Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich sehr schwer, nach einer zweistündigen Regierungserklärung über die Außenpolitik und nach derartig temperamentvollen Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners nun auf mehr technische und sachliche Dinge einzugehen. Lassen Sie mich aber doch vorweg eine Bemerkung machen! Meine Damen und Herren von der Opposition, manchmal haben wir von der CDU den Eindruck, die Opposition spekuliere ein wenig bewußt auf das schöne Vorbild unseres Herrn in der Bibel: So dir jemand einen Streich auf die rechte Backe gibt, halte auch die linke Backe hin. Wir möchten allerdings auch da, meine Damen und Herren der Opposition, doch dringend darum bitten, diese unsere Auffassung nicht zu sehr zu strapazieren.
Wir leben nun einmal in einer sündigen Welt, und es könnte sein, daß dann auch bei uns einmal das Temperament so durchbricht, wie es bei Ihnen der Fallist.
Doch wollen wir uns im Interesse dieses Hauses nicht unbedingt strapazieren.
Ich möchte auch noch zu ein paar anderen Dingen, die mein verehrter Herr Vorredner angeführt hat, gleich vorweg etwas sagen.
Greifen wir zunächst seinen Vorschlag über die Terminverkürzungen heraus, wie man den Bundeshaushalt termingerecht verabschieden könnte. Ich stimme ihm vollauf darin bei, daß der jetzige Zustand völlig unbefriedigend ist. Wenn wir heute den Haushalt in der dritten Lesung verabschieden und ihn dann nachher beim Bundesrat sehen, werden wir schwerlich erleben, daß er vor Juli Gesetz wird. Vielleicht wird wegen der Steuerkomplikationen sogar der Vermittlungsausschuß angerufen, wodurch unter Umständen die Malaise noch vergrößert wird, so daß der Haushalt vielleicht erst im September Gesetz wird.
Wenn sich also Koalition und Opposition auf einen Vorschlag einigen könnten, wie ihn Herr Schoettle soeben hier dargelegt hat, würde ich das durchaus begrüßen. Sie wissen, daß ich mir selbst zu Beginn dieser Beratungen erlaubt hatte, einen rein technischen Verfahrensvorschlag zu unterbreiten, der aber leider nicht ganz die Gnade der Opposition gefunden hat und infolgedessen nicht durchgeführt werden konnte. Wenn wir uns auf einen solchen Vorschlag verständigen, dann aber nur, wenn erstens das Präsidium dieses Hohen Hauses einen solchen Vorschlag restlos sanktioniert und uns keine Schwierigkeiten macht und wenn zweitens auch die großen Fraktionen einen ganz anderen als den jetzigen Zeitrhythmus einführen. Zum mindesten müßte eine völlige Umgestaltung des Terminkalenders Platz greifen. Denn, Herr Kollege Schoettle, wir wissen ja: ist bis jetzt je ein Termin aus dem Kalender innegehalten worden? Konnte er innegehalten werden?
Ich für meine Person kann Ihnen nur sagen, daß ich Ihrem Vorschlag zustimmen und auch mit meinen Freunden darüber sprechen werde, daß wir uns auf dieser Basis einigen.
Lassen Sie mich nun aus dem Haushalt selbst einige Kernstücke herausheben! Wir glauben, daß jeder Haushaltsplan das Regierungsprogramm darstellt. Denn alles, was die Regierung will und was sie beabsichtigt, drückt sich ja in irgendeiner Form auch in den Zahlen und den Einzeltiteln dieses Riesenhaushaltsplans aus. Die Frage, die wir uns jetzt einmal bei einem kurzen Rechenschaftsbericht zu stellen haben, ist, -ob auch dieser Haushalt der Zielsetzung der Regierung in etwa entspricht
oder ob da noch Lücken offengeblieben sind. Dabei wollen wir durchaus unterstellen, daß nicht Zahlen allein, sondern auch Willensfaktoren ein Regierungsprogramm in weitestem Sinne des Wortes kennzeichnen.
Wenn Sie einmal einen Überblick über den Haushalt versuchen, dann werden Sie finden, daß wir in einer ganzen Reihe von Punkten erhebliche Ausweitungen vorgenommen haben. Ich zähle sie einmal der Reihe nach auf: 1. eine Ausweitung der Sozialleistungen, 2. eine Ausweitung des Gesamtpostens, den ich hier einmal mit „Wiedergutmachung und Kriegsfolgeschäden" umschreiben möchte, 3. das Anlaufen des Verkehrsprogramms, 4. erhebliche neue Ansätze für Forschung und kulturelle Zwecke, 5. neue Ansätze für die Förderung der in wirtschaftlichem Aufbau befindlichen Gebiete.
Lassen Sie mich dazu einige Zahlen geben, die, glaube ich, sehr viel von dem entkräften können, was vorhin so temperamentvoll gegen angebliche „Versäumnisse" der Regierung vorgetragen worden ist. Die Sozialleistungen des Bundes betrugen im Haushalt 1955 8,045 Milliarden DM. Sie werden nach den Beschlüssen, die wir bis jetzt gefaßt haben, im Haushalt 1956 9,21 Milliarden DM betragen, also 1,2 Milliarden DM mehr. Sie werden nach den Beschlüssen, die sich schon jetzt abzeichnen und die sich erst im nächsten Haushaltsjahr voll auswirken werden, 1957 mit Sicherheit 9,8 Milliarden DM im Minimum betragen. Es ist also eine sehr erhebliche Steigerung zu verzeichnen. Sie beschränkt sich nicht allein auf den Bundeshaushalt. Wenn Sie gegenüber diesen Zahlen die Gesamtauswirkungen auf den Sozialhaushalt von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen betrachten, dann finden Sie eine Steigerung von 21,86 Milliarden DM im Jahre 1955 auf 23,93 Milliarden DM im Jahre 1956, und für das Jahr 1957 zeichnen sich jetzt schon — siehe die Altersrentenreform usw. — Leistungen in Höhe von mindestens 27,2 Milliarden DM ab.
