Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Vorbereitung für die heutige Debatte hat sicher manches Mitglied dieses Hohen Hauses, das die Ehre hatte, bei den sehr langwierigen und schwierigen Verhandlungen im Unterausschuß für Parität mitzuwirken, einmal in diesen alten Sachen herumgeblättert, um festzustellen, ob es den Mitgliedern des Hohen Hauses in Verbindung mit den Vertretern der verschiedenen Ministerien in Verbindung mit dem zuständigen Minister, aber auch in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern aus den vielen Zweigen unserer deutschen Volkswirtschaft wohl gelungen sei, das zu verwirklichen, was uns damals vorschwebte, die Lage der Landwirtschaft in einem Bericht niederzulegen, und ob — die zweite Frage — dann auf Grund eines solchen Berichts Konsequenzen zu ziehen seien. In der öffentlichen Meinung haben die Ansichten über diese Dinge einen weiten Raum ausgefüllt, und sie sind sehr stark auseinandergegangen. Die einen sagten: Ein reines Statistikengesetz, in der Praxis nicht anwendbar! Die anderen sagten: Gefährlich für die Währung! Wieder andere sagten: Es verträgt sich nicht mit der sozialen Marktwirtschaft! Ich glaube, wenn wir den Grünen Bericht kritisch durchblättern, wenn wir die Maßnahmen der Bundesregierung einer kritischen Betrachtung unterziehen und wenn wir die heutige Debatte verfolgten, dann muß wohl gesagt werden, daß der Versuch dieses Hohen Hauses, auch für die deutsche Landwirtschaft ein Gesetz,
anfangs Paritäts-, dann Landwirtschaftsgesetz genannt, zu schaffen, durchaus Erfolg hatte. Ich möchte mit dem Herrn Minister sagen, daß alles das, was heute hier an Kritik vorgebracht worden ist, eigentlich mehr den Ausdruck Anregung verdient und daß es durchaus wertvolle Anregungen sind. Ich möchte vor allen Dingen allen Kritikern sagen: sie werden zugeben müssen, es ist tatsächlich bewundernswert, daß es der Verwaltung nach einer so kurzen Zeitspanne seit Verabschiedung des Gesetzes möglich gewesen ist, einen solchen Grünen Bericht vorzulegen.
Ich bin überzeugt, daß er nicht nur in der deutschen Landwirtschaft, sondern in allen Kreisen unserer Wirtschaft und darüber hinaus auch im Ausland Beachtung findet. Wissen wir doch, daß bei unseren Beratungen schon damals Besuch aus dem Ausland hier war, um zu erkunden, wie das deutsche Parlament an diese Frage herangeht.
Es ist heute verhältnismäßig einfach, hier in breiter Front eine Einigung zu erzielen, weil es den Beschlüssen unseres Kabinetts zu danken ist, daß in sehr umfangreicher und vielseitiger Form Mittel aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden, um dadurch idem Gesetz einen ersten guten Start zu geben. Wir wollen bei dieser Gelegenheit auch nicht die Schwierigkeiten verschweigen, die schon bei der Beratung auftauchten, als man untersuchte, wie man der Disparität, dem Auseinanderklaffen zwischen Ertrag und Aufwand beikommen könne. Ich meine, daß das erfreuliche Echo in der Vorbereitungszeit, in der Diskussion über den Grünen Bericht, auch in der deutschen Presse schlechthin, mit ein klarer Erfolg unseres Gesetzes gewesen ist.
