Meine Damen und Herren! Ich hätte nicht das Wort genommen, wenn es der Herr Bundesminister nicht gewünscht hätte. Er hat die bäuerliche Berufsorganisation aufgerufen, zu ihrem Kommuniqué hier Stellung zu nehmen, damit, wenn wirklich Diskrepanzen vorhanden sind, diese ausgeräumt werden können. Nach Ihrer schönen Rede, Herr Professor Baade, könnte man annehmen, daß etwa die bäuerliche Berufsorganisation weit rechts außerhalb des Grabens stehe.
— Herr Kriedemann, wenn dem so wäre, würde ich mich wahrscheinlich nicht in der CDU betätigen.
— Nein, es sind gar keine Dissonanzen da!
Aber, Herr Bundesminister, ich müßte mein Bedauern zum Ausdruck bringen, wenn Sie etwa die Auffassung hätten, daß die Information, die herauskam, ein sehr schwerer Vorwurf ist. Dem ist gar nicht so. Es ist lediglich aufbauende, völlig sachliche, positive Kritik. Ich darf einige Punkte anführen.
Sie haben selber, Herr Bundesminister, gestern und heute zum Ausdruck gebracht, daß das keine vollständige Sache sein kann. Das sieht selbstverständlich auch die Landwirtschaft ein, das ist völlig unmöglich. Ich gebe hier gern meiner Überzeugung Ausdruck, daß man sich wundern muß, daß innerhalb der ganz kurzen Zeit eine so umfassende, gute Arbeit geleistet werden konnte. Aber auch derjenige, der etwas Gutes geleistet hat, muß es sich gefallen lassen, daß man ihn auf einige Schwächen aufmerksam macht. Ich glaube, wenn ich darauf aufmerksam mache, sind Sie selber froh, weil diese Dinge bei dem nächsten Bericht ausgemerzt werden können. Nur so ist die Kritik gedacht.
Ich will mich ganz kurz fassen. Einen Punkt haben Sie schon angesprochen, die Frage der Sozialversicherungszuschläge. In Wirklichkeit ist es doch so: wenn die mitarbeitenden Familienangehörigen nicht der vom Staat auferlegten Versicherungspflicht unterliegen, müssen sie doch das Recht haben, mindestens einen Teil — in der Höhe, die der Versicherungspflicht entspricht — auf die Seite legen zu können. Das muß mit berücksichtigt werden, und das war nicht der Fall. Ich glaube, daß Sie hierin mit mir einig gehen.
Dann eine zweite Sache. Vorhin in der Diskussion wurde bemängelt, daß man bei dem Ansatz für die Bauersfrau für jeden Familienangehörigen, der in der Hausgemeinschaft wohnt und seine Verköstigung bezieht, 20 % abzieht. Sie haben darauf an Hand von Material nachgewiesen, daß die Betriebswirtschaftler dieser Auffassung sind. Aber ich darf Ihnen doch sagen — und ich glaube auch hier mit Ihnen einig zu gehen —, daß leider die Wirklichkeit draußen anders aussieht. Wenn man nämlich pro Familienangehörigen 20 % abzieht, dann würde das bedeuten, daß eine bäuerliche Familie mit drei Arbeitskräften ihre Bäuerin so in Anspruch nimmt, daß sie draußen im Betrieb nichts arbeitet. Dem schlagen die Tatsachen ins Gesicht. Sie sind mit mir der Auffassung, daß das berücksichtigt werden muß. Eine Bäuerin mit drei Kindern kann es sich wirklich nicht leisten, im Betriebe nichts zu tun.
Ein Drittes, der 50 %ige Zuschlag auf die Kosten der dem eigenen Betrieb entnommenen Nahrungsmittel. Wir sind nicht der Auffassung, daß dieser 50 %ige Aufschlag voll als Lohn eingesetzt werden darf. Wir meinen vielmehr, daß höchstens ein Aufschlag von 30 % in Betracht kommt. 50 % sind für die Landwirtschaft im Vergleich zu zahlreichen Auslandsnahrungsmitteln, die man heute in verschiedenen Kaufhäusern recht billig erstehen kann, nicht am Platz.
Ein Weiteres. Es wäre vielleicht besser gewesen — ich will das dahingestellt sein lassen —, wenn man die Stundenverdienste anstatt der Jahresarbeitsverdienste miteinander verglichen hätte. In Wirklichkeit sind beispielsweise in der Textilindustrie die Stundenlöhne der weiblichen und männ-
lichen Arbeitskräfte nur um wenige Prozent voneinander verschieden, 101 Pfennig für die weibliche, 108 Pfennig für die männliche Arbeitskraft. Aber wenn man die Jahresarbeitsverdienste miteinander vergleicht, so zeigt sich, daß die 2600 DM der weiblichen Arbeitskraft nur zwei Drittel der männlichen Arbeitskraft entsprechen. Herr Minister, hier besteht ohne Zweifel eine Diskrepanz. Ich führe das an, weil es hier heißt, daß diese kalkulatorischen Kosten nicht voll eingesetzt sind.