Wenn man diese Zahlen überblickt und sie mit dem Gesamtvolumen des Haushalts vergleicht, dann kann man nicht behaupten, daß der Sozialaufwand zurückgeblieben sei. Ich werde gleich auch noch auf das Verhältnis von Sozialaufwand zum Rüstungsaufwand zu sprechen kommen.
Nehmen Sie den zweiten Punkt heraus: die Ausweitung der Leistungen für Wiedergutmachung, für Kriegsfolgen, für Besatzungsschäden usw. Sie wissen, daß hier Beträge neu in den Haushalt hineingekommen sind, die in die vielen Hunderte von Millionen gehen und die ich hier im einzelnen gar nicht aufzuzählen brauche. Ich möchte Ihnen nur eine Zahl nennen, die im Hause fast unbekannt ist. Allein die Durchführung des von uns fast stillschweigend beschlossenen Schlußgesetzes über ungeregelte Besatzungsschäden, deren Regelung in Form von Zahlungen für Beschädigungen, für Unglücksfälle, die durch die Besatzungsmächte hervorgerufen worden sind usw. —. wir zu übernehmen haben, wird allein 700 Millionen DM erfordern, eine Summe, die bei den damaligen Beratungen nicht genannt worden ist, die aber in diesem Zusammenhang einmal erwähnt werden muß.
Das Verkehrsprogramm wird allein bei den Neubauten für Autobahnen und Bundesfernstraßen eine Summe von 300 Millionen DM mehr erreichen, mit den 45 Millionen DM, die am Schluß noch dazugekommen sind, als Gesamtaufwendung eine Summe rund um die 400 Millionen DM, so daß diesmal mit Recht gesagt werden kann, daß ein wichtiger Schritt vorwärts getan worden ist in der Beseitigung der Verkehrsmisere, die wir alle beklagen. Sie wissen, daß diese Leistungen entsprechend dem Mehraufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz Jahr für Jahr progressiv ansteigen werden. Darüber hinaus stehen uns bereits zwei neue Finanzpläne zur Verfügung, die der Verkehrsminister der Öffentlichkeit unterbreitet hat und nach denen die Straßen der Dringlichkeitsstufe I finanziert werden sollen. Hier ist ein Gesamtaufwand von 23 Milliarden DM genannt worden. Der Bundesfinanzminister hat meines Wissens demgegenüber einen Verkehrsfinanzplan in Höhe von ungefähr 15 Milliarden DM für die nächsten zehn Jahre entwickelt. Wir werden uns über dieses äußerst wichtige Problem in den nächsten Wochen und Monaten noch eingehend zu unterhalten haben.
Das vierte Problem: die Beiträge für die Forschung. Sie sind ja der Debatte in der zweiten Lesung gefolgt. Wir haben nun diesen doch immerhin sehr beachtlichen Posten von 50 Millionen DM im Haushalt verankert. Wenn Sie die einzelnen kleinen Zahlen — die ja hier in der allgemeinen Debatte meistens untergehen — aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums hinzuzählen, kommen Sie noch einmal zu neu bewilligten 10,8 Millionen DM, so daß im Haushalt 1956 rund 60,8 Millionen DM an zusätzlichen Mitteln stehen, eine Summe, die immerhin nicht unerheblich unerheblich ist.
Was das letzte von mir angesprochene Gebiet, nämlich die im Aufbau befindlichen Gebiete betrifft, so darf ich nicht nur Ihre Aufmerksamkeit zurücklenken auf die 50 Millionen DM, die in der zweiten Lesung für die wirtschaftliche Entwicklung der betreffenden Gebiete beschlossen worden sind, sondern darüber hinaus noch einmal aufzählen, was zusätzlich in anderen Haushalten verankert ist: die 3,5 Millionen DM im Bundeswirtschaftsministerium, die 2 Millionen DM aus den ERP-Mitteln im gleichen Haushalt, die 7,1 Millionen DM für den Schneiter-Plan im Auswärtigen Amt, die Erhöhung des offiziellen Ansatzes für die über die Vereinten Nationen laufenden Beträge auf 1,2 Millionen DM, und dann schließlich noch eine Reihe kleinerer Beträge, die hier hinzugezählt werden müssen, insgesamt also eine Summe von rund 65,8 Millionen DM für die Lösung dieser Probleme, Beträge, die in diesem Haushalt völlig neu in Erscheinung treten.
Ich möchte Ihnen noch einige andere Punkte des Haushaltes unterbreiten und einige Bemerkungen zum gesamten Haushaltsplan machen. Wenn ich die heute morgen veröffentlichten Zahlen der Steuereingänge des Bundesfinanzministeriums für den Monat Mai dieses Jahres in Höhe von 2,5 Milliarden DM betrachte, dann stelle ich zunächst fest, daß es gegenüber den Steuereingängen vom Mai 1955 11,5 % mehr sind. Weiter fällt mir auf, daß die Umsatzsteuereinnahmen sich mit nur 865 Millionen DM gegenüber dem gleichen Monat des vergangenen Jahres lediglich um 7,5 % erhöht haben, während sich die gesamten Steuereingänge, vor allen Dingen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, um 11,5 % erhöht haben. Die Umsatzsteuereingänge sind also nicht in der gleichen Höhe mitgezogen wie die anderen Steuereingänge. Immerhin dürfen wir wohl mit einem tatsächlichen Steuereingang in der Höhe der jetzt endgültig ein-
gesetzten Schätzungen beim Einzelplan 60 des vorliegenden Haushalts rechnen.