Bei all diesen Betrachtungen haben die Preise immer wieder eine große Rolle gespielt. Den heute beschrittenen Weg fortzusetzen, wird dem Hohen Hause nur dann gelingen, wenn vor allem in der gewerblichen Wirtschaft die Preise nicht noch weiter steigen, wie es leider in den letzten drei Jahren zu verzeichnen war. Nach meinem Dafürhalten — wir haben auf diese Dinge schon während der Konjunkturdebatte hingewiesen — muß sehr stark beachtet werden, wie sich die Entwicklung besonders in den großen Ausgabeposten der deutschen Landwirtschaft weiter vollzieht. Nach wie vor schleichen sich auf den verschiedensten Gebieten, besonders auf dem Maschinen- und Bausektor im mer wieder Preiserhöhungen ein. Diese Erscheinungen sind unerträglich. Ich begrüße es deshalb, daß das Kabinett auch in der jüngsten Zeit vor allen Dingen über die Zölle versucht hat, hier einen gewissen Riegel vorzuschieben. Wir müssen — bei dem Vergleich der verschiedenen Dinge auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite — unter allen Umständen versuchen, zu erreichen, daß nicht etwa durch den heutigen Vorschlag, den künstlichen Dünger um 20 % zu verbilligen, auf der Gegenseite etwa eine Bewegung entsteht, die in umgekehrter Richtung geht.
Wir müssen seitens der Landwirtschaft in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß auf Teilgebieten in der deutschen Landwirtschaft Preiseinbußen zu verzeichnen sind. Das Hohe Haus beschließt alljährlich ein Getreidepreisgesetz. Wenn wir aber das ausgezeichnete, sehr sorgfältige Zahlenmaterial einmal prüfen, so stellen wir fest, daß bei gleichbleibenden Mindestpreisen in unserem Getreidepreisgesetz die Erlöse pro Doppelzentner bei den Bauern von Jahr zu Jahr geringer geworden sind. Hier hat sich durch ein Gestrüpp überspitzter und überspannter Verordnungen langsam eine echte Preisermäßigung eingeschlichen. Diese Dinge müssen wieder ausgeräumt werden.
Darüber hinaus müssen wir auf allen Gebieten sehr bemüht sein, die Chance der Landwirtschaft dort zu nutzen, wo sie ohne besondere Schwierigkeiten durchzusetzen ist. Ich meine z. B., daß wir den Beimischungszwang für Raps um weitere drei Jahre verlängern müssen, um vor allem die Anbauplanung nicht zu stören und um nicht unnütze und unnötige Umstellungen herauszufordern, die in der Regel den Bauern sehr viel Geld kosten.
Wenn ich zu einzelnen Maßnahmen noch einige Worte sagen darf, so meine ich, in diesem Hohen Hause besteht vor allem Einmütigkeit darüber, daß die Milchwirtschaft der tragende Pfeiler unserer deutschen Landwirtschaft ist und vor allen Dingen die Einnahmequelle für den klein- und kleinstbäuerlichen Betrieb darstellt. Oft haben wir in diesem Hohen Hause über dieses sehr wichtige Gebiet unserer deutschen Landwirtschaft debattiert, oft sind wir auch auf gesetzgeberischem Wege tätig geworden. Wenn im Augenblick am heutigen Tage ein besonderer Antrag diskutiert wird, wenn weitere Anträge zu dieser Frage im Ernährungsausschuß vorliegen, so sollten wir sie vor allen Dingen immer wieder unter dem kritischen Gesichtspunkt prüfen: wie können wir für die deutsche Landwirtschaft den gerechten Milchpreis durchsetzen? Da war es ja meine Fraktion, die bereits im Juni 1955 einen Antrag. auf Milchpreiserhöhung einbrachte. Wir wollen in diesem Zusammenhang nicht die Leidensgeschichte dieses Antrags und dieses Bemühens der deutschen Landwirtschaft aufrollen. Nach dem Landwirtschaftsgesetz und nach den aus diesem Bericht herauszuholenden Zahlen steht nach meiner festen Überzeugung eindeutig fest, daß die Produktion auf diesem wichtigen Zweig absinkt. Das ist immer das beste Alarmzeichen, auf Grund dessen man schon im voraus sagen kann, wo die Reise hingeht. Wenn es auch größeren Betrieben möglich ist, zugunsten des einen oder anderen Zweiges die Produktion etwas zu verlagern, — der Kleinbauernbetrieb ist dazu nicht in der Lage. Ich bin in diesem Punkt mit dem Minister einig, daß wir hier auf schnellstem Wege an die Arbeit gehen müssen. Aber eins steht auch fest: wir müssen den gerechten Milchpreis für die deutsche Landwirtschaft, einerlei ob die Milch als Trinkmilch verwendet oder ob daraus Butter, Käse oder Kondensmilch hergestellt wird, unter allen Umständen sicherstellen. Wir haben verschiedene Möglichkeiten. Wir haben den Bundesausgleich geschaffen. Aber all diese Mittel werden versagen, wenn nicht der richtige Ausgangspunkt eben in Form des gerechten Trinkmilchpreises obenan steht. Wir müssen uns um diese Dinge im Ausschuß sehr bemühen, damit wir zu einer gerechten Lösung kommen.
