Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Haus stellt sich, glaube ich, ein gutes Zeugnis aus, wenn es eine solche Debatte mit der Geduld und der Ausführlichkeit zu Ende führt, die dieser schmerzlich tragische Gegenstand nun einmal erfordert. Nach der namenlosen Schande und dem namenlosen Unglück, in die unser Volk gestürzt ist, bleibt gar nichts anderes übrig, Kollege Schneider, als daß wir uns immer wieder mit diesen gräßlichen Schatten auseinandersetzen. Es wäre, glaube ich, sehr falsch, es wäre feige und dumm, wenn wir einer solchen Auseinandersetzung aus dem Wege gehen wollten.
Ich glaube, wir können der Bundesregierung dankbar sein, daß sie den Kapitän zur See Zenker klar und deutlich gemißbilligt hat. Es erfüllt mich mit besonderer Befriedigung — ich möchte das hier besonders sagen —, daß sich der Herr B u n -d e s k a n z 1 e r, wie ich zu wissen glaube, besonders nachdrücklich und energisch in diesem Sinne ausgesprochen hat.
— Er hat es in diesem Falle getan, und, Kollege Greve, das sollte Sie vielleicht veranlassen, darüber nachzudenken, ob da nicht Unterschiede sind. Ich würde jedenfalls versuchen, gerade auf Grund dieser Erfahrung dem Herrn Bundeskanzler mehr Gerechtigkeit angedeihen zu lassen.
— Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, wir haben volles Verständnis für die fast tragische Problematik, in die die alten Seeoffiziere geraten sind, die sich mühen, die Tradition, auf die sie stolz sind, in ihr neues Amt hineinzutragen. Aber es wäre eine große Verkennung unserer Sorgen — und ich glaube, auch da kann ich dem Kollegen Schneider in keiner Weise folgen —, sich jetzt zu überlegen, ob Dönitz und Raeder persönlich mehr oder weniger schuldig gewesen sind. Es geht um anderes, und ich will es einmal sehr ernst ausdrücken, Kollege Schneider: Menschen, die sich in der Atmosphäre des Aasgeruchs befunden haben und die von diesem Aasgeruch sich nicht haben abstoßen lassen, die werden selbst diesen Aasgeruch bis zum Ende ihrer Tage nicht los. Das muß einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden.
Wir würden uns trotzdem mit ihnen nicht auseinandersetzen, wenn Ruhe herrschte, wenn sie selber es fertigbrächten zu schweigen und wenn ihre Freunde ihnen nicht den schlechten Dienst erwiesen, sie wieder in den Vordergrund zu zerren.
Wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen, wenn sie unseren jungen Wehrmachtangehörigen zum Muster und Vorbild gesetzt werden, und nur darum handelt es sich hier.
Ein Offizier, der das tut, verehrter Herr Bundesminister für Verteidigung, ist nach meiner Ansicht nicht nur zu tadeln, sondern ich würde mich nach meiner eigenen soldatischen und sonstigen Erfahrung ernstlich fragen, ob ein solcher Offizier überhaupt in der Lage ist, die Verantwortung zu tragen, die Sie ihm übergeben haben.
Denn wenn ich die Worte auf mich wirken lasse, Herr Bundesminister, dann frage ich mich doch, ob es sich da nur um eine Entgleisung handelt oder ob da nicht eine wirkliche innere Gesinnung und Überzeugung spricht
und ob der Betreffende überhaupt das Urteil hat und das moralische Vermögen besitzt, eben diesen Aasgeruch zu wittern, der an den Leuten haftet, die er uns und den jungen Leuten als Vorbild vor Augen gestellt hat.
Mich schmerzt das besonders deshalb, weil ich mich seit Jahren und Jahrzehnten bemühe, zwischen Demokratie und Wehrmacht ein gutes, ein besseres Verhältnis herzustellen, als es in der Weimarer Republik bestanden hat. Ausführungen, wie sie Zenker gemacht hat, sind ein sehr schlechter Dienst dafür, daß ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Demokratie und Wehrmacht entsteht. Es muß ja auch bei den jungen Leuten eine schwere Gewissensnot hervorrufen, wenn ihnen die Zeit. von der sie aus ihrem täglichen Leben wissen, daß es eine Zeit des Verhängnisses und des Verbrechens gewesen ist, heute noch in irgendeiner Form als Muster vorangestellt wird. Die Erziehung, die wir so dringend brauchen, muß dadurch gestört werden.
Aber was ich noch schwerer und schrecklicher empfinde, ist, daß das Verhältnis zwischen unserer jungen Wehrmacht und diesem Hause sowie der deutschen Öffentlichkeit durch solche Vorfälle
einer Belastungsprobe ausgesetzt wird, deren wir nicht viele haben möchten. Wir wissen auch, daß wir draußen im Ausland nicht nur Freunde haben, sondern daß es dort auch Menschen gibt, die uns nicht wohlwollend gesinnt sind, und daß die nur darauf lauern, aus solchen Anzeichen Folgerungen zu ziehen, die der Stellung unseres jungen Staates in der Welt nicht dienlich sein können.
Ich glaube also, daß wir der sozialdemokratischen Fraktion dankbar sein dürfen, daß sie diese Frage hier aufgeworfen hat, und ich glaube, daß ein großer Teil von uns den Ausführungen von Professor Schmid Wort für Wort zuzustimmen geneigt ist. Wir wünschen ein neues, gutes, vertrauensvolles Verhältnis zur Wehrmacht, und wir brauchen deshalb auch Offiziere, die sich in diesem Sinne vor ihrer Mannschaft und vor der deutschen Bevölkerung einsetzen.