Rede von
Dr.
Heinrich
Lübke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anknüpfend an die Große Anfrage und an die grundsätzlichen Ausführungen, die der Herr Vorredner gemacht hat, möchte ich folgendes sagen. Natürlich bestehen gerade bei der Gestaltung der Preise, insbesondere soweit wir nicht auf Festpreise oder Vonbis-Preise zurückgreifen können, gewisse Unklarheiten. Aber diese Unklarheiten werden so lange bestehen, wie keine ausreichenden Handhaben dafür da sind, Preisvorstellungen wirklich einwandfrei zu realisieren. Wir wissen genau, wie wichtig es ist, z. B. die von Ihnen angeschnittenen Preise der Veredelungsprodukte entsprechend den gestiegenen Erzeugungskosten zu gestalten. Aber diese Realisierung der Preisvorstellungen ist einmal abhängig von der Frage der Kaufkraft — ob die Verbraucherschaft imstande ist, die erzeugten Mengen zu entsprechenden Preisen abzunehmen — und zweitens auch von der von Jahr zu Jahr wachsenden Produktionskraft der Bauern.
Wir haben z. B. bei der Butter folgendes erlebt. Es ist kein Zweifel, daß in den beiden letzten Jahren die Kaufkraft der Verbraucher beachtlich gestiegen ist, und man hätte danach annehmen sollen, daß die Preiskurve der Butter nach oben gehen würde. Als wir im Jahre 1954 hier im Hause miteinander über diese Dinge sprachen, lagen die Dinge sehr eindeutig. Wir haben im Jahre 1954 für Butter nur einen durchschnittlichen Molkereiabgabepreis pro Kilo von 5,64 DM gehabt. Unsere Preisvorstellungen lagen höher. Aber die innerdeutsche Produktion war so stark, daß es auch bei starker Steigerung der Kaufkraft den Hausfrauen nicht möglich war, diese Vorstellungen zu realisieren. Die Einfuhr hat damals gegenüber der Erzeugung kaum eine Rolle gespielt. Also von seiten der Einfuhr sind diese Einbrüche nicht gekommen. Deshalb wäre genau das, was der Herr Vorredner sagte, gefährlich gewesen, nämlich Preisvorstellungen zu nennen, indem man sagte: Bei den gestiegenen Unkosten, bei den gestiegenen Löhnen müßte man bei der Butter, pro Kilogramm gerechnet, im laufenden Jahre eine Preiserhöhung von mindestens 10, oder 20 Pf/kg durchsetzen. Was das für den einzelnen Erzeuger bedeutet, wissen Sie ja wahrscheinlich auch. Denn wenn wir die Preisvorstellung, den Molkereiabgabepreis pro Kilo um 20 Pf zu erhöhen, verwirklichen sollten, so würde das für den Erzeuger beim Werkmilchpreis nicht einmal 1 Pf ausmachen. Das wäre also eine sehr bescheidene Erhöhung. Es ist damals im Jahre 1954 nicht gelungen, und es ist mir sehr zweifelhaft, ob es, wenn wir ein gutes Erzeugungsjahr auf dem Gebiet der Milchanlieferung haben, in diesem Jahre gelingen würde. Denn im Jahre 1955, als der durchschnittliche Molkereiabgabepreis auf 6,03 DM pro kg stand, haben wir eine völlige Stagnierung des Butterverbrauchs gehabt. Wir haben, pro Kopf gerechnet, nicht mehr verbraucht als im Jahre 1954. Dabei ist die Kaufkraft der Verbraucher zweifellos erheblich gestiegen.
Es kommt hinzu, daß gerade bei der Butter der gefährliche Punkt eintreten kann, in dem sich die Spekulation einschaltet. Die Spekulation kann gegenspekulieren oder kann mitspekulieren und kann sich auf diese Weise ganz erhebliche Gewinne verschaffen.
Natürlich wäre es besser, wenn man in der Öffentlichkeit sagen könnte, die Preise entwickeln sich so und so, weil damit eine gewisse Unruhe aus der Bevölkerung verschwinden würde, und wir würden es uns wahrscheinlich auch ersparen können, daß draußen in den Schlagzeilen der Blätter Überschriften etwa in dem Sinne erscheinen: „Lübke hungert die Märkte aus".
