Rede von
Robert
Margulies
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich bekenne mich schuldig, zu denen zu gehören, die nicht auf das Wort verzichtet haben, weil ich einfach der Ansicht bin, daß das Parlament nicht dazu da ist, Zeit zu sparen, sondern so wichtige Anliegen, wie wir sie heute besprechen, auch ausgiebig zu erörtern.
Trotzdem will ich mich kurz fassen und insbesondere nicht auf das Zahlenbild eingehen, das uns der Herr Bundesfinanzminister gegeben hat. Ich bekenne offen, daß ich das auch gar nicht könnte — das werden die Wissenschaftler der Institute tun, die sich schon seit Jahren mit den Zahlen ernsthaft befassen, die der Herr Bundesfinanzminister seinerseits vorträgt. Ich glaube, mich aus der Vergangenheit zu erinnern, daß mindestens gelegentlich das Richtige mehr auf seiten der Ergebnisse dieser Institute gelegen hat. Aber wir sollten entsprechend dem, was Kollege Schmücker heute mittag einleitend gesagt hat, die Steuerfragen nicht isoliert betrachten. Ich glaube, wir sind gezwungen, uns einmal zu überlegen, ob das, was wir jetzt machen, auch wirtschaftspolitisch richtig ist. Ich möchte meinen, daß es in der gegenwärtigen Situation der Überlegung bedürfte, ob es nicht — wenn überhaupt eine Entscheidung getroffen werden muß —wesentlich wichtiger ist, kapitalbildende Maßnahmen durchzuführen, als z. B. den Konsum weiter anzureizen, nachdem wir doch vor nicht allzu langer Zeit von einer Überhitzung der Konjunktur gesprochen haben.
Wir Freien Demokraten bedauern sehr, daß die Anträge, die in ihrem Kern ja nun schon reichlich ein halbes Jahr alt sind, erst heute zur Diskussion kommen. Inzwischen hat sich doch der „Kuchenausschuß", den der Herr Bundesfinanzminister merkwürdigerweise mit keinem Wort erwähnt hat, also ein Ausschuß seiner Parteifreunde, der ,,Kuchen-ausschuß" der CDU, der in der Öffentlichkeit sehr viel von sich reden gemacht hat, mit diesen Fragen befaßt. Man darf doch annehmen, daß dem Herrn Bundesfinanzminister das nicht entgangen sein kann.
Der Finanz- und Steuerausschuß wird sich nun, wenn auch in der zeitlichen Bedrängnis, die Kollege Gülich eben ,erwähnt hat, in den nächsten Wochen und Monaten mit den heute gestellten Anträgen befassen und seine Entscheidungen treffen müssen. Ich möchte an die Mitglieder dieses Ausschusses appellieren, sich der Tatsache bewußt zu werden, daß es jetzt wichtiger ist, in den Wirtschaftszweigen, denen der Wiederaufbau bisher nicht so gut ermöglicht worden ist, werbendes Kapital zu schaffen, aus dessen Ertrag wir dann wie-
1 der unsere künftigen Ausgaben werden bestreiten müssen. Wir dürfen doch davon ausgehen, daß wir mit den vielfältigen steuerlichen und anderen gesetzlichen Maßnahmen — ich denke z. B. an die D-Mark-Bilanzgesetze —, die wir in den vergangenen Jahren für die Industrie und die entsprechenden Wirtschaftsbereiche getroffen haben, das Ziel erreicht haben, das uns vorschwebte, nämlich diesem Teil der Wirtschaft den Wiederaufbau zu ermöglichen. Vielleicht sind wir hie und da sogar ein wenig über dieses Ziel hinausgeschossen.
Aber damit ist der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft keineswegs schon vollendet. Es gibt eine ganze Reihe von anderen Wirtschaftszweigen
ich brauche nur an die mittelständischen Zweige, an Handwerk und Handel, zu denken —, denen es zwar nicht schlecht geht — das wollen wir nicht sagen; das nehmen wir auch den Verbänden nicht ab; das wäre nicht wahr, sie haben ihren Anteil an der Konjunktur —, denen es aber bisher nicht möglich gewesen ist, die Basis wiederaufzubauen, die ja doch erst die Sicherheit verleiht, daß diese Konjunktur nicht ganz plötzlich einmal umschlagen kann.
Deshalb scheint es mir wichtig, sich heute über die Richtung, in die die Maßnahmen gehen sollen, klarzuwerden. Diese Maßnahmen sollten also nach Meinung der Freien Demokraten mehr in Richtung der Kapitalbildung als in Richtung der Konsumförderung gehen. Sie sollten außerdem das begonnene Werk des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft dort fortsetzen, wo dieser Ausbau bisher noch nicht möglich war. Die vielerlei Maßnahmen, die der Industrie und den großen Betrieben zugute gekommen sind, waren richtig; denn es ging darum, Arbeitsplätze zu schaffen, das Sozialprodukt zu ) erhöhen. Aber heute wäre es meiner Ansicht nach doch an der Zeit, daran zu denken, daß den anderen Wirtschaftsbereichen allmählich die gleiche Startmöglichkeit verschafft werden muß. — Sie schütteln den Kopf, Herr Kollege Pelster; aber denken Sie doch daran, daß draußen in recht weiten Bereichen eine gewisse Müdigkeit gegenüber unserer Marktwirtschaft spürbar wird. Manchmal hat man sogar schon Sorge, ob nicht auch der Herr Wirtschaftsminister schon von dieser Müdigkeit angesteckt ist.
Wir müssen dem begegnen. Der Kern dieser Krise liegt meiner Ansicht nach — ich glaube mich da mit meinen Freunden einig — nicht so sehr in einer Scheu vor der Wettbewerbswirtschaft, sondern darin, daß es diesen Kreisen eben noch an der Startmöglichkeit, an der gleichen Wettbewerbsmöglichkeit fehlt. Und wenn wir jetzt steuerliche Maßnahmen ins Auge fassen, dann sollten wir diese Bereiche berücksichtigen.