Damit stehen wir am Ende der Fragestunde.
Die nächste Fragestunde ist am Donnerstag, dem 3. Mai. Sperrfrist für eingehende Fragen: Freitag, 27. April 1956, 12 Uhr.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Rede des Kapitäns zur See Zenker in Wilhelmshaven .
Das Wort zur Begründung der Anfrage hat der Abgeordnete Dr. Schmid .
Dr. Schmid (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat die Große Anfrage Drucksache 2125 eingebracht, die Ihnen vorliegt. Der Aussprache über diese große Anfrage könnte einige Bedeutung zukommen,
und mir scheint nichts unangebrachter zu sein, als davon zu sprechen, daß diese Große Anfrage offensichtlich beabsichtige, olle Kamellen aufzuwärmen. Es handelt sich hier um Dinge, die in jedem Augenblick unserer demokratischen Existenz aktuell sind.
Keine Demokratie kann ohne Wachsamkeit bestehen;
denn sie hat nicht die Mittel anderer Regime, sich gegen ihre Gegner zu verteidigen, insbesondere dann nicht, wenn ihre Gegner unter dem Schutz der Legalität sich in ihrer eigenen Mitte festsetzen können.
Es handelt sich bei dieser Anfrage auch nicht darum, wie seitens eines geschätzten Mitgliedes dieses Hauses in einer Korrespondenz geschrieben worden ist, einen neuen Entnazifizierungsrummel anzufangen. Die Entnazifizierung ist abgeschlossen. Sie ist durchgeführt worden auf der Grundlage von Gesetzen, von denen ich für mein Teil sagen möchte, daß sie nur zum geringsten Teil gut gewesen sind;
denn sie haben dazu geführt, daß man sehr viele Kleine gehängt hat und sehr viele Große hat laufen lassen.
Ich muß Ihnen gestehen, daß es mir manchmal bitter hochkommt, wenn ich daran denke, daß nationalsozialistische Polizeipräsidenten hohe Pensionen bekommen, während ihre Opfer heute noch auf Wiedergutmachung warten müssen.
Aber es handelt sich bei unserer Anfrage nicht um diese Dinge. Die Entnazifizierung ist abgeschlossen, und sie soll es bleiben. Mit ihren Maßnahmen hat diese Anfrage nichts zu tun, obwohl ich es Ihnen nicht ersparen kann, mit einem kurzen Satz darauf hinzuweisen, daß in diesem Hause und in unserer öffentlichen Meinung gegenüber manchen schlimmen Vorzeichen ein bißchen mehr Wachsamkeit herrschen sollte. Es gibt da heute gewisse Druckschriften. Ich nenne „Die Anklage", ich nenne einen Verlag, in dem ein Herr Sündermann heute wieder schreiben kann.
Das sind Dinge, die nicht einfach hingenommen werden dürfen, hier muß man aufpassen!
Wenn irgendwo der Satz gilt, daß man den Anfängen zu wehren habe, dann hier.
Aber das war nur eine Bemerkung nebenbei, die mit der Großen Anfrage als solcher nichts zu tun hat. Diese Anfrage ist auch nicht, wie ein bekannter Journalist in einer bekannten Zeitung glaubte ausführen zu müssen, der Versuch, dem Offizierskorps als solchem etwas anzuhängen. Wir Sozialdemokraten wissen wie jeder in diesem Hause, daß die allermeisten Angehörigen des Offizierskorps ihren Dienst und ihre Pflicht in Ehren getan haben.
Wir wissen, daß sie dabei oft vor Entscheidungen gestanden haben, die zu treffen dem einzelnen schwer angekommen ist.
Wer sich verhalten hat, wie es sich für einen Mann von Ehre und Gewissen ziemt, der soll geachtet und geehrt werden,
gleich, ob er Offizier der alten Wehrmacht war oder Offizier der Bundeswehr ist.
Offizier sein ist keine Schande,
wie es keine Schande ist, auf irgendeinem Felde seinen Beruf oder seine Bürgerpflicht in Ehren und in Achtung des Sittengesetzes auszuüben. Wo einer sich so verhält, hat er Anspruch darauf, geachtet und geehrt zu werden.
