Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde — ich habe schon beim Heraufgehen Ihre Zwischenrufe gehört —
kurz zum Punkt b) der Tagesordnung sprechen;
denn zum Punkt a) hat mein Freund Thomas Dehler heute das Nötige und Abschließende gesagt.
Ich habe lediglich hinzuzufügen, nachdem uns eben die Entschließung Drucksache 2577 vorgelegt worden ist, daß wir dieser selbstverständlich unsere Zustimmung verweigern.
Ein, zwei Dinge, die im Laufe der Diskussion aufgefallen sind! Der verehrte Kollege Baron Manteuffel sprach wohl als erster von der vorausschauenden Politik der Bundesregierung, die zur Rückkehr der Saar geführt habe. Ich glaube nicht, daß man das so darstellen darf; das würde ja den geschichtlichen Tatsachen Gewalt antun.
Was die Bundesregierung meinte vorausschauen zu können, war doch etwas ganz anderes. Man nahm doch gar nicht ernsthaft an, daß das Volk an der Saar unter dem Druck, unter dem es stand, das sogenannte europäische Statut ablehnen würde.
Es ist dann doch geschehen. Es ist ein demokratischer Durchbruch gewesen. Menschen von allen Gruppen und allen Parteien ist das zu verdanken. Aber man soll doch heute nicht im nachhinein versuchen, die Geschichte anders zu schreiben, als sie sich abgespielt hat.
Meine Damen und Herren, ich habe den Antrag der Fraktion des BHE auf das lebhafteste begrüßt. Durch diesen Antrag ist die Möglichkeit gegeben worden, in diesem Hohen Hause ein sehr entscheidendes Gebiet zu behandeln, das sonst nur am
2. Deutscher Bundestab — 156. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Juni 1956 8561
Rande behandelt wird. Mein Freund und Kollege Dr. Czermak hat vom Standpunkt der Heimatvertriebenen schon darüber gesprochen. Ich habe vom Standpunkt des Einheimischen und des Heimatverbliebenen nur eines hinzuzufügen. Es geht hier ja wirklich — das wurde auch schon zum Ausdruck gebracht -- nicht um ein Anliegen, das nur die Heimatvertriebenen betrifft. Es ist das Anliegen jedes einzelnen von uns, ganz gleich, ob wir aus dem Osten stammen oder aus dem Süden, aus dem Westen oder dem Norden des Reiches. Es geht hier um ein unabdingbares, um ein göttlich gegebenes Recht auf die Heimat, ein Recht, auf das niemand verzichten kann, schon deshalb nicht, weil wir es als Treuhänder auch für die noch ungeborenen Geschlechter tragen.
Zum Abschluß dieser Diskussion möchte ich noch einmal in aller Deutlichkeit folgendes herausstellen, gerade weil wir über die entscheidende Frage der deutschen Wiedervereinigung gesprochen haben. Ich habe die sogenannte Friedenslinie der Oder und Neiße schon vor Jahren als eine „Friedhofslinie" bezeichnet. Ich bin der Meinung, daß wir das gerade im jetzigen Stadium der Wiedervereinigungspolitik herausstellen müssen. Es hat ja ein jeder Deutscher, gleich wo er wohnt und woher er stammt, jedes Dorf in Ostpreußen, in Schlesien oder in Pommern und in anderen Gebieten des deutschen Ostens mit verloren. Gerade wenn man wie wir auf dem Standpunkt steht, daß man mit der Sowjetunion verhandeln muß, daß man vielleicht sogar Hoffnung haben kann, daß diese Verhandlungen, wenn größere Aktivität dahintersteht, zu einem Erfolg führen, muß man den Rechtsanspruch auf den deutschen Osten unbedingt aufrechterhalten. Man verschafft sich keine irgendwie günstigere Position, wenn man auch nur den Schatten eines Verdachts aufkommen läßt, als ob man diesen Anspruch nicht mehr voll aufrechterhalten würde.
Das herauszustellen ist wesentlich; denn diese Frage kommt auf uns zu. Sie ist schon mehrmals auf uns zugekommen. Ob wir auf die Wiedervereinigung mit der Mittelzone zu verzichten bereit sind, wenn wir nicht gleichzeitig das Land östlich der Oder und Neiße bekommen, das ist eine falsche Fragestellung,
und ich lege Wert darauf, das in aller Deutlichkeit festzuhalten, wie es ebenso falsch gewesen ist, uns zu fragen: Wollt ihr die Verständigung mit Frankreich oder das Saargebiet?
Wir haben geantwortet: wir wollen die Saar, weil wir die Verständigung mit Frankreich wollen und weil wir der Meinung sind, daß nur dann, wenn wieder zwischen zwei Völkern das Recht herrscht, wahre Freundschaft und wahre Verständigung möglich sind. Das Unrecht trennt die Völker, und das Recht verbindet sie. Das war der tiefste Grund für unser Ringen um die Saar, und das ist der tiefste Grund für unser Ringen um den deutschen Osten.
Es ist hier mit Recht ausgedrückt worden — ich glaube, vom Herrn Kollegen Dr. Kather —, daß man nicht alles getan habe, um in der öffentlichen Meinung der Welt die Bedeutung des deutschen Ostens herauszustellen. Es waren schlechte, zumindest ungenügende Public relations. Die polnische Lobby in Amerika ist außerordentlich gut organisiert, ohne Unterschied der Parteien. Sie nimmt einen sehr starken Einfluß auch auf das amerikanische politische Leben, was wir nicht tun wollen und nicht tun dürfen. Aber was wir tun müßten, wäre, in den Universitäten, in den Schulen und in allen kulturellen Mittelpunkten des Landes für Aufklärung zu sorgen, um dieser Geschichtsklitterung, die von seiten der von mir erwähnten Lobby getrieben wird, entsprechend begegnen zu können. Ich halte auch das für entscheidend; denn es muß noch eines, was hier schon angeklungen ist, in aller Deutlichkeit herausgestellt werden: Es geht hier nicht nur um ein deutsches Anliegen, sondern um ein Anliegen der Menschlichkeit und des menschlichen Rechtes schlechthin. Solange man Deutschland geteilt halten kann, so lange ist dasselbe Recht auf Einheit — wiederum ein gottgegebenes Recht — jedes einzelnen Volkes bedroht, und erst die Aufhebung der Teilung Deutschlands wird jedem Volk das gleiche Recht auf Einheit sichern. Solange man deutsches Land abtrennen kann entgegen den Bestimmungen der Atlantikcharta, entgegen allen Bestimmungen gültigen Völkerrechts, so lange sind die gleichen Lebensrechte jeder anderen Nation ebenso bedroht.
Daher meine ich, daß die Debatte heute nachmittag, die doch sehr überparteilich geführt wurde, auch dem Grundanliegen der heutigen außenpolitischen Diskussion gedient hat. Denn sie war ein Beitrag zur Wiedervereinigung, und sie war ein Beitrag in unserem Appell an das Gewissen der Welt, durch die Wiederherstellung des Rechtes in Deutschland dem Rechte jedes Volkes und damit dem Frieden aller Völker zu dienen.