Rede von
Fritz
Eschmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem es vorhin leider nicht zu verhindern war, den Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz, Drucksache 2045, auf die heutige Tagesordnung zu setzen, muß sich also wohl oder übel das Hohe Haus heute in erster Lesung mit dieser Angelegenheit beschäftigen. Der vorgelegte Entwurf läßt schon jetzt klar erkennen, daß in den dafür in Frage kommenden Ausschüssen und in der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs im Plenum zu den einzelnen Paragraphen und zu deren Begründung sowie auch zur Stellungnahme des Bundesrates zu diesem Gesetz noch sehr eingehende Beratungen notwendig werden. Der bisherigen Gepflogenheit in diesem Hause folgend, möchte ich namens meiner Fraktion einige allgemeine Ausführungen zur Sache und schwerpunktmäßig zu einigen Paragraphen des Gesetzes machen.
Seit dem Beschluß des Verteidigungsrates von Anfang November vorigen Jahres, den Bundesgrenzschutz in die Streitkräfte zu überführen, ist im besonderen in der Presse, aber auch bei allen anderen interessierten und beteiligten Kreisen die Diskussion hierüber sehr stark in den Vordergrund getreten. Mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs ist eindeutig und endgültig erkennbar, daß die Regierung entschlossen ist, die Überführung vorzunehmen.
Die ganze Wehrgesetzgebung hat bisher unter einer nicht gerade schönen Hast gelitten; gerade in den letzten Tagen war im Verteidigungsausschuß bei den Beratungen des Soldatengesetzes ein Zeitdruck sehr unliebsam zu verspüren, der eigentlich gar nicht zu sein brauchte. Ich verweise auf die Begründung zu diesem Gesetz; es heißt darin unter I in Abs. 2 wörtlich:
Der Entwurf hat den Zweck, die Überführung des Bundesgrenzschutzes so vorzunehmen, daß ein Höchstmaß an Wirkung für den möglichst schnellen Aufbau der Streitkräfte erreicht wird.
Also auch hier wieder einmal die unverständliche nervöse Hast und Eile.
Der Grenzschutz wurde seinerzeit mit Zustimmung der Sozialdemokraten aufgestellt. Es bestand der feste Wille, aus dem Bundesgrenzschutz eine Grenzpolizei mit klaren, eng begrenzten Aufgaben zu machen.
Mehrfach ist in der Vergangenheit versichert worden, daß es sich bei dem Grenzschutz keinesfalls um vorausgeplantes Militär handele.
Hier ist man wirklich geneigt zu sagen: Vor Tisch las und hörte man es anders. So erklärte z. B. noch im Frühjahr des vorigen Jahres der Herr Bundesverteidigungsminister bei den Beratungen im Verteidigungsausschuß, eine Übernahme des Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte komme überhaupt nicht in Frage. Jetzt ist es auf einmal gerade der Grenzschutz, der in besonderem Maße geeignet ist, Kader für die Streitkräfte abzugeben. Das wird, wie ich eben schon erwähnte, damit begründet, daß man dadurch ein Höchstmaß an Wirkung für den schnellen Aufbau der Streitkräfte erreiche.
Meine Fraktion ist der Meinung, daß eine Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte nicht möglich ist. Es ist zwar richtig, daß eine größere Anzahl höherer Offiziere darauf spekulierte, auf dem Wege über den Eintritt in den Bundesgrenzschutz später einmal Offizier einer künftigen Streitmacht zu werden. Eingetreten sind aber doch nicht nur die Offiziere, sondern auch die große Masse der Grenzjäger, und bei diesen ist es keineswegs so klar, ob sie jemals beabsichtigten, Soldat zu werden.
— Darauf komme ich gleich noch zu sprechen, Herr Kollege.