Leider zeichnet sich bereits eine Gefährdung dieser Eingänge durch die uns noch unbekannte letzte Entscheidung in der Steuergesetzgebung ab. Es ist von uns aus nur zu hoffen, ich glaube, für das ganze Haus zu hoffen, daß zwischen Bund und Ländern eine Einigung erreicht wird, die nicht auf der Einnahmeseite ein neues Loch aufreißt, das dann gestopft werden muß. Die jüngsten Besprechungen zeigten erfreulicherweise, wie wenig entfernt man voneinander in dem Ausgleich der von beiden Seiten zu übernehmenden Steuerausfälle noch war. Unter allen Umständen sollte eine Anrufung des Vermittlungsausschusses gegen das Haushaltsgesetz 1956 vermieden werden. Wir sind nicht sehr glücklich über den nicht von uns verschuldeten jetzt späteren Verabschiedungstermin dieses Haushalts. Aber dieses Unglück sollte nicht noch durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses vergrößert werden.
Was die Technik des Haushaltsausgleichs in diesem Jahr anlangt, so soll kein Zweifel darüber bestehen, daß das Vorgehen des Bundesfinanzministers außerordentlich und ungewöhnlich war. Da ist zunächst der Betrag von 1,7 Milliarden DM aus den flüssigen Mitteln des Bundes, der zur Deckung der Ihnen in der zweiten Lesung hinreichend geschilderten 3 Milliarden DM Mehrausgaben herangezogen wurde. Die Einstellung dieses Betrages bedeutet naturgemäß den Verzehr von Rückstellungen, die sich durch die Verzögerung der Ausgabeverpflichtungen, vor allen Dingen im Verteidigungshaushalt, angestaut hatten. Dieses Geld werden wir in den kommenden Jahren nicht mehr haben, wenn es für die anlaufenden eigentlichen Verteidigungsausgaben gebraucht werden wird. Es muß dann neu aufgebracht werden. Das gleiche gilt auch für die Stationierungskosten von 1,45 Milliarden, die, wie wir vermuten, wohl im Nachtrag des Verteidigungshaushalts eingesetzt werden.
Bei dem zweiten Ausgleichsposten von annähernd 700 Millionen, die als Einsparung aus der 10 %
Kürzungsklausel erwartet werden, sollte sich das Hohe Haus doch nicht einen Augenblick darüber im unklaren sein, daß diese Deckungsmaßnahme einen rein fiktiven Charakter hat. Allenfalls wird hier die Verwaltung auf Grund der bisher von uns in den vergangenen Haushaltsjahren gesammelten Erfahrungen anstatt der eingesetzten rund 700 Millionen vielleicht 100 Millionen herauswirtschaften. Mehr werden es nicht werden.
In der Praxis bedeutet das allerdings schon jetzt ein erneutes Angreifen der Kassenmittel des Bundes, die dadurch um mindestens 500 bis 600 Millionen vermindert werden. Da zur Zeit wohl niemand das Wagnis einer Bundesanleihe auf dem Kapitalmarkt erwartet, werden wir wie in den vergangenen beiden Jahren die Mittel für den zu bedienenden außerordentlichen Haushalt in Höhe von 1,1 Milliarden in diesem Jahr gleichfalls zum allergrößten Teil aus der Kasse des Bundesfinanzministers herausholen müssen. Zählt man nun — und jetzt komme ich zu einem sehr interessanten Punkt, meine Damen und Herren — den Betrag von 1,7 Milliarden an Kassenmitteln für die Dekkung des diesjährigen Defizits zusammen mit dem fast ebenso hohen Betrag für die Deckung des außerordentlichen Haushalts und der Restdeckung für die fiktiven 10 % aus der Ersparnisklausel, von der ich eben gesprochen habe, so ergibt sich allein daraus eine Verminderung der Kassenfülle des Bundesfinanzministers bis zum 1. April 1957 um mindestens 3,4 Milliarden.
Lassen Sie mich hier noch rasch einmal eine Bemerkung über die Haushaltsüberschüsse auch anderer Länder einflechten. Es ist nämlich ganz angebracht, daß wir nicht nur auf unseren eigenen Haushalt starren, sondern uns auch einmal das Gesamtbild des europäischen und vielleicht auch des amerikanischen Haushalts ansehen. Wenn ich recht unterrichtet bin, haben sowohl der amerikanische als auch der britische Haushalt in Zeiten der Hochkonjunktur — und so auch in diesem Jahr — bei ihren Abschlüssen Milliardenüberschüsse aufzuweisen. Auch der Reichshaushalt in der Hochkonjunkturzeit zwischen 1927 und 1929 hatte einmal einen Überschuß von über 500 Millionen — damals eine sehr, sehr erhebliche Summe, gemessen am so bescheidenen Gesamtvolumen des Reichshaushalts bis 1933 — aufzuweisen. Man hat dann allerdings diese Reserven von 500 Millionen durch die Erhöhung der Beamtengehälter verspeist, die dann prompt zwei Jahre später bei der Brüningschen Notverordnung wieder heruntergeschraubt werden mußten. Ich glaube, dieses Beispiel aus der Vergangenheit kann auch heute ruhig einmal herangezogen werden, um die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, daß fast immer Zeiten der Hochkonjunktur zwangsläufig auch nach Ansicht der Finanztheoretiker mit Haushaltsüberschüssen verbunden waren und daß das durchaus kein überwältigendes Unglück darzustellen braucht.
