Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Anliegen der anderen vorliegenden Anträge, die alle mehr oder weniger auf das zu hohe Steueraufkommen zielen, hat das, was wir mit dem Antrag Drucksache 2295 unter den Ziffern 5 und 6 des Art. 1 begehren, nicht unbedingt etwas zu tun, sondern es handelt sich hier um ein sehr altes Anliegen. Ich darf daran erinnern, daß wir uns im Jahre 1954 bei den Beratungen über das „Gesetz zur Neuordnung von Steuern" sehr eingehend und sehr häufig in den Ausschüssen und anschließend am 18. und 19. November im Plenum über die getrennte Veranlagung von Ehegatten unterhalten haben. Dabei ist insbesondere das Problem der steuerlichen Gleichstellung der mithelfenden Ehefrau offengeblieben. Ich darf daran erinnern, daß in der dritten Lesung vom Bundestag ein Entschließungsantrag einstimmig angenommen wurde, mit dem dieses Problem dem Ausschuß nochmals überwiesen wurde. Dieser verlangte einige Monate später — und sein Antrag wurde im Februar 1955 vom Bundestag einstimmig angenommen — von der Regierung ganz eindeutig, bis spätestens 30. September Vorschläge für Maßnahmen zur gleichmäßigen und gerechten Besteuerung der Ehegatten dem Bundestag zu unterbreiten. Zwar nicht am 30. September, aber am 18. November wurde uns die Denkschrift des Bundesfinanzministers vorgelegt, die sehr ausführlich war und in die Tiefe ging. Schließlich ist man mit der Lösung hervorgetreten, das als Grundsatz anzuerkennen, was der Bundestag in seinen langen Debatten ablehnte und immer wieder und allseitig zum Ausdruck brachte, die getrennte steuerliche Veranlagung allgemein einzuführen. Nur weil man bei der Beratung des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern im November keine Regelung bezüglich der mithelfenden Ehefrau fand, wurde vorgeschlagen, dieses Kapitel auszuklammern und sich eben auf Grund dieses Entschließungsantrags später damit zu befassen. Leider haben wir bisher, seit dem 18. November, keine Gelegenheit gehabt, uns mit dieser Denkschrift zu befassen. Es wäre an sich zweckmäßig gewesen, glaube ich. Schade um die viele Arbeit, wenn sie uns n u r zur Kenntnis gebracht sein sollte. Wir haben deshalb zu diesem Punkt beantragt, die §§ 26 und 32 so zu ändern, daß wir damit die steuerliche Gleichstellung für die mithelfende Ehefrau erreichen können.
Mit dem Vorschlag auf Seite 60 der Denkschrift des Bundesfinanzministeriums sind einige sehr bemerkenswerte Grundsätze aufgestellt worden, die, glaube ich, die Zustimmung des ganzen Hauses finden. Ich möchte sie hier ganz kurz andeuten. Es heißt da: Die Ehegattenbesteuerung muß folgende Voraussetzungen erfüllen, a) den Forderungen nach Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung objektiv entsprechen, b) von den Steuerpflichtigen subjektiv als gerecht empfunden werden, c) von der Verwaltung ohne Schwierigkeiten gehandhabt werden können und d) für die öffentlichen Haushalte tragbar und in ihren Wirkungen der Wirtschaftslage angepaßt sein. Das sind Grundsätze, die voll und ganz unterstrichen werden können.
Nur das, was uns dann der Herr Bundesfinanzminister unterbreitet — wieder für alle Ehefrauen die getrennte Besteuerung einzuführen, wobei er als kleinen Trostpreis, so darf man vielleicht sagen, einen Freibetrag anbietet —, entspricht den hier aufgeführten Grundsätzen sehr, sehr wenig, ich möchte fast sagen: gar nicht. Es wird nachfolgend auf die großen Schwierigkeiten auch dabei hingewiesen, es wird auf die weiter bestehenbleibende Ungerechtigkeit hingewiesen. Deshalb sind wir der Meinung, daß man das Anliegen, das hier immer wieder vorgetragen worden ist, auch für die mithelfende Ehefrau eine steuerliche Anerkennung zu finden, nicht mit einem Pauschalbetrag abgelten kann. Das mag wie bisher für einheitliche Verhältnisse, wie z. B. Kinderfreibetrag, für eine Altersgrenze oder auch für die Nur-Hausfrauen gelten. Aber es geht doch nun nicht bei einer Arbeitsleistung, die wie bei der mithelfenden Ehefrau von Fall zu Fall so unterschiedlich ist, daß man nicht einmal in einem Beruf zu einer gewissen Norm kommen kann. Man muß doch berücksichtigen, unterstellend bzw. davon ausgehend, daß man Gerechtigkeit will, wie es in den Grundsätzen des Bundesfinanzministers heißt, die ich eben verlesen habe, daß die Tätigkeit der Ehefrauen in den einzelnen Betrieben, in den einzelnen Berufen, sehr unterschiedlich ist. Um ein Beispiel zu geben: in einem Beruf ist es möglich und üblich, daß die Frau von morgens früh bis abends spät genau so ihre Arbeit leistet wie der Mann selbst; hier liegt also eine hundertprozentige Betätigung vor. In vielen anderen Berufen ist das aus Gründen, die im Beruf liegen, gar nicht möglich. Da ist die Frau nur einige Stunden, halbtags oder wie immer, beschäftigt. Das alles kann man doch nicht in einem einheitlichen Pauschalsatz abgelten wollen.