Herr Kollege Kriedemann, der Herr Minister hat schon die Frage der Düngerverbilligung, die Sie ansprachen, behandelt. Wir müssen doch unterstellen, daß die deutsche Landwirtschaft hier für die Zeit vom 1. Juli 1954 bis zum 30. Juni 1955 die Bücher offengelegt hat. Wenn wir nun aus diesem Bericht herauslesen können, daß es
noch einzelne größere Betriebe in besonders günstigen Lagen gibt, die so einigermaßen um die Runde kommen, dann sollten wir das nicht zum Anlaß nehmen, die von der Bundesregierung vorgeschlagene und sonst von allen Rednern gebilligte Düngersubvention etwa zeitlich oder auch generell dadurch in Frage zu stellen, daß wir in eine Untersuchung darüber eintreten, wer sie braucht und wer sie nicht braucht. Täuschen wir uns nicht! Aus diesen Zahlen geht nicht hervor, daß größere Betriebe, die bei dieser Plus-Minus-Rechnung noch etwas besser dastehen, einen ungeheuren Bedarf an weiteren Investitionsmitteln haben.
Die Verschuldung ist durchaus keine Angelegenheit etwa der einzelnen Betriebsgrößen oder der einzelnen Gegenden, sondern sie zieht sich leider durch die ganze deutsche Landwirtschaft hindurch. Die Illiquidität, die damit verbunden ist, ist für viele Betriebe der erste Anlaß, die erfolgreiche Betriebsführung zu verlieren. Ich bin deshalb sehr dankbar, daß die Frage der Umschuldung mit einen Punkt dieser Maßnahmen darstellt. Ich meine allerdings, daß die Anregung, die der Kollege Fassbender begründete, hier durch eine Zinsverbilligung einzuschreiten, nicht ausreicht. Täuschen wir uns nicht: die deutsche Landwirtschaft ist auf dem Wege, der jetzt durch die Maßnahmen des Landwirtschaftsgesetzes verbessert werden soll, nur dann in der Lage, rationelle Betriebe zu schaffen, wenn ihr langfristige Kredite und niedrig verzinsliche Pfandbriefkredite zur Verfügung stehen. Wir haben letzten Endes aus diesem Grunde vor ungefähr zehn Jahren als Gesetzgeber das Gesetz über die Landwirtschaftliche Rentenbank geschaffen. Die deutsche Landwirtschaft ist auf Grund dieses Gesetzes und auf Grund des Genossenschaftsgesetzes mit 200 Millionen DM belastet.
Warum hat der Gesetzgeber diesen Weg beschritten? Nach meinem Dafürhalten, um von seiten der Landwirtschaft ein erstes Opfer zu fordern, damit ein Anfang mit einer landwirtschaftlichen Kreditpolitik, vor allem in den Zins- und Tilgungsproblemen gemacht wird. Die Regierung muß hier noch die notwendigen Schlußfolgerungen ziehen. Wir müssen diese Dinge im Ausschuß noch sehr vertiefen. Statt zu einer Zinsverbilligung müssen wir zu einer echten Konsolidierung der alten Verpflichtungen kommen. Wir müssen vor allen Dingen jenen Betrieben helfen, die aus irgendwelchen Gründen — in der Regel ist es der Leutemangel und die dann folgende Technisierung — hoch verschuldet sind. Sehr großer Kapitaleinsatz ist bei weitem nicht immer mit großen Erfolgen verbunden. Wie ist es in der Praxis? Ich glaube, mancher Berufskollege, der als Abgeordneter unter uns sitzt, weiß aus eigener Erfahrung, daß sehr oft sehr intensiv arbeitende Betriebe auch sehr hoch verschuldet sind. Deshalb müssen wir diese Dinge im Auge behalten.