Wenn ich nun hier einen besorg ten Blick nicht allein auf die sich schon jetzt in ihren Umrissen sichtbar abzeichnenden neuen Belastungen dieses Haushaltsjahres über die vorsorglich eingesetzten 200 Millionen für die in der Sozialreform geplante Altersrentenversorgung hinaus werfe, wenn ich von neuen Riesenforderungen der Kriegsopferverbände schon jetzt höre, wenn sich schon jetzt über die 900 Millionen des „Grünen Berichts" hinaus sehr, sehr ungehemmte Wünsche aus den Reihen der Landwirtschaft regen, dann möchte ich doch in allem Ernst auf das jetzt schon sichere Defizit von mindestens 2 Milliarden im kommenden Haushalt hingewiesen haben und auf die in diesem Haushaltsjahr bereits so kräftig begonnene Ausschöpfung einer Kasse, die für die sicher anwachsenden Verteidigungsbeiträge später zur Verfügung stehen sollte.
Damit gleichzeitig möchte ich aber auch auf einen Vorgang hinweisen, der meiner Überzeugung nach bislang noch niemals richtig in seiner vollen Tragweite auch in diesem Hohen Hause behandelt worden ist. Durch die eben von mir geschilderte Inanspruchnahme der Bundeskasse zur Abdeckung des Defizits dieses Jahres bauen sich die Überhänge und Rückstellungen auch ohne die Ausgaben für die Verteidigung fast von selbst ab. Damit wird aber auch der in diesem Hause und in der Öffentlichkeit geschilderten, ich möchte beinahe sagen: an die Wand gemalten Gefahr für das Preisgefüge in Gestalt einer Überforderung der Produktionskapazität durch eine Umsetzung in Leistungen, durch ein Auf-den-Markt-Werfen des Kassenbestandes, im wesentlichen die Grundlage entzogen.
Das gleiche möchte ich hier auch einmal ganz offen für die Besatzungskostenkonten bei der Bank deutscher Länder aussprechen. Wenn auch hier noch Milliardenbeträge auf dem Konto der BdL
offenstehen, so sind doch schon wesentliche Leistungen in Gestalt von Bauten für die Besatzungsmächte, Materialbeschaffungen usw. à conto dieses dort noch stehenden Kassenbestandes bereits auf deutschem Boden vollzogen worden. Lediglich die Auszahlung für diese Leistungen hat sich wesentlich auf Grund der Nachprüfungen und sonstigen Erschwernisse verzögert. So groß kann also die befürchtete Wirkung eines Abbaus der Kassenfülle für die deutsche Wirtschaft und ihre Konjunktur nicht werden, wie sie in der Öffentlichkeit da und dort manchmal bereits geschildert oder angedroht worden ist, weil tatsächlich ein großer Teil bereits in diesen Haushalt hineingewandert oder durch Leistungen der Volkswirtschaft tatsächlich bereits verkraftet worden ist. In der Öffentlichkeit ist hier und da der falsche Eindruck entstanden, als ob eine da und dort auftretende Verknappung
— man spricht ja von „ Überhitzung" in einzelnen Teilen, insbesondere der Bauwirtschaft — eventuell schon eine Folge von Verteidigungsmaßnahmen wäre. Derartige Gerüchte entbehren jeglicher Grundlage.
Die tatsächliche Ausgabe bis zum 1. April dieses Jahres für Verteidigungszwecke betrug noch keine 200 Millionen. Infolgedessen kann von einer Rüstungsüberhitzung etc. auch überhaupt nicht gesprochen werden. Während sich das Haushaltsvolumen bei Bund und Ländern erheblich ausdehnte, fand nämlich umgekehrt keinerlei Steigerung der Verteidigungshaushaltsleistungen statt. Es kann nicht behauptet werden, daß Verteidigungsausgaben in irgendeiner Form entweder das Sozialprogramm oder das Bau- oder Verkehrsprogramm bis jetzt beeinträchtigt hätten.
— Ich komme auf das weitere auch noch zu sprechen, Herr Dr. Keller.
Auch wir stehen nicht an, zu sagen, daß das Problem der Vorwegbewilligung für uns nicht sehr erfreulich ist. Wir sehen aber technisch kaum eine andere Möglichkeit, wenn wir nicht eine weitere 'wesentliche Verlangsamung der Sicherheitsmaßnahmen mitverantworten wollen.
— Ich werde dazu noch ein paar Worte sagen, Herr Kollege Schoettle. Hier unterscheiden wir uns ja nun sehr wesentlich.
Wir haben in der Vergangenheit wiederholt erklärt, und ich erkläre es hier noch einmal für meine Freunde in aller Deutlichkeit, daß das Tempo der Aufrüstung die Stabilität der Wirtschaft und die Währung nicht gefährden darf. Ich stehe mit meinen Freunden nach wie vor zu diesem Satz. Aber ist nicht jetzt allein schon die Forderung nach Stationierungskosten — und niemand wird behaupten können, daß ich ihnen etwa freundlich zustimmen würde — der klare Beweis dafür, daß der Westen auf einem deutschen Beitrag so oder so besteht?
Davon können Sie weder sich selbst noch den Verteidigungshaushalt ausnehmen; es muß so oder so gezahlt werden, und wenn wir es nicht für die Verteidigungsaufgaben ausgeben, werden sich die anderen schon melden und ihren Obulus einfordern, gleichgültig ob uns das passen mag oder nicht.
Auf dem Bausektor können und werden diejenigen Winterbaumaßnahmen durchgeführt werden, die die neuen Bundeswehrbauten in die Winterpause durchaus einschleusbar machen. Herr Dr. Keller, wenn Sie sich das jetzige Programm mit den 600 Millionen für Kasernenneubauten ansehen und die letzten Aufsätze in den Baufachorganen betrachten und auch einmal mit den Fachleuten selbst darüber sprechen, werden Sie finden, daß dieses Volumen bei einer sinnvollen Verteilung — auf die kommt es nämlich an — durchaus noch hineingebracht werden kann und daß hier weder der Wohnungsbau in der bisherigen erweiterten Form darunter Not zu leiden brauchte noch eine andere öffentliche Aufgabe.
