Immerhin, meine Damen und Herren, geschah dieses alles damals noch in der Form, daß sich die Landespolizisten freiwillig melden konnten. Bei diesem Gesetz hier wird nach § 2 geradezu umgekehrt verfahren. Nur derjenige, der aus freiem Entschluß nicht will, kann verhindern, daß er Soldat wird. In dieser Bestimmung liegt, was diese Seite der Materie anlangt, das eigentliche Unsittliche des Gesetzes. Wenn es schon nicht zu verhindern sein wird, daß der Verteidigungsminister auf die Bundesgrenzschutzangehörigen zurückgreift, so sollten doch die Grenzjäger wie alle anderen Bewerber, wie auch z. B. die der Bereitschaftspolizeien, unter gleichen Bedingungen und unter gleichen Voraussetzungen auf Grund der freiwilligen Bewerbung übernommen werden. Wenn aber die Grenzjäger laut Verfügung des Herrn Bundesinnenministers — allerdings weiß ich im Augenblick nicht, ob diese Verfügung noch besteht, Herr Minister — die Frage der eventuellen Überführung in ihren Bereichen noch nicht einmal diskutieren dürfen oder sich nicht bewerben durften, Herr Minister,
dann ist das jedenfalls auch ein Druckmittel und gibt den Grenzjägern für eine freie, unbeeinflußte Entscheidung vorher noch nicht einmal den notwendigen Raum. Deshalb habe ich das Verhältnis der damaligen Landespolizei hier einmal aufgezeigt.
Was am Ende aus solchen Dingen, aus einer solchen Entwicklung geschehen kann, haben wir doch in der Vergangenheit in übelster Art erlebt. Der Herr Bundesinnenminister gab das selbst zu, als er in der 37. Sitzung des Bundestages am 8. Juli 1954, in der das Hohe Haus den Antrag meiner Fraktion über die Anrechnung der Zeit der Zugehörigkeit zur Legion Condor behandelte, wörtlich ausführte:
Es ist tatsächlich unzutreffend, daß diese Soldaten freiwillig zur Legion Condor gingen. Die „Freiwilligkeit" war nur eine Tarnung, um den Schein aufrechtzuerhalten, daß sich Deutschland nicht am Kriege beteilige.
Sicher, meine Damen und Herren, ist dieses Beispiel
eines der bekanntesten und extremsten. Aber ich
bin der Meinung, daß für alle Fälle jetzt und in
der Zukunft gelten sollte: Wehret den Anfängen!
An anderer Stelle des Gesetzes und seiner Begründung wird gesagt. daß eine organisierte Über-
führung des Bundesgrenzschutzes reibungsloser und von dem Nutzeffekt, hier also der möglichst schnellen Errichtung von Streitkräften, aus gesehen erfolgversprechend ist. Das ist zwar richtig. Doch darf dieser Umstand keineswegs dazu führen, daß mit Druckmitteln gearbeitet wird. Bedenke man doch einmal, daß die Offizierskader des Bundesgrenzschutzes in Kürze sowieso zerrissen würden. Denn sicherlich werden die früheren Infanteristen zur Infanterie, die früheren Panzeroffiziere zu den Panzern und die früheren Fliegeroffiziere zur Luftwaffe drängen, so daß der vielgepriesene Kaderwert ohnehin eine sehr fragwürdige Angelegenheit ist. Außerdem glaube ich, daß es nicht gut ist, eine Armee aus zwei verschiedenen Truppenkörpern, nämlich den jetzt von den Streitkräften eingestellten Freiwilligen auf der einen Seite und dem Bundesgrenzschutz auf der anderen Seite, zu bilden. Für das zukünftige innere Gefüge der Streitkräfte scheint mir eine weitgehende Vermischung dieser Truppen jedenfalls vorteilhafter zu sein.
