechen, warten Sie nur!
Nun hat der Herr Kollege Dr. Vogel den Antrag seiner Fraktion begründet, den man unter das Stichwort stellen könnte: Was soll aus Bonn einmal werden? Ich weiß ja nicht, ob in manchen Träumen der Gedanke geistert, daß aus Bonn einmal, nicht etwa die deutsche Reichshauptstadt von einst, aber vielleicht einmal die europäische Haupt stadt werden könne. Es gibt so gewisse Anhaltspunkte, die diesen Wunschträumen irgendeine Art von Rechtfertigung geben.
Aber die Frage ist die: kann der Plan, den Herr Dr. Vogel begründet hat, wirklich helfen? Welche Bonner Bundesbauten, Herr Kollege Dr. Vogel, könnten denn geeignet sein, um als Professoren- und Studentenwohnheime in Frage zu kommen? Ich rede von den Diensträumen, nicht von den Wohnungen. Welche Bonner Bundesbauten eignen sich als Studienplätze? Ich befürchte, daß die Erkenntnis der Notwendigkeit einer Planung mit Änderungsmöglichkeit entschieden zu spät kommen wird. Nichts gegen einen Ausbau der Universität, nichts gegen eine Ausländeruniversität, nichts gegen eine weitere Technische Hochschule! Eine weitere Technische Hochschule ist ein absolutes Bedürfnis, eine Universität für Ausländer ist eine begrüßenswerte Angelegenheit. Aber — da muß ich jenes alte abgedroschene Lied einmal zitieren
—: wer soll das bezahlen? Soll das die Stadt Bonn, soll der Bund oder soll das Land Nordrhein-Westfalen bezahlen, was hier gefordert wird?
— Vergessen Sie nicht, Herr Kollege Dr. Dresbach, Ihre Gemeinde gleichzeitig mit anzumelden!
Wenn wir nun aber die Idee, die diesem Antrag einer künftigen Verwendung der Bundeshauptstadt zugrunde liegt, einmal durchdanken, dann stoßen wir auf allerlei Überlegungen und Bedenken. Zunächst noch eine etwas boshafte Bemerkung: Wenn ich bedenke, was das Inland und das Ausland sagt, wenn man aus dem kommenden Pentagon ein Studentenheim für 55 Milionen DM macht, dann kann ich mir vorstellen, wie das ein Hohngelächter auslösen muß, wie ein schöneres die Welt seit dem Hauptmann von Köpenick noch nicht erschüttert hat. Aber Studentenzimmer! Heute werden Zimmer durch Bundesangestellte in rauhem Umfang beansprucht. Wenn Bonn nach Berlin geht, also wenn die Bundeshauptstadt oder Reichshauptstadt Berlin heißt, dann werden diese Zimmer von den Bundesbeamten und Bundesangestellten geräumt, und wenn das Pentagon Studentenheim wird, dann werden auch die dortigen Beamten, soweit sie nicht eigene Wohnungen haben, die gemieteten Zimmer frei machen. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal — und das sei in allem Ernst gesagt — die Lage der Bonner Vermieter vor, die am Sitz der traditionsreichen Bonner Universität weitgehend von dem Vermieten von Zimmern leben, wenn diese Konkurrenz des Bundes mit einigen tausend freien Zimmern auftritt! Sie werden nicht ebenso viele Studenten an eine gedachte Technische Hochschule, an eine geplante Ausländer-Universität, an eine ausgebaute Universität Köln-Bonn bringen können, wie Zimmer frei werden. Sie werden dann den Stand der Zimmervermieter auf diese Art der Konkurrenz auf das empfindlichste treffen, und Sie werden außerdem dem Bund, der ja wohl der Eigentümer dieser Gebäude bleiben wird, weil es keinen Nachfolger geben dürfte, sehr erhebliche Umbaukosten aufbürden.
Was soll aus Bonn werden? Wir haben nicht umsonst einen Stopp der Bonner Bundesbauten gefordert. Das, was die Mehrheit des Haushaltsausschusses hier produziert hat, wird von uns als nichts anderes als ein untaugliches Ausweichmanöver betrachtet.
Es ist mit einer Überfülle von Baumaßnahmen den Raumbedürfnissen in Bonn Rechnung getragen worden. Aber zur gleichen Zeit wurden andere Dinge bedauerlich vernachlässigt. Ich greife nur ein Beispiel heraus: die Situation der Bundeshauspresse, der in Bonn akkreditierten Presse. Während man sonst verständlicherweise Baracken ablehnt, haust die in Bonn zugelassene Presse in Barackenräumen.
Ich habe mich selbst davon überzeugt: Man kann diesseits der Wand hören, was jenseits der Wand gesprochen wird, und das ist nicht gerade gut. Vielleicht gäbe es einen Ausweg, ohne daß Bonn und der Bund sich noch neue Kosten aufbürden. Vielleicht ließe sich die Möglichkeit schaffen, einer zu gründenden Vereinigung der Bonner Bundeshaus-Journalisten eine Hypothek zur Errichtung eines eigenen Gebäudes zu gewähren, damit die üblen Zustände abgestellt werden.
