Rede von
Carl
Prennel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure außerordentlich, daß eine Katastrophe mir den Anlaß gibt, das erste Mal von dem Rednerpult dieses Hohen Hauses aus zu sprechen. Ich gebe meinem Bedauern Ausdruck, daß der Antrag auf Gewährung einer Hilfe von 300 000 DM für das hochwasser- und eisgeschädigte Vilshofen nicht interfraktionell eingebracht worden ist.
Ich möchte zunächst feststellen, daß die Frage der Schuld an dieser Katastrophe einer Klärung bedarf; von der Stadt Vilshofen ist deswegen Anklage gegen Unbekannt erhoben worden. Sie wissen, daß Vilshofen erst 1954 durch das damalige große Hochwasser arg betroffen wurde. Dieselben Häuser bekamen nun durch den Eisstoß wieder das Hochwasser. Die Häuser stehen seit fast vier Wochen im Eis. Sie, meine Damen und Herren, dürfen wohl gewiß sein, daß hier Hilfe not tut. Der Notstand ist nicht auf das Verschulden der bayerischen Staatsregierung zurückzuführen. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, daß das Wasserrecht Bundesrecht ist und daß die Wasserregulierung an der Donau Aufgabe des Bundeswasserstraßenamtes ist.
Es wird hier von der Schuldfrage gesprochen. Das hilft aber den Betroffenen zunächst nicht. Es ist vielmehr unsere Verpflichtung, hier einzugreifen. Es steht fest, daß durch den Bau von Großstauwerken der natürliche Ablauf der Großwässer behindert worden ist. Heuer ist es zum ersten Mal — zum ersten Mal! — vorgekommen, daß der Inn kilometerweit von Passau aufwärts zugefroren ist und daß die Donau auf einer Strecke von 200 km ein Eismeer bildet. In Passau, am Auslauf dieser Gewässer, stehen heute schon Kommandos des Bundesgrenzschutzes, Sprengkommandos und amerikanische Pioniereinheiten. Sie haben sich die Sache schon angesehen. Es ist nämlich eine große Naturkatastrophe zu erwarten, wenn das Tauwetter zuerst am Oberlauf dieser Flüsse eintritt.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, folgendes zu bedenken. Die Wasserwerke, die gebaut werden, werfen doch immerhin etwas ab. Den Nachteil, den diese Bauten mit sich bringen, sollte man aber nicht auf die Zivilbevölkerung abwälzen. Dieser Nachteil sollte von denen getragen werden, die von diesen Bauten einen Profit haben oder einen Gewinn daraus ziehen.
Ich habe seinerzeit bei der Abfassung des Antrags auf Gewährung einer Hilfe von 300 000 DM erklärt, daß dieser Betrag nicht ausreicht. Ich möchte darauf hinweisen, daß 120 bis 150 Häuser unter Wasser stehen und der Schaden erst dann abgesehen werden kann, wenn das Eis aufgetaut ist. Wer die Wirkung des Eises kennt, wird wissen, daß durch das tauende Eis große Sprengungen an den Häusern zu erwarten sind.
Wir bitten also, der Bewilligung dieser 300 000 DM, als erste Rate oder als schnelle Hilfe, zuzustimmen. Ich bitte weiter, noch folgendes zu überlegen. Wenn man schon einen militärischen Verteidigungsbeitrag schafft, dann sollte man auch einen Verteidigungsbeitrag gegen Naturkatastrophen schaffen. Ich bitte also, die 300 000 DM als erste Rate zu gewähren und dann, wenn die Gesamtschäden abzusehen sind, sich noch einmal mit diesen Dingen zu beschäftigen. Die Bevölkerung wartet auf Hilfe. Der Deutsche Bundestag wird sich ein Verdienst erwerben, wenn er schnell hilft; denn wer schnell hilft, hilft doppelt.