Das soll hier klar ausgesprochen werden.
Die Große Anfrage ist auch nicht gedacht als ein Angriff auf die Tradition als solche. Jeder Staat braucht eine Tradition. Man kann einen Staat nicht nur auf Prinzipien aufbauen. Man braucht auch Vorbilder; das ist der Sinn der Tradition. Auch eine Wehrmacht braucht eine Tradition und braucht Vorbilder. Aber nicht alles, was Vergangenheit ist, ist Tradition in diesem schöpferischen Sinne.
Um es klipp und klar zu sagen: es gibt gute Traditionen, und es gibt scheußliche Traditionen,
und nur dort, wo wir mit gutem Gewissen sagen können: „Hier ist eine gute Tradition", können wir die Menschen auffordern, die Zukunft auf diesem Fundament zu bauen. Es gibt nichts Nützlicheres, als einem Volke gute Vorbilder vorzuhalten.
Aber es gibt auch nichts Bedenklicheres, als ihm schlechte Vorbilder anzupreisen und eine Tradition auf Männer abstellen zu wollen, die vielleicht auf einem bestimmten Felde, sagen wir, dem rein soldatisch-technischen Felde, Bedeutendes geleistet haben mögen, die aber auf einem andern Gebiet, nämlich dem der Menschlichkeit, schlimm versagt haben, vielleicht noch schlimmer: die sich dort zu Komplicen von Verbrechern gemacht haben.
Darauf kann man keine Tradition bauen.
Ich möchte wissen, ob in diesem Hause einer ist, der etwa glaubt, man könne für eine künftige deutsche Bundeswehr einen Feldmarschall Schörner zum Traditionsträger machen,
obwohl doch auch von ihm wahrscheinlich gesagt werden kann, daß er war, was man einen zackigen, schneidigen, guten und tapferen Soldaten nennt. Vielleicht war er das alles; es kann sein. Daneben aber war er auch eine Bestie und ein Henker.
Es geht in dieser Anfrage auch nicht in erster Linie um die Person des Kapitäns zur See Zenker, der ein braver Soldat sein mag. Es geht um etwas anderes. Es geht darum, daß aus der Rede, die er vor der Marinelehrkompanie gehalten hat, ein Geist spricht, der nicht der Geist der Bundeswehr werden darf,
wenn die Bundeswehr das Instrument einer demokratischen Republik werden soll, die entschlossen
ist, sich mit aller Entschiedenheit von den Dingen
abzusetzen, die den deutschen Namen geschändet haben.
Ich meine übrigens, daß eine Bundeswehr mehr sein soll als nur ein wertfreies Instrument. Sie soll vielmehr der Ausdruck des Geistes sein, der diese Demokratie beherrschen soll, nämlich des Geistes der Menschlichkeit, der Menschenrechte und der Menschenwürde.
Der Kapitän zur See Zenker hat u. a. von den Nürnberger Urteilen gesprochen, die im deutschen Volke niemand anerkenne. Damit hat er ein recht bedeutsames Problem angesprochen, nämlich das Problem der Kriegsverbrechen überhaupt. Wir sollten uns hier über eines klarwerden: Wenn in einem Kriege Verbrechen begangen worden sind, dann müssen diese Verbrechen geahndet werden wie Verbrechen, die Zivilisten im Frieden begangen haben.
Es hat mir nie so recht gefallen, wenn ich Urteile deutscher Gerichte nach diesem Kriege gelesen habe, die für Kameradenschinder angemessene Strafen ausgesprochen haben, die aber nicht angemessene Strafen ausgesprochen haben, wenn es sich um Schinder von Ausländern gehandelt hat.
Aber auch diese Nürnberger Prozesse stehen bei unserer Anfrage nicht in Frage. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, daß ich den Weg, den die Siegernationen in Nürnberg beschritten haben, für einen falschen Weg halte.