— Das ist kein Bundesbau. Aber fragen Sie nur die Herren von der Presse selbst, Herr Kollege! Die Antwort werden Sie gar nicht gern hören.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum
Schluß über die Wahl der Stadt Bonn als Bundeshauptstadt und die Auswirkungen dieser Wahl eine Bemerkung machen. Angesichts der steuerlichen Bedeutung und der Einwohnerzahl der Stadt Bonn — gegen diese liebenswerte Stadt soll kein Wort gesagt werden — war es eine Überforderung, Bonn als Bundeshauptstadt zu bestimmen, und diejenigen, die es hier in der Mehrheit getan haben, tragen dafür, auch vor der Geschichte der Stadt Bonn, die volle Verantwortung. Was in Frankfurt ohne Schaden möglich gewesen wäre, was dort hätte verkraftet werden können, wird sich voraussichtlich in Bonn als ein Unglück, als ein Mühlstein am Hals der Stadt Bonn erweisen.
— Wenn die Bonner einverstanden sind und die Kölner es wollen, wäre vielleicht ein netter Oberbürgermeisterposten dort vakant, Herr Dr. Dresbach.
Ich darf nur zur Begründung dessen, was ich sage, auf die Einwohnerzahl verweisen. Bonn hatte im Jahre 1949 110 000 Einwohner, heute hat es 140 000. Glauben Sie nicht, meine Damen und Herren, daß die Stadt Frankfurt mit heute 570 000 Einwohnern sehr viel eher in der Lage gewesen wäre, Bundesbauten, die in dem Ausmaß bei weitem nicht notwendig geworden wären, zu verkraften? Meine Damen und Herren, wissen Sie, daß 20 % des Raums von Bonn-Stadt und Bonn-Land, d. h. 1500 ha Gelände, für Gebäude und Straßen — ohne das Pentagon — bis jetzt schon verbraucht worden sind? Damit Sie einen Vergleich haben, darf ich Ihnen sagen: mit dem Hindenburg-Damm auf der Insel Sylt wurden mit Mühe und Not 1200 ha Land dem Meer abgerungen, und hier hat Bonn 1500 ha für Gebäude und Straßen verbraucht.
Die Stadt Bonn hat ein Gutachten einholen lassen, das die Steuerkraft der Stadt und verschiedener anderer Städte behandelt. Darin wird festgestellt, daß von 38 kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen 22 mit ihrer Steuermeßkraft erheblich über der Steuermeßkraft von Bonn liegen. Es ist ja nicht nur eine Belastung des Bundes, es ist auch eine sehr spürbare Belastung der Stadt Bonn entstanden, die ihren ganzen Optimismus braucht, um an die Zukunft glauben zu können.
Nach den letzten Berichten hat die Stadt Bonn eine Schuldsumme von 58,8 Millionen DM mit einem Schuldendienst von 5,4 Millionen DM auf sich geladen, und weitere Schuldenaufnahmen sind nach amtlicher Mitteilung nur bis zu weiteren 8 Millionen DM möglich.
Bonn hat allein für die Unterbringung von Kindern von Bundesbeamten und -angestellten jährlich 1,47 Millionen DM aufzuwenden. Ich glaube, daß daraus sehr wohl eine moralische Verpflichtung des Bundes gegenüber der Stadt Bonn abgeleitet werden kann.
Aus all diesen Überlegungen fordern wir den Baustopp. Wir wissen, und Sie wissen so gut wie wir: Einmal kommt der Tag, an dem auch dieses Provisorium zu Ende geht. Und was kommt dann? Dann steht vor Bonn die Gefahr einer wirtschaftlichen Blutleere, die Gefahr, daß sich lange Zeit hindurch für die leergewordenen Räume keine Verwendung findet. Dann steht Bonn vor der Tatsache des Abzugs der Bundesbeamten und Bundesbediensteten, daraus resultierend eines Rückgangs der Wirtschaft, der insbesondere den Einzelhandel treffen muß, und damit verbunden eines Rückgangs der Steuerkraft. Aber die Lasten werden der Stadt Bonn bleiben. Auch darum unsere Forderung: Es darf in Bonn nicht mehr weitergebaut werden gegen Berlin und auch nicht mehr weitergebaut werden gegen wichtige Lebensinteressen von Bonn!
Lassen Sie mich meine Ausführungen beenden mit einem Zitat, für das ich der „Bonner Rundschau" ausdrücklich danke.
— Sie sehen, ich lese auch die „Bonner Rundschau"!
— Wenn auch Sie etwa die sozialdemokratische Presse hielten, wäre es manchmal für Sie besser!
— In der „Bonner Rundschau" vom 20. Januar 1956 steht zu lesen, daß Sekundanerinnen aufgefordert wurden, ihre Meinung zu sagen über die Wahl von Bonn als Bundeshauptstadt. Eine Sekundanerin — ich weiß leider nicht, wie sie heißt; sonst würde ich alles tun, damit sie weiter ausgebildet wird, damit sie ein Stipendium bekommt, denn sie scheint den Verstand am rechten Fleck zu haben —
hat laut „Bonner Rundschau" vom 20. Januar 1956 wörtlich gesagt:
Man hat unwillkürlich das Gefühl, daß hier der Stadt etwas aufgezwungen ist, zu dem sie nicht berufen war, das sie nicht abschütteln will und auch nicht kann, das ihr aber hoffentlich schon recht bald zugunsten der alten. Reichshauptstadt wieder abgenommen wird.
Das ist auch unsere Hoffnung, und aus diesem Grund bitte ich Sie namens meiner Fraktion: Helfen Sie den Weg ebnen durch einen Stopp der Bonner Bundesbauten und im übrigen durch Annahme des Antrags, den wir gestellt haben.