Sie haben weiterhin kritisiert, daß hier aufgeführt wird, die kalkulatorischen Kosten seien nicht als echte Kostenbestandteile behandelt worden. Es ist mir bekannt, daß der Grüne Bericht, als er aus Ihrem Hause herausging, die kalkulatorischen Kosten so enthielt, wie es im Gesetz vorgesehen ist. Aber andere haben daran nachher wahrscheinlich herumgedoktert und haben praktisch die Gesetzesvorschriften in Zweifel gezogen. Beispielsweise heißt es zum Lohnansatz im Grünen Bericht S. 55: „Dieser Vergleichsansatz normiert kein Lohn-Soll." In Wirklichkeit heißt es aber im Gesetz, daß dieses Soll berechtigt ist und daß es vergleichbare Berufsgruppen gibt.
Dann bestehen Zweifel, ob der Betriebsleiterzuschlag als Lohnbestandteil oder etwa als Gewinnbestandteil einzusetzen ist. Ja, meine Damen und Herren, es ist doch in der gewerblichen Wirtschaft völlig unbestreitbar so, daß die Gehälter der Vorarbeiter oder der verantwortlichen Direktoren oder irgendeines Mannes, der eine besondere Verantwortung trägt, nicht als Gewinn, sondern als echter Lohnbestandteil betrachtet werden. Warum sollte man das der Landwirtschaft nicht zugestehen?
Bei der Frage der Verzinsung des Kapitals ist es genau dasselbe. Hier wird in dem Bericht angezweifelt, ob man sie als Gewinn oder als echten Kostenbestandteil betrachten kann. Sie werden hier wahrscheinlich mit mir einig gehen.
Nun noch ein Satz in dem Bericht. der die Dinge entgegen dem Gesetz praktisch wieder in Zweifel zieht. Es heißt, die Vergleichsansätze seien somit problematisch. Davon kann gar keine Rede sein. In dem Gesetz wird ganz klar ausgeführt, daß man echte, vergleichbare Zweige der gewerblichen Wirtschaft heranziehen und auf Grund dieser Vergleiche dann auch testieren soll. Das war mit dieser Kritik gemeint.
Da ich nun schon das Wort habe, möchte ich nur noch zu zwei Punkten sprechen. In den Maßnahmen, die hier vorgeschlagen sind und die wir voll bejahen, sind zwei Kategorien vielleicht noch nicht berücksichtigt. Aber das läßt sich im Laufe der nächsten Zeit, wenn die endgültigen Maßnahmen erst festgestellt werden, vielleicht noch berücksichtigen.
Da ist einmal die Schafzucht, deren Umfang heute kaum mehr 50 % dessen des Jahres 1948 beträgt. Ausgesprochene Schafweiden können nicht beweidet werden, weil die Zahl der Schafe zu gering ist, und große Teile dieser Flächen können auch nicht aufgeforstet werden. Das sollte uns Bedenken machen. Deswegen dürfte es ein Akt der Gerechtigkeit sein, eine Subvention des deutschen Wollpreises in Betracht zu ziehen.
Dann zu einer Frage des Obst- und Weinbaus. Wir hätten im Hinblick auf den Weg zum vereinten Europa, zu einem einheitlichen europäischen Markt, gewünscht, daß die Schädlingsbekämpfungsmittel annähernd zu dem Preis zur Verfügung gestellt werden können, zu dem sie im Ausland von der deutschen Industrie verkauft werden. Mir liegen Zahlen vor, nach denen die gleichen Schädlingsbekämpfungsmittel in Holland zu Preisen gekauft werden, die teilweise um 40, 50 % niedriger liegen als bei uns. Vielleicht kann auch das noch berücksichtigt werden.
Wir müssen darauf bedacht sein, daß wir — wie Herr Kollege Struve richtig sagte — durch die Hilfsmaßnahmen, die jetzt vorgesehen sind und die sicherlich sehr wirksam sein werden, nicht in eine neue Bedrängnis kommen, wenn etwa in der gewerblichen Wirtschaft in Zukunft höhere Löhne gezahlt werden. Wir haben schon einen Vorgang: Ab 1. April werden den Bauarbeitern 8 Pfennig mehr gezahlt. Ich sage kein Wort, daß sie das nicht verdienen; aber das gibt eine neue Diskrepanz.
Zum Schluß darf ich sagen: Herr Minister, wir stimmen diesen Maßnahmen vollauf zu. Wir sind uns des Wertes dieser Agrarpolitik völlig bewußt, die dafür sorgt, daß — wie Sie richtig sagten — im freien Teil Europas ein freier Bauer nach freien Entscheidungen frei wirtschaften kann und uns vor dem amerikanischen Farmertum und vor dem Kollektiv des Ostens bewahrt.