Wie sich das abspielt, darf ich Ihnen einmal in kurzen Beispielen auseinandersetzen. Wir haben jeweils im Frühjahr bei den Rinderpreisen ansteigende Tendenz bis in den Sommer und vom August an stark sinkende Tendenz wegen des Wendeabtriebs. Wir haben nun versucht, die Rinderpreise einigermaßen stabil zu halten, indem wir auf die Beschickung der Märkte Einfluß nahmen. Da das nicht ausreicht, haben wir aus den Märkten Ware herausgenommen oder auch Fleisch hineingeschleust, wenn die gegenteilige Entwicklung im Gange war. Wir haben in den letzten beiden Jahren 8000 bzw. 18 000 Rinder aus dem Markt genommen. Wie wenig das ist, werden Sie daran sehen, daß wir allein 120 000 bzw. 150 000 Rinder
innerhalb eines halben Jahres eingeführt haben, abgesehen von den Mengen an Fleisch, die nebenher noch hereinkamen. Dieser geringe Prozentsatz hat schon ausgereicht, eine gewisse Stabilisierung zu erzielen. Das kann man nur erreichen, wenn man über die Abwicklung und den Ablauf der Märkte zuverlässig orientiert ist und wenn man weiß, daß die Kaufkraft der Verbraucher im Steigen ist und das Fleisch von jungen Rindern besonders beliebt ist. Alle diese Komponenten müssen aber in einer ziemlichen Klarheit vorliegen, wenn man diese Preisvorstellungen verwirklichen will. Ich möchte es jedenfalls ungern auf mich nehmen, entweder von den Lieferanten erschlagen oder von den Verbrauchern gesteinigt zu werden.
Nehmen Sie einmal den Winter 1953/54! Damals wollte man auch verhindern, daß der Butterpreis im Einzelhandel über 8 DM ging. Das lag gar nicht im Sinne meines Vorgängers. Er hat aber damals die Importmengen gar nicht so rasch nach Deutschland hereinbekommen, um diesen Preis entsprechend niedrig halten zu können.
Wir sehen jetzt z. B. bei Schweinefleisch eine Unterversorgung für den zweiten Teil des Jahres vor uns. Wir haben zur Zeit noch eine Überversorgung und einen solchen Druck auf die Märkte, daß unsere Einfuhr- und Vorratsstellen noch jeden Tag kaufen, um die Ausgleichsmöglichkeiten für Herbst und Winter zu verbessern. Aber es ist trotzdem nicht sicher, daß es uns gelingen wird, soviel Schweinefleisch und Rindfleisch heranzuschaffen, daß wir den Fehlbedarf decken können. Dabei sind bei Rindern seit Ende vorigen Jahres und jetzt auch bei Schweinen die Grenzen zu allen Ländern offen. Wir haben rechtzeitig angefangen, uns auf diese Entwicklung einzustellen, und trotzdem bin ich zu vorsichtig — ich sage das ganz offen —, hier bestimmte Preisvorstellungen zu nennen.
Wenn die Fragesteller, wenn besonders Herr Kriedemann soeben auf die Wichtigkeit der Preisgestaltung bei den Veredelungserzeugnissen hingewiesen hat, dann brauche ich nur daran zu erinnern, daß im letzten Jahr, also 1954/55, ohne Einrechnung des Eigenverbrauchs allein die Verkaufserlöse bei den Veredelungsprodukten, also Milch, Fleisch, Eiern, 9,7 Milliarden DM gegen 4,1 Milliarden DM bei den pflanzlichen Erzeugnissen betrugen.
Die allgemeinen Vorstellungen, innerhalb deren sich die Maßnahmen bewegen und von denen sie regiert werden, die also die Einfuhr- und Vorratsstellen beeinflussen sollen, sind folgende.