Es ist keine gute Sache, wenn sich der Sieger zum Richter über den Besiegten aufwirft, insbesondere dann nicht, wenn die Straftatbestände nachträglich geschaffen worden sind und wenn sie so vage und allgemein und politisch sind, daß sich jeder darunter vorstellen kann, was er glaubt sich darunter vorstellen zu müssen. Der Weg von Nürnberg war falsch. Aber diese Erkenntnis darf uns nicht den Zugang zu einer anderen Erkenntnis verschließen, daß nämlich auf der Anklagebank zu Nürnberg auch Verbrecher gesessen haben neben anderen, die keine gewesen sind.
Wir dürfen uns nicht, indem wir uns mit Recht gegen die abscheuliche Lüge von der Kollektivschuld wehren, dazu hergeben, an eine Kollektivunschuld eines jeden zu glauben, der deutscher Staatsangehöriger ist.
Ich möchte weitergehen und sagen, daß ich es begrüße, daß man den Großadmiral Raeder, einen alten Mann, nun entlassen hat. Ich sage auch hier, daß ich es begrüßen würde, wenn man den Großadmiral Dönitz, der in der Zwischenzeit auch ein alter Mann geworden ist und der ein kranker Mann sein soll, aus seiner Haft entließe; denn auch er hat Anspruch auf menschliche Behandlung, selbst wenn er sich schuldig gemacht haben sollte. Krankheit und Alter geben Anspruch auf mildere Behandlung. Das hat nichts mit dem zu tun, was ihm — vielleicht mit Recht — vorgeworfen werden kann.
Bei dieser Großen Anfrage handelt es sich um folgendes Problem: Der Kapitän zur See Zenker hat in seiner Ansprache vor der Marinelehrkompanie folgendes gesagt — mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Herr Präsident, darf ich einige Sätze aus dieser Rede zitieren; ich zitiere sie nicht ganz, das wäre zu lang —:
Jeder von uns alten Marineleuten, die unter der Führung der beiden Großadmirale Dienst getan haben, weiß, daß die Marine sauber, anständig und ehrenhaft geführt worden ist und daß kein Makel
— kein Makel! —
an der Person unserer ehemaligen Oberbefehlshaber haftet. Das will ich heute hier vor Ihnen offen aussprechen. Die Großadmirale tragen ihr Schicksal daher stellvertretend für uns alle,
— welch großes Wort: „Stellvertretendes Leiden!" —
die wir damals im guten Glauben einer verantwortungslosen politischen Führung gedient haben, die uns fast die ganze Welt zu Feinden gemacht hat. Es hat sich für mich und alle meine Mitarbeiter in Bonn zuerst und ausschließlich die Frage erhoben, ob wir unsere Arbeit aufnehmen dürfen, solange unsere ehemaligen Oberbefehlshaber und weitere Kameraden noch in Haft gehalten werden.
Nur unter dem Gesichtspunkt der lebensnotwendigen Aufgabe der Verteidigung der ge-
meinsamen Freiheit kann man vertreten, daß wir uns über das Schicksal unserer alten Kameraden hinweggesetzt haben, nachdem in der Mehrzahl der Fälle sich deren Lage inzwischen durch ihre Freilassung gebessert hat. In Erkenntnis des Charakters unserer alten Oberbefehlshaber, die immer die Pflichterfüllung und die Aufgabe vor die Person gestellt haben, war ich mir sicher, daß auch sie diese Haltung billigen würden. Ich habe die Freude gehabt, daß Großadmiral Raeder mir diese Einstellung nach seiner Freilassung bestätigt hat.
In dieser Ansprache ist also ein Doppeltes gesagt — jedenfalls will ich hier von diesem Doppelten sprechen —: erstens, es hafte an der Person der ehemaligen Oberbefehlshaber der Marine kein Makel, und zweitens, daß auch ihre Zustimmung es rechtfertige, daß ein früherer Soldat in den Dienst der Bundesrepublik trete.
Das sind die beiden Behauptungen des Kapitäns zur See Zenker, um die es geht.