Auch von dem deutschen Fahrzeugbau erwartet man eine Einschleusung der Wehrmachtaufträge in noch unbestreitbar vorhandene offene Kapazitäten. Man kann sie ohne weiteres aufzählen, und sie sind auch im Fachausschuß aufgezählt worden.
Wir werden unsererseits ein scharfes Augenmerk auf diese neuen Bauten richten und auch auf alle überflüssigen Instandsetzungsarbeiten, die da und dort auch im Verteidigungshaushalt meiner Überzeugung nach manchmal reichlich hoch angesetzt worden sind. Über die Form der Nachprüfung dieser Anträge werden wir uns in den Fachausschüssen noch gesondert zu unterhalten haben.
Wir möchten mit allem Ernst fordern, daß alle noch vorhandenen Kasernen erneut auf ihre Brauchbarkeit geprüft werden, bevor man zu Neubauten schreitet.
Es sollte möglich sein — und nun komme ich zu einem sehr ernsten Satz, Herr Kollege Schoettle —, zwischen der Koalition und der Opposition eine Verständigung zumindest darüber herbeizuführen, daß über die Notwendigkeit wenigstens eines militärischen Äquivalents zur Volkspolizei kein Streit sein soll.
Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß soziale Sicherheit ohne ein Minimum an militärischer Sicherheit eine schöne Illusion ist.
— Was wir auf dem andern Gebiet leisten, habe ich vorhin aufgezählt. — Da wir zu diesem Grundsatz nach wie vor unbeirrt stehen, kann es für uns auch keine Abstriche von dem Aufwand für Sicherheit geben, den wir nun einmal zur Erreichung der Äquivalenz für unabdingbar halten.
Meine Damen und Herren von der Opposition, einige von Ihnen waren mit mir zusammen bei den Gesprächen in Neuenahr mit den Franzosen und in Königswinter mit den englischen Parlamentariern beieinander. Wir haben dort mit großer Genugtuung gehört und von uns aus dankbar zur Kenntnis genommen, daß die Opposition bei jeder dieser Gelegenheiten auch gegenüber den Ausländern betont hat, daß auch sie zu den von diesem Parlament beschlossenen Verträgen nach wie vor stünde. Wir glauben Ihnen, daß Sie es ernst damit
meinen. Aber überlegen Sie einmal selbst, ob Sie diesen Anspruch nicht selber gefährden, wenn hier weiter so wesentliche Abstriche von der Verteidigung gefordert werden und wenn praktisch Ihre Milliarden Neuanforderungen, die ja doch nur aus Verteidigungsmitteln gedeckt werden könnten — 2,5 Milliarden DM sind in neuen Anträgen verlangt worden —, durchgehen, durch die doch praktisch die Verteidigung schon im Anlaufen stranguliert wird. Wie Sie das in Übereinstimmung bringen wollen mit den Versicherungen, Sie stünden nach wie vor zu einer vollen Erfüllung der Verträge, weiß ich nicht. Ich möchte Sie nur geziemend auf die logischen Schlüsse aufmerksam machen, die im Ausland unvermeidlicherweise daraus gezogen werden.
Nun lassen Sie mich noch einige Bemerkungen generell zu den diesjährigen Haushaltsberatungen machen. Damit komme ich auch zu einem gewissen „Sündenkapitel" dieses Hauses selbst. Wir haben in diesem Jahre eine Einschaltung der Fachausschüsse erlebt, die alles vorher dagewesene Ausmaß bei weitem überschritt.
— Nun haben wir, sehr verehrte Frau Kollegin, leider nie erlebt, daß die Fachausschüsse sich auch der Mühe unterzogen hätten, die von ihnen überprüften Haushalte einmal auf Einsparmaßnahmen hin zu überprüfen; sondern was wir da erlebt haben, war lediglich eine Kette fortgesetzter Vorschläge und Empfehlungen zu wesentlichen Mehrausgaben, und es entspann sich beinahe ein edler Wettstreit zwischen einzelnen Fachausschüssen mit der Empfehlung, Hunderte von Millionen neu in den Haushalt einzustellen; allen voran der Verkehrsausschuß, der, ich glaube, allein ein paar Hundert Millionen mehr verlangt hat; aber auch einige andere Ausschüsse entwickelten dabei einen bemerkenswerten Eifer.
Lassen Sie mich dazu noch einmal grundsätzlich folgendes sagen: Unterminieren Sie mit diesem Eifer der Fachausschüsse nicht zwei Dinge systematisch, erstens einmal das Ziel der Regierung und ihre Verpflichtung, einen ausbalancierten Haushalt vorzulegen, und zweitens das Bemühen, das dem Haushaltsausschuß nun einmal obliegt, als Clearingstelle für Einnahmen und Ausgaben nachher zu einer Ausbalancierung zu kommen! Wenn sich die Fachausschüsse nur berufen fühlen, ihrerseits Mehrausgaben zu verlangen, dann sollte sich zumindest irgendein Ausschuß auch bereitfinden und sich die Mühe geben, uns nachzuweisen und uns dabei Hilfestellung zu leisten, wo wir auf der andern Seite auch Mehreinnahmen erwarten können. Die ganze Sorge und Mühe und auch die angesammelten Schwarzen Peter auf den Haushaltsausschuß abzuschieben scheint mir eine etwas unbillige Zumutung für einen einzelnen Ausschuß dieses Hohen Hauses zu sein.
— Ich nehme meine eigenen Parteifreunde keineswegs aus; auch sie sind an diesem edlen Wettstreit beteiligt. Diese Fachausschußbeschlüsse sind fast alle einstimmig gefaßt, Herr Kollege Atzenroth, auch einschließlich Ihrer eigenen Fraktion. Eine Gewissenserforschung bei dieser Gelegenheit sollte sich also auf alle Fraktionen dieses Hauses erstrekken. Ich nehme meine eigenen Freunde dabei keineswegs aus. Ich mache nur ergebenst darauf aufmerksam, wohin eine solche Entwicklung zwangsläufig führen muß. Sie erschwert die Funktion des Haushaltsausschusses, und sie erschwert auch die Position des Bundesfinanzministers, die nach der Verfassung wie in jedem geordneten demokratischen Staat stark sein muß.
