Die Frage ist beantwortet. Damit ist die Fragestunde erledigt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Große Anfrage der Abgeordneten Müller-Hermann, Rümmele, Stücklen, Cillien und Fraktion der CDU/CSU betreffend Sicherheit im Straßenverkehr .
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Müller-Hermann , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen vor einer erschreckenden Bilanz. In den letzten fünf Jahren sind in der Bundesrepublik 50 000 Menschen dem Unfalltod zum Opfer gefallen. Wir haben 1 400 000 Menschen in der Bundesrepublik, die durch Unfälle im Straßenverkehr verletzt worden sind.
Diese Unfallzahlen steigen Jahr für Jahr an. Wenn wir berücksichtigen, daß wir pro Jahr einen Zuwachs von etwa 500 000 Kraftfahrzeugen haben, können wir uns ausrechnen, wie die Unfallziffern weiter anwachsen werden, wenn wir nicht von allen Seiten Energisches tun, um zu einer erhöhten Verkehrssicherheit auf den Straßen zu kommen. Im Jahre 1955 hatten wir 12 000 Unfalltote und 350 000 Verletzte.
Zwei Zahlen sind von besonderer Bedeutung. Nach der neuesten Statistik aus dem zweiten Vierteljahr 1955 sind 55 % der Unfalltoten und 87% aller Verletzten Personen, die sich auf zweirädrigen Fahrzeugen bewegt haben. Die zweite Zahl von bemerkenswerter Bedeutung ist, daß sich 85 % aller Verkehrsunfälle innerhalb geschlossener Ortschaften abspielen. Daraus ergibt sich bereits eine Andeutung, wo die Schwerpunkte in der Unfallbekämpfung liegen müssen.
Wir dürfen als Bundestag vor der schwierigen Aufgabe, vor der wir stehen, nicht kapitulieren und resignieren. Wir haben wohl Anlaß, gerade von dieser Stelle aus einen Appell an das Gewissen und die Verantwortung aller beteiligten Stellen zu richten, aber auch einen Appell an das Gewissen und die Verantwortung aller Staatsbürger. Denn alle Staatsbürger sind Teilnehmer am Straßenverkehr.
Wenn man auf die Unfallursachen blickt, so ist festzustellen, daß nach der vorliegenden Statistik aus dem Jahre 1954 — und die Statistiken stimmen in etwa Jahr für Jahr überein — 59 °/o aller Unfallursachen beim Führer von Kraftfahrzeugen liegen. Die Ursachen beim Fußgänger betragen etwa 7,7 % die Ursachen beim Radfahrer 10,8 %. Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß jeweils bei einem Unfall mehrere Unfallursachen zusammentreffen können und sich das Schwergewicht der Unfallursachen in dieser Statistik nicht ausdrückt. Immerhin bleibt die Feststellung übrig, daß 89,6 %
der Unfallursachen in menschlichem Versagen bestehen. Mir scheint, wir können auch als Bundestag über das, was sich aus dieser Tatsache an Folgerungen ergibt, nicht mit einem Achselzucken zur Tagesordnung übergehen. Alle Verkehrssicherheitsmaßnahmen werden darauf abgestellt sein müssen, Unfallverhütung zu betreiben.
Was ist von seiten des Bundes bisher auf diesem Gebiete geschehen? Thema Straßenbau: ich will es nur andeuten; wir haben uns hier bereits verschiedentlich über diesen Fragenkomplex unterhalten. Mir scheint es wichtig, festzustellen, daß wir erhebliche Fortschritte auf diesem Gebiet gemacht haben. Im kommenden Haushaltsjahr werden 800 Millionen DM für den Ausbau der Bundesstraßen zur Verfügung stehen, während es noch im Vorjahre nur 310 Millionen DM gewesen sind und im laufenden Haushaltsjahr 520 Millionen DM. Von diesem Hause sind also aus der sehr klaren Erkenntnis, daß ein verbesserter Straßenbau wesentlich zur Verminderung der Unfälle beitragen kann, höhere Beträge für den Straßenbau zur Verfügung gestellt worden. Die Voraussetzung hierfür ist wesentlich geschaffen worden durch das seinerzeit sehr umstrittene Verkehrsfinanzgesetz und durch die Zweckbindung seiner Mittel, die mein sehr verehrter Freund Dr. Dresbach kürzlich noch als eine ,.Abirrung" bezeichnet hatte. Aber ich will dieses Thema nicht vertiefen. Wir wissen, daß von seiten des Bundesverkehrsministeriums ein Zehn-JahresStraßenbauprogramm vorbereitet wird. Wir alle begrüßen diese Initiative und wollen uns nur darum bemühen, daß diese Planung des Verkehrsministeriums nicht eine Fleißarbeit bleibt, sondern auch realisiert werden kann.
