Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks schließt sich dem soeben von der SPD-Fraktion gestellten Antrag an, die beiden Anträge der DP hier sofort abzulehnen, falls die Antragsteller sich nicht entschließen sollten, ihre beiden Anträge zurückzuziehen.
— Ich höre soeben, daß sie nicht die Absicht haben.
Wir sind auch der Auffassung, daß die beiden Anträge der DP und ihre Motive einem völligen Mißverständnis dessen entspringen, was das Hohe Haus mit der Einrichtung des Personalgutachterausschusses beabsichtigt hat. Das geht wohl auch aus der Begründung des Herrn Kollegen Schneider hervor. Er hat nämlich an dem, was damals vor allem im Ausschuß darüber gesprochen worden ist, völlig vorbeiargumentiert. Als wir im vorigen
Juli dieses Gesetz beschlossen, ist es erstmalig im Verlauf der Wehrgesetzgebung — und deshalb wurde es allgemein sehr beachtet — zu einer Einmütigkeit, mit Ausnahme der DP, gekommen. Ich erinnere mich nicht, daß Sie, Herr Kollege Schneider, an jenen abendlichen Sitzungen im Juli des vergangenen Jahres teilgenommen haben. Ich will es Ihnen gern zugute halten, daß Sie persönlich damals nicht dabeigewesen sind.
— Ja, das weiß ich. Denn Ihre Argumente gehen an dem, was wir damals formuliert haben, völlig vorbei. Auch sind solche damals von Ihrer Seite nicht vorgebracht worden. Interessanterweise richten Sie sich heute gegen die Methoden des Ausschusses. Damals konnte Ihre ablehnende Stellungnahme die Methoden noch nicht betreffen; denn über die Methoden war damals noch keine Urteilsmöglichkeit vorhanden.
Über die Absichten, die wir bei der Einrichtung des Ausschusses gehabt haben, ist schon von den Herren Kollegen Heye und Erler gesprochen worden. Ich möchte nur noch eine negative Feststellung treffen, um kein Mißverständnis in der Öffentlichkeit aufkommen zu lassen. Die Absicht geht doch nicht dahin, die höheren Offiziere, die Obersten und Generale der neuen Streitkräfte in irgendeiner Weise einem Sonderrecht zu unterstellen. Gerade das wollten wir mit der Einrichtung des Personalgutachterausschusses nicht erreichen. Der Personalgutachterausschuß sollte vielmehr dem Offizierskorps der neuen Streitkräfte, insbesondere der Generalität, dadurch helfen, daß er ihm in der öffentlichen Meinung einen gewissen Grad von
Immunität verschafft. Dies konnte und kann nicht ' besser formuliert werden als in der Wendung, die Herr Kollege Heye hier schon zitiert hat, daß durch die Entscheidungen des Personalgutachterausschusses die Generäle und Obersten der neuen Wehrmacht kugelfest gegen Angriffe und gegen Zweifel in ihre Eignung zum Dienst am demokratischen Staat gemacht werden sollen.
Das hat zunächst gar nichts damit zu tun, daß man etwa die demokratische Zuverlässigkeit einer Mehrzahl der Bewerber a priori hätte anzweifeln wollen. Aber nach den geschichtlichen Erfahrungen kann niemand bestreiten, daß ein einziger ungeeigneter General oder Oberst, der in die neuen Streitkräfte hineingekommen wäre, den ganzen Stall, um einmal mit Bismarck zu sprechen, hätte „versauen" können, mindestens jedenfalls im Ansehen der neuen Wehrmacht in der Öffentlichkeit des In- und Auslandes. Das mußte im Interesse der anderen, im Interesse der gesamten Einrichtung vermieden und verhindert werden. Ein solcher Selbstschutz der Demokratie und ihrer Einrichtungen hat doch mit Entnazifizierung ebensowenig zu tun wie mit Ehrengerichtsbarkeit. Das ist vielmehr nichts anderes als das, was jeder Staat und jede Behörde hinsichtlich ihrer personellen Zusammensetzung zu tun gezwungen sind.
