Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Thema sind ziemlich breite Ausführungen gemacht worden. Eines ist sicher: den jungen Menschen, die vom Osten herüberkommen, muß geholfen werden. Wir haben aus den Ausführungen, die hier gemacht wurden, ja auch gehört, daß geholfen wird und daß die Entwicklung dieser Hilfe in vollem Gange ist.
Zu den allgemeinen Dingen, die gesagt wurden, ist einiges zu ergänzen. Man hat darauf hingewiesen, daß die Zahl der Kinder aus Arbeiterfamilien, die bei uns an den Universitäten studieren, gering sei, und man glaubt, daß das ein sozial nicht günstiges Verhältnis darstelle. Man hat hier von den Arbeiter- und Bauernfakultäten in der sowjetisch besetzten Zone gesprochen. Wenn es ein unsoziales Verhalten gibt, dann ist das bei jenem sogenannten Staat da drüben der Fall. Denn wenn er nur Kinder von Arbeitern und Bauern zum Studium zuläßt und alle anderen ausschließt, dann ist das etwas höchst Unsoziales.
— Ich komme darauf noch zurück, Herr Blachstein.
Wir haben in Berlin bei dem Besuch der dortigen Heime gesehen, daß junge Menschen, wenn sie nach der sozialen Auffassung der sogenannten DDR nicht zu einem bestimmten sozialen Sektor gehören, einfach daran gehindert werden, sich weiterzubilden, und dann zu uns herüberkommen. Wir haben aber auch sehen können, daß die Bundesrepublik tatsächlich außerordentlich darum bemüht ist, diesen jungen Menschen das, was sie dort verloren haben, hier bei uns in entsprechender Weise zu ersetzen, ja ihre Lage hier so gut wie möglich zu gestalten. Ich glaube deshalb, daß wir in der Bundesrepublik, insgesamt gesehen, demokratischer und vor allen Dingen sozial besser denken und besser eingerichtet sind als die Leute, die darum ein großes Gerede bei sich selbst machen.
Nun, Herr Blachstein, mit den Statistiken und Zahlen ist es so eine eigene Sache. Das wurde hier schon öfter erwähnt. Damit kann man alles beweisen, das Positive und das Negative. Wenn Sie mich fragen, ob ich der Ansicht sei, daß 5 % der Arbeiterkinder an der Universität ausreichend seien, so muß ich antworten, daß die Frage an sich schon nicht richtig gestellt ist. Denn soweit ich die Dinge kenne, besteht bei uns heute die Möglichkeit, zur Universität zu kommen, für den Begabten in der Regel tatsächlich auf jeden Fall. Und wenn ich aus meiner eigenen Kenntnis der Dinge sprechen darf, so möchte ich sagen, daß doch auch einmal die Frage zu stellen wäre: Wer ist Arbeiter? Ich glaube, wir müssen wohl — Frau Kollegin Brökelschen hat das schon angekündigt — von dem vor 50, 60, 70, 80 Jahren üblichen Standpunkt herunterkommen, daß der Arbeiter schlechthin nur der Hand- oder der Fabrikarbeiter sei. Auch andere Menschen arbeiten, auch andere Menschen sind tätig und sind in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen — da hat Frau Brökelschen vollkommen recht — manchmal schlechter gestellt als der Arbeiter, den Sie vielleicht speziell im Sinne haben.
Eine Sache scheint mir doch außerordentlich wichtig zu sein. Der Kollege Wienand hat darauf hingewiesen, wenn ich ihn recht verstanden habe, daß in der sowjetisch besetzten Zone von den dortigen Stellen 2 1/2 Milliarden Mark für Jugendförderung 'eingesetzt seien, und er hat damit sagen wollen: wie wenig tun wir! Ich möchte sagen: trotz dieser 21/2 Milliarden laufen die jungen Menschen dort weg. Der Staat bezahlt mit Grnd, aber die Jugend bezahlt dort mit ihrer Freiheit.
An dieser Stelle tut sich der Abgrund auf. Hier zeigt sich der Hintergrund: je mehr der Staat mit Geld an die jungen Menschen herankommt, desto mehr verlieren sie ihre Freiheit. Aber wir wollen, daß der junge Mensch nicht zu einem vom Staat gegängelten Objekt wird, sondern daß er ein Mensch bleibt, der sich immer bewußt ist, daß er selbst sein Möglichstes beitragen soll, um sich zu bilden, um frei zu bleiben und nicht das Opfer staatlicher Millionen und Milliarden zu werden.