Hier dürfte wohl das Hauptproblem liegen. Denn soviel wir bisher gehört haben, besteht bei diesem Zehn-Jahres-Straßenbauprogramm zur Zeit noch allein für die Bundesfernstraßen eine Finanzierungslücke von 6 Milliarden DM. Es wird also noch sehr großer gemeinsamer Anstrengungen bedürfen, um aus dieser Fleißarbeit ein realisierbares Programm zu machen.
In diesem Zusammenhang wird die Frage eine Rolle spielen, ob wir nicht in erweitertem Umfange die vom Kraftverkehr aufgebrachten Mittel auch dem Straßenbau zuführen müssen. Nach einer mir vorliegenden Statistik werden im Jahre 1956 vom Kraftverkehr 1,9 Milliarden DM an Mitteln aufgebracht werden, aber nur, wie gesagt, etwa 800 Millionen DM sind im Bundeshaushalt für den Straßenbau vorgesehen. Ich will das Thema nur andeuten; es wird uns zweifellos im Laufe der nächsten Monate und Jahre erheblich beschäftigen.
Daraus, daß sich 85 % aller Unfälle innerhalb geschlossener Ortschaften ereignen, ergibt sich, daß wir im Zuge der Maßnahmen des Bundes sicherlich einen Schwerpunkt bilden müssen mit dem Ziel, die Ortschaften durch verbesserte Ortsumgehungen oder durch verbesserte Ortsdurchfahrten zu entlasten. Aber wir werden auf die Dauer gesehen auch nicht daran vorbeikommen, den Städten und Gemeinden, die allein durch die Parkraumfrage vor sehr erheblichen finanziellen Aufgaben und Ausgaben stehen, finanziell von seiten des Bundes eine gewisse Hilfestellung durch eine Veränderung oder Verbreiterung der Baulast zu geben.
Auf dem Gebiete des Straßenbaues also tut der Bund schon etwas.
Wir sind zur Zeit gleichfalls sehr intensiv an der Arbeit, um das Straßenverkehrsrecht den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Es handelt sich auch hier um eine Nachholarbeit. Meine Damen und Herren, wir haben leider sehr lange die Dinge schleifen und liegenlassen. Aber zur Beschleunigung hat sich über alle Kompetenzen und Grundgesetzschwierigkeiten hinweg ein gemeinsamer Ausschuß aus Bundesrat und Bundestag gebildet, ein Ausschuß für Verkehrssicherheitsfragen, der tüchtig an der Arbeit ist und in kurzer Zeit zu einem Ergebnis kommen wird, das den Niederschlag in der Gesetzgebung finden wird.
Meine Damen und Herren! Ich habe auf die moralische Verantwortung und Verpflichtung des Staates hingewiesen, für die Verkehrssicherheit etwas zu tun. Das gilt in gleichem Maße für die moralische Verantwortung des einzelnen. Hier stehen wir alle vor einer wichtigen Erziehungsaufgabe. Ist die Tatsache, daß wir heute im Straßenverkehr so wenig an Selbstdisziplin feststellen können, daß wir überall Rücksichtslosigkeit und Disziplinlosigkeit als Unfallursachen feststellen müssen, ist die Hast unserer Tage wirklich ein Charakteristikum unserer Zeit und unseres Landes? Wir können nicht daran vorbeigehen, daß die Unfallhäufigkeit in vergleichbaren Staaten mit vergleichbarer Bevölkerungsdichte und vergleichbarem Kraftfahrzeugbestand erheblich niedriger ist als bei uns. Daraus ergibt sich, daß auf dem Gebiet der Erziehung zur Selbstzucht und zur Selbstdisziplin und zur größeren Rücksicht und Achtung gegenüber dem Nachbarn und dem Nächsten noch sehr viel zu tun übrig bleibt. Wir müssen uns mit aller Entschiedenheit dagegen wenden und dagegen Vorsorge treffen, daß sich auf unseren Straßen ein Rowdytum durchzusetzen vermag oder Verkehrsdelikte grundsätzlich als Kavaliersdelikte angesehen werden. Wir müssen von seiten des Staates in Zusammenarbeit mit Elternhaus und freiwilligen und wirtschaftlichen Organisationen dafür sorgen, daß die Disziplin im Straßenverkehr zum obersten Gebot für alle Verkehrsteilnehmer wird. Wir müssen darüber hinaus sicherstellen, daß der Verkehrsunterricht in den Lehrplan aller Schulgattungen aufgenommen wird und die Lehranstalten mit entsprechendem Lehrmaterial versorgt werden.