Wenn er sich auf die üblichen Ansprachen bei militärischen Feiern beschränkt hätte, dann hätte kein Mensch sich die Mühe genommen, diese Ansprache daraufhin zu untersuchen, ob Kapitän zur See Zenker über ein großes oder ein kleines politisches Feingefühl verfügt oder nicht.
Ich will hier keinen Zweifel darüber lassen, daß auch nach meinen laienhaften Anschauungen die Großadmirale Raeder und Dönitz sehr wahrscheinlich hervorragende Seeoffiziere gewesen sind und daß sie ihre Flottenverbände seemännisch und soldatisch ausgezeichnet geführt haben. Wären sie nichts weiteres gewesen als das, dann wäre nichts dagegen einzuwenden gewesen, daß Kapitän zur See Zenker sie der jungen Marine als Vorbilder vorstellt. Aber die beiden Männer waren dazuhin ja noch etwas anderes! Sie waren doch mit die hervorragendsten Helfer Adolf Hitlers!
Sie waren doch bewußte Mitträger einer Herrschaft des Unmenschentums, die unseren Namen befleckt hat!
Ich wende mich gegen die Methode der politischen Schizophrenie, die glaubte, einen Menschen in zwei Hälften zerlegen und sagen zu können: Er war ein hervorragender Soldat, und darum ist er ein großes Vorbild!, und vergessen zu können, daß er daneben auch ein Helfer Hitlers war,
was einem das Recht gibt, nicht mehr von ihm in dieser Eigenschaft reden zu müssen.
In die Geschichte geht dann nur noch der hervorragende Soldat ein, und das andere, was er auch war, wird vergessen. Aber man kann den Menschen nicht spalten. Der Mensch ist ein Ganzes, und jeder von uns muß sich für das Ganze, das er ist, verantworten. Wer einen Menschen als Vorbild vorstellt, muß bereit sein, das Ganze dieses Menschen zu verantworten. Der Kapitän zur See Zenker scheint das nicht gesehen zu haben oder scheint nicht bereit gewesen zu sein, es zu tun.
Dazu noch ein Wort über das, was den Offizier ausmacht. Ich glaube, daß wir eine gute, eine erlauchte deutsche Tradition haben, die es uns erlaubt, in dem Offizier mehr zu sehen als nur den gut versierten und ausgebildeten Militärtechniker, nämlich auch einen Repräsentanten hohen Menschentums. Ich denke an Scharnhorst, ich denke an Gneisenau, ich denke an Clausewitz. Wenn wir vom Bürger in Uniform sprechen, den wir nunmehr schaffen wollen, dann meinen wir doch damit nicht nur die kleinen Dinge, die man auf dem Kasernenhof anders haben will als bisher, sondern wir meinen doch damit etwas sehr Bestimmtes: daß nämlich das Menschliche und die Menschlichkeit aus dem Soldatischen nicht herausgenommen werden dürfen.
Wenn sich heute einer berufen glaubt oder berufen ist, die jungen Soldaten anzusprechen und ihnen eine Tradition zu empfehlen, dann sollte es in erster Linie sein Anliegen sein, ihnen die Tradition der Menschlichkeit im deutschen Soldatentum zu empfehlen.
Das Vermögen zu dieser echten Menschlichkeit ist dem Großadmiral Raeder und dem Großadmiral Dönitz offenbar in der Zeit des „Dritten Reiches" abhanden gekommen. Sonst wäre es nicht gut möglich gewesen, daß der Großadmiral Raeder anläßlich einer Gedenkfeier für Hindenburg und Ludendorff, schon recht zu Beginn des „Dritten Reiches", folgendes öffentlich ausführte — ich bitte um die Erlaubnis, zitieren zu dürfen —:
Das deutsche Volk hat den aus dem Geiste des deutschen Frontsoldaten geborenen Nationalsozialismus zu seiner Weltanschauung gemacht und folgt den Symbolen seiner Wiedergeburt mit ebenso heißer Liebe wie fanatischer Leidenschaft.