Ich darf noch vorausschicken: Eine große Zahl von nicht orientierten Verbrauchern und Erzeugern sind der Meinung, daß der Bundesernährungsminister die Preise einfach diktiere oder daß Festpreise vorhanden seien, die vom Bundesernährungsminister nur aus Mangel an Sorgfalt nicht gehalten würden. Nun, meine Damen und Herren, um das einmal ganz klarzustellen: Es gibt nach der Marktordnung für uns gesetzlich gebundene Preise nur für Getreide, für Zucker bzw. für Zuckerrüben sowie für Trinkmilch. Das ist alles! Alle übrigen Produkte sind zwar verschieden beeinflußbar, ihr Preis regelt sich aber im wesentlichen nach Angebot und Nachfrage. Als wir zusammen die Marktordnung für Getreide, für Zucker, für Vieh und Fleisch und für Milch und Fett geschaffen haben, waren wir uns ganz klar darüber, daß wir bei Vieh und Fleisch keine Festpreise einsetzen konnten. Wir haben auch keine Möglichkeiten dafür vorgesehen, weil wir damals schon wußten, daß uns Produktionskraft, Konsumkraft auf diesen Gebieten einen Strich durch die Rechnung machen würden. Wir haben zwar auch auf dem Gebiete von Vieh und Fleisch die Schleuse, wir haben auch auf diesem Gebiete die Vorratshaltung und können — worauf Herr Kriedemann schon hinwies — die Einfuhr- und Vorratsstellen zu Käufen veranlassen. Wenn das aber zur unrechten Zeit geschieht, dann muß unter Umständen in einer Zeit, wo einem das nicht paßt, die gekaufte Ware wieder auf den Markt, damit keine verdorbene Ware nachher das Schuldkonto des Bundesernährungsministers belastet.
Wir haben also zu unterscheiden zwischen den gesetzlich festgelegten Preisen für Getreide, Trinkmilch und Zucker und denjenigen Preisen, die durch Beeinflussung der Märkte ein wenig beeinflußt werden können.
Die Kaufkraft des Verbrauchers können wir von der Agrarseite kaum beeinflussen. Wir haben versucht, mit allerlei Werbemaßnahmen sein Interesse zu erwecken, insbesondere für Trinkmilch; Sie wissen, wo diese Bemühungen stehen, mit welchem Erfolg wir da zu rechnen haben.
Wir haben aber mit mehr Erfolg z. B. die Lage der Buttermärkte, die Lage der Schweinemärkte und die Lage der Rindermärkte zu beeinflussen versucht; ich darf Ihnen auseinandersetzen, nach welchen Grundsätzen.
Wir haben zur Zeit — es braucht nicht immer so zu sein — ständig steigende Produktionsmittelpreise, desgleichen ständig steigende Löhne. Der Bauer muß von der Notwendigkeit ausgehen, daß er seine Gesamtausgaben durch seine Gesamteinnahmen decken kann. Bei ständig steigenden Produktionsmittelpreisen und ständig steigenden Löhnen weiß er, daß er auf steigende Einnahmen, d. h. auch auf steigende Preise der Lebensmittel, angewiesen ist.
Auf der anderen Seite verzeichnen wir eine steigende Kaufkraft. Durch die starken Lohnerhöhungen der letzten Jahre ist eine Kaufkraft entstanden, die auch für den Erzeuger sehr erfreulich ist. Der Erzeuger würde nun, wenn sich eine Ernährungskostenbasis im Sinne dieses hohen Verbrauchs bilden würde, sehr leicht versucht sein, ein Niveau in der Produktion zu erreichen, das in dem Augenblick, wo die Kaufkraft des Verbrauchers zurückgeht, wahrscheinlich in das Gegenteil umschlüge.
Wir haben also von uns aus festzustellen: Der Erzeuger ist an einer hohen Verbraucherkaufkraft interessiert. Er ist weiterhin daran interessiert, daß diese hohe Verbraucherkaufkraft auf dem inländischen Markt zum Tragen kommt. Wenn er aber seine Produktion so weit steigert — oder die Kaufkraft des Verbrauchers zurückgeht —, daß „Weltmarktpreise" in Erscheinung treten, die heute im allgemeinen durch Stützung der eigenen Märkte und Druck auf den Weltmarkt mit Hilfe von Exportsubventionen künstlich gedrückt werden, dann würde der Bauer einen Preissturz erleben, der ihm außerordentlich unbequem werden könnte.