Wenn schon inmitten einer wirtschaftlich so bewegten Zeit nicht das englische Beispiel der Konzentration aller Ausgaben auf das einmalige alljährliche Budget des Schatzkanzlers befolgt werden kann, dann sollte der Finanzminister selbst unmittelbar vor der zweiten Lesung einen Korrekturentwurf zu seinem ursprünglichen Regierungsentwurf vorlegen. Herr Kollege Schoettle und Herr Professor Gülich, nun bitte ich Sie, einmal einem Vorschlag zuzuhören, den ich meinerseits mache. Ich würde es für nützlich halten, daß der Bundesfinanzminister nach dem Ablauf einer gewissen Beratungszeit — das ließe sich mit dem Vorschlag, den Sie vorhin machten, durchaus kombinieren —, am Ende der Haushaltsberatungen oder wenn sich das Ergebnis dieser Beratungen abzeichnet, seinerseits einen Korrekturvorschlag zu seinem ursprünglichen Regierungsentwurf machte; denn dieser Regierungsentwurf entsteht ja praktisch ein Dreivierteljahr vorher. Er kann, wie das in diesem Haushaltsjahr der Fall war, durch eine stürmische Entwicklung der Konjunktur überholt sein. Dann ist es für beide Seiten immer ein etwas peinliches Gefühl, wenn die Entwicklung auf der einen Seite und ein starres Budget auf der andern Seite auseinanderklaffen. Wenn man hier zu einer vernünftigen neuen Regelung käme, glaube ich, würde beiden Seiten wesentlich geholfen sein. Ich könnte mir sehr wohl denken, daß sich der Bundesfinanzminister unendlich viel Mühsal und Schwierigkeiten in diesem Haushaltsjahr erspart hätte, auch bei seinen eigenen Freunden, hätte er rechtzeitig einen solchen überzeugenden Korrekturvorschlag zu seinem eigenen Haushaltsgesetzentwurf bereits im Januar und Februar eingebracht,
als er seine Steuereingänge schon einigermaßen überblicken konnte und als sich erwies, daß sich die Steuerschätzungen, die im September des Jahres 1955 angestellt worden waren, als einigermaßen überholt herausstellten. Nun, nach einem alten griechischen Spruch heißt es: „Im Leid liegt Lehre", nicht nur für den Bundesfinanzminister, sondern auch für uns.
Ich darf hier übrigens den Dank für sein Haus, insbesondere die Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums, einflechten, die in den zurückliegenden Monaten eine ebenso schwierige wie anerkennenswerte Arbeit geleistet hat. Ich möchte das ausdrücklich sagen trotz der Fülle von neuen Vorlagen, die uns gerade diese Abteilung im Haushaltsausschuß beschert hat, indem sie uns die neuen über- und außerplanmäßigen Ausgaben zur Kenntnis brachte. Aber haben wir uns nicht auch daran gewöhnt, mehr als in den Vorjahren Einblick in das Getriebe der Verwaltung und ihre Finanzanforderungen von unserer Seite aus zu gewinnen? Nehmen wir alles in allem, so schien uns der neue Brauch heilsam und vor allen Dingen kostensparend, auch wenn er uns mancher für den Haushalt selbst dringend gebrauchter Stunde beraubt hat.
Lassen Sie mich jetzt noch ein Wort zu den bereits gestreiften leidigen Vorwegbewilligungen
sagen. Sie hätten sich im Grunde genommen vermeiden lassen, wenn man, Herr Kollege Schoettle, ein reguläres Schattenministerium — dann allerdings von dem vielleicht fast dreifachen Ausmaß der Dienststelle Blank — noch vor dem 5. Mai 1955 beschlossen hätte und wenn dieser Apparat rechtzeitig an die Aufstellung und Planung, an seine Beschaffungen, Anforderungen etc. herangegangen wäre. Rückblickend scheue ich mich heute nicht, hier zu sagen, daß ich es bedaure, daß die Bundesregierung in diesen zurückliegenden Jahren nicht den Mut besaß, rechtzeitig mehr anzufordern.
Manches wäre heute vielleicht leichter, und wir hätten möglicherweise auch manche Ausgabe einsparen können. Sicherlich aber, meine Damen und Herren von der Opposition — ich glaube, da irre ich mich nicht —, wäre auch ein solches Vorhaben auf einen scharfen Protest Ihrerseits vor dem 1. Mai 1955 gestoßen. Sie hätten sich auch dagegen zur Wehr gesetzt. Jetzt, da wir in der Konsequenz eines — lassen Sie mich das ruhig sagen — begangenen Fehlers mit Provisorien, mit Vorwegbewilligungen arbeiten müssen, solange dieser Aufbau anhält, protestieren Sie gleichfalls. Aber ich bezweifle sehr, daß die Regierung es irgend jemandem so oder so wirklich hätte rechtmachen können.