Es hat den Nationalsozialismus erlebt und nicht, wie so viele hilflose Kritiker draußen glauben, erlitte n. Darum die klare und schonungslose Kampfansage an den Bolschewismus und das internationale Judentum,
deren völkervernichtendes Treiben wir zur Genüge am eigenen Volkskörper zu spüren bekommen haben.
Nun, meine Damen und Herren, dieses dumme Geschwätz verbietet es, den Mann, der dieses Geschwätz vollführt hat, als Vorbild für die deutschen Matrosen hinzustellen.
Dieser Antisemitismus aus dem „Stürmer" ist es ja gewesen, der schließlich zu den Gaskammern von Auschwitz geführt hat.
Er hat das Klima geschaffen, ohne das Auschwitz nie möglich geworden wäre!
Nehmen wir den Großadmiral Dönitz! Der Großadmiral Dönitz hat am 1?. März 1944 — 1944! —, zu einer Zeit, wo doch jeder Stabsgefreite wußte, daß die sogenannte Endlösung der Judenfrage praktiziert wurde, folgendes ausgeführt — am Heldengedenktag ausgeführt, an einem Tage also, der zur Ehrung von Menschen gefeiert wurde, die für Deutschland gefallen sind, und es sind im ersten Weltkrieg doch viele, viele Tausend unserer jüdischen Mitbürger für Deutschland gefallen —:
Was wäre aus unserer Heimat heute, wenn der Führer uns nicht im Nationalsozialismus geeint hätte?!
Zerrissen in Parteien, durchsetzt von dem auflösenden Gift des Judentums und diesem zugänglich, da die Abwehr unserer jetzigen kompromißlosen Weltanschauung fehlte, wären wir längst der Belastung dieses Krieges erlegen und der erbarmungslosen Vernichtung unserer Gegner ausgeliefert worden.
Wie gesagt, im März 1944 war das ausgeführt worden, und man möge es mir nicht übelnehmen: ich glaube es keinem Großadmiral, daß er zu dieser Zeit nichts davon gewußt hätte, daß man im Begriff war, die Juden auszurotten.
Oder nehmen wir eine andere Erklärung des Großadmirals Dönitz, die er am 21. Juli 1944, am Tage nach dem Aufstand der Bürger und Offiziere des 20. Juli, gehalten hat, der Männer also, die es auf sich genommen hatten, den Ehrenschild unserer Nation wieder blank zu waschen:
Männer der Kriegsmarine! Heiliger Zorn und maßlose Wut
— „heiliger Zorn und maßlose Wut", das paßt sehr gut zusammen! —
erfüllen uns über den verbrecherischen Anschlag, der unserem geliebten Führer das Leben kosten sollte. Die Vorsehung hat es anders gewollt:
sie hat den Führer beschirmt und beschützt und damit unser deutsches Vaterland in seinem Schicksalskampf nicht verlassen.
Eine wahnsinnige kleine Generalsclique, die mit unserem tapferen Heere nichts gemein hat, hat in feiger Treulosigkeit diesen Mord angezettelt, gemeinsten Verrat an dem Führer und dem deutschen Volke begehend. Denn diese Schurken sind nicht nur die Handlanger unserer Feinde, denen sie in charakterloser, feiger und falscher Klugheit dienen. In Wirklichkeit ist ihre Dummheit grenzenlos.
Ich übergehe nun einige belanglose Sätze und komme zum Schlußsatz:
Wir werden diesen Verrätern das Handwerk legen. Die Kriegsmarine steht getreu ihrem Eid in bewährter Treue zum Führer bedingungslos in ihrer Einsatz- und Kampfbereitschaft.
Sie nimmt nur von mir, dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, und ihren eigenen militärischen Führern Befehle entgegen, um jede Irreführung durch gefälschte Weisungen unmöglich zu machen. Sie wird rücksichtslos jeden vernichten, der sich als Verräter entpuppt. Es lebe unser Führer Adolf Hitler!
Hier stellt sich eine ganz einfache Alternative: wer sich für Dönitz als möglichen Traditionsträger der Marine entscheidet, entscheidet sich gegen den 20. Juli und die Männer, die den 20. Juli getragen haben.