Die Große Anfrage, die zu begründen ich die Ehre habe, beschäftigt sich allerdings nicht mit den eben von mir umrissenen Problemen, sondern in erster Linie mit den Fragen der Verkehrsüberwachung und der Rechtsprechung bei Verkehrsdelikten, also mit Themen, die außerhalb der unmittelbaren Einwirkung und Kompetenz des Bundes liegen. Und die Aufgabe dieser Aussprache des
Bundestages soll es sein, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Themen zu lenken und gewisse Verantwortlichkeiten zu klären.
Der erste Teil der Großen Anfrage beschäftigt sich mit den Problemen der Verkehrspolizei und der Verkehrsaufsicht. Die Verkehrspolizei ist nach dem Grundgesetz eine Angelegenheit der Länder. Es besteht, wie mir scheint, selbst in dem Herzen unserer ausgeprägtesten föderalistischen Freunde eine gewisse Einsicht dafür, daß wir an sich eine Bundesverkehrspolizei brauchten. Aber wir werden die Hindernisse, die hier im Grundgesetz bestehen, nicht aus dem Wege zu räumen vermögen und werden uns mit den Tatsachen abfinden müssen. Die Verkehrspolizei liegt in der Obhut und Zuständigkeit der Länder. Eine Schwierigkeit besteht darin, daß die Verkehrspolizei nicht den Länderverkehrsministern, sondern den Länderinnenministern untersteht. Wir haben gerade dieser Tage gehört, daß der Herr Bundesverkehrsminister wieder mit seinen Kollegen in den Ländern eine lange Konferenz geführt hat. Wir haben nur das Bedenken, daß das, was mit gutem Willen dort erarbeitet wird, sich deswegen sehr schwer in die Praxis umsetzen läßt, weil nicht die Länderverkehrsminister die eigentlich Zuständigen für die Fragen der Verkehrsaufsicht sind, sondern die Länderinnenminister.
Eine qualitativ gut ausgerüstete und geschulte Verkehrspolizei ist notwendig, wenn sie auch ihrer erzieherischen Aufgabe gerecht werden will. Die Verkehrspolizei muß sich pädagogisch und psychologisch richtig verhalten, und sie muß in die Lage versetzt werden, an Ort und Stelle schnell und damit wirksam eingreifen und notfalls bestrafen zu können. Voraussetzung dafür ist aber eben die Qualität der Verkehrspolizei und weiter, daß eine personelle und materielle Ausstattung der Verkehrspolizeikräfte in dem erforderlichen Ausmaß erfolgt und daß die Auswahl, die Ausbildung und der Einsatz nach einheitlichen Richtlinien innerhalb der gesamten Bundesrepublik vor sich gehen.
Wir können zwar feststellen, daß auf dem Gebiet der Verkehrsüberwachung im Laufe der letzten Zeit manches besser geworden ist; aber wir stellen als Verkehrsteilnehmer leider auch immer wieder fest, daß sich die Verkehrspolizei allzu häufig noch auf Nebensächlichkeiten — ich nenne nur das falsche Parken — konzentriert. Man hat manchmal den Eindruck, daß die Verkehrspolizei meint, nur ihr Soll an Beanstandungen erfüllen zu müssen.