Darüber entscheidet aber — damit wende ich mich gegen Ihren Antrag, den Personalgutachterausschuß durch einen Ehrenrat zu ersetzen — nirgendwo ein Kollegium, sondern darüber entscheiden immer die vorgesetzten Instanzen nach ihrem Ermessen. Diese Funktion hat hinsichtlich der neuen Streitkräfte in unserem Staat als einer Institution des Volkes das Parlament mit wahrzunehmen. Wenn es sie nicht selbst wahrnimmt, dann, Herr Kollege Schneider, ist das kein Anlaß zu einem Vorwurf gegen das Parlament, sondern das kann man im Gegenteil nur als eine löbliche Selbstbescheidung anerkennen und als den Ausdruck eines Bestrebens, jede Art von politischer Subjektivität zu vermeiden.
Wir haben bei der Abfassung des Gesetzes nach einer Formulierung gesucht, die jedes Mißverständnis ausschließen sollte. Wir haben sie vielleicht nicht gefunden, was mit der Hast zusammenhing, in der das Gesetz gemacht werden mußte. Über die Auslegung des Ausdrucks „persönliche Eignung", den ich selber damals vorgeschlagen habe, ist es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Diese Meinungsverschiedenheiten sind inzwischen im großen und ganzen überwunden, und sie können uns nicht veranlassen, die ganze Einrichtung überhaupt in Frage zu stellen, die doch inzwischen hervorragende Arbeit geleistet, die sich, wie Herr Kollege Erler soeben festgestellt hat, ausgezeichnet bewährt hat. Wenn ein Zweifel an der Zweckmäßigkeit dieser Einrichtung und wegen der personellen Zusammensetzung bestanden haben sollte, dann müßte er durch die Erfahrung der vergangenen Monate überwunden worden sein, und das hätte eigentlich schon längst zur Zurückziehung dieses Antrags führen müssen,
schon mit Rücksicht auf die Persönlichkeiten, die sich für die Arbeit im Ausschuß zur Verfügung gestellt haben. Auch ich halte es angesichts der Kritik, die in der Öffentlichkeit gegen sie laut geworden ist, für notwendig, daß wir diesen Frauen und Männern für ihre mühevolle Arbeit im Personal-
gutachterausschuß unseren Dank und unsere Anerkennung aussprechen.
Daß sich die Kritik vor allem an dem Umstand entzündet hat, daß einige Bewerber abgelehnt worden sind, ist geradezu paradox. Das kann nur aus einer völligen Unausgegorenheit unserer politischen Meinungsbildung erklärt werden; denn zu den Bewerbern ja oder nein zu sagen, dazu ist der Ausschuß doch überhaupt geschaffen worden.
Es ist auch kritisiert worden, daß der Personalgutachterausschuß sich nicht bereit erklärt habe, Gründe für die Ablehnung der Bewerber bekanntzugeben. Herr Kollege Schneider hat gesagt, die Nichtbekanntgabe der Ablehnungsgründe entspreche nach Auffassung der DP weder soldatischen noch demokratischen Traditionen. Herr Kollege Schneider, Sie können doch nicht als einen Verstoß gegen demokratische Traditionen bezeichnen, was nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Verwaltung aller Länder und des Bundes so gehandhabt wird, nämlich daß man einem Beamten, der sich um eine Stelle bewirbt, wenn er sie nicht erhält, nicht bekanntgibt, warum er sie nicht erhalten hat. Was einem Oberregierungsrat recht ist, der sich um eine Regierungsdirektorstelle bewirbt, das muß schließlich einem TO.A-II-Angestellten im Verteidigungsministerium billig sein. Man kann hier nicht von einem Verstoß gegen demokratische Traditionen sprechen.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier gewisse Ehrenstandpunkte eine Rolle spielen bei Vorgängen, die die persönliche Ehrenhaftigkeit überhaupt nicht tangieren, und daß hier von den Antragstellern Begriffe angewandt werden, die mit den Grundsätzen und mit der Nüchternheit, mit der ein moderner Staat seine Exekutivmaßnahmen zu vollziehen hat, in keinen Zusammenhang mehr gebracht werden können. Wir stehen keineswegs an, festzustellen, daß für den Soldaten, insbesondere den Offizier, ein hohes Maß von Ehr- und Pflichtgefühl erforderlich ist, wenn er seinen Beruf entsprechend ausfüllen will. Aber ich frage: Was hat das damit zu tun, daß er sich von einem ausgewählten Gremium unabhängiger und lebenserfahrener Männer bestätigen lassen muß, daß sie ihm die persönliche Eignung zuerkennen, diesen Beruf, den er einmal unter ganz anderen Umständen durchaus ehrenhaft ausgeübt hat, auch in unserem neuen Staat unter völlig anderen Verhältnissen auszuüben? Und selbst wenn ihm die Eignung abgesprochen werden sollte, berührt das doch seine Ehrenhaftigkeit in keiner Weise. Da aber der Personalgutachterausschuß auch bei Ablehnung dies zu tun weder die Aufgabe noch die Absicht haben kann, sollte man ihn auch nicht veranlassen, seine Gründe bekanntzugeben.