Hier muß man Farbe bekennen,
hier kann man nicht lavieren.
Hier muß man klipp und klar sagen, wo man die gute Tradition der Bundeswehr sieht, bei den Männern des 20. Juli oder bei denen, die sie geschmäht und beschimpft haben.
Vielleicht glauben einige, meine Damen und Herren, daß der Großadmiral Dönitz diese Worte wie mancher ehrenhafte Mann, der Schlimmeres verhindern wollte, in Gewissensnöten gebraucht habe,
um seine Pflichten und seine Verantwortung als Marineoberbefehlshaber politisch abzuschirmen, damit er Leute „retten" konnte, wie man heute zu sagen pflegt. Nun, wenn dem so gewesen wäre, dann hätte er doch am Tage nach dem Selbstmord Adolf Hitlers sagen können: „Jetzt decke ich meine Karten auf. Ich habe das alles nur gesagt, um Schlimmeres zu verhüten!" Statt dessen aber hat er am 1. Mai 1945 eine Ansprache an das deutsche Volk gehalten, die ich bitte zitieren zu dürfen:
Deutsche Männer und Frauen! Soldaten der deutschen Wehrmacht! Unser Führer Adolf Hitler ist gefallen.
In tiefster Trauer und Ehrfurcht verneigt sich das deutsche Volk.
Frühzeitig hatte er die furchtbare Gefahr des Bolschewismus erkannt und diesem Ringen sein Dasein geweiht. Am Ende dieses Kampfes und seines unbeirrbaren geraden Lebensweges
steht sein Heldentod in der Hauptstadt des Deutschen Reiches.
Sein Leben war ein einziger Dienst für Deutschland. Sein Einsatz im Kampf gegen die bol-
schewistische Sturmflut galt darüber hinaus Europa und der gesamten Kulturwelt.
— Der „Kampf Hitlers galt der Kulturwelt"! —
Der Führer hat mich zu seinem Nachfolger bestimmt. Im Bewußtsein der Verantwortung übernehme ich die Führung des deutschen Volkes in dieser schicksalsschweren Stunde. Meine erste Aufgabe ist es, deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den vordrängenden Feind zu retten. Nur für diesen Zweck geht der militärische Kampf weiter. Soweit und solange die Erreichung dieses Zieles durch die Briten und Amerikaner behindert wird, werden wir uns auch gegen sie weiter verteidigen und weiterkämpfen müssen. Die Anglo-Amerikaner setzen dann den Krieg nicht mehr für ihre eigenen Völker, sondern allein für die Ausbreitung des Bolschewismus in Europa fort.
Das war die Ansprache, die der Nachfolger Adolf Hitlers, der Großadmiral Dönitz,
den der Kapitän zur See Zenker zum Traditionsträger der jungen deutschen Marine machen will, am 1. Mai 1945 gehalten hat.
Nun, meine Damen und Herren, bleibt mir noch übrig, eine sehr ernste Feststellung zu machen.
Der Kapitän zur See Zenker, den ich nicht kenne, und manche seiner Kameraden und vielleicht einige Mitglieder dieses Hauses könnten — nicht vor uns, nicht vor der Welt, nicht vor den jungen Soldaten, aber vor sich — Dönitz dadurch zu rechtfertigen versuchen, daß sie trennen zwischen Worten, die aus der Situation eines Augenblicks zu deuten seien — das ist ja die Sprachregelung für solche Fälle —, und dem Mann, dem guten Soldaten, der immer ein guter Seemann und wackerer Kamerad und getreuer Eckart seiner Soldaten gewesen sei.
Nun, meine Damen und Herren, eine solche Rechtfertigung schließt sich aus. Der damalige Oberbefehlshaber der Marine hat noch in den Apriltagen 1945 geheime Erlasse und Befehle herausgegeben, die mit dem Geist, den sein Vorgänger, der Führer des totalitären Regimes, befohlen hatte, in blutiger Weise Ernst machten.