Auch innerhalb der einzelnen Branchen sind die Unterschiede sehr groß. Während die Frau in dem einen Betrieb — sonst gleichgelagert, gleiche Beschäftigungszahlen und alle anderen Voraussetzungen gleich — hilft, hilft sie in dem anderen kaum oder gar nicht. Das gilt nicht nur beim Handwerk, es gilt auch für den Einzelhandel, es gilt auch für den Arzt. Ich erinnere an das von dem Herrn Bundesfinanzminister so gerne zitierte Verhalten einer Arztfrau, die nur gelegentlich mal die Türe öffnet. Nun, diese so minimale Tätigkeit wird wohl niemand ernsthaft als mithelfen bezeichnen wollen. Aber in der Regel geht die Tätigkeit ja auch darüber hinaus, und zwar von der Tätigkeit der Sprechstundenhilfe bis zu der der Assistentin oder gar bis zur eigenen Praxis. Alles das wird heute steuerlich zusammen veranlagt.
Nach unserem Antrag kann auch diese unterschiedliche Tätigkeit erfaßt werden, indem man die Beweislast beim Steuerpflichtigen läßt; d. h. man wird bei der Einkommensteuererklärung von dem Steuerpflichtigen verlangen müssen, daß er nicht nur angibt, wie bisher schon, ob seine Frau mithelfend tätig ist. Das bringen wir ja jedesmal auf der Steuererklärung zum Ausdruck, aber damit hat sich's für den Steuerzahler. Weiter wird sie sicher für statistische Zwecke ausgewertet.
Nun müßte dazukommen, in welchem Umfange die Ehefrau im Betrieb ihres Ehemannes tätig ist, und zwar im Verhältnis zu einer sonst zu beschäftigenden fremden Person. Das mag sich zunächst etwas komisch anhören, und der Vergleich wird vielleicht nicht jedem sehr angenehm sein. Aber irgendwie muß man sich die Dinge ja überlegen: Wenn die Ehefrau nicht mit tätig wäre, müßte für diese Tätigkeit irgend jemand anders im Betrieb beschäftigt werden. Dann läßt sich sehr bald herausfinden, ob diese Kraft den ganzen Tag tätig sein muß oder ob man notfalls mit einer Halbtagskraft auskommen würde; bei Ehefrauen läßt sich das vielleicht noch weiter differenzieren.
Dagegen ist nun eingewandt worden, daß die Kontrolle darüber sehr schwierig sei. Meine Damen und Herren, ich glaube, sie ist nicht schwieriger als in jeder anderen Frage, die ja auch in den Steuererklärungen nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet werden muß. Alljährlich oder alle drei bis vier Jahre kommt der Betriebsprüfer in den Betrieb, erkundigt sich und sieht zu, ob alles andere, was sonst angegeben war, seine Richtigkeit hat, oder ob er irgendwelche Fehler entdeckt. Schon bei dieser Tätigkeit wird er, ohne dafür Zeit extra ansetzen zu müssen oder einen anderen Beamten damit zu beschäftigen, feststellen, ob die Frau wirklich in dem Umfange in dem Betrieb tätig ist, wie es auf der Steuererklärung angegeben wurde.
Ich finde, das ist für einen Betriebsprüfer gar nicht so sehr schwer. Im Gegenteil, ein Betriebsprüfer, der den Betrieb schon länger kennt, wird vielleicht, ohne daß er den Betrieb besucht, schon auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen feststellen können, ob die Angaben über den Tätigkeitsgrad der mithelfenden Ehefrau richtig sind oder nicht.
— Wo gibt es die nicht auch sonst?
— Ermessensmißbrauch? Auch bei allen anderen Dingen können Sie das einwenden, Herr Kollege Illerhaus. Ich bin immerhin der Meinung: wenn wir von vornherein die schwarzen Schafe, die es immer und überall gibt, in den Vordergrund stellen und dabei gleich sagen: das taugt nichts, das können wir nicht brauchen, das eignet sich nicht für diese Zwecke!, dann weiß ich nicht recht, wie wir da weiterkommen wollen.