Die Frage, die von meinen Freunden an die Bundesregierung und an den Herrn Bundesverkehrsminister gerichtet wird, ist die, inwieweit eine Möglichkeit besteht, durch das Zusammenwirken von Bund und Ländern, eventuell durch einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern, die Voraussetzungen zu schaffen für eine einheitliche Ausbildung und einen einheitlichen Einsatz der Verkehrspolizei, der dringend nötig ist, um mit der jetzigen Unfallsituation fertig werden zu können.
Der zweite Teil unserer Großen Anfrage beschäftigt sich mit einem besonderen Sorgenkind für uns, die wir in der Verkehrspolitik stark engagiert sind, nämlich mit den Überladungen von Lastkraftwagen. Wir haben dieses Thema im Zusammenhang mit der Frage, wieweit man die Ladeabmessungen bei Lastkraftwagen beschränken soll, hinreichend diskutiert. Nun, wir wissen alle den Wert von Statistiken zu schätzen; aber es gibt auch Beispiele
dafür, daß Statistiken mißdeutet oder gar mißbraucht werden können. Ich habe hier eine sehr interessante Statistik vorliegen, die eine Untersuchung der Überladungen bei Lastkraftwagen im Lande Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom 11. März bis zum 31. Oktober 1955 zum Gegenstand hat. Kontrolliert wurden 62 298 Fahrzeuge, und Überladungen wurden bei 42 541 Fahrzeugen, d. h. bei 65 % dieser Fahrzeuge festgestellt. 25 % der Fahrzeuge waren bis 5 % überladen, 15 % zwischen 5 und 10 % und 25 % der Fahrzeuge über 25 %. Das macht natürlich einen erschreckenden Eindruck.
Nun kommt aber folgendes hinzu. Auf Rückfrage bei den zuständigen Ministerien im Lande Nordrhein-Westfalen ist festgestellt worden, daß einmal unter den Schwerlastwagen Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen an einbezogen sind und zum zweiten eine Vorauswahl der zu kontrollierenden Fahrzeuge dadurch stattgefunden hat, daß man mit Funkgerät Hunderttausende oder Millionen Fahrzeuge vorher aussortiert hat, die nach dem Bild, das sie boten, nach dem Druck der Federn und dem Reifenstand Anlaß zu der Vermutung gaben, daß sie überladen sein könnten. Ein Fahrzeug, ein 3 1/2-Tonner eines Sägewerks, hatte sogar eine Überladung von 294 %. Aber, wie gesagt, diese Statistik, so eindrucksvoll sie erscheinen mag, muß mit einer gewissen Reserve aufgenommen werden, da sie durch die Vorauswahl der kontrollierten Fahrzeuge sicherlich nicht ein verallgemeinerndes Bild zuläßt.
Problematisch ist, daß eine Überladung von Fahrzeugen nach der Straßenverkehrs-Ordnung bis zu 10 % erlaubt ist, ein Faktum, das nach unserer Auffassung Anlaß zu ernster Besorgnis gibt. Die Bestimmung müßte eventuell revidiert werden.
Es gibt nach den gesetzlichen Bestimmungen die Möglichkeit, bei Überladungen Geldstrafen und Gefängnisstrafen bis zu drei Monaten zu verhängen. Im Wiederholungsfalle können die Konzessionen entzogen werden. Wie sieht es aber in der Praxis aus? Wir sehen immer wieder, daß selbst in Wiederholungsfällen nach langwierigen Gerichtsverhandlungen Geldstrafen in Höhe von 50, 100 oder 150 DM verhängt werden, Beträge, deren Mehrfaches der Besitzer des Lastkraftwagens bereits bei einer Tour verdient hat. Die Frage, die wir an die Bundesregierung zu stellen haben, ist die, wie man durch häufigere Stichproben mittels transportabler Waagen gegen diese Unsitte des Überladens energischer vorgehen kann und wie man die Sicherheit dafür schaffen kann, daß Fahrzeuge, bei denen Überladungen festgestellt worden sind, an Ort und Stelle abgeladen werden. Wir sind der Überzeugung, daß solche an Ort und Stelle verhängte Strafen bzw. Erfüllungen der gesetzlichen Bestimmungen abschreckender sein werden als langwierige Gerichtsverhandlungen.