Eine weitere Bestimmung des Gesetzes, die leider auch zu Mißtrauen Anlaß gibt, ist § 2 Abs. 3. Danach hat der Personalgutachterausschuß für die Streitkräfte lediglich das Recht, innerhalb eines Monats Widerspruch gegen die Übernahme von Generalen und Obersten des Bundesgrenzschutzes einzulegen. Hierdurch wird auch der Personalgutachterausschuß unter Zeitdruck gesetzt und ihm praktisch das Gesetz des Handelns vorgeschrieben. Daher müssen wir hier eine gleiche Behandlung ohne Zeitdruck fordern. Es ist nicht zu verstehen, wenn auf der einen Seite z. B. die langjährigen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums sich einer vollen Überprüfung durch den Personalgutachterausschuß ohne eine diesbezügliche zeitliche Einengung haben aussetzen müssen, während dieses Gesetz die Arbeit des Personalgutachterausschusses bezüglich der Überprüfung der Grenzschutzoffiziere im Obersten- und Generalsrang wegen des damit verbundenen Zeitdrucks in eine oberflächliche Verfahrensweise umgestalten dürfte.
— Es spielt gar keine Rolle, wieviel das sind. Es ist bekannt, daß Bestrebungen im Bundesgrenzschutz selbst vorhanden sind, sich dieser Überprüfung durch den Personalgutachterausschuß überhaupt zu entziehen. Hierbei müssen wir klar betonen, daß es unsere feste Absicht ist, keine Ausnahme zuzulassen. Grenzschutzoffiziere sind Offiziere in einer Polizeitruppe gewesen. Aber nach den im Verteidigungsministerium vorliegenden Planungen werden die Streitkräfte ja doch auf der Basis der Wehrpflicht kommen. Gerade die Wehrpflicht aber ist es, die eine Fülle der verschiedensten Probleme aufwirft, die bei der Polizei schon auf Grund der völlig anderen Zusammensetzung der Truppe eben nicht in dem Maße auftauchen.
— Das weiß ich, Herr Minister.
Aus diesem Grunde ist auch die Tätigkeit eines Offiziers in einem Wehrpflichtheer von der Sache her etwas anderes als die Tätigkeit in der Polizei, und allein schon aus diesem Grunde muß eine Überprüfung der persönlichen Eignung für das
Wehrpflichtheer auch für diesen Personenkreis gefordert werden.
Meine Damen und Herren! Kommt es aber nun gegen unseren Willen zur Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte, so können wir nicht einsehen, warum der Bund einen neuen Bundesgrenzschutz aufbauen will. Ich möchte einmal scherzhaft hier einflechten: wenn es allerdings nach der Auffassung des Herrn Majors von Stülpnagel vor sich gehen sollte, müßte die Auffüllung der verbleibenden Reste sowieso aus Kontingenten der italienischen Fremdarbeiter vorgenommen werden. Aber immerhin lassen doch auch diese Äußerungen, die dort gefallen sind, die bisherigen bekannten Einstellungssorgen des Bundesgrenzschutzes in dieser Beziehung im Hinblick auf kommende Schwierigkeiten erkennen und erwarten. Wenn ein neuer Bundesgrenzschutz nämlich die Gesamtheit der bisher vom Grenzschutz übernommenen Aufgaben durchführen soll, so ist doch wahrscheinlich zu erwarten, daß die Bundesregierung ihn in der alten Form wieder aufleben lassen will. Wenn das so ist, dann ist doch seine Überführung in die Streitkräfte erst recht sinnlos.
Man sollte nach unserer Auffassung so verfahren, daß, wenn der Bundesgrenzschutz von den Streitkräften aufgesogen wird, er überhaupt aufgelöst wird und damit sein Leben aushaucht. Die Grenzsicherungsaufgaben sollte man auf die Länderbereitschaftspolizeien übertragen, denen damit eine echte Aufgabe neben den von ihnen bisher wahrgenommenen gegeben würde. Damit möchte ich aber nicht sagen, daß die Meinung bestehe, daß ihre bisherige Existenzberechtigung anzuzweifeln sei. Bei den kommenden Beratungen ist sicher darüber zu sprechen, daß dem Herrn Bundesinnenminister ein stärkeres Weisungsrecht in bezug auf die Grenzsicherungsaufgaben gegeben werden müßte.
Eine solche Lösung läge außerdem auch einer so oft und vielerorts besprochenen Verwaltungsreform und -vereinfachung sehr nahe. Ich könnte mir denken, daß die Länder einer aufgeschlüsselten Bezuschussung mit den dann frei werdenden über 200 Millionen DM durch den Bund mit Dank entgegensehen würden.