Ja, aber unruhig, Herr Präsident!
Wenn der Herr Minister uns gestern die Lage der Landwirtschaft schilderte, so darf man sagen, daß sie ernst ist, zum Teil besorgniserregend. Ernst deshalb, weil tatsächlich anscheinend auf dem platten Lande Verhältnisse eingetreten sind, die die Arbeit nicht mehr lohnen, das Brot für das deutsche Volk zu schaffen, ein Zustand, meine sehr verehrten Damen und Herren, den ich als außerordentlich gefährlich für die Fortentwicklung des gesamten deutschen Volkes ansehe.
Wenn man hört oder aus dem Bericht ersieht, daß kaum ein einziger Betrieb oder eine einzige Betriebssparte noch rentabel wirtschaftet, dann müssen wir uns, glaube ich, darüber im klaren sein, daß wir vom Bundestag aus die Pflicht haben, dafür zu sorgen, daß hier gründlichst Änderung geschaffen wird.
— Ja, hoffentlich sind Sie dann auch bereit, den notwendigen Maßnahmen zuzustimmen.
— Sie kommen ja nachher. Ich bin gern bereit, auch noch einmal zu antworten, wenn Sie es wünschen.
Es ist doch ein unmöglicher Zustand, daß trotz härtester Arbeit gerade unserer bäuerlichen Bevölkerung nach den Statistiken, die uns vorgelegt worden sind, die Verschuldung von Jahr zu Jahr wächst. Man überlege sich einmal: trotz Arbeitszeiten gerade im bäuerlichen Sektor, die nicht alltäglich sind, wachsende Verschuldung. Die Zinsenlast, die unsere Landwirtschaft zu tragen hat, ist heute praktisch doppelt so hoch wie im Jahre 1939,
— eine Entwicklung, die mir und auch meinen Freunden Sorge macht.
Ich glaube, man stellt nicht zuviel fest, wenn man erklärt: in den letzten Jahren ist eine dauernde Unterbewertung der ländlichen Arbeit zu einer Tatsache geworden, eine Unterbewertung, die teilweise so weit geht, daß die mithelfenden bäuerlichen Familienmitglieder — wenn sie bezahlt würden —, eine Entlohnung bekämen, die unter dem Los eines Erwerbslosen liegt.
Meine Damen und Herren, überlegen Sie, wohin es führen soll, wenn wir so weitermachen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Folgen sozialer Natur gerade auf den deutschen Dörfern — es gibt auch dort eine soziale Frage — allerernstester Art sein werden, ja daß dieses Landvolk, auf die Dauer gesehen, nicht mehr bereit ist, diese harte Arbeit zu leisten, daß die Höfe und die Dörfer veröden, weil es billiger und bequemer ist, sich den Lebensunterhalt in der Industrie zu erwerben. Ich warne vor einer Entwicklung, die dazu führen wird, daß unsere Dörfer entvölkert werden. Haben wir nicht — gerade wir hier — ein Interesse daran, wenn wir an die großen nationalpolitischen Fragen denken, die eines Tages an uns herantreten werden, oder müssen wir nicht ein Interesse daran haben, daß der letzte Kleinbauer auf seinem Hof erhalten bleibt? Denken Sie an jenen Tag, an dem — hoffentlich kommt er recht bald — die deutschen Grenzen wieder da verlaufen, wo sie in den zwanziger Jahren verlaufen sind! Dann hätten wir vielleicht Gesamtdeutschland arealmäßig wieder, aber es würde uns dann an deutschen Bauern fehlen, um jene Flächen in Zukunft zu bestellen. Dann kann es sein — ich habe das schon einmal gesagt —, daß die schwarzrotgoldenen Grenzpfähle wieder jenseits von Ostpreußen stehen, daß aber in einem Teil Deutschlands aus Mangel an deutschen Bauern nicht mehr deutsch gesprochen werden wird. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß wir alle die ernste Aufgabe zu erfüllen haben werden, mit dem Minister in diesem Falle mitzugehen, um den Versuch zu unternehmen, Unglück und Schäden von der Landwirtschaft, aber auch vom gesamten deutschen Volke abzuwenden.