Die landwirtschaftlichen Preise müssen also möglichst über der Kurve der Produktionsmittelpreise und unter der Lohnkurve liegen.
Die Zunahme der Verbraucherkaufkraft kommt in den durchschnittlichen Wochenverdiensten zum Ausdruck, die eine sehr stark steigende Tendenz zeigen. Wir haben — um Ihnen diese Zahlen einmal zu nennen — eine Erhöhung der Bruttowochenverdienste, 1938 gleich 100, von 100 auf 226 Punkte im Jahre 1955. Wenn wir die Daten von 1950 gleich 100 setzen, stellen wir beim sogenannten Masseneinkommen eine Erhöhung von 100 auf 175,6 im Jahre 1955 fest. Auf die Frage: Haben die Ernährungskosten oder die Lebenshaltungskosten demjenigen, der einen Mehrverdienst erreicht hat, diesen Mehrverdienst aus der Tasche gezogen?, darf ich folgendes bemerken. Dieser ebengenannten Steigerung von 100 auf 175 steht eine Erhöhung der Lebenshaltungskosten von 100 auf 110 gegenüber. Darin ist die Steigerung der Ernährungskosten von 100 auf 115 enthalten. Es gibt eine internationale Untersuchung, aus der hervorgeht, daß, wenn die Kaufkraft um 100 steigt, die Vermehrung der Aufwendungen für Lebensmittel zwischen 0,4 und 0,6 stehen bleibt. Es ist in allen industrialisierten Ländern zu beobachten, daß es dem Lebensmittelerzeuger und Verteiler nicht gelingt, eine Aushöhlung der steigenden Kaufkraft durch steigende Preise für Lebensmittel durchzusetzen. Das ist nicht nur der Unfähigkeit des Landwirtschaftsministers in Deutschland zuzuschreiben, sondern das ist offenbar in allen industrialisierten Ländern die gleiche Erscheinung.
— Sie meinen, das wäre kein besonderes Unglück; dann sollte man sich Landwirtschaftsminister mit entsprechender Begabung aussuchen.
Wie sah es in den letzten Jahren mit der Preisentwicklung und -beeinflussung aus? In der Anfrage wird zunächst nach der Werkmilch gefragt. Wir haben bei den Auszahlungspreisen an den Erzeuger für dessen gesamte Milchanlieferung in D-Pfennig je Kilogramm bei natürlichem Fettgehalt von 1951 bis 1956 folgende Entwicklung: 1951 25,4, 1952 26,3, 1953 25,8, 1954 26,5, 1955 28,4; in den ersten drei Monaten dieses Jahres steht der durchschnittliche Auszahlungspreis auf etwas über 31 Dpf. Ich möchte aber gleich zum Ausdruck bringen, daß ich nicht glaube, daß sich dieser Auszahlungspreis des ersten Quartals 1956 als Jahresdurchschnittspreis niederschlagen wird. Wir kommen damit der Beantwortung Ihrer Frage wegen der Preisvorstellungen schon etwas näher. Wenn wir damit rechnen, daß sich der Butterpreis in diesem Jahr etwas günstiger gestaltet — ich will keine Zahlen nennen —, dann könnte sich der in diesem Jahr bildende Auszahlungspreis, der etwa bei 30 Dpf läge, um einen halben, günstigenfalls um einen Pfennig erhöhen. Das wäre alles, was mit den Mitteln zu erreichen wäre, die gegeben sind, vorausgesetzt, daß nicht eine zu starke Produktionsmehrung oder eine Abschwächung der Nachfrage eintritt.
Preisvorstellungen auf dem Gebiet von Butter sollten nicht öffentlich genannt werden. Wir müssen uns alle Monate fragen, ob der Verbraucher mitzieht. Wenn der Verbraucher bei den heutigen Preisen nur so viel kauft, wie zur Zeit, dann müssen wir feststellen, daß der Konsum stagniert. Wir haben zur Zeit einen Butterverbrauch pro Person und Jahr von 6,9 kg. Wir standen auch 1954 auf 6,9 kg. Wir wären schon aus Gründen der Volksgesundheit daran interessiert, den deutschen Konsumenten, der früher 8 kg Butter gegessen hat, wieder für den Vorkriegsverbrauch zu gewinnen. Denn wir halten es für wichtiger für den deutschen Landwirt, daß der deutsche Konsument die inländische Produktion vollständig aufnimmt, als daß er höhere Preise bekommt und sich nachher wegen der Abwendung der Konsumenten von der Butter wahrscheinlich mit „Weltmarktpreisen" zufrieden geben muß. Diese Erkenntnis hat sich in breitestem Umfang auch bei unserer Landwirtschaft durchgesetzt.