Wenn wir dem Personalgutachterausschuß die Aufgabe gegeben haben, die persönliche Eignung der Bewerber zu überprüfen, dann bedeutet das doch nicht — wie von manchen Kritikern behauptet worden ist und offenbar auch bei dem Verlangen der DP mitspielt —, daß damit in irgendeiner Weise die Ehre der sich bewerbenden Offiziere berührt werden kann. Das müßte dann doch bei jedem Bewerber um irgendeine Stellung im öffentlichen Dienst der Fall sein, wenn er einer Überprüfung auf seine Eignung unterzogen wird. Aber daran denkt ja im normalen öffentlichen Leben kein Mensch, und kein Mensch findet sich inseiner Ehre gekränkt, wenn er als ungeeignet für irgendeinen Posten abgelehnt wird. Im Gegenteil, ich glaube, viele Bewerber um irgendwelche Stellungen im öffentlichen Leben würden sich sehr glücklich schätzen, wenn die Überprüfung ihrer Eignung für diese Positionen von einem solchen Ausschuß in der Zusammensetzung wie der Personalgutachterausschuß vorgenommen würde.
Die Antragsteller scheinen aber davon auszugehen, daß die Ehrenhaftigkeit der Offiziere anderen Maßstäben unterworfen sein müßte als die der anderen Staatsbürger.
Sonst könnten Sie nicht verlangen, Herr Kollege Schneider, daß der Personalgutachterausschuß durch einen Offiziersehrenrat ersetzt wird. Gerade darin liegt meines Erachtens die Verkennung des Problems. Denn der neuen Bundeswehr soll doch gerade alles erspart bleiben, was bei Armeen früherer Zeit das Odium einer separaten Stellung gegenüber Volk und Staat hervorgerufen hat. Gerade dadurch, daß die führenden Männer unserer neuen Streitkräfte das Plazet eines von der Volksvertretung eingesetzten Ausschusses unabhängiger Persönlichkeiten erhalten, sollen sie im Volk die Stellung der Beauftragten des Volkes erhalten, deren Ehre in dieser Stellung und in sonst gar nichts besteht. Wenn wir aber einen Offiziersehrenrat schaffen, dann schaffen wir damit notwendigerweise auch eine Art Offiziersehre.
Herr Kollege Heye hat mit Recht darauf hingewiesen, daß historische Vergleiche fehl am Platze seien, und er hat die Heeresorganisationskommission Scharnhorsts aus dem Jahre 1809 genannt. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß sie sogar richterliche Funktionen hatte, darüber zu entscheiden hatte, ob ein aktiver Offizier der preußischen Armee noch geeignet war, in dem reorganisierten preußischen Heer verwendet zu werden. Wieviel mehr haben wir die Pflicht, das bei einem völligen Neubeginn zu überprüfen, wie wir ihn heute haben.
Wir meinen also, es gäbe sehr gute Gründe, die die Antragsteller hätten veranlassen können, ihre Anträge zurückzuziehen.
Wenn Sie es nicht tun, dann muß allerdings bei uns der Eindruck entstehen, als ob Sie mit der Aufrechterhaltung Ihrer Anträge an ein Ressentiment appellieren, das vielleicht bei einigen wenigen Offizieren der früheren Wehrmacht gegen den Personalgutachterausschuß, gegen die neuen Streitkräfte und vielleicht auch gegen den demokratischen Staat vorhanden sein mag, entweder weil sie den Personalgutachterausschuß zu fürchten haben oder weil sie das Wesen der Demokratie nicht begriffen haben. An der Bildung und an der Förderung solcher Ressentiments würden wir mitwirken, wenn wir Ihrem Antrag zustimmten, oder auch schon dann, wenn wir ihn an den Ausschuß verwiesen. Wir werden ihn daher hier ablehnen.