Mehrfach ist uns in der Vergangenheit versichert worden, daß gerade die Grenzjäger und die unteren Beamten, die bereits als Beamte auf Lebenszeit übernommen sind, danach strebten, eine Auslauflaufbahn zu bekommen. Gerade für den Grenzjäger würde sich die derzeitige Fassung des Gesetzes als außerordentlich schlecht erweisen. Der § 2 des Gesetzes sieht nämlich vor, daß die Beamten kraft Gesetzes ihren Status wechseln und Soldaten werden.
Würde man sich mit dieser Maßnahme so ohne weiteres zufrieden geben, so wäre dem Lauf der Dinge unter Umständen keine Grenze mehr gesetzt. Irgend jemand könnte irgendwann plötzlich aus den Angehörigen der Bereitschaftspolizeien Soldaten machen oder, wenn es ganz toll käme, vielleicht dazu übergehen, sogar die Feuerwehren zu militarisieren.
— Das ist alles schon einmal dagewesen. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß in § 2 Abs. 3 vorgesehen ist, daß das Dienstverhältnis eines Soldaten für denjenigen nicht begründet wird, der binnen eines Monats nach Inkrafttreten des Gesetzes die Überführung ablehnt.
Was aber bedeutet das in Wirklichkeit? Die Masse der Beamten des Grenzschutzes sind Beamte auf Widerruf. Will nun etwa die Bundesregierung diejenigen Beamten auf Widerruf, die nicht Soldat werden wollen, einfach entlassen, vielleicht unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes? Dort heißt es nämlich, daß der Polizeivollzugsbeamte 'auf Widerruf bei Auflösung, Verschmelzung oder wesentlicher Änderung des Aufbaus der Beschäftigungsbehörde entlassen werden kann.
Meine und Herren, in dieser Situation —darüber gibt es für mich keinen Zweifel — liegt ein Druckmittel,
liegt etwas, was wie ein Damoklesschwert über jedem kleinen Grenzschutzbeamten hängt, jedenfalls so lange hängt, als über die Zukunft des Bundesgrenzschutzes nichts beschlossen ist.
In der Praxis sieht das für den Grenzjäger z. B. so aus: meldet er sich nicht zu den Soldaten, so muß er damit rechnen, daß er entweder entlassen oder vielleicht in eine neue Bundes- oder in eine Ländergrenzschutzbehörde übergeführt wird, von deren Aufgaben und Tätigkeit er sich im Augenblick keine Vorstellungen machen kann. Er kann infolgedessen auch nicht überblicken, wie dort seine Aufstiegschancen überhaupt sind.
Es kommt noch etwas anderes hinzu, und damit möchte ich gleich Ihren Zwischenruf, verehrter Herr Kollege, beantworten. Ich möchte ein Beispiel aus der Vergangenheit anführen, das eine ähnliche Situation aufzeigt, wie wir sie heute vor uns haben, wenn sie auch nicht ganz damit zu vergleichen ist. Aus meinem eigenen Erleben weiß ich, daß bei der Überführung der Landespolizei in die damalige Wehrmacht im Jahre 1936 die Landespolizisten ebenfalls erheblichem moralischem Druck ausgesetzt waren, damit sie sich zur Wehrmacht meldeten. Das sah damals doch so aus, — —
— Ich zitiere ja auch nur ein Beispiel, was annähernd vergleichbar ist.
Ich möchte Entwicklungen vorbeugen. Deshalb mache ich diese Ausführungen.
Das sah damals so aus, meine Damen und Herren, daß man dem Landespolizeibeamten erklärte: Sie können zwar Polizist bleiben, aber dann müssen Sie eine Versetzung nach Hamburg, Bremen oder anderswohin in Kauf nehmen; sonst geht es ab zur Wehrmacht.
Viele junge Beamte waren damals gerade dabei, einen eigenen Hausstand zu gründen, oder hatten ihn gerade gegründet. Bei den damals angewandten Methoden mußten sie ihre Entscheidung zum Teil innerhalb weniger Stunden treffen. Bei meinem eigenen Fall war die Entscheidung sogar innerhalb einer Stunde zwischen zwei Befehlsausgaben in der Hundertschaft zu fällen.
Immerhin war dies damals alles noch — —