Der durchschnittliche Molkereiabgabepreis für Butter — auf den Molkereiabgabepreis müssen Sie im Durchschnitt 65 bis 75 Pf Groß- und Kleinhandelsspanne rechnen — betrug im Jahre 1951 5,58 DM, 1952 5,66 DM, 1953 5,51 DM, 1954 5,64 DM und 1955 6,03 DM. Die Preissteigerung von 5,64 auf 6,03 DM hat bewirkt, daß die Verbraucher bei dem Verbrauch von 1954 stehengeblieben sind. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Butter ist von 6,3 kg im Jahre 1951 auf 6,9 kg im Jahre 1954 gestiegen. Ich bitte, daraus ersehen zu wollen, wie vorsichtig der Verbraucher gerade bei diesem Produkt behandelt werden muß.
Auf dem Vieh- und Fleischgebiet stehen die Dinge folgendermaßen. Wir haben wegen der gestiegenen Nachfrage nach Rindfleisch und Kalbfleisch bei den Rindern aller Klassen eine steigende Preistendenz von 1950/51 an, und zwar von 73 über 87,6 auf 74,8, auf 78,6, auf 84,6 und für 1955/56 auf schätzungsweise 92. Diese steigende Preistendenz auf dem Rindviehmarkt wird wahrscheinlich anhalten. Wie weit sie sich in diesem Jahr nach oben bewegen wird, weiß ich nicht; sehr weit nach oben wird das Pendel wahrscheinlich nicht ausschlagen. Der Verbrauch wird im laufenden Jahre um etwa 3 % steigen. So sind unsere Vorstellungen.
Bei der Gestaltung der Schweinepreise kann sich die Einfuhr- und Vorratsstelle nur als Feuerwehr betätigen. Wir haben leicht steigende und fallende Schweinepreise. Der bekannte Zyklus hat sich trotz der vielen Aufklärungsarbeit noch nicht zur Ruhe bringen lassen. Wir haben zur Zeit noch eine Anlieferung, die weit über dem Bedarf liegt. Wir sind nun glücklicherweise in der Lage, eine starke Herausnahme der Schweine zu betreiben und den Ausgleich in diesem Herbst zu vollziehen. Es ist aber nicht sicher, ob wir dann im Herbst die Einfuhren hereinbekommen, die notwendig sind, um einen Preisausgleich zu erreichen. Die Schweinepreise selbst haben sich in den vergangenen Jahren wie folgt entwickelt: 1950/51 131,1, 1951/52 126,5, 1952/53 119,1, 1953/54 134,2, 1954/55 120,4. Im laufenden Jahre werden sie sich wahrscheinlich auf 130 entwickeln.
Denn ich sagte schon: obwohl die Grenzen seit — —
— Ja, gewiß ist das eine Steigerung; wir haben in den letzten Jahren ein ständiges Sinken der Preise zu verzeichnen gehabt. Wenn Sie diesen Preis von 130 DM ansehen — Herr Kollege Albers, wenn Sie mal einen Augenblick zuhören wollen! —, wenn Sie hören, daß 1950/51 der Schweinepreis im Durchschnitt des Jahres — nicht der Fleischpreis, sondern der Lebendviehpreis — 131
DM pro 50 kg betrug, dann werden Sie zugeben, daß bei den Steigerungen der Produktionsmittelpreise und den Lohnerhöhungen im landwirtschaftlichen Sektor eine Preishöhe von 130 und ebenfalls 131 wie vor fünf Jahren doch nicht übertrieben genannt werden kann.
- Wir sprechen in diesem Fall nur über Erzeugerpreise, Herr Albers, nicht über Ladenpreise!