In diesem Zusammenhang — damit möchte ich schon zum Schluß kommen — ist bei einer kritischen Betrachtung noch einmal der Versuch gemacht worden, die Disparität in gewissen Größenordnungen festzustellen. Dies wird uns nach meinem Dafürhalten in zunehmendem Maße gelingen, wenn wir bemüht sind, das Ausgangsmaterial so zu erstellen, wie es dem Gesetzgeber vorgeschwebt hat. Ich zweifle nicht daran, daß die voneinander abweichenden Ansichten über die einzelnen Posten. einschließlich der kalkulatorischen Posten, auf diese Weise in Übereinstimmung gebracht werden.
Ich bin mit manchem Diskussionsredner von heute
der Meinung, daß wir keine Ursache haben, rückblickend schwierige und strittige Disparitätsrechnungen anzustellen, sondern, meine Damen und
Herren, wir haben den Blick nach vorne zu
wenden.
Ich zweifle nicht daran, daß wir, wenn wir diese Probleme anfassen und wenn wir vor allen Dingen die einzelnen Maßnahmen schnell verabschieden — dies halte ich für ebenso wichtig wie die Lösung des Problems als solchen —, bei all den zahlreichen betroffenen Betrieben, einerlei ob groß oder klein, ob in- oder extensiv wirtschaftend, den nötigen Widerhall finden werden.
Wir müssen aber an alle zuständigen Stellen — und das sind in erster Linie die Länder mit ihren Landwirtschaftsministerien — appellieren, damit den Betroffenen die nötige Hilfe auch schnell zuteil wird.
Herr Kollege Kriedemann, Sie haben von einem Hilfsgesetz gesprochen und in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage des langfristigen Kredits angeschnitten. In dieser Beziehung dürften wir in der Ausschußberatung ohne weiteres zu einer Klärung kommen. Wenn aber von Hilfsgesetzen die Rede ist, dann möchte ich in einer ganz anderen Richtung einen Appell an die deutsche Öffentlichkeit richten. Ich möchte die Hilfe der Länder vor allen Dingen auf den Gebieten erbitten, für die dieses Gesetz nicht zuständig ist. Ich erinnere die Kollegen an die Sitzung, in der wir den Namen „Landwirtschaftsgesetz" prägten. Damals gingen wir davon aus, daß vor allen Dingen in allen Bezirken des kulturellen und sozialen Bereichs noch unendlich viele Aufgaben zu erfüllen sind. Wenn ich an dieser Stelle die Länder anspreche, meine ich, schon in der richtig geleiteten und geförderten Volksschule liegt der Ansatzpunkt für die erbetene Hilfe.
Wenn wir in diesem Zusammenhang zum erstenmal vor fünf Jahren dieses Problem in meiner Heimat zur öffentlichen Diskussion stellten und wenn in Verfolg dieser Diskussion das Landwirtschaftsgesetz und Mittelstandsprobleme standen, dann schwebte uns nicht nur das Schicksal der Bauernbetriebe vor Augen, sondern wir wollten im gleichen Sinne den Dorfhandwerker und den Dorfkaufmann, aber auch den in unserer Kreisstadt lebenden Mittelstand mit in diese Wirtschaftsförderung einbeziehen. Ohne Zweifel wird über rentable Bauernhöfe zu gleicher Zeit ein gesunder Mittelstand geschaffen sein. Wenn wir uns in diesem Sinne weiter bemühen, dann ist nicht nur der Grund gelegt, sondern dann sind wir bereits auf dem festen Wege zur Gesundung unserer deutschen Landwirtschaft.