Ich komme damit zu dem dritten Teil der Großen Anfrage, die sich mit der Rechtsprechung bei Verkehrsdelikten beschäftigt. Zweierlei möchte ich vorausschicken. Meine politischen Freunde denken nicht im entferntesten daran, etwa die Unabhängigkeit der Richter auf dem Gebiete der Verkehrsrechtsprechung anzutasten. Und wir müssen feststellen — was für manch einen von uns selbst überraschend kam —, daß die Strafbestimmungen in der Straßenverkehrs-Ordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, im Güterkraftverkehrsgesetz und im Strafgesetzbuch durchaus ausreichend sind, um selbst schärfste Strafen zu verhängen. Die Frage ist nur die, ob diese Strafbestimmungen genügend genutzt werden und ob nicht das Mindeststrafmaß, insbesondere in Wiederholungsfällen, verschärft werden muß. Ich habe Gelegenheit gehabt, mich mit Richtern und Staatsanwälten über diese Fragen zu unterhalten. Man hat mir gesagt: „Stellen Sie sich bitte vor, wir haben bei einem kleinen Amtsgericht mehrere Fälle nacheinander zu bearbeiten, da ist eine Unterschlagung, und dann kommt eine Körperverletzung, und als drittes kommt, sagen wir, ein kleiner Verkehrsunfall oder eine Überladung von Kraftfahrzeugen. Bei den ersten beiden Fällen haben wir verhältnismäßig geringe Strafen verhängt — obwohl es sich um eine Unterschlagung und obwohl es sich um eine Körperverletzung gehandelt hat —, und nun kommt jemand, der sein Fahrzeug überladen hat, — was bleibt uns da bei einer solchen Relation praktisch anderes übrig, als auch hier eine verhältnismäßig geringe Strafe zu verhängen?"
Wir begrüßen, daß die Länderjustizminister dazu übergegangen sind, besondere Verkehrsgerichte zu schaffen. Wir meinen, daß die Richter, die über solche Straßenverkehrsdelikte ein Urteil abgeben sollen, Sachverständige im Verkehr sein müssen. Sie sollen nicht nur die Gesetze über den Verkehr kennen, sondern sie sollen auch die Gesetzmäßigkeiten des Verkehrs kennen. Wir haben wahl Anlaß, den Verkehrsrichtern ein Lob auszusprechen, denn die Rechtsprechung hat sich im Laufe der letzten Monate nach Einrichtung dieser Institutionen zweifellos wesentlich verbessert. Die Verkehrsrichter sollen selbst Kraftfahrer sein. Sie haben dadurch, daß sie sich nur mit diesem Fragenkomplex zu beschäftigen haben, Vergleichsmöglichkeiten, und sie können vor allem auch zwischen Bagatellen und wirklichen Verbrechen unterscheiden.
Worauf es uns ankommt und worauf sich die Anfrage konzentriert, die wir an die Bundesregierung zu richten haben, ist die Frage, wie man systematisch zu einem verstärkten Erfahrungsaustausch nicht nur zwischen den Länderjustizministern und dem Bundesjustizministerium und dem Bundesverkehrsministerium, sondern vor allem auch zwischen den Verkehrsrichtern kommen kann. Denn wir müssen heute immer wieder feststellen, daß gleiche Tatbestände in den verschiedenen Landesteilen und von den verschiedenen Verkehrsstrafrichtern völlig unterschiedlich bewertet und völlig unterschiedlich bestraft werden.
Zum anderen möchten wir wissen, ob auf dem Gebiete der Rechtsprechung nicht die Möglichkeit besteht, über die Staatsanwaltschaften, die ja unter dem Einfluß ihrer Länderjustizminister stehen, dafür Sorge zu tragen, daß angemessene Strafen verhängt werden, und daß dort, wo offensichtlich zu geringe Strafen verhängt werden, Rechtsmittel eingelegt und Revisionen beantragt werden.
Das sind die wesentlichsten Gesichtspunkte, die uns bestimmt haben, diese Große Anfrage einzubringen. Ich möchte nochmals im Namen meiner politischen Freunde, und wie ich meine, im Namen des ganzen Hauses die Versicherung abgeben, daß wir uns nach allen Kräften bemühen werden, mit der Exekutive, mit der Bundesregierung, aber auch mit den Länderregierungen und den Länderparlamenten gemeinsam dafür Sorge zu tragen, daß die ungeheure Zahl von Unfalltoten und Unfallverletzten im Laufe der nächsten Jahre verringert wird.