Im zweiten Kalenderhalbjahr 1956 stehen aus der deutschen Produktion 600- bis 700 000 Schweine weniger zur Verfügung als im letzten Jahr. Wir werden aus steigendem Verbrauch außerdem noch einmal dieselbe Summe rechnen müssen, so daß wir also versuchen müssen, fünf Viertel Millionen Schweine im Ausland zu kaufen.
Ich glaube, das ist alles, was über die Preisvorstellungen in Fragen der Gestaltung der Werkmilchpreise, der Butterpreise, der Viehpreise zu sagen ist.
Ich habe die Andeutungen hinsichtlich der Steigerung gemacht, daß wir versuchen müssen, zwischen den Kurven der Kaufkraftsteigerung und der Produktionsmittelsteigerung zu bleiben. Ich habe weiterhin darauf hingewiesen , daß wir bei empfindlichen Märkten den Verbraucher so vorsichtig behandeln müssen, daß wir uns Preisvorstellungen für lange Zeiträume nicht machen können, weil wir sie nicht mit Sicherheit verwirklichen können.
Wie ist nun bei der bisher durchgesetzten Politik der Verbraucher und der Landwirt gefahren? Wie der Landwirt dabei abgeschnitten hat, habe ich beim Grünen Plan entwickelt. Sie wissen genau, daß es dem Landwirt nicht möglich war, auch nicht bei der gestiegenen Kaufkraft, einen Lohn auf seinem Hofe zu erreichen, der den gewerblichen Löhnen auch nur einigermaßen vergleichbar wäre. Wie steht es aber um die andere Seite? Es wird mir ja von der Verbraucherschaft zumindest in gleichem Maße wie von der Landwirtschaft vorgeworfen, ich nähme ihre Interessen nicht genügend wahr. Wir haben eine Liste vorliegen über die Jahresdurchschnittspreise in 1954/55 für Schweine, Rindvieh, Butter und Vollmilch. Da liegen die deutschen Preise für Schweine, Rindvieh und Vollmilch unter dem Durchschnitt des europäischen Preisniveaus,
einzig und allein bei Butter liegen wir etwas darüber. Es liegen aber noch vier andere Länder in ihren Preisen wesentlich über den deutschen Butterpreisen, so daß wir sagen können: Im Durchschnitt des europäischen Preisniveaus liegen die deutschen Lebensmittelpreise günstig. Ich glaube nicht, daß man da etwa der deutschen Landwirtschaft oder der Agrarpolitik vorwerfen könnte, in dem vielleicht kommenden Wettlauf zwischen Löhnen und Preisen habe die agrarische Seite den Anfang gemacht.
Meine Damen und Herren, ich mache den Hinweis aus folgenden Gründen. Wir haben im Landwirtschaftsgesetz die Bestimmung, daß bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung und bei durchschnittlichen Produktionsbedingungen derjenige, der landwirtschaftlichen Grund und Boden bearbeitet, so viel an Lohn verdienen soll, wie ihn ein vergleichbarer gewerblicher Arbeiter auch verdient. Wenn nun Jahr für Jahr festgestellt wird, daß die Löhne im gewerblichen Sektor weglaufen, dann wird die gesamte Politik, die Wirtschafts-, Steuer- und Agrarpolitik usw., doch darauf ausgerichtet sein müssen, daß auch die Löhne im landwirtschaftlichen Sektor steigen. Das wird sicherlich an den Preisen nicht vollständig vorübergehen. Wir haben uns im letzten Jahre, wie Sie alle wissen, auf das eifrigste bemüht, gerade diesen Punkt im Grünen Plan nicht anzuschneiden. Wir haben die Gesamtpolitik, die Exportpolitik und die Verbraucherpolitik in jeder Beziehung berücksichtigt, um den Verbrauchern auch das Empfinden für die eingetretene Steigerung der Realeinnahmen zu vermitteln. Es ist aber völlig ausgeschlossen, daß das auf die Dauer möglich sein wird. Deshalb, glaube ich, sollte man sich bei der gesamten Gestaltung unserer Wirtschaftspolitik, insbesondere der Lohn- und Preispolitik auf allen Gebieten davon leiten lassen, daß man die wahren Interessen aller Schichten des Volkes im Auge behält.