Lassen Sie mich nun zu einer weiteren Crux kommen. Wir benutzen diese dritte Lesung des Haushalts immer auch dazu, ganz offen bestimmte Dinge anzusprechen, die uns auch bei unseren Freunden in der Regierung nicht ganz gefallen. Zwei der streitigen Komplexe lassen Sie mich herausgreifen. Der erste ist die zwischen Auswärtigem Amt, Bundesinnenministerium und Bundeswirtschaftsministerium notwendige Regelung in der Frage der Förderung unserer Beziehungen zu Ländern, die sich noch im wirtschaftlichen Aufbau befinden. Der zweite Komplex betrifft eine gleichnotwendige Absprache zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt über den Kulturaustausch mit dem Ausland. Wir haben uns im Haushaltsausschuß wiederholt darüber ausgesprochen, haben aber noch keine definitive Stellungnahme dazu bezogen. Ich möchte jedoch hier einmal in aller Deutlichkeit folgendes sagen: wir wünschen, daß ein Ressortstreit vor dem Plenum dieses Hauses unbedingt vermieden wird. Das Innenministerium fordert z. B. die Übernahme des neuen mit 2 Millionen dotierten Titels zur Förderung der Beziehungen zu den in wirtschaftlichem Aufbau befindlichen Ländern aus dem Kulturfonds des Auswärtigen Amtes, in dem wir diese 2 Millionen eingesetzt haben, auf seinen Etat. Das Auswärtige Amt wiederum widersetzt sich einem solchen Verlangen mit Gründen, die auch keineswegs von der Hand zu weisen sind. Das Bundeswirtschaftsministerium seinerseits beruft sich auf die von ihm seit geraumer Zeit bereits gewonnene Erfahrung im Ausbau der Beziehungen zu den gleichen Ländern und möchte die neu bewilligten 50 Millionen in seinem Haushalt sehen. Ich halte es nicht für gut, hier in der dritten Lesung über die zweckmäßigste Form der Ressortierung so großer Summen zu entscheiden bzw. über die Ressortierung neu zu beschließen. Zunächst sollten die Summen dort belassen werden, wo sie jetzt stehen. Wir verlangen aber sehr nachdrücklich von der Exekutive, sich wirklich einmal auf ihr Organisationsrecht zu besinnen und diesen Hausstreit so schnell wie möglich mit einem brauchbaren Vorschlag an die daran interessierten Ausschüsse dieses Hauses zu beenden. Unter keinen Umständen dürfen die großen Aufgaben des Kulturaustausches mit fremden Ländern und der Hilfe für die aufstrebenden neuen Länder darunter leiden.
Wenn — um ein Beispiel sogar aus den jüngsten Stunden herauszugreifen — im Haushalt des Bundesinnenministeriums bei dem Titel „neu 100 000 DM" keine Mittel mehr für den Studienaufenthalt eines indischen Historikers in Deutschland bereitzustellen sind, dann soll man uns nicht weismachen, es sei unmöglich, dafür Mittel aus dem Kulturfonds des Auswärtigen Amtes flüssig zu machen!
Im Haushaltsausschuß versicherte man uns, der interministerielle Ausschuß zur Förderung des Kontaktes mit den in wirtschaftlichem Aufbau befindlichen Ländern funktioniere durchaus zufriedenstellend. Wir hörten das damals sehr gern. Warum sollte es also nicht möglich sein, bis zur Vorlage eines konkreten Vorschlages der Bundesregierung an den Bundestag diesen interministeriellen Ausschuß organisatorisch so zu festigen und mit solchen Vollmachten zu versehen, daß die zwei oder drei Ressorts sehr schnell zu gut durchdachten gemeinsamen Beschlüssen gelangen? Einzelne Aufgaben sind auch früher mit einer solchen Methode erfolgreich gelöst worden. Bis zur Vorlage des neuen Haushalts bleibt dann Zeit genug, den Regierungsvorschlag zu prüfen und ihn im Haushalt, wenn es notwendig ist, auch entsprechend zu verankern.
Ich habe hier bereits einige Worte zu einem weiteren Problem gesagt, zu der Frage der Finanzierung des Straßenverkehrsplans des Bundesverkehrsministeriums, der so plötzlich aus heiterem Himmel auf uns herniederschneite. Ich nehme an, daß wir auf der Grundlage des neuen Angebots des Bundesfinanzministeriums schon in den nächsten Monaten ein Stück vorankommen werden. Wir alle, glaube ich, haben ein Interesse daran, die Praxis des vergangenen Jahres rechtzeitig vor dem 1. Januar Mittel für den Straßenbau bereitzustellen, in diesem Jahr noch weiter auszubauen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch zu ein paar anderen Problemen etwas sagen. Es wird nachher, fürchte ich, auch unter meinen Freunden zu einem kleinen Streit über die sogenannte Lex Brese kommen. Ich sehe einige bereits gerüstet für diese Auseinandersetzung. Auch ich möchte deshalb über ein paar Erfahrungen sprechen, die wir in den letzten Wochen gemacht haben.
Die Regierung hatte die in dem vorjährigen Haushaltsgesetz enthaltene Klausel — § 6 a — gestrichen. Ich kann mir das Trommelfeuer der vereinten Ressorts auf den Bundesfinanzminister im Kabinett selbst vorstellen. Ich glaube aber, daß die Wiedereinführung, die der Haushaltsausschuß beschlossen hat, gut und richtig war. Die Verwaltung kann nicht etwa behaupten, daß sie durch diese Klausel in ihrem Tatendrang wesentlich gehemmt worden sei. Wenn Sie sich einmal den Bericht über den Erfolg dieser Maßnahme bis zum 1. April 1956 näher ansehen, dann können Sie doch nur lächeln über die Behauptung, die im vergan-
genen Jahr hier aufgestellt worden ist, dieses Gesetz sei eine Katastrophe für die Verwaltung.
Andererseits besteht wirklich die Möglichkeit, die Wiederbesetzung freiwerdender Stellen auf lange oder kurze Zeit zu hemmen. Wir wissen also alle, daß unsere Verwaltung keinen Schaden erleiden wird, wenn sie für begrenzte Zeit personelle Lücken hat. Denn sie hat jederzeit die Möglichkeit, von neuem an den Haushaltsausschuß heranzutreten und eine wirkliche Dringlichkeit dort nachzuweisen.