Ich muß Ihnen hier einige dieser Erlasse zitieren, denn sie kennzeichnen den Mann: Ein Geheimerlaß mit der Unterschrift „Großadmiral Dönitz" vom 11. Mai 1944 besagt:
Ich wende mich gegen die urteilslosen und kurzsichtigen Schwächlinge, die da sagen: „Hätten wir doch den Nationalsozialismus nicht bekommen, dann hätte sich das alles nicht ereignet!". Hätten wir den Nationalsozialismus nicht bekommen, dann hätten wir bereits in den 20er Jahren in Deutschland den Bolschewismus, weiter wachsende Arbeitslosigkeit und innerpolitisches Chaos bekommen. Ohne die Aufrüstung, die der Führer uns gebracht hat, wäre Deutschland von dem Russen überrollt worden. ... Ich bitte auch keine Sorge
zu haben, daß etwa die Staatsführung nicht weiß, wie die Stimmung im Volke ist. Der Führer weiß mehr von der Stimmung des deutschen Volkes und hat sich die dadurch entstehenden innerpolitischen Führungsaufgaben mehr durch Herz und Kopf gehen lassen als irgendeiner von uns Soldaten. Das weiß ich, da ich es tagtäglich persönlich erlebe.
Ich bitte, sich auch zu beruhigen und nicht zu leicht zu sagen: „Die Schweinerei muß eine andere werden!"
Das ist der Stil, der nach Clausewitz in der deutschen Wehrmacht eingezogen zu sein scheint .. .
Ich halte also von all diesem unbrauchbaren Grübeln nichts. Wir sollten lieber die wirklichen Tatsachen sehen ... Spätestens in einem, vielleicht noch in diesem Jahr wird Europa erkennen, daß Adolf Hitler in Europa der einzige Staatsmann von Format ist.
Also all diese negative Grübelei ist unfruchtbar und sachlich unrichtig. Da sie aus Schwäche geboren ist,
— der Oberst Graf Stauffenberg war offenbar ein Schwächling —
kann es auch nicht anders sein; denn Feigheit und Schwäche machen dumm und blind .. Ich verlange daher von den Kommandanten und Kommandeuren der Kriegsmarine,
1. daß sie klar und eindeutig den Weg der soldatischen Pflicht gehen, was auch kommen mag. Ich verlange von ihnen, daß sie alle Anzeichen und Ansätze austreten, die in der Truppe die Durchführung dieses Weges gefährden. Die Handhabe haben sie durch den Führerbefehl OKW WF ... erhalten. Ich verlange von den Befehlshabern, daß sie gegen jeden Kommandeur ebenso rücksichtlos vorgehen, der seine soldatische Pflicht nicht erfüllt. .. .
2.... Der Kommandeur, der hierzu die soldatische Kraft nicht besitzt und schwach werden will, hat gemäß dem Befehl des Führers die Pflicht, seine Soldaten zu befragen und das Kommando an härtere Krieger abzugeben.
Das ist einer der Befehle.
— 1944!
Nun ein zweiter Befehl vom 19. April 1945 betreffend Förderung von Unteroffizieren und Mannschaften, die sich im Krieg als Persönlichkeiten erwiesen haben. Es fängt damit an, daß der Admiral wünscht, daß man Mannschaften und Unteroffiziere zu Offizieren befördere, die gezeigt haben, daß sie „auf Grund ihrer Persönlichkeitswerte imstande sind, richtige Entschlüsse selbst zu fassen und sie zielsicher und verantwortungsfreudig durchzuführen". Er fährt fort:
Ein Beispiel: In einem Gefangenenlager des
Hilfskreuzers Kormoran in Australien hat ein
Oberfeldwebel als Lagerältester die unter der
Lagerbesatzung sich bemerkbar machenden Kommunisten planvoll und von der Bewachung unauffällig umlegen lassen.
Dieser Unteroffizier ist für seinen Entschluß und seine Durchführung meiner vollen Anerkennung sicher.
Ich werde ihn nach seiner Rückkehr mit allen Mitteln fördern, da er bewiesen hat, daß er zum Führer geeignet ist.