Was nun die einzelnen Maßnahmen betrifft, die die Bundesregierung nach der Ankündigung des Herrn Ministers durchzuführen bereit ist, so erkennen wir freimütig an, daß es zunächst eine Hilfe für die Landwirtschaft bedeutet, wenn man sie von der Umsatzsteuer befreit. Auch die Verbilligung der Düngemittel wird vom Landvolk dankbar anerkannt. Dasselbe gilt für die Verbilligung des Dieselkraftstoffs, für die Zinsverbilligung und für eine Reihe weiterer Maßnahmen. Wir sind uns klar darüber, daß hier ein Anfang gemacht ist;- doch mit diesen Mitteln sind wir noch nicht in der Lage, die Disparität, die Unterbewertung der Landarbeit gegenüber der gewerblichen Wirtschaft zu beseitigen. Das muß man klar sehen und auch klar aussprechen, und ich freue mich, daß die Bundesregierung hier einen Anfang gemacht hat. Ich hoffe jedoch, Herr Minister, allen Ernstes, daß Sie weiterarbeiten werden und uns in absehbarer Zeit zusätzliche Maßnahmen verkünden können, die notwendig sind, um der Landwirtschaft wieder zu dem zu verhelfen, was sie sein muß: der Nährstand des Volkes.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu unserm Antrag Drucksache 1848. Ich weiß, daß durch die Regierungsvorlage und die darin angekündigten Hilfsmaßnahmen eine ganze Reihe von Problemen, die wir angeschnitten haben, hinfällig geworden sind. Das betrifft die Umsatzsteuer, den Dieselkraftstoff und die Zinsverbilligungen. Zwei Dinge betrifft es allerdings nicht, und zwar erstens einmal die Freimachung landwirtschaftlicher Werkswohnungen. Ich halte es für einen unmöglichen Zustand, daß Werkswohnungen, die dazu erstellt worden sind, Arbeiter auf dem Hof zu
haben und zu halten, werksfremd besetzt sind und bisher nicht haben frei gemacht werden können. Ich weiß, es ist schwierig, da es sich um Ländergesetze handelt. Ich glaube aber, die Bundesregierung darauf hinweisen zu sollen, daß die Länder aufgefordert werden müssen, beschleunigt dafür zu sorgen, daß der Landwirtschaft die Wohnungen für die notwendigen Fremdarbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Was wir in dem Regierungsbericht weiter vermissen, ist das, was in unserem Antrag als Kernproblem gedacht ist, nämlich die Milchpreisfrage. Wir haben in dem Antrag Drucksache 1848 verlangt, daß für eine Milch mit einem durchschnittlichen Fettgehalt von 3,2 % ein Ab-Hof-Preis von 32 Pf pro Liter bezahlt werden soll. Meine Damen und Herren, hier dreht es sich um Hilfe in allererster Linie für unsere kleinbäuerliche Bevölkerung. In unseren Kleinbetrieben machen die Einnahmen aus der Milch mindestens 35 bis teilweise 50 % aus. Gerade diesen kleinbäuerlichen Betrieben zu helfen, sollte unsere allererste Aufgabe sein, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil mit unserem Kleinbauerntum auch ein gut Teil Volksgesundheit erhalten werden kann. Wir bitten Sie — ich weiß, daß dieser Antrag an den Ausschuß gehen wird —, darauf hinzuarbeiten, daß sich der Agrarausschuß möglichst schnell mit diesen Dingen befaßt, damit wir in absehbarer Zeit über diesen von uns geforderten Milchpreis, der das Kernstück unseres Antrages ist, verhandeln können.
Weiterhin bitten wir, Herr Minister, die Möglichkeit zu untersuchen, ob nicht die Tbc-FreimachungsBeträge erhöht werden können; denn wir stehen auf dem Standpunkt, daß wir alle daran interessiert sein sollten, möglichst tbc-freie Ställe zu haben, und wir haben die Bitte, daß hier baldigst etwas unternommen wird.
Im großen und ganzen — das sagte ich schon — betrachten wir dieses Regierungsprogramm als einen Anfang. Hoffentlich ist es der Anfang zu einer Entwicklung, die dem Landvolk zu dem verhilft, worauf es Anspruch hat: zur gleichen Bewertung seiner harten Arbeit mit den übrigen Wirtschaftskreisen.