Es ist oft die Frage gestellt worden, ob die Lex Brese — wenn ich sie so nennen darf — von uns selbst etwa verschärft werden sollte. Wir haben davon abgesehen, weil die Regelung aller Einzelheiten wohl nicht die Aufgabe der Legislative ist. Wir haben das Vertrauen, daß unser Bundesfinanzminister, der auch im abgelaufenen Jahr den Beteiligten mit den Möglichkeiten, die er mit der Lex Brese hatte, nicht allzusehr auf den Zeh getreten hat, den richtigen Weg finden wird. Wir wollen uns auch an der Schaffung der Ausführungsrichtlinien mit Rat und Tat gern beteiligen.
Aber noch ein anderer Gesichtspunkt scheint mir wichtig zu sein. Das Gesetz des Vorjahres hat eine so kurze Auswirkungszeit gehabt, daß man es noch keineswegs endgültig beurteilen kann. Lassen Sie uns infolgedessen ruhig einmal eine Maßnahme ins Auge fassen, die keinen Schaden anrichten kann, aber sehr viel Nutzen stiften kann, wenn sie gegenüber manchen Ressorts angewandt wird, von denen wir wissen, doß dort noch — ich will mich einmal vorsichtig ausdrücken — Reserven vorhanden sind.
— Ganz richtig, der Knüppel im Sack tut manchmal auch die Wirkung, selbst wenn er nicht herauskommt.
Einige Ressorts sind auch in diesem Haushalt mit Erfolg darangegangen, bestimmte Aufgaben aus den Ministerien heraus in die oberen Verwaltungsbehörden und Oberbehörden zu verlegen. Wir haben dieses Bestreben überall unterstützt. Sie finden es sichtbar beim Bundeswirtschaftsministerium. Der Innenminister hat einen ähnlichen Weg mit einer neuen Oberbehörde beschritten. Ich hoffe sehr, daß auch der Ernährungsminister — selbst wenn mich mein Freund Horlacher nachher daraufhin beschimpft — auf diesem Wege fortfahren und die notwendige Klärung bei seinen bis jetzt noch außerhalb stehenden nachgeordneten Behörden erzielen wird. Wir wissen, daß unsere Arbeit leichter wird, wenn wir es mit weniger Menschen und höheren Gesichtspunkten zu tun haben. Ich nehme an, auch im Verteidigungsbereich werden sehr große Aufgaben in die oberen Bundesbehörden verlagert werden können und sollten sich nicht in einem Mammutministerium konzentrieren. Man sollte hier vernünftige Übergangslösungen finden und nach einiger Zeit überlegen, wie man den gesamten Aufbau richtig durchorganisiert und mit dem in Einklang bringt, was in diesem Raum überhaupt verkraftbar ist.
Wer diesen Haushalt verabschiedete und nicht zugleich auch auf das Jahr 1957 ausschaute, meine Damen und Herren, der würde wirklich nicht nur leichtfertig, sondern nach meinem Dafürhalten auch fahrlässig handeln. Ich habe schon bei der Erörterung des diesmaligen Haushaltsausgleichs — zu
Anfang meiner Rede hier — auf den Ernst der Lage für das Jahr 1957 hingewiesen und auf die großen Mehrausgaben, die wir bis jetzt schon bewilligt haben, und es sind Bewilligungen von noch weitaus größeren Beträgen für das nächste Jahr mit Sicherheit zu erwarten. Auf den Grünen Bericht und auch auf die wachsenden Verteidigungsausgaben, wenn sie in diesem und im nächsten Jahr voll anlaufen, habe ich ebenfalls bereits verwiesen.
Lassen Sie mich nur einmal das brennende Problem der weiteren Straßenbaufinanzierung mit den 15 Milliarden, die der Bundesfinanzminister dafür in Aussicht genommen hat, aus den künftigen Aufgaben nennen. Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit weiter auf die ebenso dringliche, vielleicht noch dringlichere Lösung des Wasserbewirtschaftungsproblems mit einem Aufwand von mindestens 4 Milliarden DM.
Sie haben vom Herrn Atomminister bereits bei der zweiten Lesung hier in später Nachtstunde einen Hinweis auf die Kosten der weiteren kernphysikalischen Forschung und auf den Aufwand für den Kernreaktor gehört. Hier werden wir auch mit mindestens einer halben Milliarde in der Zukunft rechnen müssen. Darüber hinaus werden sich für die kommenden Haushalte weitere Summen für die Lösung des Nachwuchsproblems und die Grundlagenforschung als nicht mehr hinausschiebbar erweisen. Es wird Ihnen nachher eine entsprechende Entschließung aller Fraktionen dieses Hohen Hauses vorgelegt werden.
Vielleicht tragen diese Hinweise dazu bei, einen auch in diesem Hohen Hause manchmal ein wenig hochgeschraubten Optimismus hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft schlechthin zur Bewältigung so ungeheurer neuer Aufgaben zu dämpfen.
Die ungeminderte Weiterdauer dieser an sich schon ungewöhnlichen Hochkonjunktur, meine Damen und Herren, ist kein geschriebenes Gesetz, und der Abbau beschlossener gesetzlicher Leistungen hat sich schon einmal in der Vergangenheit — in den Jahren 1930 bis 1932 — als überaus folgenschwer für das gesamte deutsche Volk erwiesen.
Sie müssen infolgedessen dafür Verständnis haben, wenn ich am Abschluß der Haushaltsberatungen 1956 eindringlicher als in den Jahren vorher an Ihren Sinn für Maßhalten appelliere, meine Damen und Herren — und damit komme ich zum Schluß —, an jenen wirklich echten Bürgersinn, aus tiefer christlicher Verantwortungsfreude heraus geboren, ohne den dieses Volk nicht die furchtbare Katastrophe des 30jährigen Krieges und noch weniger die der beiden letzten Weltkriege hätte überwinden können.