Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich nicht mit der Gewißheit begnügen, daß uns mit dem Antrag gar nichts passieren kann, da es auch im deutschen Parlamentarismus sozusagen einen Minderheitenschutz gibt. Ein Viertel der Mitglieder des Hauses kann einen Untersuchungsausschuß einsetzen; man braucht das also nicht weiter zu begründen. Aber einige Bemerkungen von Herrn Horlacher veranlassen mich dazu, Ihre Aufmerksamkeit noch einen Augenblick in Anspruch zu nehmen.
Zunächst, noch einmal ganz dick unterstrichen: ich bin — und alle meine Freunde mit — mit Herrn Horlacher in der Überzeugung einig, daß die Marktordnung nicht angetastet werden soll. Wir bedauern es aber außerordentlich, daß in gewissen Kreisen, in denen ich Gott sei Dank keine besonders intimen Freunde habe — Freunde schon, aber, Herr Kollege Horlacher, nicht so intime Freunde —, jede Beschäftigung mit der Marktordnung immer wieder als ein Angriff auf die Marktordnung gedeutet wird. Das hat damit nämlich gar nichts zu tun. Ich sage noch einmal: diejenigen, die die Marktordnung in Gang halten wollen, sind in erster Linie verpflichtet, darauf zu achten, daß die Dinge dort in Ordnung sind und daß es dort gut zugeht. Daß sich aus der Konstruktion der Stellen eine Reihe von Interessenkonflikten oder, sagen wir von mir aus bloß: möglichen Interessenkonflikten ergibt, die weit über das Maß dessen hinausgehen, was durch menschliche Unzulänglichkeit ein für allemal und überall gegeben ist, das, Herr Horlacher, kann niemand bestreiten.
Im übrigen ist es keine Schande, wenn man den Versuch macht, aus der Erfahrung zu lernen. Selbst wenn wir einmal dazu kämen, aus der Erfahrung Konsequenzen zu ziehen, wäre das alles andere als etwa eine Abkehr vom Bekenntnis zur Marktordnung.
Zu einer weiteren Bemerkung von Ihnen, Herr Horlacher. Ich halte es nicht für gut, wenn sich hier jemand hinstellt und sagt: Was aus parlamentarischen Untersuchungsausschüssen so herauskommt, na, das weiß man j a, das ist nicht viel. Ich glaube, es wäre im Interesse der Demokratie und im Interesse der Festigung des demokratischen Bewußtseins in unserer Öffentlichkeit viel besser, wenn wir uns alle in dem festen Entschluß zusammentäten, diese letzte Instanz — einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß — über jeden Zweifel erhaben sein zu lassen.
Wir haben in einem Untersuchungsausschuß, der hier auf Veranlassung unseres früheren Kollegen Dr. Baumgartner eingesetzt worden ist und der sich mit den Einfuhr- und Vorratsstellen befassen mußte, eine Reihe von peinlichen Erfahrungen machen müssen. Die peinlichste Erfahrung war meiner Ansicht nach, zu sehen, wie Staatsbürger, die sich jedem einzelnen von uns gegenüber ernstlich beschwert haben und ihre Beschwerden teilweise auch recht gut mit Tatsachen unterstützen konnten, nachher angesichts der Bürokratie, mit der sie sich bei der Durchführung ihrer Geschäfte ständig auseinandersetzen müssen, nicht mehr die Zivilcourage aufgebracht haben. Ich bedauere sehr, daß das Parlament nicht in der Lage war, diesen Mangel zu ersetzen oder zu verhindern. Daß wir aber daran interessiert sind, die Einrichtung der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zu entwickeln und sie so wirksam wie nur irgend möglich zu machen, das, glaube ich, sollte insbesondere in einem Augenblick nicht bezweifelt werden, in dem es draußen in der Welt nach manchen Zeitungen so aussieht, als sei die Beziehung der Deutschen zur Demokratie nur ganz dünn. Im Parlament ist wohl am allerwenigsten Platz und Möglichkeit, diese Aufgabe des Parlaments zu relativieren. Ich wiederhole die Aufforderung meines Freundes Schoettle an Sie: Helfen auch Sie, Herr Horlacher, der Sie Mitglied des Verwaltungsrates einer Einfuhr- und Vorratsstelle und ein Mann sind, der in Geschäften bewandert ist und hier vielleicht sehr viel mehr Sachverstand
besitzt und auch Interna kennt als irgendein anderer von uns, in diesem Falle bitte mit, daß hier absolute Klarheit geschaffen wird. Es ist nämlich noch keine Klarheit.
Was nützt ei uns denn schon, daß es einen Untersuchungsbericht gibt, wenn er nicht veröffentlicht wird! Gerade auf diesen Tatbestand gründet sich unser Antrag auf Einsetzung dieses Ausschusses, daß ein Antrag einer Fraktion dieses Hauses — nicht einmal der Opposition — auf Veröffentlichung dieses Untersuchungsberichts mit der Begründung abgelehnt worden ist: das ist eine Angelegenheit, die machen die Beteiligten unter sich ab, die haben das ja vertraulich erklärt; deswegen kann das Parlament in diese Angelegenheit nicht einsteigen. Wir haben aus den Zeitungen erfahren können, wie lange es gedauert hat, bis der Untersuchungsbericht dem Ernährungsminister zur Kenntnis gekommen ist. Ich meine, schon das allein sollte uns Veranlassung geben, hier einmal, ich möchte fast sagen, ein Exempel zu statuieren und zu sagen: So kann man mit dem Parlament nicht umgehen, so bescheiden sind die nicht, und so leicht sind sie nicht zu beruhigen. Deshalb soll hier so vorgegangen werden, wie wir vorschlagen.