Solche Männer gibt es mehr in der Marine. Sie zeigen sich bei der Meisterung schwieriger Lagen sowie auf sich selbst gestellt entschlußfreudig und richtig handelnd. Sie beweisen damit ihren inneren Wert.
So schließt dieser Befehl.
Und nun ein weiterer Befehl vom 7. April 1945:
Wir Soldaten der Kriegsmarine wissen, wie wir zu handeln haben. Unsere militärische Pflicht, die wir unbeirrlich erfüllen, was auch links und rechts und um uns herum geschehen mag, läßt uns wie ein Fels des Widerstandes kühn, hart und treu stehen. Ein Hundsfott, wer nicht so handelt.
Man muß ihn aufhängen und ihm ein Schild umhängen: „Hier hängt ein Verräter, der aus niedriger Feigheit dazu beigetragen hat, daß deutsche Frauen und Kinder starben, statt als Mann sie zu schützen."
Meine Damen und Herren, das ist der Mensch Dönitz, und ich frage Sie, ob Sie der Meinung sind, daß man einen solchen Mann der künftigen Marine der Bundesrepublik als Vorbild vorstellen sollte; ein Mann, der solche Befehle herausgibt, der den Kameradenmord als vorbildliche Handlung hinstellt, ein solcher Mann dürfte nicht als „ohne Makel" dastehend gezeichnet werden.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Kapitän zur See Zenker, der doch auch hohe Kommandostellen bekleidet hat, von diesen Befehlen nichts gewußt haben sollte.
Will man eine Tradition für unsere Marine aufstellen — und man sollte das tun —, gibt es denn dann nicht in der deutschen Seekriegs- und Friedensgeschichte unzählige Seeleute, die man als Vorbilder nennen könnte: die große Menge der Namenlosen, die bis zur letzten Granate auf ihren Schiffen ausgehalten haben und mit ihren Schiffen untergegangen sind? Und wenn schon Namen genannt werden sollten, wäre dann nicht der Admiral Graf Spee ein würdigeres Vorbild für eine deutsche Marine
und — Sie mögen mich darum schelten, wenn Sie
wollen — ein Mann wie Niemöller, der ein tapferer Marineoffizier gewesen ist und nachher ebenso
tapfer gegen das Unmenschentum gekämpft hat?!
Auch er schiene mir ein besseres Vorbild zu sein als Dönitz. Ich meine damit nicht die politische Auffassung des Herrn Niemöller. Das ist eine ganz andere Frage. Aber als Mann hat er sich bewährt, im einen und im andern Fall!
Solange Offiziere glauben, sie könnten sich vor Dönitz rechtfertigen müssen, daß sie in den Dienst der Bundesrepublik getreten sind, so lange leben sie nicht in dem Geist, der unsere Bundeswehr beseelen muß, wenn sie in Ehren bestehen soll. In Ehren wird sie nur bestehen, wenn in ihr der Geist der Menschlichkeit, der Menschenwürde und der Menschenrechte nicht nur in den Dienstvorschriften genannt wird, sondern tagtäglich tätig geübt wird;
denn ohne sie ist auch die tapferste Tapferkeit keine Tugend, nicht einmal eine soldatische Tugend. Weil wir wollen, daß in aller Klarheit, in aller Offenheit und Öffentlichkeit Regierung und Parlament der Bundesrepublik sich zu diesen echten Soldatentugenden bekennen können, haben wir diese Große Anfrage eingereicht. Sie haben sie vor sich liegen. Ich glaube nicht, daß ich sie zu verlesen brauche. Der Herr Verteidigungsminister wird sie beantworten. Das Haus wird zu dieser Antwort und zu meinen Ausführungen Stellung nehmen können. Je nachdem, wie diese Stellungnahme ausfällt, wird dann heute mehr geschehen sein als ein Meinungsaustausch über die Qualitäten eines Kapitäns zur See.
Je nachdem, wie diese Stellungnahme ausfällt, wird das deutsche Volk, wird die Welt wissen, wie ernst wir es mit der Demokratie und — was mehr ist als sie — mit der Menschlichkeit meinen!