— Ja eben, ich halte es für praktikabel! Denn es läßt sich doch ohne weiteres feststellen, schon nach dem Umsatz des Betriebes oder nach der Beschäftigtenzahl usw., ob die Ehefrau im angegebenen Umfang in dem Betrieb tätig sein muß oder nicht. Ich finde, das läßt sich irgendwie feststellen.
Der andere Vorteil liegt darin, daß man auch den unterschiedlichen Tätigkeitsgrad feststellen kann, d. h. inwieweit die Ehefrau, die im Betrieb tätig ist, eine fremde Person ersetzt. Das kann von der einfachen Verkäuferin bis zu einer- gelernten Buchhalterin gehen, die absolut alles das macht, was sonst der Buchhalter macht. Oder bei der Arztfrau, um das Beispiel noch einmal zu nehmen: sie öffnet nicht nur gelegentlich einmal die Tür, sondern leistet Assistentendienste oder hat gar eine eigene Praxis. Das alles läßt sich doch mit einigermaßen gutem Willen irgendwie feststellen! Wer natürlich von vornherein an seine Steuererklärung herangeht mit der Absicht, den lieben guten Vater Staat nach Strich und Faden zu hintergehen — — Nun, wir wissen doch alle — denn wir haben uns über die übertriebenen Steuerfahndungen eingehend unterhalten und waren wenn nicht alle, so jedenfalls ein großer Teil des Hauses, der Meinung, daß zuviel gefahndet und zuviel kontrolliert wird —, daß die Angaben genauestens unter die Lupe genommen werden. Ich bin deshalb nicht der Meinung, daß ein ausnehmend großer Teil von vornherein versucht, auf
diesem Wege zu Steuererleichterungen zu kommen.
Jedenfalls bin ich der Meinung, daß man diese Frage, die wir hier nun eingehend und oft genug diskutiert haben, eine Frage der Gerechtigkeit, nicht einfach auf Eis legen und unerledigt lassen kann, nur weil es zu teuer wird oder weil es in der Durchführung zu schwierig erscheint. Auch der Hinweis, daß es immer so war, ist kein triftiger Grund. Denn das besagt ja die Denkschrift von Seite 1 bis etwa Seite 60, und sie weist die verschiedenen Jahreszahlen nach, wann die und die Gesetze erlassen worden sind. Danach ist die steuerliche Zusammenveranlagung bereits vor 100 Jahren eingeführt worden. Schön, aber dann bedenken Sie auch, daß wir damals ganz andere Steuersätze hatten. Es gab eine Zeit, in der niemand an einer solchen Regelung Anstoß nahm, aber damals bewegten sich die Steuersätze in der Spitze bei 10 %; heute beginnen sie dort. Deshalb wird es doch etwas prekär, und deshalb haben wir ein Interesse daran, daß die Ungerechtigkeiten verschwinden, die man früher bei den niedrigen Steuersätzen hinnehmen konnte und die sich bei jeder Steuergesetzgebung nicht immer bis ins letzte ausmerzen lassen, aber mit dem Ansteigen der Steuersätze eben ins Uferlose wachsen.
Die gleichen Erscheinungen haben wir bei der Umsatzsteuer. Wenn wir noch eine Umsatzsteuer von 1 oder 1/2 % zu zahlen hätten, würde wohl niemand eine Änderung der Umsatzsteuer verlangen. Die Änderung wird aber verlangt, weil die Umsatzsteuer jetzt ins Unermeßliche gestiegen ist und weil die Fehlerquellen, die da enthalten sind, dadurch so sehr viel größer in Erscheinung treten.
Wenn man aber diese Feststellung trifft, dann muß man die Konsequenzen daraus ziehen und die Gesetze ändern. Wir können uns nicht darauf berufen, daß es immer so gewesen sei und daß die Zeiten diese höheren Steuersätze verlangt hätten. Die Tatsache als solche bleibt bestehen, daß die Sätze der Umsatz- und Einkommensteuer enorm gestiegen sind. Das sollte uns Veranlassung geben, nun möglichst schnell diese Ungerechtigkeiten aus der Steuergesetzgebung herauszubringen. Lassen Sie uns nicht, wie wir das vor zwei Jahren getan haben, stundenlang hier und in den Ausschüssen darüber reden, eine Vielzahl an Vorschlägen einreichen und zum Schluß dann sagen, wir kommen doch nicht weiter und es gibt keine Lösung, sondern lassen Sie uns endlich mit einem Vorschlag beginnen. Ich glaube, unser Antrag dürfte zumindest die Basis dazu bieten.