Rede von
Karl
Wienand
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Frau Abgeordnete Brökelschen einen so flammenden Appell an den Haushaltsausschuß des Bundestags gerichtet hat, möchte ich sagen: Ihre Worte ebenfalls in das Ohr des Herrn Bundesfinanzministers! Ich glaube, wenn er es so aufnehmen wird, wie es hier gesagt worden ist, wird sehr vieles leichter sein als bisher.
Ich möchte mich nunmehr nur noch einer Bemerkung der Frau Kollegin Brökelschen zuwenden, wobei ich allerdings vorausschickend sagen möchte, daß ich ihre Grundhaltung dankbar anerkenne und daß sie in uns gewiß sehr gute Bundesgenossen bei der Lösung der Probleme finden wird, die sie hier angesprochen hat. Allerdings scheint mir eines doch klargestellt werden zu müssen, Frau Kollegin. Sie sagten, auch Sie hätten zu denjenigen gehört, die hart arbeiten mußten, um ihr Studium selber zu finanzieren oder das Studium durchzustehen. Ich darf es auch von mir sagen. Ich glaube aber nicht — ich möchte es Ihnen wenigstens nicht unterstellen —, daß Sie damit eine sozialphilosophische Grundhaltung zum Ausdruck bringen wollen, die in etwa besagt, man müsse die Menschen hart arbeiten lassen; das sei wichtiger, als ihnen irgendwie sozialpolitisch zu
helfen, da das dann letzten Endes noch gegen die Interessen dieser Menschen gerichtet sei.
— Nun, bitte, ich habe gesagt, ich möchte es nicht unterstellen; aber Sie sehen, daß es durchaus so verstanden worden ist, und Sie sollten mir für die klarstellenden Worte dankbar sein.
Nun zu dem, was der Herr Staatssekretär Bleek in Beantwortung der zwei Großen Anfragen gesagt hat. Ich möchte auch dem Herrn Staatssekretär Bleek oder der Regierung für das danken, was bisher getan worden ist, und für das, was hier auch in unserem Sinne positiv beantwortet worden ist. Aber es schien mir doch so, daß man gravierende Fragen, die gestellt worden sind, nicht so mit der letztgültigen Klarheit beantwortet hat, wie es zu wünschen gewesen wäre, um der kommenden Entwicklung etwas beruhigter entgegensehen zu können. Es stimmt zwar, daß in dem interfraktionellen Antrag, der von diesem Hause einstimmig angenommen worden ist, die Förderung für drei Semester und darüber hinaus in Härtefällen der Garantiefonds gefordert werden; die Regierung wird ersucht, ihn zu schaffen. Aber wir sollten dabei auch sagen, daß das die unterste Grenze dessen ist, was erreicht werden soll. Denn es gibt gerade unter den Flüchtlingsstudenten sehr viele, denen durch die dreisemestrige Förderung und durch den Garantie- und Härtefonds angesichts der zu erwartenden gewiß sehr engen Vorschriften letztlich auch nicht gedient sein wird.
Weiter wurde gesagt — diese Zahlen decken sich mit den von uns ermittelten —, daß immerhin rund 40 % der Studenten auf die Begabtenförderung und auf die allgemeine Studentenförderung angewiesen sind.
Hierbei sollten wir uns doch einmal vor Augen führen, daß für diese rund 40 %, von denen hier die Rede ist, nur eine ganz geringe Summe Geld zur Verfügung steht, die auf sie verteilt werden kann. Diese gewiß geringe Summe reicht bei weitem nicht aus, um den Studenten finanziell die Sicherung eines ordnungsmäßigen Studiums zu geben, selbst wenn ich die Härte der Arbeit mit berücksichtige, die von der Frau Kollegin Brökelschen hier angesprochen worden ist.
Im Jahre 1953 hat man ermittelt, daß der „Monatswechsel" — wenn ich es einmal in der Sprache der Studenten sagen darf — mindestens 182 DM betragen müßte, um die Bedürfnisse der Studenten zu befriedigen. Von allen Studierenden haben aber nur 12,4 % mehr als 150 DM zur Verfügung. Das heißt, daß rund 88 % der Studenten unter 150 DM haben und demnach für diesen überwiegenden Teil der Studenten das Studium nicht gesichert ist.
In dem Zusammenhang habe ich es als sehr dankenswert empfunden, daß hier das Förderungsverfahren angesprochen wurde und die Rede von der Begabtenförderung war. Man hat im Anschluß an die Beschlüsse und die Diskussionen der Kultusministerkonferenz in Honnef sehr gute Modelle, um diese Erörterung weiterzuführen. Vor allen Dingen muß man sich der Frage des Förderungsverfahrens zuwenden, denn hier scheint mir noch sehr viel reformbedürftig zu sein. Ich glaube nicht, daß hier im Hause eine Kollegin oder ein Kollege ist, der sagen kann, daß bei dem jetzt vorwiegend gewährten Förderungsbetrag von 40 DM pro Monat
von einer ausreichenden Förderung die Rede sein kann. Damit kann man auf die Dauer gesehen einfach nicht argumentieren.
Dann wurde vorhin in diesem Zusammenhang von einer besseren Auslese gesprochen. Gewiß, auch wir sind für eine Auslese, für die die Begabung entscheidend sein muß. Aber man kann sich einfach nicht des Eindrucks erwehren, daß heute Geld eher einen Auslesefaktor an den Universitäten darstellt denn die wirkliche Begabung des einzelnen.
Hier muß etwas Entscheidendes getan werden. — Herr Kollege Seffrin, ich werde nachher sehr dankbar Ihre Argumente dagegen entgegennehmen. Aber ich habe nun einmal auf Grund des vorhin Dargelegten und angesichts der Dinge, die mir von den Universitäten bekannt sind, den Eindruck. Ich darf einmal das aufgreifen, was der Kollege Mommer vorhin sagte, als er von den ABFlern, also von den Studenten der Arbeiter- und Bauernfakultäten der DDR sprach, die zur Zeit noch nicht berücksichtigt werden. Er sagte, daß rund 5 % der deutschen Studenten aus Arbeiterkreisen — wenn ich es soziologisch einmal so ausdrücken darf — kommen. Darf ich das einmal weiterführen: Wir sollten uns dann auch einmal Gedanken darüber machen, wenn wir hier zur Kenntnis nehmen, daß nur rund 5 % aus Arbeiterkreisen kommen, aber auf der anderen Seite Untersuchungsergebnisse z. B. des Instituts für Begabtenforschung in Hannover vorhanden sind, die einwandfrei unter Beweis stellen, daß der Prozentsatz der Jugendlichen aus Arbeiterkreisen, die die Begabung und das
Rüstzeug zu einem akademischen Studium mitbringen, ungleich höher ist als der Prozentsatz derjenigen, die heute auf Grund des Geldauslesefaktors an den deutschen Universitäten studieren. Ich habe hier die Befürchtung, daß das auf die Dauer gesehen eine volkswirtschaftliche Fehlinvestition ist. Denn wenn wir für den Studenten sehr große Summen pro Semester oder pro Jahr auswerfen, so muß es doch — ich komme durch Ihren Zwischenruf, Herr Kollege Seffrin, auf diese Bemerkung — für uns eine Selbstverständlichkeit sein, dann auch Überlegungen anzustellen, daß neben den teilweise geringen Studiengebühren